Dienstag, 30. Juni 2020

LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.
Nun wird gegen Venezuela in der gleichen Strategie verfahren wie einst 2011 gegen Libyen.
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Österreich: Opposition zweifelt an Kompetenz von Verteidigungsministerin und sieht Neutralität gefährdet

30.6.2020. Sowohl die sozialdemokratische SPÖ, als auch die rechtspopulistische FPÖ und die liberalen NEOS und teilweise sogar die mitregierenden Grünen stehen der „Militärreform“ genannten Umstrukturierung des österreichischen Bundesheeres durch die konservative Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ablehnend gegenüber. Tanner will weg vom Konzept der Landesverteidigung und aus dem Bundesheer eine Mischung aus einer Art Cyber-Armee und dem Technischen Hilfswerk für Katastropheneinsätze machen, doch ohne die Möglichkeit, das Land effektiv selbst zu verteidigen, ist die Neutralität des Landes gefährdet und es gerät immer tiefer in Abhängigkeit der kriegerischen NATO.

 

Deutschland: Neue Richtung kritisiert Sanktionspolitik der USA

30.6.2020. Die bundesweite neutralistische Bürgerbewegung Neue Richtung hat sich klar gegen die Sanktionspolitik der USA gegen Kuba, Venezuela und andere Staaten, wie auch gegen Unternehmen, welche an der deutsch-russischen Ostseepipeline „Nordstream 2“ arbeiten, ausgesprochen. Die Bürgerbewegung machte ihre Kritik aber nicht nur an den US-Sanktionen fest, sondern kritisierte generell die Sanktionspolitik – meistens westlicher – Staaten, um andere Länder unter Druck zu setzen und sieht darin eine Art verdeckter Kriegsführung.

 

 

Belgien / Elfenbeinküste: Ex-Staatschef Gbagbo darf wieder ausreisen

25.6.2020. Der frühere linksnationale Staatspräsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo (2000-2011), der vor neun Jahren von einer Allianz aus französischen Truppen, UN-Soldaten und Milizen seines pro-französischen Gegenspielers Alessane Ouattara gestürzt und zu einer fragwürdigen Anklage vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag geschleift wurde, kann nun wieder in seine Heimat ausreisen. Bereits Anfang letzten Jahres wurde der Paris unbequem gewordene Staatschef aus Mangel an Beweisen freigesprochen und lebte seit dem in Belgien – es handelte sich bei Gbagbos Sturz um einen neokolonialen Regimechange durch den Westen, bei dem ein national orientierter Linker durch einen neoliberalen Marionettenpräsidenten (Ouattara) ersetzt wurde.

 

 

Ägypten erwägt Militäreinsatz um türkischen Vormarsch in Libyen zu stoppen

25.6.2020. Die ägyptische Regierung hat gedroht, auf Seiten der Libyschen Nationalarmee (LNA), welche dem gewählten Parlament unterstellt ist, in die Kämpfe im Nachbarland Libyen einzugreifen, nachdem die Milizen der türkischen Marionettenregierung unter „Premierminister“ Fayez al-Saradsch mit Hilfe des türkischen Militärs und Tausender islamistischer Söldner, welche die Türkei aus Syrien eingeflogen hat, auf dem Vormarsch in die Stadt Sirte sind. Das im Krieg 2011 stark zerstörte Sirte ist die Geburtsstadt des früheren langjährigen Staatsoberhauptes Muammar al-Ghaddafi und es ist zu befürchten, daß die islamistischen Milizen der Saradsch-Regierung bei einer abermaligen Einnahme Sirtes erneut Massaker an Ghaddafi-Anhängern und Vetreibungen und Vergewaltigungen durchführen könnten.

 

 

Haasträubend: Schweden präsentiert Einzeltäter bei Palme-Mord ohne Beweise oder Motiv zu haben!

25.6.2020. Offensichtlich nur, damit die Akte endlich geschlossen werden kann, präsentierte die schwedische Staatsanwaltschaft im Juni den „Einzeltäter“ Stig Engström, der – obwohl keine Tatwaffe, kein Motiv und keine Beweise vorgelegt werden konnten - 1986 den  schwedischen Premierminister Olof Palme (1969-76 und 1982-86) auf offenener Straße erschossen haben soll. Palme war ein linker Sozialdemokrat, der in Zeiten des Kalten Krieges eine Neutralitätspolitik Schwedens vertrat und sich vehement für Entspannung und Abrüstung (Vorschlag der Palme-Kommission: atomwaffenfreie Zone in Europa!) einsetzte und um dessen Ermordung es Dutzende Theorien gab – die glaubwürdigste führte in das Milieu rechtsextremer Kreise in der schwedischen Polizei (sogenannte „Polizei-Spur“).

 

 

London plant eine „Treuhandanstalt“ für Venezuela nach dem Sturz der Regierung

9.6.2020. Wie die britische Nachrichtenwebsite „The Canary“ berichtete, soll es innerhalb des britischen Außenministeriums eine Abteilung geben, welche sich mit der Destabilisierung und dem „Wiederaufbau“ (gemeint ist wohl eher „neoliberale Transformation“) der Wirtschaft des demokratisch-sozialistischen Venezuelas befaßt. Dies erinnert stark an ähnliche Gremien in der alten BRD, welche vergleichbare Pläne für eine Übernahme der DDR-Wirtschaft entwickelt hatten und die dann teilweise mit dem Aufbau der Treuhandanstalt realisiert wurden – die Folge war die Deindustrialisierung des Ostens und millionenfache Arbeitslosigkeit!

 

 

Libyen: Hilfe, die Türken kommen!

9.6.2020. Dank massivem türkischen Militäreinsatz haben es die Truppen der vom Westen eingesetzten, sogenannten „Einheitsregierung“ in Tripolis, ein Konglomerat untereinander verfeindeter, islamistischer Milizen, geschafft, die Libysche Nationalarmee (LNA) aus den Vororten von Tripolis zu vertreiben. Auch die Stadt Tarhouna wurde von ihnen eingenommen, in der diese Marodeure derzeit plündern und brandschatzen, während zahlreiche Einwohner geflohen sind.

 

Venezuela: US-Sanktionen reduzieren Öleinnahmen um das 16-Fache!

4.6.2020. Das demokratisch-sozialistische Venezuela hat in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Klage gegen die Sanktionen des US-Regimes und diverser US-Satelitenstaaten eingereicht (Klage wurde bereits angenommen), da die Wirtschaftssanktionen Washingtons bereits zu einem Rückgang der Erdöleinnahmen um das 16-Fache geführt haben. Dadurch fehlt dem zu 95% vom Erdölhandel lebendem Staat das nötige Geld, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen, während die Importkosten des Landes aufgrund von Logistikeffekten und Handelsbeschränkungen für den Freihandel auf das Fünffache angestiegen sind.




Sprachverwirrung und Kriegspropaganda

Libyen. Wie die Sprachregelung der internationalen Medien im Libyenkrieg der Moslembruderschaft und den Dschihadisten in die Hände spielt. 


Die tunesische Autorin Mona al-Mahrouki schreibt in TheArabWeekly unter dem Titel Media lexicon can promote Islamists’ agenda in Libyan war über den Propagandakrieg der Islamisten und ihre Unterstützer in den westlichen Medien.
Laut Mahrouki sind sich die Islamisten und deren Verbündete über die wichtige Rolle der Medien bei der Berichterstattung über den Libyenkrieg bewusst. Ihre Taktik bestehe darin, ihnen genehme Informationen nicht nur zu übertreiben, sondern sogar zu erfinden. Allerdings habe dies nicht ausgereicht, um die Meinung vor Ort und die internationale Meinung in einem ausreichenden Maß zu beeinflussen.
Aus diesem Grund haben sie begonnen, die herkömmlichen Begriffe zu manipulieren und ihre Bedeutung zu verdrehen. Plötzlich sei die Libysche Nationalarmee (LNA) eine „Miliz“ und ihr Kommandeur, Feldmarschall Khalifa Haftar, ein „Warlord“, dem unterstellt wird, einen Putschversuch unternehmen zu wollen. Die echten Milizen in Tripolis und Misrata und die an ihrer Seite kämpfenden syrischen Söldner werden nun plötzlich als „Nationalarmee“ betitelt.
Während man vor kurzem die Milizen oder „Streitkräfte, die zur in Tripolis ansässigen ‚Einheitsregierung‘ loyal sind“ genau als solche bezeichnete, nenne man sie heute in Medien, die mit Katar und der Türkei verbunden sind, „libysche Armee“. Mahrouki nennt dies eine „semantische Tour de Force, die Verwirrung und Spott hervorruft“.
Mahrouki fragt nach der Begriffsdefinition einer Miliz und findet sie genau dort erfüllt, wo freiwillige Kämpfer aus Städten wie Misrata und syrische Söldner islamistische Streitkräfte bilden, deren Kämpfer sich nicht an das Kriegsrecht halten und sogar ohne Uniformen unterwegs sind.
Dagegen sei es im Osten des Landes führenden Persönlichkeiten gelungen, nach ihrer Vertreibung während des Putsches 2014 in Libyen wieder eine Armee aufzubauen. Sechs Jahre lang sei diese unter dem Motto „Die eine Hand baut auf, die andere bekämpft den Terrorismus“ in ostlibyschen Städten wie Bengasi eingesetzt worden.
Seit 2014 verärgere die Islamisten der von Haftar verwendete Name „Libysche Nationalarmee“ (LNA), da er sie bei ihrem Versuch behindere, die LNA als „Haftars Stammesmilizen“ zu verunglimpfen. So drängten pro-islamistische Medien darauf, eine andere Terminologie zu verwenden, auch, weil Haftars LNA einige Anerkennung in den Medien erfuhr.
Mahrouki berichtet darüber, wie lokale und arabische Medien, die die ‚Einheitsregierung‘ unterstützten, zunächst die LNA als „die Streitkräfte des General a.D. Khalifa Haftar“ bezeichneten. Kürzlich habe sie sogar begonnen, die LNA als „die Milizen im Dienste des Kriegsherrn Khalifa Haftar“ und als „die Rebellentruppen in Libyen“ zu bezeichnen.
Die pro-islamistischen Kräfte wollten nicht zulassen, dass durch die Verwendung des Begriffes „Armee“ Haftar das Recht zuerkannt wird, sein Heimatland zu verteidigen und dessen Stabilität zu wahren. Auf der anderen Seite implizierte die Verwendung des Wortes „Armee“ für die LNA, dass die islamistischen Kräfte, die gegen sie kämpfen, Milizen oder terroristische Gruppen sind.
Die westlichen Medien bezeichneten Haftars Streitkräfte im Allgemeinen als „Libyens im Osten stationierte Streitkräfte“ oder verwendeten den Begriff „nationale Armee“ in Anführungszeichen, in dem Versuch, neutral zu erscheinen und keine Voreingenommenheit zugunsten der Islamisten zu zeigen. [Für die Sprachregelungen in der deutschen Medienlandschaft trifft dies weniger zu: Dort wird Haftar ebenfalls schon lange als „abtrünniger Warlord“ bezeichnet und erst kürzlich schrieb die Tagesschau, die beiden Kontrahenten Sarradsch und Haftar beriefen sich „auf rivalisierende Milizen und Stämme“. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet die LNA als „libysch-arabische Nationalarmee“; dass es daneben ein gewähltes Parlament in Libyen gibt, das die LNA unterstützt, wird schon immer totgeschwiegen.]
Medien, die auf Seiten der Islamisten stehen, verließen sich darauf, dass der normale Leser oder Zuschauer diese Strategie nicht durchschaut und nicht die Zeit hat, die verwendeten Begriffe zu hinterfragen. Selbst einige angesehene internationale Medien hätten es versäumt, bei der Beschreibung des Krieges eine genaue Terminologie zu verwenden. Auch wenn sich beispielsweise die BBC bemühe als neutral zu erscheinen, indem sie die LNA als „Libyens im Osten stationierte Streitkräfte“ bezeichnet, offenbare sie ihre Einstellung gegenüber der LNA, indem sie deren Kommandeur Haftar einen „libyschen Warlord" nenne.
Die Verwendung des Begriffes „Regierung der nationalen Übereinkunft“ (Einheitsregierung) für die Regierung in Tripolis wird damit gerechtfertigt, dass dieser Begriff von der internationalen Gemeinschaft übernommen wurde. Doch warum verfahren die Medien nicht ebenso mit dem Begriff „Libysche Nationalarmee“, der ebenfalls vom UN-Sicherheitsrat eingeführt wurde?
Die widersprüchliche Verwendung all dieser Begriffe durch internationale Nachrichtenagenturen und ihr Versuch, den Konflikt in Libyen als einen zwischen dem Osten und dem Westen Libyens und nicht zwischen gewöhnlichen Libyern und islamistischen Kräften darzustellen, diene ausschließlich der islamistischen Agenda.
https://thearabweekly.com/media-lexicon-can-promote-islamists-agenda-libyan-war

 26.06.2020

Mittwoch, 24. Juni 2020



Warum die ‚Einheitsregierung‘ abdanken muss

Libyen. In einem Brief an die Liga der Arabischen Staaten fordert die libysche Ihya-Bewegung, dem Präsidialrat und der ‚Einheitsregierung‘ die Anerkennung zu entziehen. 


Auszug aus dem Schreiben von Prof. Aref Ali Nayed, dem Vorsitzenden der Ihya Libya Movement, an den Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit:
In diesem offenen Brief habe ich die Ehre, Eurer Exzellenz die höchste Wertschätzung der Mitglieder der Ihya-Libyen-Bewegung zu übermitteln, eines libyschen nationalen Blocks von Akademikern, Politikern und Gemeindeführern, die eine gemeinsame Vision für Libyen teilen, die Ihya-Libyen-Vision 2023, die von einem Team vielversprechender Jugendlicher am Libya Institute for Advanced Studies ausgearbeitet wurde.
Ich möchte Ihrer Exzellenz auch unseren herzlichen Dank und unsere Anerkennung für Ihre ehrenwerte nationale Haltung gegenüber unserem Land, Libyen, und seinem Volk, das gegenwärtig einer neuen unmittelbaren kolonialen Bedrohung ausgesetzt ist, übermitteln. Dies ist der Unverfrorenheit des Präsidialrats der ‚Einheitsregierung‘ zuzuschreiben, der auf ungesetzliche Weise Verträge und Vereinbarungen unterzeichnen, die nicht vom gewählten libyschen Parlament [Repräsentantenhaus/HoR] ratifiziert wurden, obwohl das Parlament das einzige gesetzgeberische Organ in Libyen darstellt. Diese ungesetzlichen Handlungen haben die nationale Sicherheit Libyens und seiner Nachbarn gefährdet und sie sind im Begriff, erschreckende regionale Konfrontationen und einen blutigen neuen Bürgerkrieg auszulösen. Deshalb appellieren wir an Ihr erhabenes Haus, die Rücknahme der Anerkennung des Präsidialrats und seiner ‚Einheitsregierung‘ in Betracht zu ziehen, da sie zu einer Geißel für Libyen und sein Volk geworden sind.
Bereits am 28. November 2019 baten wir den ehemaligen UN-Sondergesandten für Libyen, Herrn Ghassan Salamé um die Rücknahme der Anerkennung des Präsidialrats und seiner ‚Einheitsregierung‘ durch die UN, damit diese nicht weiterhin Vereinbarungen und Memoranden of Understandings (MoU) mit der Türkei und anderen Ländern abschließt, die nichtig sind. Die Gründe hierfür:
  1. Der Präsidialrat ist nicht gewählt und wurde weder ernannt noch von einem gewählten Gremium bestätigt. Er spiegelt nicht den Willen des Volkes wider, der die Grundlage der Gesetzesgebung bildet.
  2. Dem Präsidialrat ist es bei zwei Abstimmungen misslungen, das Vertrauen der Mitglieder der gewählten gesetzgebenden Körperschaft, des libyschen Parlaments, für seine Regierung zu gewinnen. Darüber hinaus wurden die Mitglieder der ‚Einheitsregierung‘ nicht vor dem gewählten libyschen Parlament vereidigt.
  3. Der Präsidialrat hat alle Klagen verloren, die vor libyschen Gerichten gegen ihn angestrengt worden waren. In mehreren Verfahren wurde entschieden, dass der Präsidialrat „keine Rechtsfähigkeit“ hat und dass alle seine Entscheidungen, Handlungen und Tätigkeiten nichtig und ungültig sind und somit als Wirtschaftsverbrechen gelten, die unter keine Verjährungsfrist fallen.
  4. Der Präsidialrat hat viele seiner Mitglieder entweder durch Rücktritt oder Boykott verloren. Die Entscheidungen des Präsidialrats sollten aber im Kollektiv getroffen werden; daher hat er durch den Verlust der meisten seiner Mitglieder seinen rechtlichen Status als Kollektiv verloren.
  5. Gemäß dem politischen Abkommen von Skhirat (das nie in die Verfassungserklärung aufgenommen wurde) ist die Amtszeit des Präsidialrats auf ein Jahr begrenzt und kann höchstens um ein weiteres Jahr verlängert werden. Dessen ungeachtet hält der Präsidialrat ohne jede rechtliche Grundlage bereits im fünften Jahr an seinem Machtmonopol fest.
  6. Obwohl der Präsidialrat in weniger als 10% der libyschen Gebiete seine Autorität ausüben kann und weniger als 1 % der natürlichen Ressourcen unter seiner Kontrolle hat, nutzt er die internationale Anerkennung, um 100 % der finanziellen Ressourcen des libyschen Volkes zu kontrollieren. Dies geschieht mit Hilfe des Vorsitzenden der Libyschen Zentralbank, der bereits zweimal vom libyschen Parlament seines Postens enthoben wurde und seine vorgesehene Amtszeit um Jahre überschritten hat.
  7. Der Präsidialrat hat die öffentlichen Gelder des libyschen Staates unrechtmäßig und ohne jegliche Billigung oder Genehmigung des libyschen Parlaments vereinnahmt, ausgegeben und vergeudet.
  8. Der Präsidialrat hat mit öffentlichen Geldern, die dem libyschen Volk gehören, terroristische Gruppen wie den Revolutionären Schura-Rat Bengasi, dem Schura-Rat von Derna und andere finanziert.
  9. Am 28. November 2019 wagte es dieser Präsidialrat erneut, ohne die Zustimmung des libyschen Parlaments dubiose bilaterale Abkommen und Verträge mit der Türkei abzuschließen. Die Dokumente sind inhaltlich vage und in ihren Konsequenzen bedenklich. Sie haben dazu geführt, dass mehr als zehntausend terroristische Söldner nach Libyen gebracht wurden, ganz zu schweigen von Tonnen von Waffen, Material und Munition. Dies stellt eine eklatante Verletzung des Waffenembargos dar, das vom Sicherheitsrat gegen Libyen verhängt wurde.
In Anbetracht all der hier aufgeführten Punkte ist es höchste Zeit, dass die Vereinten Nationen international geltende Standards zur Anerkennung von Exekutivbefugnissen des Präsidialrat und seine ‚Einheitsregierung‘ anwenden. Würden diese Standards tatsächlich angewandt, wäre vollkommen klar, dass es sich bei diesem Präsidialrat de facto um eine Regierung handelt, deren Status in der Realität schon längst zusammengebrochen ist; die Vereinten Nationen hätten ihre Anerkennung daher schon vor Jahren zurückziehen müssen.
Der Entzug der internationalen Anerkennung würde den Schwierigkeiten eines ganzen Volkes und den despotischen Handlungen und der ungerechten Veruntreuung der Ressourcen des libyschen Volkes durch eine Regierung ein Ende setzen, die nach den Urteilen der libyschen Justiz keinerlei rechtliche oder verfassungsmäßige Grundlage hat, um zu regieren.
Soweit das Schreiben von Aref Ali Nayed, dem Vorsitzenden des Ilhya Libya Movement. Und so viel zum Rechtsverständnis der UNO und der internationalen Gemeinschaft, die frei nach dem Motto verfährt: legal, illegal, scheißegal. Hauptsache, die uns hörige Regierung bleibt an der Macht.
Welchen Schaden die ‚internationale Gemeinschaft‘ damit der Glaubwürdigkeit von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zufügt: wohl auch scheißegal.
https://almarsad.co/en/2020/06/22/ihya-libya-movement-to-the-arab-league-withdraw-recognition-of-the-presidential-council/


Libyens Zukunft gefährdeter denn je

Libyen. Die Nato verhilft den Moslembrüdern an die Macht. Es besteht die Gefahr, dass die Lage weiter eskaliert und/oder das Land geteilt wird. 

Seitdem die Türkei massiv militärisch in Libyen interveniert und ihre Verbündeten unübersehbare Gräueltaten beginnen, läuft zur Vertuschung die Propagandamaschinerie des Westens wieder auf Hochtouren: Die Russen sind an allem schuld, die müssen eingedämmt werden, deren Verbündete, die Libysche Nationalarmee, wird für Massengräber verantwortlich gemacht, obwohl keine Beweise vorgelegt werden und diese Anschuldigungen nach übelster Kriegspropaganda à la Brutkästen in Kuweit riechen. Alle sind sich einig, von Wolfram Lacher, dem offiziellen deutschen Libyenspezialisten, bis Stoltenberg, dem Nato-Generalsekretär, der sich besorgt zeigte über die russische Präsenz in der östlichen Mittelmeerregion (warum eigentlich?): Die Gefahr in Libyen geht von den Russen aus!
Aber stimmt denn das? Russland hat stets mit beiden libyschen Parteien den Kontakt gehalten und offiziell ausdrücklich erklärt, es strebe – im Gegensatz zur Türkei – keine Militärpräsenz in Libyen an. Russland hat auch keine eigenen Truppen in Libyen. Der private russische Kriegsdienstleister Wagner scheint aktiv zu sein, doch sollte man schon die Verhältnismäßigkeit sehen, wenn bei dem massiven türkischen Militäreinsatz sogar libysche Städte von Fregatten aus beschossen werden, über 10.000 syrische Söldner aus Idlib eingeflogen werden, IS- und al-Kaida-Kämpfern Seit an Seit mit den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ kämpfen. Nicht zu vergessen die Militärpräsenz Italiens bei Misrata.
Und wieso geht die Gefahr gerade von Russland aus? Bekanntermaßen stehen auch Frankreich, Ägypten und die VAE auf der Seite der LNA und unterstützen sie massiv militärisch. Doch eingeschossen hat man sich auf Russland. Frankreich ist ja schließlich unser Nato-Verbündeter, mit Ägypten und der VAE kann man es sich auch nicht verderben. Und der „böse Putin“ ist als Feindbild im Westen fest installiert und muss als Ausrede für einen türkischen Militäreinsatz herhalten, damit Erdogan die Drecksarbeit erledigt.
Für Libyen bedeutet dies nichts Gutes. Im Moment herrscht eine Art inoffizieller Waffenstillstand, wie er von Ägypten ab 08.06. gefordert wurde. Die LNA hat sich aus den im Laufe des letzten Jahres eroberten Gebieten im Westen Libyens und aus der Hauptstadt Tripolis auf ihre Ausgangspositionen vom April 2019 zurückgezogen. Die ‚Einheitsregierung‘ hatte noch einen Vorstoß in Richtung Sirte und damit auf den libyschen Ölhalbmond im Osten Libyens unternommen, ebenso auf die Dschufra-Luftwaffenbasis, konnte aber von der LNA weiträumig zurückgedrängt werden – durch den Einsatz von Kampfflugzeugen, auf den man bisher verzichtet hatte. Die LNA hält immer noch den gesamten Osten und Süden des Landes mit den großen Ölfeldern unter ihrer Kontrolle.

Wie wird es jetzt weitergehen? Ägypten hat eine sogenannten Kairo-Erklärung vorgestellt, die die Einheit, Integrität und Unabhängigkeit Libyens hervorhebt und eine politische Initiative anstoßen will, welche „den Weg für eine Rückkehr zum normalen Leben in Libyen ebnet“, eine libysch-libysche Initiative, die die Einhaltung aller internationalen Initiativen und Resolutionen zur Einheit Libyens beinhaltet. Die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar seien dabei von Bedeutung. As-Sisi: „Das Abkommen wird eine gerechte Vertretung der drei libyschen Regionen in einem Präsidialrat sicherstellen, der vom Volk unter der Aufsicht der UNO gewählt wird. Es beinhaltet auch die Verpflichtung auf eine libysche Verfassungserklärung und die Entfernung ausländischer Söldner aus allen Teilen Libyens“.
Über diese Vorlage Ägyptens wird im Moment wohl zwischen den verschiedenen involvierten Parteien verhandelt, allerdings zwischen Russland und der Türkei noch nicht auf Ministerebene. Die EU und die UNO wollen angeblich zurück zu den 5+5-Verhandlungen in Genf, wie sie im Januar in Berlin vereinbart wurden, damit sie nicht ganz aus dem Spiel sind und um doch noch ihre Wunschkandidaten für die zukünftige Regierung durchzudrücken. Es ist allerdings fraglich, ob sich die Kriegsgegner so weit annähern, dass es wirklich zu diesen neuen Verhandlungen kommt.

Für die Zukunft sind verschiedene Szenarien denkbar: Der Status quo wird beibehalten, es kommt zu einer quasi Teilung Libyens in Ost (Parlament, Übergangsregierung, LNA) und West (‚Einheitsregierung‘, Türkei, Milizen). Das größte Problem dabei: Wer bekommt die Stadt Sirte, den Ölhalbmond, den Süden des Landes mit seinen Ressourcen wie Gold, seltene Erden und nicht zuletzt und am kostbarsten: sein Wasser? Kaum vorstellbar, dass eine der Kriegsparteien den Zugriff zu diesen Ressourcen freiwillig aufgibt. Misrata hat schon angekündigt, auf Sirte keinesfalls verzichten zu wollen. Die Türkei will zwei Militärstützpunkte in Libyen und den Zugriff auf die Ressourcen. Den Zugriff auf die libysche Zentralbank und somit das Geld haben sich die Moslembrüder in Tripolis schon gesichert. Neokolonialismus vom Feinsten.
Und was ist mit der Bevölkerung? Im Westen Libyens unterstützen etliche der dortigen Stämme und Städte die LNA und das libysche Parlament. Die Schreckensherrschaft der Milizen und kriminellen Banden in diesem Landesteil ist gefürchtet. Dass diese Stämme die türkische Unterdrückungsherrschaft einfach hinnehmen und sich in ihr Schicksal ergeben ist mehr als unwahrscheinlich.
Ein Teilungsszenario wurde vom Westen von Anfang an angestrebt, mit den Kolonialmächten Frankreich im Osten und Italien im Westen. Die Teilung wäre für Libyen fatal. Es würde Libyen schwächen und aller Souveränität berauben.

Richtig gefährlich würde es, sollte die Türkei versuchen, Sirte, den Ölhalbmond oder Dschufra mit militärischer Gewalt einzunehmen. Ägypten hat seine Truppen schon an der libyschen Grenze aufmarschieren lassen und lässt keinen Zweifel daran, an seiner Grenze keine Herrschaft der Moslembruderschaft zu dulden. Auch Russland könnte militärisch auf Seiten der LNA Stellung beziehen, um den Vormarsch Erdogans gen Osten aufzuhalten. Es drohte ein Syrien-Szenario, bei dem auch Städte wie Tripolis und Misrata, die bisher – trotz des Vormarsches der LNA – von Kriegszerstörungen ziemlich oder ganz verschont blieben, den Kämpfen zum Opfer fielen. Wie verhält sich dann die Nato? Greift sie in diesem Fall auf Seiten der Türkei ein und eine nicht mehr kontrollierbare Eskalation wäre die Folge?
Allerdings geht es in Libyen nicht nur um Ressourcen, sondern es wird am großen geopolitischen Rad gedreht. Die USA arbeiten mit ihren Verbündeten immer noch an ihrem Plan, als die alleinigen Player diesen Planeten zu kontrollieren. Russland und China sollen aus Afrika hinausgedrängt, Russland sollte mittels der Eliminierung ihrer Verbündeten komplett aus dem Mittelmeer verschwinden. In Syrien ist dies nicht gelungen, in Libyen auch noch nicht.

Sollte sich Erdogan durchsetzen und damit die Moslembruderschaft in ganz Libyen die Macht übernehmen, wäre das auch nicht im Sinne der EU, denn der Osten soll doch Frankreich überlassen und Ägypten an seiner Grenze nicht bedroht werden. Und auch Italien will im Westen noch mitspielen. Nicht nur, dass die Moslembrüder als Regionalmacht viel zu viel Einfluss in diesem geostrategisch wichtigem Gebiet hätten, sondern sie würden auch über die gesamten Erdölerträge samt neuer Förderlizenzen verfügen, um nicht nur sich selbst zu bereichern, sondern damit auch die internationale Moslembruderschaft finanzieren und deren Kampftruppen als da sind in Libyen die Islamic Fighting Group, die Bengasi-Schura-Miliz und etliche andere, samt deren Verbindungen zu al-Kaida und dem IS.
Ein neues Afghanistan-Szenario wäre denkbar. Der Westen könnte den von ihr durch die Unterstützung der Türkei und der Moslembruderschaft selbstgeschaffenen Terrorismus im Namen eines „Krieges gegen Terror“ auf ewig bekämpfen, das Chaos im Land aufrechterhalten und dabei in Kooperation mit korrupten Politikern das Land ausbeuten.
Und Erdogan? Den hält man in Bezug auf die eigenen Hegemonialmachtanprüche immer noch für das kleinere Risiko im Vergleich zu Russland. Es scheint zwischen EU und USA eine gewisse Absprache zu geben: Die Europäer halten Russland klein, wenn es sein muss, auch mit Hilfe der Moslembrüder, und die USA China, wobei man sich natürlich bei Bedarf unterstützt, um das Gespenst des Multilateralismus zu vertreiben.

Erdogan seinerseits spielt geschickt die EU und Russland gegeneinander aus. Er erpresst die EU mit der Entsendung von Migranten nach Griechenland, bald hat er auch die Kontrolle über die von Libyen ablegenden Flüchtlingsboote, und blockiert in der Nato die Umsetzung von neuen „Verteidigungsplanungen“ für Osteuropa, die ein Schlüsselelement der sogenannten „Abschreckungsmaßnahmen“ der Nato gegen Russland darstellen sollen. Nach dpa-Informationen will die Türkei erst zustimmen, wenn ihre Bündnispartner im Gegenzug eine stärkere Unterstützung ihrer Interessen zusichern. Er verärgert die USA, indem er bei den Russen neue Verteidigungssysteme kauft, führt aber zugleich in Syrien und Libyen gegen die Russen Krieg. Und die Franzosen mussten von türkischer Seite im Mittelmeer gar eine „Kriegshandlung“ hinnehmen, als eine dreimalige Radarmarkierung des französischen Schiffes durch türkische Fregatten erfolgte. Mit der Radarmarkierung wird ein Ziel erfasst und sie wird als eine letzte Warnung vor einem tatsächlichen Angriff mit einem Seezielflugkörper verstanden. Was braucht die Nato eigentlich noch Feinde wie Russland, wenn sie solche Freunde wie Erdogan hat?
Keiner traut ihm, keiner mag ihn, jeder braucht ihn. Die Türkei stellt ein starkes Truppenkontingent innerhalb der Nato und ist der Außenposten im Osten. Sowohl mit Russland als auch mit der EU bestehen enge wirtschaftliche Verflechtungen. Doch Erdogan ist nicht die Türkei. Letztere wird gebraucht, Erdogan nicht. Und die Nato wird mit Sicherheit einiges unternehmen, um ihn so bald wie möglich loszuwerden. Das weiß auch Erdogan und das macht ihn umso gefährlicher.
Sollten sich allerdings Erdogan und die Moslembruderschaft mit ihren weltweit aktiven, schlagkräftigen Brüdern, unterstützt vom reichen Katar und mit den libyschen Erdölmilliarden, durchsetzen, dann sollten die Nato-Strategen vielleicht einmal Michel Houellebecqs Roman Unterwerfung lesen.
Parallel dazu ist ein großer Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien, der VAE und Ägypten auf der einen und Katar und der Türkei auf der anderen Seite entbrannt. 2011 haben diese moslemischen Länder noch mit den USA und der EU zusammengearbeitet, um Assad in Syrien und Gaddafi in Libyen zu stürzen. Doch inzwischen ist ein erbitterter Streit um die Führerschaft innerhalb der moslemischen Welt entbrannt, in der Saudi-Arabien und die VAE die Gefährlichkeit der Moslembrüder für ihren eigenen Einflussbereich erkannt haben und sich gegen die Türkei und Katar stellen. Der Versuch der EU, Saudi-Arabien, die VAE und Ägypten auf die eigene Seite zu ziehen, muss zum Scheitern verurteilt sein angesichts der Bedrohung dieser Staaten durch die Moslembruderschaft und einer islamischen Vorherrschaft der Türkei.

An dieser Stelle sei ganz deutlich auf die Trennung von Islam als Religion und politischem Islam, wie ihn die Moslembruderschaft vertritt, hingewiesen. Islam ist eine hoch zu achtende Weltreligion, während der politische Islam die Religion missbraucht, um sein Dominanzstreben zu verschleiern. Der politische Islam sieht Gewalt und den Dschihad als Weg, um unter dem Deckmäntelchen der Frömmigkeit politische Macht zu erlangen und Andersgläubige und Andersdenkende zu unterdrücken. Denn wer im Besitz der göttlichen Wahrheit ist, wie sich der politische Islam zu wähnen meint, der hat auch immer Recht. Seine Legitimation ist nicht zu hinterfragen, da Gott gegeben.
Da in weiten Teilen der arabischen Bevölkerung große Frömmigkeit herrscht, konnte die Moslembruderschaft mit dieser Denkweise immer wieder neue Anhänger gewinnen. Die Moslembruderschaft ist eine politische Bewegung, die in Libyen die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt nach dem Grundsatz von „spalte und herrsche“. Nachdem sich in Libyen keine Gräben fanden entlang Sollbruchstellen wie religiöse Zugehörigkeit (so gut wie alle Libyer sind Sunniten), in Stammeszugehörigkeiten (die vielen Stämme wechseln häufig die Loyalitäten und lassen sich kaum fest einer Seite zuordnen), in Arm oder Reich (alle Libyer erfreuten sich bis 2011 eines angenehmen Wohlstands, heute sind sehr viele verarmt), noch nach Nationalitäten, versucht man nun eine künstliche Spaltung in mehr säkular-militaristisch mit dem Vorbild Ägypten oder religiös-islamistisch mit dem Vorbild Türkei. Diese seit dem massiven Auftreten der Moslembrüder auftretende Pseudo-Spaltung findet sich auch in der Türkei, Ägypten, Tunesien, Algerien und anderen islamischen Ländern.

Doch der Spaltpilz hat nicht nur die arabische und moslemische Welt, sondern auch die EU erfasst. Griechenland und Zypern sehen ihre Interessen um die Ressourcen im östlichen Mittelmeer durch die Türkei und deren Abkommen mit der ‚Einheitsregierung‘ gefährdet und unterstützen die LNA und das Parlament im Osten Libyens. Eine Erklärung der Außenminister Frankreichs, Griechenlands, Zyperns, der VAE und Ägyptens im vergangenen Monat verurteilte die „illegalen Aktivitäten“ der Türkei im östlichen Mittelmeer. Die Türkei wurde aufgefordert, „die Souveränität und die souveränen Rechte aller Staaten in ihren Meereszonen im östlichen Mittelmeer uneingeschränkt zu respektieren“. Überraschender Weise haben Italien und Griechenland, die im Libyenkonflikt pro forma auf unterschiedlichen Seiten stehen, ein Abkommen über ihre Seegrenzen unterzeichnet, das Griechenlands maritime Hoheitsrechte seiner Inseln, insbesondere Kreta, in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht und im Gegensatz zu dem Abkommen, das die Türkei mit der libyschen ‚Einheitsregierung‘ geschlossen hat, anerkennt. Allerdings sind fast alle Explorations- und Pipelinepläne angesichts der am Boden liegenden Erdölpreise und des wirtschaftlichen Einbruchs durch die Corona-Pandemie erst einmal auf Eis gelegt. Bis auf die Aktivitäten der Türkei, die am 30. Mai bekannt gab, dass der staatlichen Ölgesellschaft Turkish Petroleum 24 Explorationslizenzen erteilt wurden, die auch Gewässer vor der Küste griechischer Inseln wie Kreta und Rhodos betreffen, eine Provokation für Griechenland, aber auch nicht weiter verwunderlich im Anbetracht, dass gerade schockierende türkische Invasionspläne für griechisches Territorium an die Öffentlichkeit gelangten.

Jeder gegen jeden, die Gemengelage völlig unübersichtlich, Nato-Mitglieder gegen Nato-Mitglieder, EU-Mitglieder gegen EU-Mitglieder, Iran mit Russland in Syrien, gegen Russland in Libyen. Der Islamische Staat an der Seite der ‚internationalen Gemeinschaft‘ in Libyen. Die Widersprüche, in denen sich die EU, die Nato, die ‚internationale Gemeinschaft‘ verstricken, werden immer unauflösbarer. Diese unheilvolle Allianz zwischen Westen und Moslembrüdern, die schon andere Länder wie Afghanistan und Syrien in den Abgrund riss, dieser kaum noch zu überbietende Irrsinn geht immer weiter als hätte die Welt keine anderen Probleme.
Und die Libyer? Wie war das 2011? Wollte die Nato nicht „Freiheit und Demokratie“ nach Libyen bringen? Stattdessen wurde Libyen zum Schlachtfeld fremder Staaten, kamen Neokolonialismus und Spaltung ins Land.
Die libysche Bevölkerung? Die wünscht sich nichts sehnlicher, als dass in ihrem Land wieder Frieden einkehrt. Die ganz große Mehrheit steht nicht hinter islamistischen Extremisten und kriminellen Milizen und sie will auch keine fremde Militärpräsenz, noch will sie eine Spaltung Libyens. Sie will einfach ihr Land zurück, das zum Spielball der globalen Mächte wurde.
EveryLifeCounts! Auch jedes arabische! Deshalb: Beendet den Krieg in Libyen! Sofort!
Erst wenn das Spalten nicht mehr funktioniert, funktioniert auch das Herrschen nicht mehr.

Kurznachrichten Libyen – 21.06.2020

Krieg in Libyen. Lage spitzt sich gefährlich zu / ‚Einheitsregierung‘ und Türkei erheben Anspruch auf Sirte, den Erdölhalbmond und Dschufra / Ägypten droht mit militärischem Eingreifen 


Militärische Lage
+ Die LNA erklärt den Luftraum über Sirte zur Flugverbotszone.
+ Der Kommandeur der Luftwaffe der LNA, Generalleutnant Saqr al-Jurushi, hat die Region Westsirte aufgrund der militärischen Mobilisierung zur militärischen Sperrzone erklärt.
+ Die LNA verlegt weitere Kampfeinheiten in die Gebiete von Sirte, Dschufra und in den Fessan.
+ Die LNA gibt bekannt, am 17.6. elf syrische Söldner und vier libysche Milizionäre östlich von Misrata im Rahmen einer Aufklärungsmission gefangen genommen zu haben.

Ägypten
+ 20.06.: Der ägyptische Präsident as-Sisi sagte, wer glaube, die Sirte-Dschufra-Linie in Libyen überschreiten zu können, leide unter Wahnvorstellungen. Dies sei eine rote Linie zum Schutz der nationalen Sicherheit von Ägypten und aller Araber. Es sei legitim für Ägypten, direkt zu intervenieren, da eine akute Bedrohung durch terroristische Milizen und Söldner gegeben sei. „Wenn das libysche Volk die ägyptische Armee bittet, zur Unterstützung der libyschen Armee zu intervenieren, dann sind wir bereit“. Es müssten alle ausländischen Streitkräfte und Söldner, die die Sicherheit der Region bedrohen, aus Libyen abgezogen und die bewaffneten Milizen aufgelöst werden.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57177
+ Präsident as-Sisi inspizierte die ägyptischen Streitkräfte, die auf der Militärbasis Sidi Barani nahe der Grenze zu Libyen stationiert sind und forderte sie auf, sich einsatzbereit zu halten.
+ Ägypten forderte eine Dringlichkeitssitzung aller Außenminister der arabischen Staaten, um die Lage in Libyen zu besprechen.
+ Am 20.06. bekräftigte Saudi-Arabien seine Unterstützung für Ägypten und wies darauf hin, dass Kairo das Recht hat, seine Westgrenze zu Libyen vor Terrorismus zu schützen.
https://libyareview.com/?p=3998
+ Jordanien will die politischen Bemühungen in Libyen unterstützen. Es stehe an der Seite Ägyptens, sollte dessen Sicherheit bedroht sein.

Libysche Stämme und Städte
+ Am 21.06. erklärte der Rat der Scheichs und Ältesten in Tarhuna seine absolute Unterstützung des ägyptischen Präsidenten as-Sisi bezüglich dessen Erklärungen zu Libyen, welche die libysche Souveränität und deren Verteidigung hervorhebt. Der Rat bekräftigte auch, dass die ägyptische Intervention „legitim“ ist und auf der Grundlage des Gemeinsamen Arabischen Verteidigungsvertrag (Joint Arab Defense Treaty) stehe.
Er forderte auch, dass „die extremistischen Milizen der Regierung Sarradsch für die Kriegsverbrechen, die sie beim Einmarsch in Tarhuna begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden“.
https://libyareview.com/?p=3993

Libysche Nationalarmee
+ Die LNA weist auf die bedeutsame Tatsache hin, dass das demokratisch gewählte libysche Parlament soziale Gleichstellung garantiert. Alle Libyer, egal welcher Couleur, egal ob Frau oder Mann, würden gleich behandelt, ob bei der Vergabe von Posten des Premierministers oder Marinekommandanten, Kommandeurs der Spezialeinheiten oder Ministers und hochrangigen Offiziers. Die LNA fragte: „Kennen Sie einen einzigen libyschen Beamten der ‚Einheitsregierung‘ mit schwarzer Hautfarbe?“
https://twitter.com/LNA2019M/status/1273419651033321472
+ Die LNA: „So viel zu BlackLivesMatter in Libyen unter der ‚Einheitsregierung‘: Der dunkelhäutige Libyer in dem Video sagt, er sei drei Tage lang gefoltert worden und hätte auch kein Essen bekommen. Er zeigt seinen durch Schläge verwundeten Rücken.“
Die LNA sei stolz darauf, für das Leben der Schwarzen zu kämpfen.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1273422685708705793

Libysches Parlament/Übergangsregierung
+ Am 17.06. erklärte der Außenminister der Übergangsregierung (Tobruk), Abdel-Hadi al-Hawidsch, im Gespräch mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Michael Bogdanow, dass die Errichtung türkischer Militärbasen in Libyen nicht zugelassen werden würde. Es sollte ein politischer Prozess eingeleitet werden, der die Unabhängigkeit Libyens gewährleistet und alle ausländischen Kämpfer aus dem Land vertreibt. Hawidsch forderte das Ende der bewaffneten Gruppen und die Entwaffnung von Kriminellen, um einen dauerhaften Frieden in Libyen zu gewährleisten.
https://libyareview.com/?p=3863
+ Dr. Aref Ali Nayed, Chef der Bewegung Ihya Libyen sagte in einem Interview: „Diese neo-osmanische Invasion ist die größte Gefahr, der die arabischen Länder jetzt gegenüberstehen. Sie bedroht ihre Unabhängigkeit, Einheit und nationale Sicherheit und erfordert daher die Aktivierung des gemeinsamen Verteidigungsabkommens, das Bestandteil der Rechtsgrundlage der Liga der Arabischen Staaten (LAS) ist“. Nayed geht davon aus, das es sich bei der momentanen Invasion um einen langfristigen Plan handelt, der vorher schon in Somalia, Katar, Syrien und dem Irak ausgeführt wurde. Es gebe Stimmen in den USA, welche die türkische Intervention unter dem Vorwand gutheißen, sie würde die russische Präsenz auf Seiten der LNA ausgleichen. „Sie machen jedoch einen schwerwiegenden Fehler, denn die türkische Intervention wird zur Schaffung von Militärbasen für gefährliche terroristische Gruppen führen, die die Sicherheit der gesamten Region bedrohen und sich mit den übrigen terroristischen Gruppen in der Sahelzone, der Sahara, Somalia und in anderen Gebieten zusammenschließen“. Wenn die arabischen Staaten zuließen, dass die Türkei Militärstützpunkte in Libyen errichtet, werde dies zu einem Dominoeffekt führen, der alle arabischen Staaten zusammenbrechen ließe, einen nach dem anderen, beginnend mit den libyschen Nachbarländern. Nayed warnte vor erneuter Aufnahme der Kampfhandlungen durch die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Richtung Sirte und al-Dschufra. Dies würde die LNA zu Kampfhandlungen zwingen und es könnte das militärische Eingreifen von Ägypten und Russland bedeuten. Dies berge für die Städte Misrata und Tripolis große Gefahren.
In den libyschen Stämmen sieht Nayed das soziale Rückgrat des libyschen Volkes, selbst in den größten Städten. „Die libyschen Stämme verfügen jetzt über zwei Hauptorgane, die effektiv und zeitnah einen Beitrag leisten können: die Versammlung, die in Bani Walid stattfand und zu vorbereitenden Ausschüssen unter dem Namen Forum der Stämme und libyschen Städte führte, und die Versammlung, die in Tarhuna stattfand und zur Präsidentschaft des Obersten Rates der Scheichs und Notabeln der libyschen Stämme führte. Darüber hinaus wird die Nationale Bewegung für Libyen von fünf der wichtigsten libyschen Scheichs geleitet und kann ebenfalls einen wirksamen Beitrag leisten.“
https://almarsad.co/en/2020/6/18/alyoum7-interview-aref-nayed-warns-neo-ottoman-invasion-is-the-gravest-threat-to-arab-countries/

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei/Moslembrüder
+ Die Türkei und die ‚Einheitsregierung‘ stellen Maximalforderungen für einen Waffenstillstand in Libyen. Die LNA solle sich nicht nur auf ihre Positionen vom April 2019 zurückziehen, sondern auf ihre Stellungen von 2015. Zu dieser Zeit befanden sich Sirte, Dschufra und der libysche Ölhalbmond noch unter der Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘, bevor sie 2016 an die LNA abgegeben werden mussten.
+ Wie Abdel-Hadi Dara aus Misrata vor der türkischen Anadolu-Agentur (AA) erklärte, geben die Milizen von Misrata ihren Anspruch auf die von der LNA gehaltenen Stadt Sirte nicht auf.
https://almarsad.co/en/2020/06/16/abdel-hadi-dara-liberation-of-sirte-is-a-must/
+ Der Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, Sarradsch, hielt sich zu politischen Gesprächen in Algerien auf. An dem Treffen nahmen der algerische Premierminister Abdul Aziz Dscharad, der Außenminister Sabri Boukadoum und eine Reihe hoher algerischer Beamter teil, während der libyschen Delegation der ‚Einheitsregierung‘ neben dem libyschen Botschafter bei der EU Hafed Kaddour auch Außenminister Mohamed Taher Siala, Innenminister Fathi Bashaga und der Kommandeur der westlichen Militärzone, Generalmajor Osama al-Dschuwaili, angehörten.
Der algerische Premierminister bekräftigte seine Unterstützung für die ‚Einheitsregierung‘ und die Anstrengungen, die as-Sarradsch unternimmt, um die gegenwärtige Krise in Libyen zu überwinden.
https://libyareview.com/?p=3995
Algerien und Libyen verbindet eine gemeinsame Grenze von 1000 Kilometern Länge.

+ Die Türkei warf Frankreich vor, durch die Unterstützung von Haftar und dessen Streitkräften die Sicherheit der NATO zu gefährden. Er warnte vor einem übereilten Waffenstillstand.
http://en.alwasat.ly/news/libya/286776
+ Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte am 19.06. während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem italienischen Amtskollegen Luigi Di Maio, dass sich die Türkei und Italien weiterhin für einen dauerhaften Frieden und eine politische Lösung in Libyen einsetzen werden. Die Pressekonferenz erfolgte, nachdem es zu einem schwerwiegenden Vorfall zwischen Frankreich und der Türkei im Rahmen der Operation Irini im östlichen Mittelmeer gekommen war.
Italien und die Türkei unterstützen die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Frankreich steht auf der Seite der LNA.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57172
+ Die Türkei klagt Frankreich an, das Waffenembargo gegen Libyen im Sinne der LNA zu brechen. Ebenso würde Russland Haftar mit Waffen und Flugzeugen unterstützen und Abu Dhabi käme für die Kosten auf. Es werde in den nächsten Tagen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der Türkei ein Abkommen unterzeichnet, betreffend ausstehender Schulden, die Libyen an türkische Baufirmen zahlen müsse.
+ Am 19.06. wurde auf dem extremistischen Sender Libyens eine Ansprache von Sadiq al-Gharyani ausgestrahlt. Gharyani war in der Zeit des Allgemeinen Nationalkongresses GNC Obermufti von Libyen, wurde dieses Postens später vom Parlament enthoben. Nun erließ er eine skandalöse Fatwa, die die Tötung von LNA-Gefangenen erlaubt und somit nicht nur gegen die Genfer Konventionen, sondern auch gegen islamisches Recht verstößt. Außerdem lobte er die ‚Einheitsregierung‘ für den Empfang, die sie der türkischen Delegation in Tripolis bereitet hatte. Frankreich, Italien und Deutschland wurden in seiner Rede als Feinde bezeichnet, welche die Türkei angreifen würden.
Für den Aufbau Libyens sei die Zusammenarbeit mit der Türkei unabdingbar. Die Mitglieder der LNA bezeichnete er als Ungläubige. Weiter sagte er: „Unsere Kämpfer benutzten ihre Waffen und nicht die des Staates, und deshalb gehört das, was sie erbeuten, nicht dem Staat, sondern ihnen“.
https://almarsad.co/en/2020/06/19/video-gharyani-permits-killing-lna-prisoners-and-withholding-war-spoils-from-the-gna/

Coronakrise
+ Libyens Oberstes Komitee zur Bekämpfung des Coronavirus warnte vor einem verstärkten Ausbruch des Virus in libyschen Städten und Regionen. Er wird darauf zurückgeführt, dass die verordneten Hygienemaßnahmen von der Bevölkerung nicht befolgt werden, obwohl es eine rapide Zunahme von Infektionsfällen gebe.
Wie soll sich denn die Bevölkerung an die Vorgaben halten, wenn Krieg herrscht?

Internationale Diplomatie
+ Am 21.06. sprach sich das US-Außenministerium für die Unterstützung des libyschen Volkes zur Beendigung der ausländischen Einmischung aus und betonte, dass es die ägyptischen Bemühungen um eine Beendigung der libyschen Krise unter der Schirmherrschaft der UN unterstützt.
Der ägyptische Präsident as-Sisi hatte betont, dass „jede direkte Intervention Ägyptens international legitim geworden ist, sowohl im Rahmen der UN-Charta zur Selbstverteidigung als auch auf der Grundlage der einzigen legitimen Autorität, die vom libyschen Volk gewählt wurde: dem libyschen Parlament. Er forderte den Abzug der Söldner aus Libyen und die Notwendigkeit, dass die Milizen ihre Waffen an die libysche Nationalarmee (LNA) aushändigen.
https://libyareview.com/?p=4001
+ Am 19.06. trafen sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in Berlin, um die Lage in Libyen vor dem Hintergrund der türkischen Intervention sowie Fragen der Sahelzone zu erörtern. Es wurde beschlossen, dass Waffenembargo gegen Iran aufrechtzuerhalten.
https://libyareview.com/?p=3954
+ Der tunesische Präsident Kais Saied wird auf Einladung seines französischen Amtskollegen Emmanuel Macron am Montag Paris einen offiziellen Besuch abstatten. Es sollen eine Reihe von Fragen von gemeinsamem Interesse erörtern werde, insbesondere die Lage in Libyen. Der Besuch von Präsident Saied in Paris findet zu einer Zeit statt, in dem das politische Klima in Tunesien starken Spannungen ausgesetzt ist. Gegen den tunesischen Parlamentspräsidenten Rashid Ghannouchi, einem Moslembruder, wurde eine Reihe von Anklagen wegen Stellungnahmen zugunsten der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis erhoben. Dagegen hat der tunesische Präsident Saied die Neutralität seines Landes betont.

Verschiedenes
+ Die vor wenigen Tagen in Tarhuna von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gefangengenommenen und misshandelten ägyptischen Arbeiter wurden mit Busen von Misrata aus zurück nach Ägypten gebracht, wo sie inzwischen angekommen sind.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1273407104397840391
+ An den Stränden von Subrata und Surman im Westen Libyens werden wieder Leichen von ertrunkenen Migranten angeschwemmt, wie Fotos auf Twitter belegen. Dies gab es zu Zeiten, als die LNA diesen westlichen Küstenabschnitt kontrollierte, nicht. Erst seit der kürzlichen Einnahme dieser Städte durch die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ wird die Welt wieder mit diesen traurigen Bildern konfrontiert.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1273371155047550977
+ Berichte aus der von den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ am 5. Juni eingenommenen Stadt Tarhuna im Westen Libyens: „Die Stadt ist so leer, sie fühlt sich wie eine Geisterstadt an“. (Nach Angaben der LNA wurden mehr als 37.000 Zivilisten aus Tarhuna vertrieben. Sie fanden in Sirte und weiter östlich gelegenen Gebieten Unterschlupf). Nach dem Einmarsch spielten sich folgende Szenen ab: „Sie stehlen alles. Sie haben einer alten Frau Hühner gestohlen, sind weggegangen und kamen dann zurück, um ihre Ohrringe zu stehlen.“ Und: „Unmittelbar nachdem die Milizen in Tarhuna einmarschiert waren, erschienen in den sozialen Medien Fotos und Videos, auf denen Milizionäre […] stolz mit toten Tieren aus dem Zoo posieren, die sie geschlachtet hatten, darunter Gazellen und ein Löwe.“ Zwei Tage nach der Einnahme der Stadt plünderten die Milizen ein Einkaufszentrum und setzten es in Brand. Es seien sogar Ampeln aus der Stadt gestohlen worden. „Das ist lustig und traurig zugleich“. Die syrischen Söldner behaupten, sie hätten geplündert, weil ihnen nicht der zustehende Sold gezahlt worden sei. Um wieder die Ordnung in der Stadt herzustellen, schickte die ‚Einheitsregierung‘ die Rada-Miliz unter dem Kommando von Abdel Rauf Kara: „Die Rada richtete sich gegen Homosexuelle, Alkoholtrinker und Drogenkonsumenten.“ Inzwischen wurde bestätigt, dass sich die Rada in Tarhuna wie der IS aufführt und z.B. Autos nach Zigaretten durchsucht. Es wurden weiterhin Häuser, von denen man glaubte, sie gehörten LNA-Anhängern, in Brand gesetzt.
https://libyareview.com/?p=3978
https://twitter.com/libya_at/status/1274119381207875587
+ Im Fessan kommt es zu langanhaltenden Stromausfällen.
+ Am 17.06. äußerte die NOC (National Oil Corporation) ihre Besorgnis über die immer noch andauernde Schließung der libyschen Ölanlagen. Es käme dadurch zu Beschädigungen in den Leitungen und Tanks. Diese müssten entleert werden, damit bei Kriegshandlungen keine Schäden entstehen. Die NOC appellierte dafür, die Ölanlagen wieder zu öffnen.
https://libyareview.com/?p=3869
+ Libyen ist mit 182 von 192 Stimmen in den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen gewählt worden. Die Mitgliedschaft beginnt am 1. Januar 2021 für die Dauer von zwei Jahren.
Es handelt sich dabei um einen Vertreter der nicht legitimierten ‚Einheitsregierung‘. Bei dieser Nachricht muss man sich die Augen reiben.
+ Der Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei eskaliert. Der Chef des griechischen Generalstabs für die nationale Verteidigung, Konstantinos, Floros, warnte die Türkei davor, Maßnahmen zu ergreifen, die sich gegen die Interessen Griechenlands richten. Floros schloss nicht aus, dass der Konflikt auch militärisch ausgetragen werden könnte, falls Ankara rote Linien überschreite. Er sagte, ein solcher Konflikt wäre nicht zu begrenzen, deshalb könne er auch nur schwer wieder beendet werden.
https://libyareview.com/?p=4009
+ Frankreich beschuldigt die Türkei, in einer „feindlichen und aggressiven“ Art und Weise ihren Nato-Alliierten daran gehindert zu haben, das gegen Libyen verhängte UN-Waffenembargo durchzusetzen. Solcherlei Verletzungen des Embargos stünden der Absicht im Wege, Frieden und Stabilität in dem nordafrikanischen Land zu erlangen.
Der Vorfall hatte sich schon letzte Woche ereignet: Nachdem zunächst griechische Soldaten im Rahmen der EU-Marinemission Irini erfolglos versuchten hatten, das Frachtschiff Cirkin aufgrund eines begründeten Verdachts auf Waffenlieferungen für die ‚Einheitsregierung‘ zu inspizieren, nahm die französische Tarnkappenfregatte Courbet Kurs auf die Cirkin. Der Frachter wurde von türkischen Fregatten begleitet und der Kapitän berief sich auf die sogenannte ‚souveräne Immunität‘.
Anschließend führte die türkische Seite gegen die Courbet eine „Kriegshandlung“ aus, indem sie das französische Schiff mit einer dreimaligen Radarmarkierung erfasste. Dies wird als eine letzte Warnung vor einem tatsächlichen Angriff mit einem Seezielflugkörper gesehen und gilt als feindlicher Akt.
https://deutsch.rt.com/europa/103616-frankreich-warnt-nach-extrem-aggressivem/
+ Am 17.06. sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass Gespräche mit der Europäischen Union über eine mögliche Zusammenarbeit mit ihrer Marineoperation Irini im Gange seien. Das Hauptziel der Mission ist „die Umsetzung des UN-Waffenembargos in Libyen durch den Einsatz von Luft-, Satelliten- und Seeüberwachung“.
Sollte sich die Nato in die Überwachung der EU Irini-Operation einklinken, darf man gespannt sein, was mit Frachtern unter türkischer Militärbegleitung geschieht. Die Luft- und Satellitenüberwachung dürfte vor allem auf Ostlibyen und Unterstützung für die LNA abzielen.
+ Amr Moussa, ehemaliger Generalsekretär der Arabischen Liga und ehemaliger ägyptischer Außenminister, wies am 18.06. in einem Interview mit SkyNews darauf hin, dass die Türkei derzeit die größte Gefahr für die arabische Welt darstelle. Sie hätte in den letzten Tagen in drei arabischen Ländern, im Nordirak, in Nordsyrien und in Libyen, Militäreinsätze durchgeführt. Laut Moussa ist die Türkei „aufgrund ihrer strategischen Fähigkeiten für die arabische Welt gefährlicher als der Iran, da sie Mitglied der Nato ist, eine wichtige strategische Beziehung zu den USA und ebenso zu Russland unterhält, und dazu noch ihre Interessen mit denen der EU verflochten sind“. Seiner Meinung nach wäre es für die Türkei niemals möglich gewesen, ohne die Zustimmung der Supermächte in Libyen aktiv zu werden und dort mit ihren Streitkräften, Milizen und Söldnern präsent zu sein. Die in Libyen anwesenden Großmächte wie die USA, die EU und Russland seien alle daran interessiert, den Status quo so lange beizubehalten, „bis die Dinge geregelt sind“. Sie wollten den Sieg weder Sarradsch noch Haftar überlassen.
https://libyareview.com/?p=3957
+ Der Generalsekretär der Organization of Islamic Cooperation (OIC), Al-Othaimin an Asharq al-Awsat, hält die Moslembruderschaft' für gefährlicher als den IS. Die Infiltration der Gesellschaften durch sie müsse sofort gestoppt werden. Al-Othaimin: „Sie arbeiten daran, die Gesellschaft von unten her zu infiltrieren, mit dem Ziel, sie zu spalten und dann die Macht an sich zu reißen“. Er fuhr fort: „Wir sind gegen Terrorismus und Extremismus. Der reine Islam ist gemäßigt und beruht auf Barmherzigkeit und Frieden“. In Bezug auf Libyen unterstrich al-Othaimin die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands. Seine Organisation begrüße die ägyptischen Bemühungen um eine friedliche Lösung der libyschen Krise.
https://english.aawsat.com/home/article/2344386/al-othaimeen-asharq-al-awsat-brotherhood-more-dangerous-isis
+ Ein Beitrag auf RT geht ausführlich auf die aggressive Politik der Türkei in der Ägäis ein und die Spannungen, die daraus insbesondere mit Griechenland entstehen. „Jenseits handfester wirtschaftlicher und strategischer Gründe spielen dabei offensichtlich auch historische Gründe und neo-osmanische Träume eine Rolle“, erklärte Mesut Hakkı Caşın, sicherheitspolitischer Berater von Präsident Erdoğan. Warum auch Ägypten höchst besorgt über die militärischen Aktivitäten der Türkei in Syrien, Libyen und im östlichen Mittelmeer ist, verrät die Aussage von Mesut Hakki Cosan, Mitglied des Präsidialausschusses für Sicherheit und Außenpolitik der Türkei: „Die Türken haben Ägypten erobert, nachdem sie das Mittelmeer regiert haben. Dies ist eine Mission von historischer/geopolitischer Bedeutung.“
Sehenswert ist auch das Video auf dieser Seite, das darlegt, dass Menschenleben, insbesondere libysche, nicht zählen, wenn es um Erdöl und Geld geht.
https://deutsch.rt.com/international/103440-mavi-vatan-plan-erfuellung-von
Der Machtverlust der verbündeten Moslembrüder in Ägypten im Jahr 2013 schmerzt Erdogan und das hinter ihm stehende Katar empfindlich. Nichts wäre Erdogan lieber als den verhassten ägyptischen Präsidenten as-Sisi stürzen zu können.
+ Ein weiterer Beitrag auf RT prangert in einem Video die Heuchelei und Verlogenheit von Hillary Clinton in Bezug auf BlackLivesMatter an. Während sie heute zur Unterstützung der Schwarzenbewegung aufruft, war sie 2011 maßgeblich für den Krieg gegen Libyen verantwortlich, in dessen Verlauf ein nicht nur funktionierender, sondern prosperierender Staat in die Anarchie gebombt wurde, in dem heute Sklavenmärkte existieren und geradezu eine Sklavenindustrie entstand, in der BlackLives überhaupt nichts mehr wert sind.
https://deutsch.rt.com/nordamerika/103605-wo-sklavenhandel-bluht-hillary-clintons
+ Einen Messerangriff in der nahe London gelegenen Stadt Reading am 20.06. mit drei Toten und drei Verletzten hat die Polizei offiziell als Terrorangriff eingestuft. Bei dem Festgenommenen handelt es sich um den 25-jährigen Libyer Khairi Sadallah, der bereits wegen kleinerer krimineller Delikte polizeibekannt war.
https://deutsch.rt.com/europa/103727-britische-polizei-stuft-messerangriff-als/

 22.06.2020


Dienstag, 16. Juni 2020



Kurznachrichten Libyen – 14.06.2020

Libyen. Brutale Übergriffe und Zerstörungsakte der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ v.a. in Tarhuna/Treffen zwischen Russland und Türkei auf Ministerebene kurzfristig verschoben 


Militärische Lage
Nachdem die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ mit einem Sturmangriff auf Sirte gescheitert sind und sich wieder auf eine Entfernung von 90 km zurückziehen mussten, herrscht bis auf einzelne Luftangriffe der LNA eine relative Waffenruhe.
+ 13.06.: Die LNA gibt an, im Wadi Dscharif (westlich von Sirte) bewaffnete Fahrzeuge der ‚Einheitsregierung‘ zerstört zu haben.
+ 12.06.: Die LNA gibt die Zerstörung eines Konvoys aus 15 bewaffneten Fahrzeugen mit Rebellen aus dem Tschad im Südwesten Libyens bekannt.
+ 12.06.: Die LNA fliegt im Osten von Abu Grain Luftangriffe auf Stellungen der Milizen.
+ Es erfolgte ein Luftangriff auf eine Einsatzzentrale der ‘Einheitsregierung’ in Misrata.

Libysches Parlament
+ Parlamentspräsident Aguila Saleh ist am 13.06. zu Gesprächen mit dem algerischen Parlamentspräsidenten und dem algerischen Außenminister nach Algerien gereist. Die algerische Regierung bemüht sich um eine Mittlerrolle in Libyen und will dabei mit Ägypten und Tunesien kooperieren.
Der algerische Außenminister hatte einen Tag zuvor die Lage in Libyen mit dem spanischen, dem italienischen und dem irischen Außenminister erörtert.
Dabei hat Algerien mehr als genug Probleme im eigenen Land, die von einer Lösung meilenweit entfernt sind.

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei
+ Auf Twitter ist ein Video zu sehen, das zeigt, wie in Tarhuna verhaftete ägyptische Arbeiter von Misrata-Milizen gedemütigt werden. Dies scheint im Rahmen der vom Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ ausgerufenen Operation „Sichere Stadt – Vulkan der Wut“ stattzufinden.
Die Arbeiter sollen nach Misrata verschleppt worden sein.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1272053910954541057
+ Ebenfalls wird am 14.06. berichtet, dass eine Olivenbaumplantage in Tarhuna in Flammen aufgegangen ist.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1272106625424392193
+ Es gibt auch Berichte über die Ermordung von Schwarzafrikanern in Tripolis durch die Milizen.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1272131755873652740
+ 12.06.: Es wird berichtet, dass eine pro-türkische Dschihadistengruppe einen 400 Jahre alten Sufi-Schrein in Tarhuna sprengte.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1271214199230824448
+ 11.06.: Ein Milizenkämpfer zündet ein Haus in der westlibyschen Stadt Tarhuna an und sagt: „Wir werden alle Häuser hier niederbrennen.“
https://twitter.com/LibyaReview/status/1271030540930625536
+ Auf Twitter wird am 12.06. berichtet, dass die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tarhuna drei schwarzafrikanische Arbeiter entführt und ermordet haben, um anschließend ihre Leichen in einem brennenden Haus zu entsorgen. Auch die Brandstiftungen halten weiter an.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1271425612629053441
+ Am 12.06. wurden drei türkische militärische Frachtflugzeuge und ein mit Waffen beladenes Schiff gesichtet, die sich dem Luftraum und den Hoheitsgewässern von Westlibyen näherten. Auf der italienischen Website Flight Radar, die den weltweiten Flugverkehr überwacht, hieß es, dass zwei der türkischen Flugzeuge vom Flughafen Istanbul und das dritte vom Militärstützpunkt Konya in der Türkei gestartet seien.
https://libyareview.com/?p=3667
+ Lobbyisten des Unternehmens Mercury, die für die libysche ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis tätig sind, promoten den deutschen Libyenspezialisten Wolfram Lacher. Dies geht aus Unterlagen hervor, die bei Foreign Agents Registration Act (FARA) eingereicht wurden. Als in Libyen „hoch geachtete Persönlichkeit“ soll mit seiner Hilfe der Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ geleugnet werden.
https://almarsad.co/en/2020/06/12/fara-document-reveals-how-gnas-lobbying-firm-promotes-wolfram-lacher/
+ 12.06.: Das türkische Militär führte am Donnerstag eine 8-stündige Luftübung an der libyschen Küste durch, „um zu zeigen, dass es im Bedarfsfall schnell und einfach mehrere F-16 und Frühwarnflugzeuge in das Land entsenden kann, sagte ein türkischer Beamter gegenüber MiddleEastEye.
+ Am Mittwoch erklärte der stellvertretende griechische Verteidigungsminister Alkiviadis Stefanis, dass Griechenland für das „Worst-Case-Szenario“ mit der Türkei bereit sei. Dies bezieht sich auf die jüngste Eskalation der Spannungen zwischen den beiden Ländern wegen der Hoheitsgewässer im Mittelmeer.
https://libyareview.com/?p=3655
+ HeiseOnline berichtet, über tausende Trolle, die im Dienste der AKP-Regierung stehen und auch in Deutschland unterwegs sind.
Das Auswärtige Amt warnt bei Reisen in die Türkei: „Seien Sie sich bewusst, dass regierungskritische Äußerungen in sozialen Medien, auch wenn sie länger zurückliegen, aber auch das Teilen oder Liken eines fremden Beitrags, Anlass für strafrechtliche Maßnahmen der türkischen Sicherheitsbehörden sein können“.
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Schlag-gegen-Erdogans-Trollarmee-4782750.html

Europäische Union
+ Am 12.06. erklärte die EU, dass türkische Fregatten die Inspektion eines türkischen Frachtschiffes verhindert haben, von dem angenommen wurde, dass es Waffen für die ‚Einheitsregierung‘ in Libyen an Bord hat. Die EU fügte hinzu, dass die Türkei weiterhin gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen verstoße. Dies werde von der EU als eine Bedrohung ihrer Sicherheit angesehen. Griechenland hatte beantragt, das Verhalten der Türkei im östlichen Mittelmeer auf die Tagesordnung beim EU-Außenministertreffen am 15.06. zu setzen. Es soll auch darüber diskutiert werden, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen.
https://libyareview.com/?p=3674
Die Mission Irini wird immer mehr zur Lachnummer.

Verschiedenes
+ Zunächst hieß es, dass der russische Außenminister und der russische Verteidigungsminister am 15.06. zu Konsultationen mit ihren türkischen Amtskollegen in der Türkei erwartet werden. Nun ließ das türkische Außenministerium verlauten, die beiden russischen Minister werden nicht wie geplant in die Türkei reisen. Die Verhandlungen Libyen und Syrien betreffend sind verschoben und sollen in den kommenden Tagen von den stellvertretenden Außenministern weitergeführt werden. An den Gesprächen wollte auch der iranische Außenminister teilnehmen.
+ Nachdem sich der deutsche Botschafter Oliver Owcza mit General Haftar und Parlamentspräsident Saleh getroffen hatte, stand ein Treffen mit dem Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Sarradsch auf dem Programm. Laut Owcza sei Deutschland bemüht, die Ergebnisse der Berliner Konferenz im Einklang mit den von der UNO festgelegten militärischen, politischen und wirtschaftlichen Richtlinien umzusetzen. Sarradsch erklärte, dass er kein ernsthaftes Treffen mit echten Partnern, die sich um die Errichtung eines zivilen und demokratischen Staates bemühten, verzögern werde.
https://libyareview.com/?p=3672
D.h. er will keine Verhandlungen, denn Saleh und Haftar sieht er bestimmt nicht als „echte Partner“ an.
+ Laut LibyanReview heißt es aus informierten Kreisen, dass die europäische und die US-amerikanische Position zur aktuellen Lage in Libyen identisch seien, insbesondere bezüglich der Notwendigkeit eines umfassenden Waffenstillstands, der Einhaltung der UN-Resolution zum Waffenembargo und zur Wiederaufnahme von Verhandlungen gemäß den Beschlüssen der Berliner Konferenz und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen“.
Am 12.06. hatten US-Außenminister Mike Pompeo und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell die jüngsten Entwicklungen der Libyen-Krise besprochen. Es wurde die Dringlichkeit betont, den anhaltenden Konflikt im Land zu beenden.
https://libyareview.com/?p=3729
+ Der Stellvertretende Generalsekretär der Arabischen Liga (AL), Hossam Zaki, wies Berichte zurück, nach denen sich die Position der AL zur türkischen Intervention in Libyen geändert habe. Es gebe eine klare Entscheidung des Arabischen Außenministerrates, der die türkische Einmischung in Libyen und die Rekrutierung ausländischer Kämpfer ablehnt und verurteilt.
+ Die UN-Sondermission für Libyen will untersuchen, was es mit der Entdeckung von Massengräbern in Tarhuna auf sich hat. Die Opfer sollen identifiziert und die Todesursache festgestellt und die Leichen an die Angehörigen übergeben werden.
https://twitter.com/UNSMILibya/status/1271107079508561927
+ Am 13.06. teilte die italienische Polizei mit, dass sie 30 Luxusfahrzeuge im Wert von über 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt hat. Die Fahrzeuge waren in Kanada gestohlen worden, dann bei der Durchsuchung von Schiffscontainern in den kalabresischen Häfen Salerno und Gioia Tauro wieder aufgetaucht. Von dort sollten sie zum Weiterverkauf in die Türkei (Mersin) und nach Libyen (Khoms/westliches Libyen) gehen.
https://www.rainews.it/dl/rainews/media/Polizia-sventa-traffico-internazionale-di-auto-di-lusso-rubate-98e9ec73-e8c7-40e9-9194-74da54bc7515.html#foto-1



'Einheitsregierung' und Lobbyismus

Libyen. Wie das Lobbying-Unternehmen Mercury den Einfluss der Moslembrüder und Dschihadisten in Tripolis vertuschen will und Wolfram Lacher für seine zweifelhaften Blogs lobt. 


Die Wandlung des Libyenexperten Wolfram Lacher
Lobbyisten des Unternehmens Mercury, die für die libysche ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis tätig sind, promoten den deutschen Libyenspezialisten Wolfram Lacher. Dies geht laut AlMarsad aus Unterlagen hervor, die bei Foreign Agents Registration Act (FARA) eingereicht wurden. Mit Hilfe Lachers, den Mercury als in Libyen „hoch geachtete Persönlichkeit“ beschreibt, soll der Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ geleugnet werden.
AlMarsad schreibt: „Der deutsche Libyen-Experte Wolfram Lacher, führender Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), ist ein bekannter Autor in Sachen Libyen. Im Juli 2018 verfasste er zusammen mit Alaa al-Idrissi ein Papier mit dem Titel Hauptstadt der Milizen: Die bewaffneten Gruppen Tripolis erobern den libyschen Staat, eine wichtige Studie, die den Einfluss paramilitärischer Kräfte, die mit der ‚Einheitsregierung‘ zusammenarbeiten, aufdeckte. Lachers Studie hat gezeigt, wie das >Milizenkartell in Tripolis< in einer Weise >Einfluss auf staatliche Institutionen und Vermögen< ausübte, die in Libyen in der Zeit nach Gaddafi beispiellos war.“
Laut Lacher kontrolliere das Milizenkartell die Verwaltung und die Wirtschaft. Diese Situation heize einen möglichen „neuen Krieg um die Hauptstadt“ an. Er beschuldigte die USA und die ‚internationale Gemeinschaft‘ zusammen mit der ‚Einheitsregierung‘, >die Expansion dieser Milizen stillschweigend unterstützt< zu haben.
Allerdings habe sich seitdem Lachers Einstellung geändert und er wurde zu einem vehementen Unterstützer der ‚Einheitsregierung‘. Laut AlMarsad hetze er seit dem Beginn des Marsches der LNA auf Tripolis im April 2019 in seinen Twitter-Posts einseitig gegen Feldmarschall Haftar, die LNA und andere einflussreiche Persönlichkeiten, die gegen die ‚Einheitsregierung/Islamisten/Erdogan eingestellt sind. Zu den Angegriffenen zähle auch Dr. Aref Ali Nayed, mit dem sich Lacher noch im Juni 2015 in Berlin fotografieren ließ.
Neben seinen Angriffen auf alle Gegner der ‚Einheitsregierung‘ habe er auch aktiv andere Libyenexperten, Offizielle und Aktivisten blockiert [Anm.: Auch mich hat Lacher auf Twitter gesperrt]. Offensichtlich habe er sich von einem wissenschaftlichen Analysten zu einem Aktivisten der ‚Einheitsregierung‘ gewandelt.

‚Einheitsregierung‘ zahlt Millionen an Mercury
Die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis beauftragte im April 2019 die in den USA ansässige Lobbygruppe Mercury Public Affairs LLC, um bei der Trump-Administration und dem Kongress Lobbyarbeit für die ‚Einheitsregierung‘ zu leisten. Mercury ist ein führendes Lobbying-Unternehmen in den USA, zu dessen Kunden auch die Türkei und Katar, China und Russland gehören. Wie aus den Aufzeichnungen mit der FARA hervorgeht, bekam Mercury einen monatlichen Vorschuss von 150.000 US-$, plus vierteljährlich 50.000 US-$ für angefallene Ausgaben zusätzlich zu einer Einstiegszahlung von 500.000 US-$.
Mercury verpflichtete hochkarätige Lobbyisten wie den ehemaligen republikanischen Senator David Vitter, den ehemaligen Trump-Berater Bryan Lanza und Suheyla Tayla, eine ehemalige türkisch-amerikanische Politikexpertin an der US-Botschaft in Ankara, um das Image der ‚Einheitsregierung‘ aufzupolieren. Daneben startete Mercury eine massive PR-Kampagne, die positive Artikel über die ‚Einheitsregierung‘ in führenden westlichen Publikationen unterbringen konnte. Die Zusammenarbeit der ‚Einheitsregierung‘ mit islamistischen Milizen, der Türkei und syrischen Söldnern fanden keine Erwähnung, dafür wurde umso heftiger auf Haftar und Russland eingedroschen.

Für die Lobbyisten von Mercury ist Lacher ein Vorbild
Wie sich Mercury die völlig verzerrte Darstellung der libyschen Sachverhalte vorstellte, geht aus bei AlMarsad veröffentlichten Emails der Geschäftsführerin von Mercury, Molly Toomey, hervor, in der auch ein Twitter-Post von Wolfram Lacher als positives Beispiel aufgeführt wird, um die Anwesenheit von dschihadistischen Kämpfern in Tripolis zu leugnen: https://twitter.com/W_Lacher/status/1260470431074734090
In dem Twitter-Post von Lacher auf den Hinweis, dass der ehemalige Führer der LIFG (Libyan Islamic Fighting Group, al-Kaida nahestehend), Khalid asch-Scharif, wieder in Tripolis ist und einen führenden Posten anstrebt, heißt es bei Lacher: „Falsch. Khalid asch-Scharif ist nicht in Tripolis. Und das Reden über islamistische Dominanz in der ‚Einheitsregierung‘ führt zu Fehlschlüssen. Ich habe diesen Unsinn so satt. Schau, dass du einen anderen Bösewicht findest.“
Laut AlMarsad lag Lacher mit der Leugnung der erneuten Anwesenheit von Scharif in Tripolis falsch. Scharif sei in Begleitung des Leiters des türkischen Geheimdienstes Hakan Fidan aus der Türkei zurückgekehrt, um in Abstimmung mit Tunesien in Tripolis gegen die LNA aktiv zu werden.

Moslembrüder in führenden Postionen
Auch wenn Mercury versucht, den Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ zu vertuschen, zeigen einige von AlMarsad angeführte Beispiele eine andere Realität auf. So sind Ali Issawi, der bis letzten Monat Wirtschaftsminister des ‚Einheitsregierung‘ war, sowie der jetzige Gesundheitsminister, Ahmed bin Omar, und sein Stellvertreter, und auch Abdula Rachman Kadschman vom Präsidialrat, Mitglieder der Moslembruderschaft und deren Partei des Aufbaus.
Das Präsidialratsmitglied und Bildungsminister Muhammad Amari Zayed war Mitglied der Islamic Assembly Group, die der Muslimbruderschaft angehört und der Terrorgruppe Shura Council of Benghazi Revolutionaries (BRSC) und Ansar asch-Scharia nahe steht. Laut den USA steckt Ansar asch-Scharia hinter dem Angriff auf die US-Botschaft in Bengasi des Jahres 2012, bei dem US-Botschafter Christopher Stevens getötet wurde.
Der Vorsitzende des Hohen Staatsrates, Khaled al-Mischri, der zwar zum Schein aus der Moslembruderschaft und der Partei des Aufbaus ausgetreten ist, um 2019 in den USA überzeugender vor der Trump-Administration auftreten zu können, steht der Bewegung nach wie vor mehr als nahe.
Auch die wichtigste Bank des Landes, die Central Bank of Libya, ist fest im Griff der Moslembruderschaft.
Dies alles gibt laut AlMarsad Aufschluss darüber, wie stark die von der UN anerkannte ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch unter dem Einfluss der Moslembruderschaft steht und die Institutionen in Tripolis kontrolliert.
https://almarsad.co/en/2020/06/12/fara-document-reveals-how-gnas-lobbying-firm-promotes-wolfram-lacher/


'Einheitsregierung‘ und kriminelle Milizen

Libyen. Die ‚international anerkannte‘ ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis wird von kriminellen Banden, Dschihadisten und Menschenhändlern an der Macht gehalten. 

Unter dem Titel „Libyens gesetzlose Regierung“ veröffentlichte der libysche Hip-Hop-Künstler Assem Mihirig, bekannt als Ibn Thabit, am 5. Juni auf SpikedOnline einen Artikel, in dem er mit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und deren Verbündeten abrechnet.
Assem Mihirig beginnt mit dem Satz: „Libyen ist ein kompliziertes Durcheinander.“ Aufgrund der vielen ausländischen Player, welche die verwirrende politische Landschaft noch schwerer durchschaubar machen, sei es sehr schwierig, sich einen Überblick über die Unruhen zu verschaffen, die seit 2011 das Land im Würgegriff halten. Dazu trage bei, dass eine Seite, nämlich die ‚international anerkannte‘ ‚Einheitsregierung‘, mehrere PR-Agenturen und Lobbyisten wie Mercury, Gotham und Prime Policy Group beauftragt habe, schockierende Details zu verschleiern, damit nicht bekannt wird, wer und aus welchem Grund vor Ort in die Kämpfe verstrickt ist.
Die Aussagen der jüngsten Schlagzeilen seien irreführend. Es heißt, es handle sich bei dem gegenwärtigen Krieg in Tripolis um einen Kampf zwischen der Libyschen Nationalarmee (LNA) von General Khalifa Haftar, angeblich ein Diktator, der von Ägypten, Jordanien, Russland und den VAE unterstützt wird, und der ‚international anerkannten‘ ‚Einheitsregierung‘, auf deren Seite Italien, Katar und die Türkei stehe. Dabei wird nicht berücksichtigt, welche Seite von wem innerhalb der libyschen Bevölkerung unterstützt wird.
Die LNA gebe es seit 2014 und sie werde von Libyens einzig gewähltem Gremium – dem Parlament/Repräsentantenhaus (HOR) – unterstützt. Das Ziel der LNA war es, die zwischen bewaffneten Gruppen geschlossene Allianz, die seit 2011 die Einwohner von Bengasi [im östlichen Libyen] terrorisiert hatte und auch für die Ermordung des US-Botschafters Chris Stevens im September 2012 verantwortlich war, auszulöschen. Die von Haftar ausgerufene Operation Würde, die gegen diese Allianz vorging, sei bei einem großen Teil der libyschen Gesellschaft so beliebt geworden, dass die LNA in den vergangenen sechs Jahren Zehntausende von Freiwilligen aus dem ganzen Land eingliedern konnte und so zur größten und kohärentesten Streitkraft Libyens wurde.
Im gegenwärtigen Konflikt des Jahres 2020, wo ein zersplittertes Bündnis von Milizen die ‚Einheitsregierung‘ unterstütze, seien die Motive und Ziele der LNA komplexer. Selbst die Politiker der ‚Einheitsregierung‘ seien darüber frustriert, warum die große Mehrheit der Kämpfer, die Tripolis mit seinen über zwei Millionen Einwohnern „verteidigen“, aus anderen, kleineren libyschen Städten oder seit Januar aus dem Ausland kommen. Die Gründe dafür lägen aber auf der Hand: Der Großteil derer, die für das Überleben der ‚Einheitsregierung‘ kämpfen, seien Kriminelle.
Die Einnahme der Küstenstädte Sabrata und Surman im Westen Libyens am 13. April durch Milizen der ‚Einheitsregierung, hätten einen bedrückenden Vorgeschmack gegeben, wer vom Überleben der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis profitieren wird. Unter denjenigen, die an den standrechtlichen Hinrichtungen, Entführungen und Plünderungen dieses Tages beteiligt waren, befanden sich Entführer und Gewalttäter, Mitglieder der berüchtigtsten libyschen Schmugglerbanden und Terrorgruppen, viele von ihnen waren sogar von der Regierung, für die sie kämpfen, abgeurteilt worden.
Ihre Entscheidung, die ‚Einheitsregierung‘ zu unterstützen, sei „brutal rational“. Bei der Wahl zwischen der LNA, die ein Gewaltmonopol vertritt, oder einer schwachen ‚Einheitsregierung‘, die ihnen nicht beikommen kann, sei den kriminellen und terroristischen Gruppen die Entscheidung für die ‚Einheitsregierung‘ leicht gefallen.
Die Kriegsverbrechen, die von diesen bewaffneten Gruppen begangen wurden, als sie jetzt die Städte zwischen Zawiya und der tunesischen Grenze eingenommen haben, zeugten vom Charakter ihrer Kommandeure, deren Lebensläufe weit über die libyschen Grenzen hinaus die Alarmglocken schrillen lassen sollten.
Einer von ihnen ist Mohamed Kashlaf (alias al-Qasseb), Führer der an-Nasr-Miliz, die Libyens größte Raffinerie in der Stadt Zawiya kontrolliert. Nach Angaben des UN-Sicherheitsrates sei die an-Nasr-Miliz sowohl in den Treibstoffschmuggel als auch in den Menschenhandel verstrickt. Kashlaf wurde jetzt fotografiert, als er die Einnahme von Sabrata mit einer Gruppe anderer bekannter Kämpfer feierte. Erst wenige Wochen vorher war er neben dem Präsidenten des Hohen Staatsrates, Khaled al-Mishri, öffentlich in der Stadt Zawiya aufgetreten.
Ein anderer Kommandeur heiße Abdurahman Milad (alias al-Bidja), der internationale Berühmtheit erlangte, als bekannt wurde, dass er zu einer Delegation der ‚Einheitsregierung‘ gehörte, die sich mit Beamten der EU und Italiens zur gemeinsamen Zusammenarbeit traf. Gleichzeitig war Milad in systematische Menschenrechtsverletzungen und in Schleusergeschäfte verstrickt. Mit ihm ließ sich der Sprecher der ‚Einheitsregierung‘ fotografieren. Mit auf dem Bild: Milizführer Abdulmalek al-Madani und der inhaftierte Mörder und Entführer Fadhel Sweid. Sweid befand sich unter den 600 Kriminellen, darunter IS-Mitglieder, die an diesem Tag freigelassen worden waren.
Zu den Top-Kriminellen zähle der vom UN-Sicherheitsrat sanktionierte Schleuser Ahmed Dabbaschi (alias al-Ammu), der ebenfalls wieder in Sabrata auf der Bildfläche erschienen sei und die Einheimischen beschimpfte, weil sie seine Rückkehr in seine Heimatstadt nicht gebührlich feierten. Dabbaschi habe Verbindungen zu Mitgliedern von Ansar asch-Scharia und war der Kopf einer der größten Schleuserorganisationen in Libyen. 2017 wurde Dabbaschi von Einheimischen, die sich mit der LNA verbündet hatten, aus der Stadt vertrieben.
Diese Verbrechersyndikate kontrollierten jetzt wieder die westliche Mittelmeerküste bis zur tunesischen Grenze, d.h. über eine Länge von 120 Kilometern. Es brauche nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, welche Gefahren auf Libyens nordafrikanische und europäische Nachbarn zukommen könnten. Aus der Rückeroberung dieser Gebiete mit Hilfe der Türkei seien die Schleuserbanden die größten Nutznießer. Als 2017 die LNA die Kontrolle über diese Gebiete erlangte, habe dies zu einem drastischen Einbruch der illegalen Migration nach Europa geführt. Die Zahl der Ankömmlinge ging von 119.369 im Jahr 2017 auf 23.370 im Jahr 2018 und nur noch 11.471 im Jahr 2019 zurück.
Heute deute nichts darauf hin, dass irgendjemand Kaschlaf, Milad und Dabbashi davon abhalten wird, ihre illegalen Tätigkeiten wieder aufzunehmen und sogar noch auszuweiten, auch wenn gegen sie die Haftbefehle der ‚Einheitsregierung‘ immer noch in Kraft sind. Ganz im Gegenteil zeugten die Luftangriffe durch türkische Kampfdrohnen von der engen Zusammenarbeit dieser Milizen mit den höchsten Rängen der Militärführung der ‚Einheitsregierung‘.
Die kriminell erworbenen Gelder dieser Schmugglerbanden – die sowohl von verzweifelten Migranten als auch aus EU-Programmen zur Migrationsbekämpfung stammen – hätten Leuten wie Kashlaf und Milad einen Platz bei den höchsten Stellen in Libyen und manchmal auch in Europa gesichert, wo sie sich nun auf Augenhöhe mit Regierungsbeamten aller Ebenen befinden.
Ernstgenommen werden sollte auch die Gefahr, dass in Libyens Nordwesten wieder der IS oder ähnliche militante Gruppen in Erscheinung treten. Die Terrorgruppe Ansar asch-Scharia, bestens bekannt durch ihren Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi am 11. September 2012, sei die Vorhut für den IS in Sabrata gewesen, wo neben Dabbaschi auch andere „unappetitliche Figuren“ wieder aufgetaucht seien.
Zu ihnen gehöre Faraj Shako, ein Mitglied des Schura-Rates der Revolutionäre von Bengasi (BRSC), dem nicht nur der Bengasi-Zweig von Ansar asch-Scharia angehörte, sondern der sich schließlich zum IS bekannte, bevor er 2017 von der LNA besiegt wurde. Zu Shako und dem BRSC habe sich die in Zawiya ansässige Libysche Revolutionäre Operationszentrale (LROR) gesellt, eine extremistische Gruppe, die von Shaban Hadiya (alias Abu Obaidah al-Zawi) angeführt wird. Die LROR war für folgende Entführungen verantwortlich: im Oktober 2013 des libyschen Premierministers Ali Zeidan, im Januar 2014 von sechs Ägyptern, darunter zwei Diplomaten, im November 2015 von zwei serbischen Botschaftsangehörigen in Sabrata. Es wird ihr auch der Angriff auf einen UN-Konvoi im Juni 2017 in Westsawija zur Last gelegt.
Al-Taher al-Gharabli, früheres Mitglied des Militärrats von Sabrata, in dessen Zeit ab 2011 Ansar asch-Scharia florierte, sei zurückgekehrt und hunderte von IS-Gefangenen, die einst die Bewohner von Sabrata terrorisiert haben, wurden freigelassen. Beides biete beste Voraussetzungen für die Wiedererrichtung von Ausbildungslagern für Militante aus der ganzen Region. Da sich das Gebiet an der Grenze zu Tunesien befinde, wurde nach 2011 die Gegend zur Ausbildung von tunesischen Dschihadisten genutzt, von denen sich später Tausende dem IS angeschlossen haben. Unter ihnen sei auch Seifeddine Rezgui gewesen, der Terrorist, der im Juni 2015 in der Stadt Sousse 38 Menschen – die meisten von ihnen britische Touristen – tötete.
Wenn das Wiederauftauchen terroristischer Gruppen entlang der tunesischen Grenze die Nachbarstaaten und ausländischen Diplomaten nicht genug beunruhigen sollte, müsse zumindest die Ankunft von über 7.000 militanten Dschihadisten und Söldnern aus Nordsyrien zur Verteidigung der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis Anlass zur Sorge geben. Neben syrischen Kämpfern - von denen viele Verbindungen zu terroristischen Gruppen haben, darunter auch dem IS, finden sich auch tunesische und palästinensische Gruppen wie Hayat Tahrir asch-Sham (HTS), früher bekannt als Jabhat an-Nusra, Syriens al-Kaida-Ableger, sowie die Ahrar asch-Scharqiyah, eine Unterabteilung der SNA (Syrische Nationalarmee). Diese Gruppe habe voller Stolz ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie eines ihrer Mitglieder die Vorsitzende der Syrischen Zukunftspartei, Hervin Khalaf, an den Haaren zieht während sie geschlagen wird, bevor man sie erschießt. Eine der unappetitlicheren Figuren unter diesen ausländischen Kämpfern der FSA sei der Kommandeur Abubakr al-Buwaidani, der am 24. Mai von der LNA verhaftet wurde. Er gab sich auf seinen Social-Media-Seiten nicht nur als Unterstützer des IS zu erkennen, sondern wird auch krimineller Vergehen wie Entführung, Vergewaltigung, Folter und Plünderung kurdischer Häuser beschuldigt.
Es gebe keine Hinweise darauf, dass die für diese Gruppen verantwortlichen türkischen Militärkommandeure Wert darauf legten, dass sich diese Gruppen in Libyen besser benehmen. Sie schikanierten und tyrannisierten hier nicht nur die Einheimischen, sondern beteiligten sich auch gemeinsam mit den libyschen Milizen, an deren Seite sie kämpfen, an Plünderungen. Erst kürzlich sollen syrische Söldner die 27-jährige Wesal Miyeneh bei einem Einbruch im Süden von Tripolis entführt haben. Zwar gebe es widersprüchliche Berichte darüber, ob sie entkommen ist oder nach einer zermürbenden zweiwöchigen Marter gerettet wurde – die ‚Einheitsregierung hat vage versucht, sich ihre Freilassung gutzuschreiben – doch konnte mittels einer Videoaufnahme eindeutig der Dialekt des Angreifers identifiziert werden.
Sei schon die Verwicklung einheimischer Milizen in das organisierte Verbrechen alarmierend, bestehe noch größere Sorge, dass diese ausländischen Kämpfer die extremistischen Gruppen, die sich bereits in der libyschen Hauptstadt aufhalten, verstärken könnten. Sie schlössen sich libyschen Milizen wie dem Schura-Rat der Revolutionäre von Bengasi (BRSC) und dem Schura-Rates der Mudschahedin von Derna (DMSC) an, die beide zur Ansar asch-Scharia gehörten und an der Seite des IS kämpften. Schon vor der Ankunft dieser Gruppen aus Ostlibyen und Syrien wurde Tripolis von Terrorismus und spektakulären Entführungen heimgesucht, von denen mindestens eine – die Entführung des jordanischen Botschafters Anfang 2014 – direkt dem BRSC-Führer Wisam bin Hamid zugeschrieben werden konnte, der im Austausch für den Diplomaten die Freilassung des al-Kaida-Mitglieds Mohamed al-Dersi erpresste.
Ungeachtet der Beschränkungen, die der gegenwärtige Bürgerkrieg der ‚Einheitsregierung‘ auferlege, deute nichts darauf hin, dass sie den politischen Willen oder die Möglichkeiten habe, etwas gegen diese Bedrohungen zu unternehmen. Die 'Einheitsregierung' sei kein fester Block. Selbst wenn ihr Innenminister Fathi Bashagha, der selbst beschuldigt wird, einem Gefangenen mit einem Löffel ein Auge ausgestochen zu haben, die kriminellen Machenschaften von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ zugibt, haben diese Machenschaften Haftar dazu veranlasst, die Hauptstadt anzugreifen. Wer sich nicht so genau auskenne, könne vermuten, dass Bashagha beabsichtige, dies zu ändern, indem er Haftbefehle ausstellt und Milizenführer aburteilt. Seine Glaubwürdigkeit sei jedoch in Frage gestellt, da er die Taten der Milizen seiner Heimatstadt Misrata, von denen einige mindestens ebenso gewalttätig und kriminell sind wie alle anderen im Land, ignoriere.
Tatsächlich habe Bashagha einen Tag, nachdem er die Operationen der in Tripolis stationierten Milizen als ungesetzlich bezeichnet hatte, zusammen mit Abdusalam Zubi (alias Serantiyat) die Front inspizierte. Zubi ist der Kommandeur des Bataillons 301 von Misrata, das in verschiedenen Gebieten von Tripolis Schutzgelderpressungen durchführt hat; pro Monat wurden von Unternehmen bis zu 5.000 libysche Dinar Schutzgeld erpresst. Trotz Bashaghas öffentlicher Stellungnahme bezüglich der ungesetzlich operierenden Milizen der ‚Einheitsregierung‘, hat keine Miliz die Versuche der ‚Einheitsregierung‘ zum Aufbau einer neutralen, professionellen Sicherheitstruppe mehr torpediert als gerade diese Miliz.
Eine sogenannte Präsidialgarde, die im Rahmen des Politischen Abkommens [Skhirat] ins Leben gerufen worden war und sowohl von Libyen als vom Ausland finanziert wurde, sei im Mai 2018 vom Bataillon 301 angegriffen und entwaffnet worden. Dies war das Ende des einzigen Versuchs der ‚Einheitsregierung‘, eine professionelle Sicherheitstruppe zu schaffen, die die Milizen ersetzen sollte.
Man solle sich daran erinnern, dass Bashagha 2014 zu den führenden Akteuren des Libya Fadschr (Libya Dawn) gehörte, der die rechtmäßige Regierung in Tripolis stürzte. Seine Ankündigung, gegen Korruption und Kriminalität ernsthaft vorzugehen, sei umso weniger überzeugend, als sich am 5. Mai herausstellte, dass er die Entführung eines Beamten des Rechnungshofes, Rida Gergab, angeordnet hatte, der mitten in den Ermittlungen gegen den Innenminister wegen dessen finanzieller Aktivitäten steckte. Diese Entführung entbehre nicht der Ironie, denn Bashagha habe erst im September 2019 einen Haftbefehl gegen den in Tripolis ansässigen Milizenführer Mohamed Abudra'a (alias al-Sandoug) wegen Bedrohung des Finanzministers Faraj Bumtari erlassen. Dies führte seither zu Spannungen zwischen Milizen aus Tripolis und Misrata. Es sei schwer vorstellbar, dass diese Milizen die extremistischen Gruppen in Tripolis mit der gleichen Entschlossenheit wie ehemals die Präsidialgarde zerschlagen werden, selbst wenn sie nicht mehr gegen die LNA um ihr Leben kämpfen müssten.
Ein ähnliches Szenario habe sich 2015/16 in der Stadt Sirte abgespielt. Anstatt gegen Extremisten aus Misrata zu kämpfen, überließen Misratas Milizen (unter dem Kommando von Mohamed al-Hassan vom 166. Bataillon) die Stadt den Extremisten. Diese verbündeten sich später mit dem IS, was zu einem von den USA unterstützten, mehr als sieben Monate dauernden Krieg führte, der die weitgehende Zerstörung Sirtes zur Folge hatte. Mohamed al-Hassan sei nun ebenfalls an der Front in Tripolis an der Seite von Abdusalam Zubi gesichtet worden – keine beruhigenden Aussichten für die Zukunft der ‚Einheitsregierung‘.
Angesichts der Tatsache, dass von der Gnade dieser unappetitlichen Milizen seit 2011 alle Regierungen abhängig waren und dass heute diese Milizen für das Überleben der ‚Einheitsregierung‘ kämpften, sei es schwer vorstellbar, dass diese Milizen jemals die Errichtung eines normalen, funktionierenden Staates in Libyen zulassen könnten. Noch am 29. März wurde das Büro des Premierministers der ‚Einheitsregierung‘ von genau diesen Milizen, die es zu verteidigen vorgaben, belagert und gestürmt.
Dieses entspräche nicht dem Bild, das einer Regierung der nationalen Einheit würdig ist, vor allem nicht einer solchen mit internationaler Anerkennung. Das genau sei das Problem: Der ‚Einheitsregierung‘ mangele es an nationaler Unterstützung, ihre Autorität beziehe sie fast ausschließlich von ihren internationalen Befürwortern.
https://www.spiked-online.com/2020/06/05/libyas-lawless-government/