Montag, 25. November 2019

Kalkül der LNA scheint aufzugehen

Libyen/Tripolis. Zermürbungstaktik der LNA schwächt zunehmend Milizen der 'Einheitsregierung'. 


Laut militärischen Beobachtern hat die Libysche Nationalarmee (LNA) im Kampf gegen die Milizen der 'Einheitsregierung' an allen Fronten Erfolge erzielt. Die LNA hat in der letzen Zeit ihre Präzisionsluftangriffe auf Checkpoints, Munitionsdepots und bewaffnete Fahrzeuge intensiviert, um Tripolis, Gharyan und Aziziya einzunehmen. Die Kampfgruppen würden zunehmend in ihre kleinen bewaffneten Milizen zerfallen und durch die mangelnde Koordination geschwächt sein, während die LNA immer mehr Militär in Tarhuna und Aziziya zusammenzieht. Allgemein ist die LNA bedeutend besser organisiert als die Milizen der 'Einheitsregierung' und stimmt ihren Vormarsch mit vorangegangenen Luftangriffen auf allen Fronten exakt ab.

Für die 'Einheitsregierung' verschlechtert sich die militärische Lage zusehends. So hat sich die Tripolis Revolutionary Brigade von der Front zurückgezogen, die Abu-Slim-Brigade von Ghnewa einen Großteil ihrer Streitmacht sowie ihre Ausrüstung durch LNA-Luftangriffe verloren. An der Tripolis-Front kämpfen jetzt vor allem die al-Rada-Miliz und Milizen aus Misrata. Sollte sich ihre Niederlage unmissverständlich abzeichnen, würden sie sich gegen Amnestiezusagen und finanzielle Anreize wohl von der Front zurückziehen. Misrata würde Tripolis aufgeben und sich auf den Schutz der eigenen Stadt konzentrieren. Militärische Beobachter gehen davon aus, dass weder die Tripolis- noch die Misrata-Milizen zu Guerilla-Taktiken übergehen werden.

Insgesamt ist nicht ersichtlich, welche politische Gesamtstrategie die Tripolis-Regierung und ihre Milizen angesichts der aktuellen Lage verfolgen, außer der, die eigenen Pfründe nicht aufgeben zu wollen.
Auch Misrata zeigt sich geschwächt und hat bereits jetzt einen Teil seiner Streitkräfte aus Tripolis abgezogen und nach Misrata und Sirte verlegt. Aufhorchen lässt die Nachricht, dass innerhalb der Misrata-Milizen Uneinigkeit über das weitere Vorgehen besteht. Es kam zum ersten Mal sowohl in Sirte als sogar in Misrata selbst zu Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Misrata-Milizen.

Erst am Montag hatte die LNA erklärt, dass ihre Luftwaffe ein Waffen- und Munitionsdepot sowie eine größere Anzahl gepanzerter Fahrzeuge in Misrata zerstört habe. Diese Fahrzeuge seien mit einem türkischen Schiff im Hafen von Misrata angekommen. Selbstbewusst wies die LNA darauf hin, sie sei in der Lage, alle militärischen Lieferungen für die Tripolis-Regierung aufzuspüren und zu vernichten. Auch heute hat die LNA eine türkische Drohne in Tarhuna abgeschossen, die von Misrata aus gestartet war.
Das Generalkommando der LNA warnte vor der anhaltenden Unterstützung türkischen Militärs für die bewaffneten Gruppen und forderte, dass die Stadt Misrata nicht mehr für militärische Zwecke genutzt wird, um die Sicherheit ihrer Bewohner und Einrichtungen zu gewährleisten.

Eine Gefahr bilden allerdings die radikal-islamistischen Kämpfer, die aus der Libya Islamic Fighting Group (LIFG) hervorgingen und die bei den Kämpfen um Tripolis immer mehr Bedeutung erlangten. Um politisch zu überleben, müssen sie zu immer radikaleren und gewalttätigen Mitteln greifen. Es wird befürchtet, dass sie nach ihrer Niederlage Bombenanschläge und Selbstmordattentate durchführen werden. Unterstützt werden die radikalen Islamisten von Politikern der 'Einheitsregierung', insbesondere vom neu ernannten Bildungsminister Ammari, der sich für die Freilassung von etwa 150 islamistischen Extremisten stark macht, die im Mitiga-Gefängnis einsitzen. Mitglieder der Moslembruderschaft stehen in offener Feindschaft zu Teilen der 'Einheitsregierung' in Tripolis, so zum Außenminister Siala.

Obwohl die LNA zunehmend unter Druck gerät, endlich ihre militärischen Operationen erfolgreich abzuschließen, will sie sich das Tempo nicht vorschreiben lassen. Ihr liegt mehr daran, Tripolis ohne größere Zerstörungen als schnell einzunehmen. Straßenkämpfe, die auch viele Tote und Verwundete nach sich ziehen würden, sollen vermieden werden. Außerdem scheint die LNA und die sie in Libyen unterstützenden politischen Kräfte an einer Nachrkriegsordnung zu arbeiten, die nach dem Sieg der LNA in Kraft treten und den Wiederaufbau des Staates garantieren kann.

Obwohl von etlichen innerlibyschen und ausländischen politischen Akteuren immer noch öffentlich beteuert wird, dass die 'Einheitsregierung' und deren Chef Fayez as-Sarradsch unterstützt werden, dürfte inzwischen allen Mitspielern klar geworden sein, dass es den Milizen der Tripolis-Regierung nicht gelingen wird, ihre Position zu halten. Die mediale Berichterstattung trägt der Realität vor Ort keine Rechnung.

https://www.addresslibya.co/en/archives/51890
https://www.addresslibya.co/en/archives/51910
https://www.libyadesk.com/


Samstag, 23. November 2019



Skandal: Schleuser offizieler Gast in Italien

Libyen/Küstenwache. Obwohl sich die Beweise häufen, dass al-Bidscha in Libyen sein Unwesen als Menschenschmuggler treibt, ist er immer noch Kommandant der Libyschen Küstenwache in Zawiya. 


Al-Bidscha als Gast der italienischen Regierung
Die libysche Online-Plattform AlMarsad veröffentlichte die Teilnehmerliste und die Tagesordnung einer Tagung, die vom 8. bis 12. Mai 2017 in Rom und auf Sizilien stattfand und den Titel „Schulungsbesuch der libyschen Delegation in Italien“ trug. Organisiert hatte die Tagung das italienische Innenministerium in Zusammenarbeit mit der EU, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie des Regionalen Entwicklungs- und Schutzprogramms (RDPP) für Nordafrika. Die Tagung fand im Rahmen des „See- und Wüstenmigrationsmanagements für libysche Behörden zur Rettung von Migranten“ (SEA DEMM) statt.
Skandalös dabei: Auf der Teilnehmerliste findet sich auch der Name des sanktionierten Schleusers, Menschenhändlers und Warlords Abd al-Rahman Salem Ibrahim Milad, auch al-Bidscha (Bija)genannt. Milad beziehungsweise al-Bidscha wurde als Mitglied der Delegation der Libyschen Küstenwache geführt.
In dieser Funktion war al-Bidscha zu Gast im Hauptquartier der IOM in Rom sowie im italienischen Innenministerium, in der Abteilung „Bürgerrechte und Einwanderung“, sowie im italienischen Außenministerium. Gesprächsthemen waren die italienisch-libyschen Beziehungen und die afrikanische Migration über das Mittelmeer.
Al-Bidscha war auch eingeladen zu einem Treffen mit European Union Naval Force – Mediterranean (EUNAVFOR MED) Operation Sophia, um über vergangene und zukünftige Ausbildungsprogramme der libyschen Behörden zu sprechen, ebenso wie zu einem Treffen auf Führungsebene der Abteilung Immigration und Grenzpolizei des Innenministeriums, um bewährte Verfahren der italienischen Polizei zur Bekämpfung illegaler Migration an den Grenzstationen zu erörtern. Zu dem Programm gehörte auch ein Besuch im italienischen Koordinierungszentrum für Seenotrettung der Küstenwache in Rom, wo al-Bidscha einem Vortrag über ein EU-finanziertes Projekt zur Einrichtung einer Zentrale für Seenotrettung und -koordination (MRCC) in Libyen lauschen durfte.
Laut den italienischen Journalisten Nello Scavo und Nancy Porsia fand am Donnerstag, den 11. Mai 2017, ein Treffen zwischen der libyschen Küstenwache und italienischen Geheimdienstbeamten in Cara di Mineo statt, wo sich eines der größten Migranten- und Asylantenlager Europas befindet.
Fotos von diesem Treffen in Sizilien wurden erst letzten Monat in der italienischen Zeitung Avvenire veröffentlicht. Sie zeigen al-Bidscha im Gespräch mit italienischen Geheimdienstbeamten. In den Diskussionen ging es um mögliche Restriktionen, um den Zustrom von Migranten aus Libyen einzudämmen. Wie Scavo und Porsia berichten, nahm al-Bidscha in seiner Funktion als Kommandant der Libyschen Küstenwache an dem Treffen teil.

Al-Bidscha – von den Vereinten Nationen wegen Menschenschmuggels sanktioniert
Wie Avvenire weiter berichtete, ist bekannt, dass al-Bidscha und andere Mitglieder der Küstenwache mit Waffengewalt gegen Migranten-Boote vorgingen und diese auch versenkten. Deshalb wurde im UN-Sicherheitsrat gefordert, das Vermögen al-Bidschas einzufrieren und gegen ihn ein Reiseverbot zu verhängen.
In dem UN-Bericht wird Bidscha als „blutrünstiger Menschenschmuggler“ beschrieben, der nicht nur für Schießereien im Mittelmeer verantwortlich sei, sondern auch verdächtig werde, „für das Ertrinken dutzender Menschen“ die Verantwortung zu tragen. Und er gilt als Kopf einer kriminellen Vereinigung, die in Zawiya, einer Küstenstadt etwa 45 Kilometer westlich von Tripolis, ihr Unwesen treibt.

Behörden in Italien wollen von nichts gewusst haben
Der Menschenhändler al-Bidscha wurde auf der Tagung in Italien im Mai 2017 als Kommandant und Vertreter der libyschen Küstenwache vorgestellt, entsandt von der in Tripolis ansässigen ‚Einheitsregierung‘. Angeblich hätten die Verantwortlichen in Rom nichts von seiner wahren Identität gewusst.
Wie sowohl britische als auch italienische Zeitungen berichteten, stammten die von den Zeitungen veröffentlichten Fotos von einem Teilnehmer des Treffens. Warlord und Menschenschmuggler al-Bidscha sei mit einem Ausweis nach Italien zu dem Treffen eingereist, an dem auch eine nordafrikanische Delegation internationaler Menschenrechtsorganisationen teilnahm, denen wohl kaum bewusst gewesen sein dürfte, neben wem sie da zu sitzen kommen.
Der italienische Journalist Nello Scavo sagte dem Guardian: „Es war in der Vergangenheit immer wieder die Rede gewesen von einer mutmaßlichen Beteiligung von Schleusern an der libyschen Küstenwache. Aber jetzt haben wir die Beweise. Es ist wirklich seltsam, dass der italienische Geheimdienst die Identität von al-Bidscha nicht kannte. Es ist schwer zu glauben, dass sie so unaufmerksam waren.“
Eine weitere Frage, die sich stellt: Wer war in Libyen dafür verantwortlich, dass al-Bidscha als Repräsentant der Küstenwache auf die Besucherliste für Italien kam? Dort dürfte man ja gewusst haben, mit wem man es zu tun hat.

Bidscha von Migranten erkannt
Bidscha wurde auf Sizilien während einer Minibus-Tour auch von einer Reihe Migranten identifiziert, die ihn wiedererkannten.
Der britische Guardian hatte im Oktober 2019 berichtet, dass auf Sizilien drei Männer festgenommen worden waren, die beschuldigt wurden, dutzende von Migranten in einem Internierungslager im Nordwesten Libyens vergewaltigt und gefoltert zu haben. Dazu liegen bei der Staatsanwalt der sizilianischen Stadt Agrigento zahlreiche Zeugenaussagen von Asylbewerbern vor, die ihre ehemaligen Peiniger erkannt hatten, als diese in einem Registrierungscenter in Messina auf Sizilien aufgetaucht waren.
Bei den drei Verhafteten handelte es sich um einen jungen Mann aus Guinea und zwei junge Ägypter. Sie wurden der Folter, Entführung und des Schleusertums beschuldigt. Alle drei arbeiteten im Flüchtlingslager von Zawiya – das Hauptquartier von al-Bidscha.
In einigen Zeugenaussagen fand ein Mann Erwähnung, der sich „Abd al-Rahman“ genannt hatte und für die Überstellung der Migranten an die Küste verantwortlich war. Er soll darüber entschieden haben, wer auf die Boote darf: „Er war gewalttätig und bewaffnet. Wir alle haben ihn gefürchtet“, so ein Zeuge.
Laut The Guardian „liegen der Staatsanwaltschaft in Agrigento Zeugenaussagen von zahlreichen Asylbewerbern aus Nordafrika vor, die angeblich ihre ehemaligen Entführer in einem Migrantenregistrierungszentrum in Messina, Sizilien, wiedererkannt haben: „Als al-Bidscha eintrat, erkannten ihn einige Flüchtlinge und fingen an ‚libysche Mafia!‘ zu rufen.“
Trotz all dieser Anschuldigungen erfreut sich al-Bidscha immer noch des lukrativen Postens als Kommandant der Küstenwache von Zawiya, die der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis untersteht. Diesen Posten soll er der Protektion durch Mohammed und Walid Kachlaf verdanken, die demselben Stamm wie er angehören.

Abkommen zwischen Italien und libyscher Küstenwache verlängert
Wie der britische Guardian berichtete, hatten im Februar 2017 „der damalige italienische Innenminister Marco Minniti (Partito Democratico/PD) und der Vorsitzende der von den Vereinten Nationen anerkannten libyschen Regierung, Fayez as-Sarradsch, ein Memorandum unterzeichnet, in dem die Zusammenarbeit zwischen der libyschen Küstenwache und Italien auf einem neuen Niveau vereinbart wurde. Darunter falle auch die Bereitstellung von vier Patrouillenschiffen.“ Das umstrittene Abkommen, so der Guardian, „befähigte die libysche Küstenwache, Boote von Migranten auf See abzufangen und nach Libyen zurückzubringen. Laut Hilfsorganisationen sind Migranten und Flüchtlinge dort Folter und Misshandlung ausgesetzt.“ Das damalige Abkommen sah vor, dass Italien Geld und Ausrüstung zur Verfügung stellt, um mit Hilfe der libyschen Küstenwache den Zustrom von Migranten an die italienische Küste zu reduzieren.
Die jetzige italienische Innenministerin Luciana Lamorgese hat Ende September 2019 dieses Abkommen bei einem Treffen in Malta mit ihren Amtskollegen aus Frankreich, Deutschland und Malta bekräftigt. Auch Italiens Außenminister Luigi Di Maio (M5S) erklärte, dass Italien das mit Libyen getroffene Abkommen aus dem Jahre 2017 aufrechterhalten werde. Am 2. November trat eine automatische Verlängerung des Abkommens um weitere drei Jahre in Kraft. Dies wurde von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert, auch wenn die italienische Regierung versprach, das Abkommen „unter besonderer Berücksichtigung der Migrationszentren und der dort herrschenden Bedingungen“ zu überarbeiten.

Al-Bidscha bedroht Journalisten
Die beiden Journalisten, Nello Scavo und Nancy Porsia, deren Artikel im Avvenire so viel Staub aufwirbelte, stehen mittlerweile unter Polizeischutz, da sie nach dem Erscheinen des Artikels massiv von al-Bidscha bedroht wurden. Bidscha drohte auch mit Klagen gegen die Journalisten. Mittlerweile hat die italienische Journalistengemeinschaft ihre Solidarität mit Scavo und Porsia erklärt und gefordert, dass die Ermittlungen bezüglich der Teilnahme des Menschenschmugglers Bidscha an dem Treffen in Italien im Jahre 2017 von den italienischen Behörden weiter verfolgt werde.

Enge Zusammenarbeit zwischen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und Italien
Währenddessen nutzt al-Bidscha bis heute die Großzügigkeit der EU, die unter dem Deckelmäntelchen der ‚Einheitsregierung‘ agiert, und al-Bidscha weiterhin ungestraft sein kriminelles und lukratives Schlepper-Geschäft in Zawiya betreiben lässt – trotz der gegen ihn verhängten UN-Sanktionen.
Der Innenminister der libyschen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis Fathi Bashagha sagte, dass nach al-Bidscha gefahndet werde und der Küstenwache ein entsprechender Haftbefehl übermittelt worden sei. Dem widersprach der für den westlichen Küstenabschnitt Verantwortliche Mohammed Saqer: Bei der Küstenwache sei kein Haftbefehl gegen al-Bidscha eingegangen.
Und wie glaubwürdig ist es, dass die italienischen Geheimdienste jede Kenntnis über die kriminellen Umtriebe von Abd al-Rahman Milad lias al-Bidscha bestreiten und ihn die italienischen Behörden sogar nach Italien eingeladen haben?

Al-Bidscha bestreitet alle Vorwürfe
Trotz der erdrückenden Beweise und der gegen ihn vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen, erschien al-Bidscha in seiner Marinekapitänuniform vor den Kameras des italienischen Nachrichtensenders La7 zu einem Interview mit der Journalistin Francesca Mannocchi. Die Sendung wurde im Hauptquartier der Küstenwache in Zawiya aufgenommen. Al-Bidscha sagte, dass er weiterhin innerhalb der libysche Küstenwache für die von den Vereinten Nationen anerkannte ‚Einheitsregierung‘ tätig sei. Dass sein Name auf den Sanktionslisten des UN-Sicherheitsrats geführt werde, sei ein Irrtum und beruhe auf falschen Presseberichten und feindseligen Facebook-Posts.

Forderung nach Stopp der Zusammenarbeit mit libyscher Küstenwache
Die italienische Ärztin Valeria Alice Colombo sagte, es sei zutiefst unmoralisch, mit Schleusern, Milizen und Menschenschmugglern zusammenzuarbeiten, um Menschen, die aus der libyschen Gefängnishölle entfliehen konnten, wieder dorthin zurückzubringen: „Es gibt wichtige Gründe, warum wir nicht mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten werden. Migranten nach Libyen zurückzubringen, stellt keine Rettung dar, sondern ist illegal – geht man nach dem Völkerrecht und grundsätzlichen humanitären Prinzipien aus. Dies ist ein Verbrechen gegen die Menschenrechte, das wir nicht tolerieren können. Egal was es kostet.“

https://almarsad.co/en/2019/11/07/exclusive-more-evidence-that-trafficker-al-bija-attended-training-in-italy/
https://www.avvenire.it/attualita/pagine/dalla-libia-al-mineo-negoziato-boss-libico
https://www.theguardian.com/world/2019/oct/04/human-trafficker-at-meeting-italy-libya-migration-abd-al-rahman-milad
https://www.facebook.com/ObservatoryLY/videos/885586651876691/?_rdc=1&_rdr

Justizposse: Die Anklage gegen Saif al-Islam

Libyen/IStGH. Eintreten der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis für Auslieferung Saif al-Islam Gaddafis an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag löst allgemeine Empörung aus. 


Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) beendete am Dienstag, 12.11.2019, eine Anhörung, die sich mit dem Antrag der Verteidigung von Saif al-Islam Gaddafi befasste, das Verfahren gegen Saif al-Islam einzustellen.
Die Anwälte Saif al-Islam Gaddafis hatten am 5. Juni 2018 beim IStGH eine Unzulässigkeitsklage eingereicht. Die Begründung lautete, dass Saif al-Islam Gaddafi am 12. April 2016 aufgrund eines libyschen Amnestiegesetzes aus dem Gefängnis in Zinten entlassen worden ist. Da der Fall vor einem libyschen Gericht verhandelt worden war, sei der IStGH nicht mehr zuständig, da Saif Gaddafi auch nicht zweimal wegen der gleichen Sache angeklagt werden könne.

Daraufhin hatte im November 2018 die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Den Haag erklärt, den Haftbefehl gegen Saif al-Islam nicht aufzuheben. Der IStGH bestehe auf seiner Festnahme und Auslieferung nach Den Haag.
An der jetzigen Anhörung nahm der Justizminister der von Sarradsch geführten ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Mohamed Lamloum, teil. Lamloum nahm zu dem allgemeinen Amnestiegesetz in Libyen Stellung und bestritt, dass für Saif al-Islam die Bedingungen für die Gewährung der Amnestie gegeben seien, da die Angehörigen der Opfer, für die Saif al-Islam verantwortlich sei, ihm nicht verziehen hätten. Al-Dschehani, der ebenfalls für die ‚Einheitsregierung‘ an der Anhörung teilnahm, kündigte die Zustimmung der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis an, den Sohn Muammar al-Gaddafis an den IStGH auszuliefern, damit dieser wegen ‚Kriegsverbrechen‘ vor Gericht gestellt werden kann.
Lamloun gab während der Anhörung zu verstehen, dass sich die ‚Einheitsregierung‘ nicht in der Lage sehe, Saif al-Islam festzunehmen.

Der libysche Anwalt von Saif al-Islam Gaddafi, Khalid al-Ghuwail, erklärte, dass die Anklage keine legale rechtliche Grundlage habe, sondern dass es sich um einen politischen Prozess handle, der auf falschen Anschuldigungen beruhe. Saif al-Islam Gaddafi hatte in der Gaddafi-Zeit und der Dschamahirija-Regierung keinerlei offiziellen Ämter inne, sondern agierte als Zivilist.
Dr. Aref  Nayed, der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Libya Institute for Advanced Studies (LIAS), sagte, dass die in Tripolis ansässige ‚Einheitsregierung‘ wieder einmal die nationale Souveränität Libyens aufs Spiel setze, wenn sie zustimmt, dass Saif al-Islam Gaddafi in Den Haag und somit außerhalb der libyschen Gerichtsbarkeit der Prozess gemacht werden soll.
Dies sei laut Dr. Nayed katastrophal, weil die ‚Einheitsregierung‘ wiederum dem 2014 demokratisch gewählten libyschen Parlament die Legitimität abspreche. 2015 habe das Parlament ein Gesetz zur Generalamnestie verabschiedet. Dies habe einen Hoffnungsschimmer für eine nationale Aussöhnung und für Toleranz im Land bedeutet: „Die Missachtung der nationalen Justiz, die Zerstörung ihrer Gerichtsbarkeit, die Missachtung des libyschen Gesetzgebers und der nationalen Gesetze sowie die Auslieferung eines libyschen Bürgers sind grundsätzlich inakzeptabel“.

Allerdings sei dies nicht überraschend „für eine nicht gewählte Regierung, der das Schicksal der Libyer gleichgültig sei und die ein Monopol für die Lebensgrundlagen des libyschen Volkes hat, die es seit über vier Jahren verprasst, ohne jemals vom gewählten Parlament bestätigt worden zu sein und vor dem es niemals den Verfassungseid abgelegt habe. Diese verfassungswidrige Regierung zeige gegenüber dutzender Urteile, die die libysche Justiz gefällt hat, nur Respektlosigkeit und Arroganz.
Auch Gaddaf al-Dam, ein Cousin von Saif al-Islam und politischer Führer der Libyschen Nationalen Kampffront (LNSF) wertet die Zustimmung der ‚Einheitsregierung‘ zur Auslieferung Saif al-Islams an den IStGH als Landesverrat. Er bezeichnete das Verhalten von Lamloum und al-Dschehani, die für die Auslieferung eines libyschen Staatsbürgers an den IStGH eintraten, als eine „Demütigung des libyschen Volkes“.
Saif al-Islam Gaddafi wurde im November 2011 von einer Miliz aus Zinten im Westen Libyens gefangen genommen, nachdem der Fahrzeugkonvoy, mit dem er unterwegs war, von Nato-Flugzeugen beschossen worden war. Er zog sich dabei schwere Verletzungen an der rechten Hand zu, die zur Amputation seiner Finger führten.

Obwohl im November 2013 die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen offiziell bekanntgab, dass Saif al-Islams Gaddafis Verhaftung ein Willkürakt („arbitrary“) gewesen sei, wurde er über fünf Jahre in Zinten gefangen gehalten.
Am 28. Juli 2015 wurde Saif al-Islam zusammen mit anderen politischen Gefangenen in Abwesenheit von einem islamistischen Gericht in Tripolis zum Tode verurteilt. Der Prozess wurde allgemein als unfair und nicht den internationalen juristischen Normen entsprechend bezeichnet. Zinten weigerte sich, Gaddafi nach Tripolis zu überstellen.
2017 wurde Saif al-Islam aufgrund des Gesetzes 6/2014, bekannt als ‚Generelles Amnestiegesetz‘, das vom Parlament in Tobruk erlassen und vom Justizministerium ratifiziert worden war, aus der Gefangenschaft in Zinten entlassen.

Der IStGH hatte im Juni 2011 drei Haftbefehle ausgestellt: gegen Muammar Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam Gaddafi und den Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi. Saif al-Islam Gaddafi war vorgeworfen worden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.
2017 warf Der Spiegel[1] dem damaligen Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, vor, er habe sich 2011 schwere Verfehlungen zuschulden kommen lassen. Ocampo hatte die Aufgabe, in Libyen wegen Kriegsverbrechen zu ermitteln. Er erließ drei Haftbefehle: gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und den Geheimdienstchef Abdullah Sanussi.

Ocampo hatte nicht vor Ort ermittelte, um forensische und dokumentarische Beweise zu sammeln, sondern stattdessen parteiisch für den Westen Stellung bezogen. Belegt ist ein Telefongespräch mit dem französischen Außenministerium, in dessen Verlauf er Informationen weitergab, die nur für den Gerichtshof bestimmt waren. Der Spiegel: „In der Depesche schrieben die Franzosen einen für Ocampo fatalen Satz: >Der Chefankläger versteht sich nicht als unabhängiger Staatsanwalt, sondern als ein juristisches Organ, das den Anweisungen des Sicherheitsrats Folge leistet.< […] Aus Ocampos Schriftverkehr geht hervor, dass er mit den Franzosen und Briten Absprachen traf und sich als Teil der Anti-Gaddafi-Koalition gerierte.“
Der Spiegel zitiert den deutschen Völkerrechtler Hans-Peter Kaul, der seinen Richterposten in Den Haag 2012 aufgab, mit den Worten: „Er hat uns problematische Zeugen präsentiert, die nichts beitragen konnten, die nichts wussten. Auch war die juristische Argumentation oft dürftig.“ Der Spiegel zieht das Fazit, dass Ocampo mit seiner einseitigen Parteinahme im Libyenkrieg „den Gerichtshof mit seinem Aktivismus zum Spielball politischer Interessen gemacht“ hat.

Frau Bensouda bewegt sich in den Fußstapfen Ocampos, und dürfte ihre Handlungsanweisungen ebenfalls von der „Internationalen Wertegemeinschaft“ erhalten. Das Festhalten an dem Haftbefehl für Saif al-Gaddafi dient einzig und allein dazu, ihm die Rückkehr in die politische Arena in Libyen zu erschweren.
Zur Anklage des IStGH nahm Saif al-Islam Gaddafi in einem Papier wie folgt Stellung:

„2011 erließ der IStGH Haftbefehle gegen Muammar Gaddafi, Saif al-Islam Gaddafi und Abdullah al-Senussi. Sie wurden für angeblich in Libyen begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Trotz der Schwere der Anschuldigungen hat der IStGH keinerlei Untersuchungen vor Ort (in Libyen) vorgenommen. Stattdessen hatte er nur zwei Wochen nach dem UN-Beschluss seine Schlussfolgerungen gezogen und die Täter identifiziert. Der IStGH konnte somit seine Arbeit fortsetzen. Die vorgegebene Zeit für das Verfassen der Anklageschrift wurde nicht eingehalten. Die tatsächlich aufgewendete Zeit hätte nicht einmal ausgereicht, um einen Verkehrsunfall zu untersuchen und zur Verurteilung zu bringen.
In diesem Zusammenhang stellte der libysche Regierungskoordinator des IStGH, al-Dschehani, fest: „Der IStGH-Fall gegen Libyen war rein politischer Natur, denn die Nato-Länder hatten den National Transitional Council (NTC) aufgefordert, für den IStGH eine Liste von Offiziellen zu erstellen, gegen die Anklage wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit erhoben werden soll.“ Der NTC beauftragte al-Dschehani, diese Liste zu erstellen. Zehn Personen wurden auf diese Liste gesetzt, von denen der IStGH nur die drei oben genannten auswählte.
In seiner Stellungnahme sagte al-Dschehani, dass alle Anschuldigungen erfunden waren. Er legte seine Sicht auch bei einem Treffen mit Saif al-Islam dar und sagte ihm, dass es für die libysche Justiz unmöglich sei, ihn schuldig zu sprechen. Al-Dschehani fügte hinzu, dass sie (al-Dschehani und sein Team) diesen Fall gegen ihn nur erfunden hätten, weil sie schon im Voraus wussten, dass – was die Anschuldigungen bezüglich Menschenrechtsverbrechen betrifft – dieser Fall ein verlorener Fall sein wird, aber er wurde aufrecht erhalten, damit Saif al-Islam in Verbindung mit Finanz- und Korruptionsfälle gebracht werden konnte. Al-Dschehani hat seine Erfindungen und Lügen damit gerechtfertigt, dass solche Lügen während eines Krieges statthaft seien, sie vor einem Gericht aber keinen Bestand hätten (al-Dschehanis Stellungnahme ist dokumentiert: 1.1.2012, Gerichtshof al-Zinten).
Der IStGH wandte im libyschen Bürgerkrieg und bei der Nato-Intervention doppelte Standards an. Während man libysche Politiker mit erfundenen Verbrechen in Verbindung brachte, wurde der barbarische Mord an Gaddafi und seinem Sohn al-Mutassim durch von der Nato unterstützte Milizen ignoriert und auch nicht verurteilt.[2]

Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass die Liste der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Milizen begangen wurden, die der ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch in Tripolis unterstehen, länger und länger wird. Für all diese Verbrechen gibt es Beweise. Hier sei nur an die kaltblütige Ermordung von vierzig verwundeten LNA-Soldaten von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ im Krankenhaus von Garyan genannt.[3] Wo bleibt der Aufschrei der sogenannten internationalen ‚Wertegemeinschaft‘? Wo der IStGH-Haftbefehl gegen die Verantwortlichen?

https://aawsat.com/english/home/article/1989776/libyas-gna-backs-gaddafi-son%E2%80%99s-trial-icc
https://aawsat.com/english/home/article/1991346/libyan-activists-refuse-hand-over-saif-al-islam-gaddafi-icc
https://almarsad.co/en/2019/11/12/aref-nayed-the-gna-violated-national-sovereignty-with-its-acceptance-of-saif-al-islam-trial-outside-libya/
[1] Der Spiegel 40/2017, „Auf der falschen Seite“, von Sven Becker, Marian Blasberg, Dietmar Pieper
[2] https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-philippika-von-saif-al-islam-gaddafi
[3] https://www.freitag.de/autoren/gela/kriegsverbrechen-der-einheitsregierung


Montag, 11. November 2019



LNA weist Unterstellungen von sich

Libyen/LNA. Anschuldigungen von UN-Sondergesandten Salamé und ‚Einheitsregierung‘, zivile Flughäfen anzugreifen, weist die Libysche Nationalarmee als absurd zurück.


Das Generalkommando der Libyschen Nationalarmee (LNA) veröffentlichte am 2. November eine Presseerklärung zu den „ständigen und absurden Versuchen“ der UN-Sondermission (UN-SMIL) und der sogenannten ‚Einheitsregierung‘, „die öffentliche Meinung in die Irre zu führen“ bezüglich der LNA-Luftangriffe auf den militärischen Bereich des Mitiga-Flughafens bzw. Mitiga-Luftwaffenstützpunktes.
Der Leiter der UN-SMIL, Ghassan Salamé, hatte in Begleitung des Innenministers und des Verkehrsministers der ‚Einheitsregierung‘ von Tripolis am 29. Oktober 219 den Mitiga International Airport inspiziert und anschließend die Angriffe der LNA auf den Mitiga-Airport verurteilt.
Laut der LNA handelte es sich dabei um einen medialen Manipulationsversuch mittels der Verfälschung von Tatsachen.

Tatsächlich sei der zivil genutzte Bereich nur ein kleines Areal auf dem großen Militärflugplatz des Mitiga-Luftwaffenstützpunkts. Auf dem militärisch genutzten Luftwaffenstützpunkt habe die Türkei ihre Killerdrohnen stationiert.

Es sei nicht gesagt worden, dass der ‚zivile‘ Mitiga-Flughafen nur auf einem sehr kleinen Teilstück des großen Mitiga-Luftwaffenstützpunktes eingerichtet wurde. Auf dem Luftwaffenstützpunkt selbst befinden sich, wie auch im Internet auf Karten und Fotos zu sehen ist, militärische Einrichtungen, Hangars, Kampfhubschrauber und Düsenjäger. Bis zur libyschen Revolution 1969 hieß der Mitiga-Luftwaffenstützpunkt Wheelus Air Base und war nicht nur die größte US-Airbase im damaligen Königreich Libyen, sondern auch die größte US-Militäranlage außerhalb der USA.

Die Airbase, der Flughafen und alle weiteren auf dem Gelände untergebrachten Anlagen befänden sich noch immer unter der Kontrolle der Miliz Special Deterrence Force (SDF, ehemals RADA). Die Behauptung des ‚Innenministers‘, sein Ministerium könne die Airbase sichern, sei daher nachweislich falsch, da seine Befehle ignoriert und der Staat durch die Miliz ausgeplündert werde.

Die Luftwaffe der LNA habe Präzisionsangriffe auf militärische Anlagen des Mitiga-Luftwaffenstützpunktes durchgeführt, da von dort aus türkische Drohnen gestartet seien, um Angriffe auf LNA-Truppen zu fliegen. Auch der Start eines Ambulanzflugzeuges vom Mitiga-Militärstützpunkt mit verletzten türkischen Militärs an Bord sei ein Beweis für den militärischen Charakter der Anlage und gebe einen Hinweis auf den Umfang, den die türkische Militärintervention in Libyen schon erreicht habe. Die Türkei nutze insbesondere die Mitiga-Airbase, den Flughafen von Zuwara und den Luftwaffenstützpunkt von Misrata.

Da die LNA stets bestrebt sei, das Leben von Zivilisten zu schützen und der libyschen Bevölkerung auch in westlichen Gebieten zivile Flugreisen zu ermöglichen, seien niemals die zivilen Flughafeneinrichtungen von Tripolis, Misrata oder Zuwara ins Visier genommen worden, obwohl bekannt sei, dass diese Flughäfen für militärische Zwecke sowie für die Einreise von Terroristen und Söldnern aus der ganzen Welt genutzt würden, die auf Seiten der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ und anderer bewaffneter Gruppen kämpften.
Bei der Inspektion des Flughafens sei der böswillige Versuch unternommen worden, den planlosen Artillerie- und Raketenbeschuss durch Milizen und bewaffneten Gruppen in Tripolis, die für die Erweiterung ihres Einflussbereiches gegeneinander kämpften oder gemeinsam die ‚Einheitsregierung‘ erpressen wollten, um mehr Gelder, Waffen und logistische Hilfen zu erhalten, der LNA anzuhängen.

Diese Unterstellungen hätten das Ziel, die Aufmerksamkeit von den tatsächlichen Tätern abzulenken. Denn würden die wahren Täter bekannt, müssten daraus Konsequenzen gezogen werden. Ghassan Salamé wurde daran erinnert, er habe noch im September 2018 die Zusage gegeben, die Identität der Täter des damaligen Beschusses von Mitiga-Airport der Öffentlichkeit und auch dem Internationalen Strafgerichtshof mitzuteilen.
Dies war lange bevor die LNA am 4. April 2019 ihre Operation gegen Milizen und Terrorgruppen in Tripolis startete.
Die Libysche Nationalarmee und ihr Generalkommando legen Wert auf die Feststellung, dass die LNA eine hochdisziplinierte staatliche Einrichtung ist, die für jede von ihr angeordnete Militäroperation die Verantwortung übernehme. Ihr offizieller Sprecher informiere die Öffentlichkeit regelmäßig über alle durchgeführten Operationen. Einsatzbefehle würden von Befehlshabern der LNA erst nach sorgfältiger Prüfung der nachrichtendienstlichen Informationen erteilt und von den jeweiligen Militäreinheiten professionell und verantwortungsvoll ausgeführt; dies erfolge im Sinne der nationalen libyschen Sicherheit und sei weder verhandelbar noch offen für Zugeständnisse.

https://almarsad.co/en/2019/11/02/exclusive-lna-communique-in-response-to-salame-statement-on-mitiga/

Donnerstag, 7. November 2019



Warum sich die Erstürmung Tripolis verzögert

Libyen/LNA. Hinter den Kulissen werden regionale und internationale politische Fäden gezogen und die Karten neu gemischt. 



Ein Artikel, der die aktuelle militärische Situation in und um Tripolis erhellt, wurde am 1. November 2019 auf Internationalist 360° veröffentlicht.[1] Hier seine Übersetzung.
"Kommentar der Redaktion:
Ein weiterer wichtiger Grund für die Verzögerung, der allerdings in dem Artikel nicht angesprochen wird, sind die miteinander konkurrierenden Interessen der ausländischen Akteure. Die NATO-Staaten versuchen immer noch, Spaltung und Konflikte für ihre kolonialen Ambitionen auszunutzen und Ressourcen auszubeuten.

Ungeachtet der Menge und der Schwere der dokumentierten Verbrechen der von der UNO und der NATO eingesetzten Regierung in Tripolis und ihrer Bündnisse mit terroristischen und kriminellen, transnationalen Organisationen bestehen die Vereinten Nationen weiterhin darauf, deren Status als „international anerkannte Regierung“ aufrechtzuerhalten und die Legitimität der gewählten Regierung zu ignorieren.

Die Milizen mit friedlichen Mitteln zu entmachten, würde bedeuten, das dahinter stehende Regime seines Anscheins von Legitimität zu entkleiden. So bleibt als einzige Lösung die militärische Option. Und, was noch wichtiger ist, es ist der Weg, den das libysche Volk gewählt hat.
Im August erklärte die Armee: „Bei dem Kampf geht es nicht um die Befreiung von Tripolis, sondern um die Beseitigung des Terrorismus. Dies bedeutet, die erfolgreiche Strategie anzuwenden, die Milizen aus der Hauptstadt zu locken, um Tripolis die Geißel des Krieges zu ersparen und die Zivilbevölkerung zu schützen.“
Genau dies geschieht jetzt.
Siehe auch:
https://libya360.wordpress.com/2019/06/12/libya-what-the-elected-house-of-representatives-asks-of-the-international-community/
https://libya360.wordpress.com/2016/05/24/understanding-libya-part-ii-interview-with-alexandra-valiente/
auf deutsch: https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-verstehen-teil-ii

---


Am 4. April 2019 begann die Operation Flood of Dignity (Flut der Würde) der Libyschen Nationalarmee mit dem Ziel, Tripolis von terroristischen Gruppen und bewaffneten Milizen zu befreien. Lokale, regionale und internationale Gründe waren für diese Entscheidung des Generalkommandos der Streitkräfte ausschlaggebend, der schwerwiegendste Grund war das Eiltempo, mit dem ein türkischer Vorstoß unternommen wurde, um terroristische Milizen mittels Ausbildung und Waffen zu unterstützen sowie der Transfer von Kämpfern aus Syrien in die Gebiete Westlibyens.
Viele fragen: Wie ist der Stand der Kämpfe? Die Warlords werden darauf antworten, dass ihre Milizen standgehalten haben und Haftars Streitkräfte daran gehindert wurden, die Hauptstadt zu erobern; dass sie einen „Militärputsch“ gegen den „Zivilstaat“ verhindert hätten und dass die „Invasoren“ Verluste an Leben und Ausrüstung erlitten hätten.

Die Aussage der libyschen Nationalarmee dagegen lautet, dass sie nur noch wenige Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt ist, wichtige strategische Positionen in der Umgebung eingenommen hat, nun den Luftraum, auch im Westen, kontrolliert und dass es gelungen ist, den Milizen große Verluste zuzufügen. Die wichtigsten terroristischen Kommandanten seien erledigt, die Treffer bei Bombardierungen in der Stadt Misrata und beim Angriff auf feindliche Positionen im Zentrum von Tripolis hoch gewesen. Der türkischen Intervention ist Einhalt geboten worden, indem ihre Stellungen und Einsatzzentren bombardiert wurden.
Der Armee gelang es, ihr Hauptquartier in Tarhouna, einer der wichtigsten Städte im Westen des Landes, zu errichten und ihre Standorte in Sahran, Sabrata, Aziziya sowie in den meisten Gebieten rund um Tripolis und auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Watiya auszubauen, um diese wichtigen Stellungen vor Einflüssen aus den westlichen Bergen zu schützen. Die Straße von al-Dschafra in den Süden wurde abgeschnitten und viele Kämpfer aus der östlichen Region, die nach den Niederlagen in den Kämpfen um Adschdabiya, Bengasi und Derna in den Westen des Landes geflohen waren, eliminiert.
Die Armee spräche auch von der erfolgreichen Wiederherstellung ihrer nationalen Legitimität, da sie Kämpfer verschiedener Seiten und unterschiedlicher libyscher Städte, Dörfer und Stämme unter ihrer Fahne versammelt hat, um eine nationale Aussöhnung zu bewirken, die den historischen Werdegang der Streitkräfte respektiert; sie beteiligte sich an den Kämpfen mit einer eindeutigen Militärdoktrin und einer professionellen Hierarchie, durch die sie die Anerkennung staatlicher Institutionen wiedererlangt.

Was die Verzögerung bei der Befreiung von Tripolis betrifft, scheint das Problem knifflig zu sein, und die zuständigen Stellen halten Details zurück. Klar ist: Was in Libyen vor sich geht, entspricht dem, was in der gesamten Region und auf der Welt vor sich geht. Einflussreiche internationale Mächte unterstützen die Operationen der libyschen Armee, haben aber Vorbehalte. Es kommt daher zu keinen verbindlichen Entscheidungen bezüglich der Einstellung der Feindseligkeiten oder der Verurteilung des Vormarschs der Armee. Es ist kein Geheimnis mehr, dass das Generalkommando der Streitkräfte in den meisten Regierungsstädten akzeptiert wird, einschließlich Washington, das heute nicht nur bei kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern auch in Bezug auf die politische Entscheidungsfindung die wichtigste Macht ist – nach dem der Präsidialrat versagt hat und sein Vertrauen in Terroristen und Söldner bei der Abwehr der Flood of Dignity setzte.

Es ist aber auch klar, dass es von der Welt gewollt ist, dass die Armee so viele Milizen und Terrorgruppen wie möglich eliminiert und deren Potential erschöpft, bevor sie die Hauptstadt einnimmt.

Keine der Großmächte kann Bewaffnete, die außerhalb des Gesetzes stehen, oder Warlords, die den Wiederaufbau des Staates behindern, verteidigen, ebenso wenig wie sie eine Regierung verteidigen kann, die sich hinter Söldnern, Terroristen, Kriegsverbrechern, Menschenhändlern und Dieben versteckt, die auf die Plünderung öffentlicher Gelder spezialisiert sind.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich die Welt bewusst ist, wie die Milizen beschaffen sind, die Tripolis beherrschen. Die meisten Regierungen mit Einfluss in der Region oder international, wollen die Zerstörung der Milizstruktur und die Liquidation ihrer Kommandeure. Zur Erfüllung dieser Aufgabe haben sie der Armee freie Hand gegeben. Allerdings stellt dies gleichzeitig eine Bewährungsprobe für die Streitkräfte dar.
Die libysche Nationalarmee hat die militärische Stärke, sofort in die Hauptstadt vorzurücken. Aber diese Stärke hatte sie bereits bei Beginn der Operation. Auch ist es kein Geheimnis, dass Spezialeinheiten in der Lage wären, auf dem gesicherten Marinestützpunkt zu landen, auf dem sich der Präsidialrat aufhält. Sie könnte auch in al-Omran in Straßenkämpfe mit Milizen eintreten, die eine wichtige Rolle in Bengasi und Derna spielten.

Die Entscheidung über eine endgültige Zerschlagung der Milizen, was den Weg nach Tripolis öffnen und das Vorrücken in die Hauptstadt ermöglichen würde, kann nicht allein vom Generalkommando getroffen werden, sondern ist eine Entscheidung von regionalen und internationalen Mächten, die noch nicht endgültig gefällt wurde.
Der Grund für die Verzögerung der Entscheidung ist, dass die Welt nicht will, dass in Tripolis ein Bürgerkrieg ausbricht und die Stadt zu einem neuen Beirut, Kabul, Mogadischu oder Sarajevo wird. Deshalb ist es notwendig, dass der Einzug in die Hauptstadt erst der letzte Schritt der Armee ist, nachdem die al-Wefaq-Kämpfer entkräftet sind.

Heute, nach sechs Monaten, ist es der Armee gelungen, mehr als die Hälfte des Milizenpotenzials zu zerstören. Noch wichtiger ist jedoch, dass sie die Lufthoheit erlangt hat und das Land zu einer Falle für Terroristen wurde. Die Welt ist gezwungen, all diese Erfolge anzuerkennen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Streitkräfte Tripolis stürmen. Aber Konferenzen und Meetings zielen vorrangig auf die Ausgestaltung des politischen Tableaus nach diesem Sieg: jede Seite ohne Milizen, aber mit den Kräften, die sie in der darauf folgenden politischen Phase unterstützen möchten."
[1] https://libya360.wordpress.com/2019/11/01/libya-reasons-for-the-delay-in-storming-tripoli/?fbclid=IwAR0EMgFnRSLri7ggmAwjQMe9XMEdyUIxsqI8_3kYOhgLL50KvcSTD1tkL5Q

Dienstag, 5. November 2019



Empörung über Erdogan-Rede

Libyen/Türkei. Erdogan stellt sich in einer Rede gegen die Souveränität Libyens. 

Anlässlich der Eröffnung des türkischen TRT World Broadcaster Forums am 21. Oktober 2019 in Istanbul sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede, die Türkei strebe danach, in Libyen und Syrien die gleichen Rechte wiederzuerlangen, die es während der Zeit des Osmanischen Reiches in diesen Ländern ausübte.

Das Osmanische Reich beherrschte Libyen über Jahrhunderte, von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1912. Libyen war zu einer Provinz des Osmanischen Reiches geworden, gegen das sich die libyschen Stämme immer wieder in Aufständen erhoben.[1] Erst mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches ging auch dessen Herrschaft über Libyen zu Ende, allerdings wurde der türkische Kolonialismus nur vom italienischen abgelöst.
Die Aussage Erdogans bedeutet nichts anderes, als dass sich Erdogan zu einem neuen ‚Sultan‘ aufschwingen möchte, der Libyen und Syrien zu Provinzen eines neuen türkischen Großreiches macht. Und dies mit Unterstützung weiter Teile der EU.

Doch das politische Blatt hat sich gewendet. Die Türkei steht auf der Verliererseite. Der Regimechange in Syrien ist gescheitert. In Libyen steht die von der Moslembruderschaft mit ihren engsten Verbindungen zu Erdogan getragene ‚Einheitsregierung‘ kurz vor dem Aus.

Der Frust bei Erdogan dürfte beachtlich sein, hatte die Türkei doch sehr viel in den ‚Umbau‘, besser gesagt in die Zerstörung Libyens und Syriens investiert. Seit 2011 kamen Waffen und Kämpfer über die Türkei nach Syrien und Libyen, insbesondere al-Kaida geschulte Milizionäre. In Libyen dienten vor allem der Hafen und Flughafen der Stadt Misrata auf Grund ihrer Bevölkerungsstruktur als Anlaufstationen. In Misrata leben viele Nachkommen der ehemaligen osmanischen Besatzer. Bei den Kämpfen um Tripolis im Jahre 2014 taten sich Misrata-Milizen als besonders blutrünstig und brutal hervor und zogen den Hass der Bevölkerung auf sich.
Außerdem diente die Türkei als wichtiger Treffpunkt für Konferenzen mit Islamisten wie Abdelhakim Belhadsch, wurden dort Pläne geschmiedet, auch für die Ausschaltung und Ermordung von libyschen Offizieren der Gaddafi-Zeit. Der dabei auch anwesende ehemalige deutsche UN-Sondergesandte Martin Kobler war sich nicht zu schade, auf Twitter diese ‚guten Diskussionen‘ zu rühmen, die zum Ziel hatten, die Moslembruderschaft in Libyen an die Macht zu bringen.[2]

Die Türkei war und ist ein sicherer Unterschlupf für Dschihadisten, deren verwundete Kämpfer hier auch medizinisch behandelt werden. Hinter allem steht das Geld aus Katar. Es muss die Türkei sehr schmerzen, dass all diese jahrelangen Bemühungen umsonst gewesen sind und die Träume eines neuerlichen türkischen Großreiches begraben werden müssen.

In einer Pressemitteilung verurteilte die Nationale Bewegung für Libyen (National Movement for Libya/NML) schärfstens die Aussagen Erdogans, dessen Rede sich gegen die Souveränität Libyens gerichtet habe und die abscheulichen Kolonialzeiten wiederbeleben wolle. Die Türkei habe keinerlei Rechte in Libyen. Eine Welle empörten Protestes ging durch ganz Libyen, denen sich hochrangige Vertreter des libyschen Volkes und viele Institutionen anschlossen. Es wurde an den Zusammenhalt aller Libyer appelliert.
Ein Protestbrief erreichte zwischenzeitlich auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres.

Der Plan, nachdem die Moslembrüder die politische Macht in Libyen erhalten sollten, um dafür dem Westen genehme Wirtschaftsverträge abzuschließen, darf als gescheitert angesehen werden. Es wird keine neokolonialistische Inbesitznahme Libyens geben. Wir schreiben bald das Jahr 2020.

[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/osmanische-herrschaft-in-libyen
[2] https://www.freitag.de/autoren/gela/dschihadisten-sollen-in-libyen-an-die-macht
https://almarsad.co/en/2019/10/23/national-movement-for-libya-erdogans-speech-violates-libyas-sovereignty/

Montag, 4. November 2019



Kriminelle halten Sarradsch an der Macht

Libyen. Die gegenseitige Abhängigkeit von ‚Einheitsregierung‘ und kriminellen Schleuserbanden. 


Ein bezeichnendes Licht auf die Arbeit der libyschen Küstenwache lieferte ein Vorfall mit dem deutschen Rettungsschiff Alan Kurdi, der sich kurz vor dem Besuch des deutschen Außenministers Maas vor der Küste der libyschen Stadt Zuwara ereignete. Das Schiff hatte Migranten an Bord als es von drei libyschen Schiffen der Küstenwache bedrängt wurde. Die Menschen sprangen in Panik ins Wasser. Bei der anschließenden Rettungsaktion schossen die libyschen Sicherheitskräfte mit Maschinenpistolen zur Abschreckung in die Luft.
Es ist gemeinhin bekannt, dass die ‚Einheitsregierung‘ und ihre Küstenwache mit kriminellen Milizen in Sachen Migranten und Menschenschmuggel eng zusammenarbeiten und sich auch personelle Überschneidungen ergeben.

Die Rolle Italiens
Im Februar 2017 unterzeichnete der damalige italienische Innenminister Marco Minniti von der Partito Democratico in Libyen einen Vertrag mit dem Premierminister der libyschen ‚Einheitsregierung‘ Fayez as-Sarradsch. Es ging dabei um die Eindämmung des Zustroms von Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kamen. Schon bald nach Abschluss des Vertrages reduzierte sich die Zahl der in Italien ankommenden Migranten um 87 Prozent. Doch Minniti musste sich den Vorwurf gefallen lassen, die Migranten der korrupten libyschen Küstenwache auszuliefern und sie damit in Lebensgefahr zu bringen.
Die meist aus Schwarzafrika stammenden Migranten reisten nach der Durchquerung der Sahara über die Südgrenze nach Libyen ein. Da diese Gebiete nicht unter der Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ standen, traf sich Minniti in Rom mit einer Delegation der im Süden Libyens beheimateten Stämme und bot ihnen „finanzielle Hilfen“ an, wenn sie halfen, den Migranten den Weg über das Mittelmeer zu versperren. Diese eigenmächtigen Verhandlungen über den Kopf der libyschen ‚Regierung‘ hinweg verletzten zweifellos die Souveränität Libyens.
Die Stammesführer nahmen das italienische Geld, inhaftierten die Migranten und brachten sie in den Norden des Landes, auch nach Tripolis, wo sie in überfüllten Migrantenlagern den bekannten unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt waren und sind. Als im April Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis zwischen der Libyschen Nationalarmee und den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ ausbrachen, gerieten auch Migrantenlager zwischen die Fronten. Als Raketen in einem Lager im östlich von Tripolis gelegenen Tadschura einschlugen, kamen mindestens 44 Menschen zu Tode.

Schleuser und Schmuggler und die 'Einheitsregierung'
In großen Gebieten des südlichen Libyens besteht nach wie vor ein rechtsfreier Raum. Nicht nur Stammesführern in diesen Gegenden wird vorgeworfen, mit professionellen Schleusern innerhalb eines landesweiten Schleppernetzwerkes zusammenzuarbeiten, sondern dieser Vorwurf traf auch Marco Minniti. Es soll geheime Abkommen mit Schleusern gegeben haben, die dafür berüchtigt waren, Migranten auf seeuntüchtigen Booten auf das Mittelmeer zu schicken. Italien soll mutmaßlichen Menschenhändlern, darunter Abd al-Rahman Milad, bekannt als Bidscha, nicht nur Geld gegeben, sondern auch Immunität zugesichert haben. Bidscha war im Mai 2017 bei einem Treffen zwischen italienischen Geheimdienstagenten und Mitgliedern der libyschen Küstenwache als Teil der libyschen Delegation nach Sizilien gereist. Es ging dabei um Fragen der Migrationseindämmung. Dies zeigt die engen Verbindungen Bidschas zur ‚Einheitsregierung‘, der die libysche Küstenwache untersteht.
Allerdings taucht Bidscha noch in einem ganz anderen Zusammenhang auf. In dem Bericht einer UN-Expertengruppe vom Juni 2017 wird Bidscha nämlich als Schlepper bezeichnet, der für „Schießereien auf See und für das Ertrinken“ dutzender Migranten verantwortlich ist. In Zusammenhang mit Bidscha wird in dem Bericht ein anderer Schlepper namens Mohammad Koshlaf beschuldigt, nahe seiner Heimatstadt Zawija innerhalb der örtlichen Raffinerie ein Internierungslager für Migranten zu betreiben. Koshlaf soll nicht nur Schleuser, sondern auch Kopf einer bewaffneten Schmuggelbande für aus der Zawija-Raffinerie entwendeten Kraftstoff gewesen sein.

Umkämpftes Tripolis
So werden nicht nur die personellen Verbindungen zwischen kriminellen Schlepper- und Schmugglerbanden und der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis offensichtlich, sondern auch deren Verantwortlichkeit für die begangenen Verbrechen. Bei den Kämpfen um Tripolis, die im April dieses Jahres begannen, kämpfte Koshlaf auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘. Laut Berichten war auch Bidscha ebenso wie andere Kriminelle auf Seiten der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ dabei, um die LNA abzuwehren. Dies kann nicht verwundern, würde sich doch mit dem Sturz der ‚Einheitsregierung‘ auch das gewinnträchtige Geschäftsmodell der Schleuser- und Schmugglerbanden erledigen.

Islamistischer Milizenführer neuer Geheimdienstchef
Ein wirklicher Skandal ist auch die in diesem Monat erfolgte Ernennung von Salah Badi zum Direktor des militärischen Geheimdienstes durch die ‚Einheitsregierung‘. Badi ist durch die UN-Sondermission für Libyen sanktioniert. Sie wirft dem islamistischen Milizenführer vor, den politischen Prozess in Libyen zu unterlaufen. Bekannt wurde Badi als Kopf der al-Somud-Miliz, die 2014 half, das demokratisch gewählte Parlament aus Tripolis zu vertreiben. Es existiert ein Video, in dem Badi die damalige Zerstörung des internationalen Flughafens von Tripolis bejubelt. Badi kommandierte auch eine Miliz, die im Oktober 2012 an dem Angriff gegen die Stadt Bani Walid beteiligt war, bei dem dutzende Bewohner getötet und tausende vertrieben wurden.

Sarradsch immer unglaubwürdiger
Die Kämpfe um Tripolis gehen weiter, während die ‚Einheitsregierung‘ immer mehr in dem gefährlich kriminellen Sumpf der Tripolis-Milizen versinkt. Bei beiden geht es ums Überleben, das nur gemeinsam möglich erscheint. Die libysche Bevölkerung weiß um die Verbrechen von Badi, Bidscha, Koshlaf und anderer, doch der ‚Einheitsregierung‘ ist es wohl nur für den Preis ihres eigenen Untergangs möglich, diese Verbindungen zu kappen und macht sich so für deren Verbrechen mitverantwortlich.
Wie will die ‚Einheitsregierung‘ glaubwürdige Regierungskonzepte vorlegen, wenn sie unter Kontrolle dieser Kriminellen steht? Badi, Bidscha und Koshlaf und deren verbrecherische Aktivitäten sind international bekannt. Die Regierung Sarradsch verliert den letzten Rest an Glaubwürdigkeit.

https://deutsch.rt.com/kurzclips/94143-sea-eye-rettung-im-mittelmeer-libysche-kuestenwache-feuert-warnschuesse-ab/?utm_source=browser&utm_medium=aplication_firefox&utm_campaign=firefox
https://saharanws.wordpress.com/2019/10/25/libyas-gna-is-linked-with-human-traffickers/
https://www.avvenire.it/attualita/pagine/dalla-libia-al-mineo-negoziato-boss-libico
https://deutsch.rt.com/kurzclips/94143-sea-eye-rettung-im-mittelmeer-libysche-kuestenwache-feuert-warnschuesse-ab/?utm_source=browser&utm_medium=aplication_firefox&utm_campaign=firefox

Freitag, 1. November 2019



Maas zu Gesprächen in Türkei und Libyen

Libyen/Zuwara. In Vorbereitung zu einer im Dezember geplanten Libyen-Konferenz bereist Maas die Türkei, Libyen, Tunesien und Ägypten. 


Treffen des deutschen und türkischen Außenministers
Vermutlich ging es Heiko Maas bei seinen Gesprächen mit dem türkischen Außenminister Cavusoglu in Istanbul, die er vor seiner Reise in die nordafrikanischen Länder Tunesien, Libyen und Ägypten führte, mehr um die aktuelle Lage in Libyen als um die Lage in Syrien, bei der nicht nur die deutsche, sondern die europäische Außenpolitik außen vor ist, trotz des peinlichen Vorschlags der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, in Nordsyrien eine internationale Schutzzone zu errichten. Libyen ist wieder einmal der rosarote Elefant, der nicht benannt werden darf.
Und so bleibt es bei der Aussage auf der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Außenminister: „Die Türkei bleibt ein wichtiger Nato-Partner“. Auch wenn es ständig das gegen Libyen verhängte Waffenembargo verletzt, militärisch in Libyen interveniert und laut deutschen Bundesinnenministerium eine Affinität zu „islamistischen Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ aufweist. Es waren ja die Nato-Staaten einschließlich der tatkräftigen Unterstützung der Türkei, die 2011 Libyen zerstörten und seitdem mit Hilfe der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis verhindern, dass der Krieg dort beendet und das Land wieder aufgebaut werden kann.
Nichtsdestotrotz sieht sich Berlin in dem Konflikt als Vermittler und will noch in diesem Jahr eine Libyen-Konferenz ausrichten, von der es bis jetzt nicht sicher ist, ob sie überhaupt stattfinden wird. Außenminister Maas will auf seiner Rundreise von der Türkei über Libyen und Tunesien nach Ägypten das Terrain bei den wichtigsten ausländischen Akteuren sondieren.

Türkei in Libyen militärisch aktiv
Eine hochumstrittene Rolle spielt dabei die Türkei, die massiv militärisch in die Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis eingreift. Erdogan liefert nicht nur Waffen, Aufklärungs- und Kampfdrohnen nach Libyen, sondern stellt auch das Personal dazu. Erst am 24. Oktober 2019 veröffentlichte die Nachrichtenplattform AddressLibya die Pässe und Flugunterlagen von zwei verletzten türkischen Militärangehörigen, die am 22. Oktober als medizinische Notfälle mit einem Flugzeug von Tripolis nach Istanbul ausgeflogen wurden.
Wie AddressLibya erklärt, fällt die Verletzung der beiden türkischen Militärs zeitlich mit einem Luftangriff der LNA auf einen Hangar des Mitiga-Flughafens zusammen, in dem türkische Drohnen lagerten. Schon davor wurden immer wieder türkische Drohnen von der LNA abgeschossen bzw. die Hangars, in denen sie untergebracht waren, bombardiert.
Bereits im Mai dieses Jahres lieferte die Türkei auf einem Frachtschiff Militärfahrzeuge nach Tripolis. Die Bilder davon gingen durch die sozialen Medien. Und im Dezember 2018 wurde die Lieferung von Waffen und Munition bekannt sowie im Januar 2019 die Lieferung von türkischen Pistolen nach Misrata.

Die Nähe der Türkei zu islamistischen Extremisten
Die Türkei unterstützt dabei Milizen in Tripolis und Misrata, die ganz im Sinne der Türkei eine von der Moslembruderschaft unterwanderte ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis schützen und enge Beziehungen zu extremistischen Islamisten pflegen. Auf Tagesschau.de hieß es, dass das Bundesinnenministerium in einem als vertraulich eingestuften Schreiben bereits Mitte August 2016 feststellte, dass die Türkei aktiv Verbindungen zu Islamisten unterhalte: „Wörtlich heißt es in dem Bericht, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt: >Als Resultat der vor allem seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt.< Zu diesen Gruppen bestehe eine "ideologische Affinität" seitens der Regierungspartei AKP und des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.“
So sieht das auch ein Sprecher des libyschen Parlaments, Abdullah Balihek, der bezüglich der Motive für die türkische Interventionen in Libyen meinte: „Das Projekt Moslembruderschaft ist die treibende Kraft für Erdogan.“ Daneben habe die Türkei in Libyen auch wirtschaftliche Interessen. Und der Parlamentsvorsitzende Aguila Saleh sagte, dass die türkische Intervention und deren Unterstützung von bewaffneten terroristischen Milizen, die gegen die LNA kämpfen, einen Verstoß gegen alle internationalen Konventionen und Verträge darstellt. Für den Sprecher der LNA, Mismari, verfolgt Erdogan „das Ziel, seinen Einfluss in der Region zu vergrößern und diese zu kontrollieren“. Mismari beschuldigt die Türkei, nun ihr Hauptaugenmerk auf Libyen zu richten, nachdem Kairo und Khartoum verloren seien.
Doch es kommt noch schlimmer: Es ist nicht nur die Moslembruderschaft, mit der Erdogan eng verbündet ist, sondern die Tagesschau fragte am 20. Oktober 2019 sogar: „Wie hält es die Türkei mit der IS-Terrormiliz?“ Die Antwort lautet: recht eng, wie es von dem Experten und UN-Berater in Sachen Terrorismus al-Turjuman in einem Interview mit dem Sender LIVE-News bestätigt wird. Turjuman sagte, die Türkei plane hunderte von in der Türkei inhaftierten IS-Terroristen freizulassen, um sie nach Libyen zu bringen. Der türkische Geheimdienst beabsichtige auch, tausende von IS-Kämpfern aus den syrischen Gebieten zu den Grenzen im Süden Libyens zu transportieren und warnte vor den dadurch entstehenden Gefahren nicht nur für Libyen, sondern auch für andere nordafrikanische Staaten.

Ein merkwürdiger Kurzauftritt des deutschen Ministers in Libyen
Die Libysche Nationalarmee (LNA), die zwischenzeitlich fast das gesamte Libyen kontrolliert, versucht seit April erfolgreich, auch die Hauptstadt Tripolis von den Milizen zurückzuerobern. Es wird gekämpft.
Deshalb hat sich der deutsche Außenminister Maas nach seinem Aufenthalt in der Türkei auch nur ganze drei Stunden unangekündigt nach Libyen getraut, um dort in der an der tunesischen Grenze gelegenen Küstenstadt Zuwara (in deutschen Medien auch Suara geschrieben) nach dem obligatorischen Besuch eines Migrantenlagers eine Pressekonferenz zu geben. Maas wurde bei seinem merkwürdigen Libyenauftritt vom Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Fayez as-Sarradsch und dem UN-Sondergesandten für Libyen, Ghassan Salamé, begleitet. Allerdings musste der deutsche Außenminister schon nach wenigen Minuten wieder in einen gepanzerten Wagen flüchten, weil Sicherheitskräfte ein Flugzeug unbekannter Herkunft meldeten. Es wurde befürchtet, die LNA, die den Luftraum über Libyen kontrolliert, sei im Anflug.

Die LNA ist die reguläre Armee Libyens
In den Berichten der deutschen Medien ist immer die Rede von „Rebellen“ oder „Milizen“ und dem „Warlord General Haftar“, wenn es um die Libysche Nationalarmee (LNA) geht. Diese Bezeichnungen sind für die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ angebracht, nicht aber für die LNA. Diese wurde 2014 von dem demokratisch gewählten Parlament als reguläre libysche Armee anerkannt und Feldmarschall Haftar zu ihrem Oberkommandierenden bestimmt.

‚Einheitsregierung‘ mit Verbindungen zu Schleusergruppen
Unmittelbar vor der Reise Maas‘ kam es an der Küste bei Zuwara zu einem Zwischenfall mit dem deutschen Rettungsschiff Alan Kurdi. Es hatte Migranten an Bord und sei von drei libyschen Schiffen der Küstenwache bedrängt worden. Migranten seien in Panik ins Wasser gesprungen und von Maschinenpistolen bedroht worden. Ein Mann gelte als vermisst. Es ist bekannt, dass die ‚Einheitsregierung‘, die Milizen und die Küstenwache auch in Sachen Migranten und Menschenschmuggel eng zusammenarbeiten und sich teilweise personell überschneidet.
Das zur Schau getragene Einvernehmen zwischen dem türkischen und dem deutschen Außenminister sowie der ‚Einheitsregierung‘ von Tripolis lässt bei einer geplanten Libyen-Konferenz in Berlin auf nichts Gutes schließen.
Maas will nach einem Aufenthalt in Tunesien nach Ägypten weiterreisen, wo ein Gespräch mit Abdel Fattah al-Sisi geplant ist, der die ostlibysche Regierung, das Parlament und deren LNA unterstützt.

https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-syrien-is-107.html
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/maas--will-im-libyen-konflikt-vermitteln-100.html
http://www.addresslibya.com/en/archives/51453
https://www.freitag.de/autoren/gela/gefaehrliche-einmischungen-der-tuerkei
https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-schrecksekunde-fuer-heiko-maas-bei-ueberraschungsbesuch-a-1293565.html
https://www.addresslibya.com/en/archives/47938