Samstag, 28. November 2020

Skandalöser Versuch des Stimmenkaufs bei LPDF

Libyen. Das Libysche Politische Dialog Forum (LPDF) in Tunesien oder: Ist der Ruf erst ruiniert...

Angelika Gutsche |

Am Montag, den 09. November begann das auf sechs Tage angesetzte Libysche Politische Dialog Forum in Tunesien. Ziel dieses Forums sollte es sein, eine neue Übergangsregierung mittels 75 von der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) unter Leitung der amtierenden Vorsitzenden Stephanie Williams handverlesenen Dialogteilnehmern einzusetzen. Dem LPDF vorangegangen waren der Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der ‚Einheitsregierung‘ (Government of National Accord / GNA) und der Libyschen Nationalarmee (LNA) im Rahmen von 5+5-Militärgesprächen.

Bereits am Abend des 14. November endete die Sitzung ohne Konsens und mit tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kandidatur, der Auswahl der in die Regierungsämter zu wählenden Personen der auf eine neue Regierung und auf den Präsidenten zu übertragenden Befugnissen. https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327750193274638336/photo/1

Am Morgen des 15. Novembers platzte dann eine richtige Bombe als zwei LPDF-Teilnehmer bestätigten, dass ihnen 200.000 US-$ angeboten wurden, damit sie für Ali Dabaiba als neuen Premierminister stimmen. Das Angebot kam von Familienmitgliedern und Helfern von Ali Dabaiba, die im Tagungshotel anwesend waren.

Wer ist Ali Dabaiba?

Ali Dabaiba war in der Gaddafi-Zeit der hoch korrupte Bürgermeister von Misrata, der schon damals Gelder auf seine Privatkonten im Ausland scheffelte. Misrata, das der Dschamahirija und Gaddafi schon immer feindlich gesonnen war, unterstützte 2011 die sogenannten ‚Aufständischen‘, ebenso wie sein Bürgermeister Dabaiba. Es floss sogleich viel Gelder für die Moslembrüder in Misrata, bestimmt nicht von, sondern über Dabaiba, und ganz sicher waren es nicht seine eigenen Gelder, auch wenn das behauptet wurde.

Die SüddeutscheZeitung deckte 2016 die Machenschaften einer Kanzlei in Panama auf, die half, schmutziges Geld zu verstecken, und wusste im Verlauf der Recherchen über Ali Dbaiba zu berichten: „Obwohl der verrufene Dabaiba auf dem Höhepunkt des libyschen Bürgerkriegs die Seiten wechselte und die Rebellen in seiner Heimatstadt Misrata finanzierte, fror die neue Regierung dennoch sein Vermögen ein und setzte seinen Namen auf eine Liste von Männern, die im Verdacht standen, staatliche Gelder veruntreut zu haben. Er zog schließlich nach London, wo seine Familie einige wenige wertvolle Besitztümer besitzt. Libysche Ermittler beschuldigen Dabaiba, Verträge im Wert von mehreren Millionen Dollar an Firmen ausgeteilt zu haben, die entweder von ihm oder einem seiner Verwandten geleitet wurden. Die Gewinne aus diesen Geschäften soll er über ein Netz von Strohfirmen ins Ausland geschmuggelt haben. Bis heute haben die Ermittler rund 100 in den Britischen Jungferninseln, Malta, Lichtenstein und Großbritannien registrierte Unternehmen bis zu Dabaiba, seinen Söhnen oder mutmaßlichen Komplizen zurückverfolgt. Die wahren Eigentümerstrukturen dieser Firmen bleiben bestenfalls verschwommen.“
https://panamapapers.sueddeutsche.de/

Dabaiba wurde über Interpol wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, Geldwäsche, Machtmissbrauch und Korruption gesucht und laut einer libyschen Nachrichtenseite wurde er 2014 auch verhaftet. Allerdings wurde der Haftbefehl unverzüglich wieder außer Kraft gesetzt und Dabaiba von der Interpol-Fahndungsliste gestrichen. Geheimdienste der westlichen Ländern dürften den Nutzen eines absolut skrupellosen, aber gut vernetzen Libyers erkannt haben. Auf Nachfrage von Organiced Crime And Corruption Reporting Project (occrp) im Jahre 2018 über die Gründe der Aussetzung des Haftbefehls wollten weder Interpol noch die libyschen Behörden Auskunft geben. Selbstverständlich florierten Dabaibas krumme Geschäfte immer weiter. Zu dieser Zeit soll Dabaiba laut occrp seinen Wohnsitz in Istanbul gehabt haben. https://www.occrp.org/en/investigations/8366-cyprus-records-shed-light-on-libya-s-hidden-millions
https://twitter.com/ibnthabit/status/1328023059660419072/photo/1

Der wahre Skandal

Mit Sicherheit ist Ali Dabaiba nicht der einzige, der versucht, sich mit Geld im „neuen Libyen“ Posten und damit Macht und Zugriff auf die staatlichen Fleischtöpfe zu erkaufen. Pech für ihn, dass es an die Öffentlichkeit kam. Seine Persönlichkeit war wohl etwas zu schillernd.

Der wahre Skandal ist jedoch, wie eine dermaßen durch und durch korrupte Person wie Ali Dabaiba es schaffte, überhaupt auf die Teilnehmerliste des LPDF gesetzt und auch noch als neuer libyscher Premierminister gehandelt zu werden. Es ist undenkbar, dass es bei der UNSMIL nicht bekannt war, mit wem man es hier zu tun hat.

Auch wenn Stephanie Williams jetzt eine Untersuchung einleiten will, ist nicht nur das LPDF, sondern die gesamte UNSMIL kompromittiert und jedes Vertrauen zerstört. Zuerst die unter völlig intransparenten Umständen zustande gekommene und erst im letzten Moment veröffentlichte LPDF-Teilnehmerliste mit dem unsäglichen Überhang an Moslembrüdern, dann die wiederholte Hinauszögerung von Wahlen und jetzt dieser Fauxpas. Dann war der Beschluss, erst bis Ende 2021 Wahlen abhalten zu wollen, ein Witz, und die Festsetzung des Wahltermins auf den 24.12.2021, also praktisch am letztmöglichen Termin vor Ablauf der Frist und unter Ausschluss der westlichen Öffentlichkeit – denn wer interessiert sich an Weihnachten für Libyen – ein Affront gegen das libysche Volk. Das schnelle und scheinbar problemlose Zustandekommen von Beschlüssen zeigte auch, dass die Ergebnisse bereits vorher feststanden und die LPDF-Teilnehmer nur noch als Staffage dienen. https://twitter.com/LibyaDesk/status/1328014687489888257
https://twitter.com/smmlibya/status/1327528427549765632

Inzwischen haben 25 LPDF-Teilnehmer aus allen Landesteilen in einer Petition gefordert, die LPDF zumindest auf den 18. Dezember zu verschieben. Die Statthalter der Moslembruderschaft schlossen sich diesem Appell selbstredend nicht an. Was soll eine Verschiebung auch bringen, wenn die Ergebnisse schon im vorab feststehen beziehungsweise gekauft werden. Die Glaubwürdigkeit des LPDF wird auch eine Verschiebung nicht wieder herstellen.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327989063182397442

Laut einem Tweed auf Twitter, der mit Fotos belegt ist, nehmen am LPDF nicht nur der Korruption beschuldigte Kriminelle teil, sondern auch ein wegen Mord und Entführung Verurteilter, der im Gefängnis von Surman einsaß und aufgrund eines Luftangriffs freikam.
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1327967783506894848

Ist dies das Klientel, das Libyen Freiheit und Demokratie bringen soll? Mit welchen kriminellen Elementen macht sich die UNSMIL hier eigentlich gemein? Wer wird Stephanie Williams für das, was sie Libyen antut, jemals zur Rechenschaft ziehen?

Kann es da noch überraschen, dass die LPDF-Teilnehmer gegen das Verbot der Kandidatur gegenwärtiger und ehemaliger Amtsinhaber für die neue Regierung und den Präsidentenrat stimmten? Alles bleibt wie es seit 2011 immer war. Alle Scham ist gefallen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1328067922816864257

Nimmt Dabaiba noch immer am LPDF teil? Oder ist der Einfluss der Moslembruderschaft so groß, dass sie Dabaiba trotz seiner Bestechungsbemühungen bei den Verhandlungen halten können? Jedenfalls interessant zu wissen, dass die künftige UNSMIL-Regierung für Libyen nicht gewählt, sondern gekauft wird.

Ja, da freut sich der Emir von Katar und gratuliert Tunesien für den großartigen Verlauf des LPDF!
http://en.alwasat.ly/news/world/301442

16.11.2020

 

 

 

Katar und die Finanzierung libyscher Medien

Libyen/Katar/Medien. Dem Sender Libya-Al-Hadath liegen Dokumente vor, die die Finanzierung des Senders und des Portals WTV von Mahmoud Shammam durch Katar belegen.

Angelika Gutsche |

Es stellt sich die wichtige Frage, mit welcher Zielsetzung Katar nach wie vor libysche Medien finanziert. In erster Linie geht es darum, den Einfluss und die Macht der Moslembruderschaft durch Medien-Propaganda weiter auszubauen. Absurdes Wunschdenken dürfte es dabei sein, dass damit bei der libyschen Bevölkerung die Akzeptanz der Türkei als Besatzungsmacht erhöht werden könnte.

Für das kleine Katar ist im großen Libyen viel zu gewinnen. Es hätte über die Moslembruderschaft Zugriff auf die libyschen Konten, da es den Moslembrüdern gelungen ist, ihre Kontrolle mittels Personalpolitik fast auf das gesamte libysche Bankensystem und Finanzwesen auszudehnen. Darüber hinaus spielt auch die wichtige geostrategische Lage Libyens eine Rolle, Libyen als Scharnier zwischen Europa und Afrika mit den Sahararouten, die den Zugang nach Schwarzafrika und dessen Rohstoffe ermöglichen. Ebenfalls fallen die Migrantenrouten von Libyen nach Europa unter türkisch-katarische und somit unter die Kontrolle der Moslembrüder, was vor allem in den europäischen Mittelmeeranrainerstaaten größte Besorgnis auslösen dürfte.

Inzwischen belegen verschiedene Dokumente die Beziehungen zwischen dem Libyer und Moslembruder Mahmoud Shamman, den von Katar aus gesteuerten libyschen Medien und den katarischen Finanzinstitutionen.

Shammam war in den USA ausgebildet worden und lebte bis 2011 im Exil. Wie auch aus einer Clinton-Email vom 16. November 2011[1] hervorgeht, spielte Mohamoud Shammam bei dem Sturz der Dschamahirija-Regierung eine nicht unbedeutende Rolle. 2011 wurde er in Libyen zum Minister für Information, d.h. zum Sprecher des NTC (National Transitional Councel) ernannt. Er war Mitbegründer des libyschen Senders Al-Ahrar-TV, der seinen Hauptsitz im katarischen Doha hat.

Am 25. Oktober 2011 rechtfertigte Shammam in einem Video den brutalen Foltermord an Muammar al-Gaddafi und die Schändung seines Leichnams in Misrata und erklärte, dass Gaddafi an einem geheimen Ort, der kein moslemischer Friedhof sei, beerdigt wurde.

Bis heute ist Mohamoud Shammam im libyschen Mediengeschäft mit finanzieller Hilfe Katars aktiv, wie verschiedene Dokumente belegen.

Dokument 1: Schreiben vom 29.9.2013 vom Direktor des Unternehmens vom Direktor der Qatari Deals Company, Hamad al-Attiyah, an den stellvertretenden Stabschef der Qatari Army for Financial Affairs, Brigadegeneral Thani, Abdulrahman al-Kuwari, zur Auszahlung von 8,8 Millionen US-$ an Mahmoud Shammam im Rahmen eines genehmigten Budgets für die Medien zur Unterstützung des [Al-Wasat-]Portals.
Dokumente 2, 3 und 4: Ebenfalls erhielt Shammam am 3.9.2013 und am 21.9.2013 von den betreffenden Behörden in Bengasi den Eintrag in das Handelsregister und eine Lizenz für die Gesellschaft auf die Namen von Mrs. Nevin al-Bah und Mr. Abdel-Wahab Awad Hamidan, seinem Bruder.
Dokument 5: Überweisung vom katarischen Stabschef im Namen des Unternehmens Deals durch die Qatari Al-Rayan Bank in Doha auf ein Brokerkonto in New York, das auf den Namen von Hoda as-Suweigh läuft, der Ehefrau von Mahmoud Shammam, die Generaldirektorin von Bawaba Radio und Al-Wasat Channel, ist. Von dort wurde der Betrag auf das Al-Wasat-Konto bei der französischen Credit Agricole Bank in Kairo überwiesen.
Dokument 6: Eine weitere Überweisung vom katarischen Stabschef im Namen des Unternehmens Deals durch die Qatari Al Rayan Bank in Doha auf das Al-Wasat-Gate-Konto bei einer Zwischenbank in New York. Von dort wurde der Betrag auf das Al-Wasat-Konto bei der französischen Credit Agricole Bank in Kairo überwiesen.
Dokument 7: Eine weitere Überweisung vom katarischen Stabschef im Namen der Firma Deals durch die Qatari Al Rayan Bank in Doha auf das Al-Wasat-Gate-Konto bei einer Zwischenbank in New York. Von dort wurde der Betrag auf das Al-Wasat-Konto bei der französischen Credit-Agricole-Bank in Kairo überwiesen.
Dokument 8: Gelder wurde vom Konto der Zwischenbank in New York abgebucht, nachdem das Geld aus Katar auf ein Konto auf den Namen Al-Wasat-Gate mit der Nummer 201112663 bei der französischen Credit Agricole Bank in Kairo eingegangen war.
Dokument 9: Shammam überwies sich selbst 105.000 ägyptische Pfund als Gehalt, 84.000 Pfund an seine Frau Hoda as-Suweigh und 70.000 Pfund an Bashir Zabia, den Chefredakteur.
Dokument 10: Shammam weihte das Al-Wasat-Büro in Bengasi ein und ernannte seinen Sohn Muhammad Mahmoud Shammam mit einem Gehalt von 1.500 Dollar zu dessen Direktor. Er eröffnete auch ein Konto für das Büro, das später von der Übergangsregierung aufgelöst wurde.
Dokument 11: Nach der Registrierung der Stiftung auf den Namen von Nevin el-Baha wurde ihr ein Gehalt von 17.000 ägyptischen Pfund zugewiesen. (nicht verfügbar)
Dokument 12: Weitere Dokumente sind bekannt, aus denen hervorgeht, dass weiterhin Finanzierungsgeschäfte laufen zwischen Mahmoud Shammam, der in den Abteilungen des katarischen Generalstabs mit dem Namen seines Erstgeborenen als Abu Muhammad geführt wird, und dem Büro von Brigadegeneral Thani Abdulrahman al-Kuwari, dem stellvertretenden Stabschef der katarischen Armee für Finanzangelegenheiten.

---

[1] Am 16.11.2011 erhielt Hillary Clinton auf ihren privaten Server einen vertraulichen Lagebricht aus Tripolis (UNCLASSIFIED US-Außenministerium Fall Nr. F-2014-20439 Dok. Nr. C05783460), die auf eine Anfrage nach dem „Gesetz über die Informationsfreiheit“ im Februar 2016 freigegeben wurde.

http://www.networkers.org/index.php?id=225
https://wikileaks.org/clinton-emails/emailid/10225

https://gela-news.de/katar-und-die-finanzierung-libyscher-medien

10:59 24.11.2020

 

Montag, 23. November 2020

LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".

Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.
Nun wird gegen Venezuela in der gleichen Strategie verfahren wie einst 2011 gegen Libyen.
_________________________________________________________________________________

 

Westsahara: POLISARIO greift wieder zu den Waffen!

23.11.2020. Nachdem sie fast 30 Jahre von Marokko hingehalten und verarscht wurde, greift die POLISARIO, die linke Befreiungsbewegung der von Marokko besetzten Westsahara, wieder zu den Waffen und kündigt den seit 1991 bestehenden Waffenstillstand auf. Damals war festgelegt wurden, daß es u.a. ein Referendum über die Unabhängigkeit der einstigen spanischen Kolonie geben soll, doch die marokkanische Besatzungsmacht hat dies immer wieder verschleppt und versucht, durch die massenhafte Ansiedlung von Marokkanern die ethnische Bevölkerungszusammensetzung zu verändern, um das Referendum ggf. doch noch zu gewinnen.

 

 

Wahlfarce in der Elfenbeinküste: Machthaber Ouattara erneut zum Staatschef gewählt

21.11.2020. Mit einem ostblock-verdächtigen Ergebnis von 94,27% ist der umstrittene Machthaber Alessane Ouattara, der 2011 durch einen Bürgerkrieg mit französischer Hilfe an die Macht kam, wiedegewählt wurden, sein einziger Gegenkandidat, der Unabhängige Kouadio Konan Bertin kam nach offiziellen Angaben auf 1,99%. Die beiden Oppositionsführer, der konservative Ex-Präsident Henri Konan Bedie und der linksnationale Oppositionsführer Pascal Affi N´Guessan, welche beide die Wahl boykottierten, aber immer noch auf dem Wahlzettel standen, erhielten 1,66% bzw. 0,99%.

 


 

Guinea: Condé und seine Partei gewinnen die Wahlen – Unabhängigkeitspartei PDG wieder im Parlament

2.11.2020. Der seit 2010 regierende Staatschef Prof. Alpha Condé hat zum dritten Mal die Präsidentschaftswahlen gewonnen und mit 59,5% seinen Hauptrivalen Cellou Dalein Diallo (33,5%) weit hinter sich gelassen. Bei den Parlamentswahlen dominierte mit 55% der Stimmen Condés linkssozialdemokratische Sammlungsbewegung des Volkes von Guinea (RPG) und da die großen Oppositionsparteien die Wahl boykottierten, zogen nur noch rund zwei Dutzend Kleinstparteien ins Parlament ein – darunter die sozialistische Demokratische Partei Guineas (PDG-RDA), die das Land einst in die Unabhängigkeit geführt hatte und unter ihrem legandären Präsidenten Seko Touré Guinea von 1958-84 regierte.

 

 

Elfenbeinküste: Opposition boykottiert Wahlfarce nun doch

26.10.2020. Nachdem von 44 Bewerbern um das Präsidentenamt nur vier zugelassen wurden waren, haben sich nun zwei davon, der frühere, über 80-jährige Ex-Präsident Henrie Konan Bedie und der linksnationale Ex-Premier Affi N´Guessan von der Ivorischen Volksfront (FPI), aus dem Rennen zurückgezogen. Damit trifft der umstrittene Machthaber Alessane Ouattara nur noch auf einen einzigen Gegenkandidaten, den unabhängigen Einzelbewerber Kuadio Konan Bertin, der weitgehend unbekannt und daher chancenlos ist, was die Wahl letztlich komplett zur Farce machen wird.

 

 

 

Guinea: Oppositionschef erklärt sich noch vor Wahlauszählung zum Gewinner – blutige Unruhen sind die Folge

23.10.2020. Cellou Dalein Diallo, liberaler Oppositionsführer in der Republik Guinea hat sich nach den Präsidentschaftswahlen und nach der Präsentierung eigener Auszählungsergebnisse zum Wahlgewinner ausgerufen, obwohl die Wahlkommission noch gar kein Endergebnis verkündet hat. Die Zahlen, die Diallo veröffentlichte, sind aber fragwürdig und es scheint ihm der Frust anzumerken, da er nun zum dritten mal gegen den linkssozialdemokratischen Präsidenten Prof. Alpha Condé antrat und möglicherweise auch zum dritten Mal wieder verloren hat – die Anhänger beider Seiten lieferten sich bereits Straßenschlachten.

 

 

 

Wer bekommt Zugriff auf das libysche Ölgeld?

Libyen/Erdöl. Neuer Machtkampf zwischen Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Sarradsch (Tripolis) und Vorstandsvorsitzendem der Libyschen Zentralbank al-Kebir (Tripolis) entbrannt.

Angelika Gutsche |

Der Streit zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der Libyschen Zentralbank (CBL), Siddik al-Kebir, und dem Premierminister und Vorsitzenden des Präsidialrats, Fayez as-Sarradsch, schlägt erneut hohe Wellen. Es geht dabei um die Kontrolle der Libyschen Auslandsbank (LFB), die für die Staatsfinanzen von großer Bedeutung ist, d.h. es geht um die Verfügungsgewalt über sehr viel Geld.

Al-Kebir, der enge Verbindungen zur Moslembruderschaft hat und in der Türkei wohnt, besetzte wichtige Posten innerhalb der Libyschen Zentralbank durchgängig mit Moslembrüdern, so dass er sich auf die treue Ergebenheit der Administration verlassen kann. Bereits zweimal hat ihn das libysche Parlament seines Postens enthoben, allerdings konsequenzlos. Kebir, der im Ausland und bei allen internationalen Treffen ein gefragter Gesprächspartner ist, blieb auf seinem Sessel kleben.

Nun hoffte Kebir, seine Kontrolle über die Libysche Auslandsbank, die Libyens Außenhandelsgeschäfte abwickelt, weiter vergrößern zu können. Er hatte auch bei der Libyschen Auslandsbank seine Leute in wichtige Stellungen gehievt, vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden bis zum neuen geschäftsführenden Direktor Akram Grew, der für die Vergabe von Akkreditiven zuständig ist. Diese Akkreditive werden benötigt, um Importkäufe mit der Sicherheitsgarantie der Bank tätigen zu können. Mit Akkreditiven konnten bisher riesige Privatvermögen angehäuft werden, da die Wareneinkäufe über den offiziellen Wechselkurs erfolgten, die Verkäufe aber zu absolut überzogenen Schwarzmarktpreisen abgewickelt wurden.

Auch die mit Erdöl erzielten Staatseinnahmen gingen auf die Konten der Libyschen Auslandsbank und wurden von dort an die Libysche Zentralbank abgeführt, die damit unter Kebir syrische Söldner und türkische Waffenhilfe finanzierte sowie die türkischen Banken stütze. Deshalb beschlossen im Januar dieses Jahres die libyschen Stämme einen Exportstopp für libysches Erdöl, der jetzt aufgrund eines Abkommens zwischen LNA/Parlament/Stämmen und der ‚Einheitsregierung‘ wiederaufgehoben wurde. Die Vereinbarung sieht vor, für die Öleinnahmen ein überwachtes Treuhandkonto anzulegen und die Gelder zu gleichen Teilen auf die drei libyschen Regionen Kyrenaika, Tripolitanien und Fessan zu verteilen.

Als nun Sarradsch den Beschluss einer außerordentlichen Kabinettssitzung am 16.11. bekannt gab, nachdem gemäß der Satzung eine Generalversammlung einberufen werden soll, die den Vorstand der Libyschen Auslandsbank ernennen soll, wandte sich Kebir mit einem geharnischten Schreiben an Sarradsch, um gegen dieses Vorhaben zu protestieren. Laut Kebir stehe es außer Zweifel, „dass die CBL in ihrer Eigenschaft als alleinige Eigentümerin des LFB und Inhaberin der Anteile, deren Generalversammlung ist.“ Die Auslandsbank gehört also laut Kebir der Libyschen Zentralbank und somit hat er, und nur er, das Recht, deren Vorstand zu benennen, das heißt mit Moslembrüdern zu besetzen. Der AfricanAfricaIntelligenceReport schreibt: „Al-Kebir [hat] nicht die Absicht, den LFB oder seine Rolle als Vorstandsvorsitzender des CBL aufzugeben, auch wenn sein offizielles Mandat 2014 endete.“

In dem Schreiben an Sarradsch beschwert sich Kebir auch über den neu ernannten Wirtschaftsminister, der angeblich seine Befugnisse überschreitet und die Arbeit der Libyschen Auslandsbank behindert. Kebir droht Sarradsch, ihn rechtlich für den Schaden, der durch solche Entscheidungen entstehen könnte, verantwortlich zu machen.

Kebir gefährdet mit seinem Beharren, weiterhin die Kontrolle der libyschen Öleinnahmen zu behalten, die getroffenen Vereinbarungen zur Wiederaufnahme der Erdölförderung und die treuhandmäßige Überwachung und gerechte Verteilung der Öleinnahmen zwischen den libyschen Regionen.

Sollte nun auch noch Bashagha, der Moslembruder aus Misrata, die Nachfolge von Sarradsch antreten, wären dem Missbrauch der libyschen Ölgelder im Sinne der Türkei überhaupt keine Grenzen gesetzt.

Es ist allerhöchste Zeit, dass al-Kebir von seinem Posten abtritt und die Libysche Zentralbank aus seinen Klauen befreit wird.

https://almarsad.co/en/2020/11/18/its-all-about-oil-revenues-kabir-sarraj-conflict-over-lfb-resurfaces/

 

 

Kurznachrichten Libyen – 18.11.2020

/

EU-Militäreinsatz in Libyen könnte kurz bevorstehen / LPDF eine Farce / Sarradsch tritt wieder zurück / Einigungen bei 5+5-Militärgespräche

+ 18.11.: EU-Militäreinsatz in Libyen. GermanForeignPolicy schreibt: „Die EU steht womöglich vor einem Militäreinsatz zur Überwachung des jüngsten Waffenstillstands in Libyen. Dies berichtet die Tageszeitung Die Welt unter Berufung auf Diplomaten in Brüssel. Demnach wird der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell an diesem Freitag mit den Verteidigungsministern der Union über „die Entwicklungen in Libyen“ beraten; dabei solle es auch um etwaige finanzielle, logistische oder militärische Unterstützung für einen UN-Einsatz in Libyen gehen, heißt es. Bereits im Januar hatten die Ministerpräsidenten Italiens und Griechenlands und einflussreiche Berliner Politiker eine Beteiligung an einem Einsatz in Aussicht gestellt.“ Und: „Berliner Politiker sprachen sich ebenfalls für eine Truppenentsendung aus. >Natürlich sollte Deutschland offen sein für eine solche Mission<, urteilte etwa der SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie, während der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sich mit der Auffassung zitieren ließ, die EU solle >ein glaubwürdiges Angebot zur Unterstützung an Libyen< vorlegen, >um sich wieder als handlungs- und gestaltungsfähigen Akteur gegenüber Russland und den Regionalmächten ins Spiel zu bringen<. Auch der Grünen Außenpolitiker Omid Nouripour schloss sich damals an: >Es wäre unklug, einen europäischen Einsatz in Libyen von vornherein auszuschließen.<
Weiter heißt es bei GermanForeignPolicy: „EU-Militärs hätten es in Libyen mit einer hochexplosiven Gemengelage zu tun – nicht unähnlich der Lage in Mali oder in Afghanistan.“
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8445/
Dies würde heißen, ein Militäreinsatz, der auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte angelegt ist, aber mit einer bedeutend höheren „explosiven Gemengelage. Nirgendwo mischen so viele in- und ausländische Akteure mit, die häufig auch noch die Fronten wechseln. Weder in Afghanistan noch in Mali geht es um so viel Geld und um so viel Geostrategie und gibt es eine zutiefst entsetzte und auch gebildete Bevölkerung wie in Libyen, die sich um ihr Leben und ihr Land betrogen fühlt und Widerstand leisten wird gegen jede Form von ausländischer Besatzung.
Die EU macht sich wieder einmal zum Handlanger der Türkei und der Moslembrüder.

+ 14.11.: Türkei/Italien/NATO. In einem Interview mit der französischen Zeitung LeMonde sagte der italienische Außenminister Di Maio, die Türkei bleibe ein verlässlicher Gesprächspartner für Europa. Di Maio: „Trotz der vielen einseitigen Maßnahmen, die wir verurteilt haben, bleibt die Türkei ein strategischer Partner und Verbündeter in der NATO und ein unverzichtbarer Gesprächspartner bei einigen unserer vorrangigen Themen wie Libyen, Einwanderungs- und Energiepolitik. Aus diesem Grund bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass es in unserem gemeinsamen Interesse liegt, einen ernsthaften, aber konstruktiven Dialog mit Ankara aufrechtzuerhalten“.
https://libyareview.com/8029/
Die Richtung ist klar. Italien und die EU setzen vor allem nach den US-Wahlen verstärkt auf das Nato-Mitglied Türkei und die Moslembrüder als Partner. Wenn die Türkei weiterhin das westliche Libyen und die dortigen Militärstützpunkte besetzt hält, heißt das, die Nato/USA haben dort einen Militärstützpunkt.

+ 16.11.: LPDF/Stephanie Williams. Die von der UNO vermittelten politischen Gespräche LPDF (Libysches Politisches Dialog Forum) zwischen den libyschen Rivalen endeten ohne eine Einigung erzielt zu haben. Die amtierende Leiterin der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL), Stephanie Williams, kündigte an, dass die politischen Gespräche am 23. November per Videokonferenz wieder aufgenommen werden. Ziel ist es, einen Konsens für die Auswahl der neuen Mitglieder des Präsidialrats und der ‚Einheitsregierung‘ zu finden sowie weitere Posten zu besetzen.
https://libyareview.com/8086/

+ 17.11.: LPDF/Sarradsch kündigt erneut Rücktritt zurück. Der Premierminister der jetzigen ‚Einheitsregierung‘, as-Sarradsch, hat seinen Rücktritt nach Beendigung des LPDF angekündigt. Es wird befürchtet, dass der jetzige Innenminister und Moslembruder Fatih Bashagha sein Nachfolger werden könnte. Auch im Gespräch Ahmed Maitiq (Sarradschs Vize) und Khalid al-Mishri (Moslembruder und Vorsitzende des libyschen Hohen Staatsrates).
https://libyareview.com/8111/

17.11: LPDF/Generalabrechnung mit gescheitertem Forum. „Viel Lärm um nichts“, so titelt EUReporter und schreibt weiter, dass das LPDF bisher keine Ergebnisse gebracht habe. Die UNSMIL könne Libyen nicht stabilisieren, indem sie ausländische Interessen durchsetzt. Während der LPDF sei es zu einer Reihe von Skandalen gekommen und es sei unübersehbar, dass die USA nicht an einem demokratischen Prozess in Libyen interessiert sind, sondern daran, ihre Pläne durchzusetzen, d.h. die Führung Libyens ihrem Willen unterzuordnen und ein überschaubares Chaos in der Region aufrechtzuerhalten.
Bemerkenswert sei, dass die wichtigsten Mitteilungen über die Vorgänge und Ergebnisse des Forums über undichte Stellen nach außen drangen und nur so öffentlich diskutiert werden konnten. Es hätten tatsächlich auch nur 45 anstatt der vorgegebenen 75 Personen an dem Treffen teilgenommen, die anderen verweigerten sich angesichts der Manipulationsversuche durch die UNSMIL.
Die Ergebnisse:
Als Datum für Wahlen wurde der 24. Dezember 2021 festgelegt.
Es wurden relativ unbedeutende Erklärungen abgegeben.
Obwohl etwa zwei Drittel der anwesenden Teilnehmer dafür stimmten, die Wahl von Personen zu verhindern, die seit August 2014 leitende Positionen einnehmen, wurde der Vorschlag nicht angenommen, da hierfür eine Mehrheit von drei Vierteln nötig gewesen wäre.
In vielen Bereichen wurde keine Übereinkunft erzielt, so zur Verlegung von Ämtern und Institutionen nach Sirte und zum Umgang mit lokalen Milizen. Die geforderte Freilassung von Gefangenen war überhaupt kein Thema.
Der „skandalöse Fathi Bashagha, der den Radikalen der Moslembruderschaft nahesteht“ war bei der Personaldiskussion die „offensichtliche Präferenz der UNO für den Posten des Regierungschefs. Der Fall entpuppte sich tatsächlich als Korruptionsskandal, denn direkt am Rande des LPDF organisierten sie einen Stimmenhandel, bei dem die Stimmen der Teilnehmer einfach gekauft wurden.“ Dies sei von der UNO ignoriert worden. „Wie kann man über den demokratischen Prozess sprechen, wenn sich das Forum von Anfang als eine Farce erwies?“ fragt EUReporter. Bashaghas Kandidatur habe das Potential, offene militärische Konflikte zu entfachen und trage alles andere als zur Stabilisierung Libyens bei.
Russland hatte übrigens die Freilassung zweier russischer Staatsbürger, die in Tripolis gefangengehalten werden, zur Bedingung für die Zusammenarbeit mit der ‚Einheitsregierung‘ gemacht und Stephanie Williams um Vermittlung gebeten.
Die libysche Bevölkerung sei sich mit politischen Experten darüber einig, dass „es sinnlos und zudem gefährlich ist, auf eine Lösung der Situation in Libyen durch die Vermittlung der UNO zu hoffen.“
Das LPFD habe den Libyern gezeigt, dass die UNO die korrupte ‚Einheitsregierung‘, die ihnen zuvor von der UNO aufgezwungen worden war, nicht wirklich ersetzen wolle. Es kämen mit Fathi Bashagha nur noch radikalere Islamisten an die Spitze. Darüber hinaus war es die UNO, die 2011 die Zerstörung Libyens zuließ. UNSMIL unter Williams setze fort, was die UNO 2011 getan hat: sich in Libyen einzumischen und ihm ihre Macht aufzuzwingen, ohne die Interessen des Landes zu berücksichtigen. Damit provoziere sie nur Zwietracht und weitere Destabilisierung. Die UNO bezeichne sich als friedenserhaltende Organisation, doch auf diese Art von Frieden könne Libyen gerne verzichten.
https://www.eureporter.co/world/libya/2020/11/17/much-about-nothing-the-libyan-political-dialogue-forum-in-tunisia/

+ Bereits in einem vorangegangen Artikel hatte sich EUReporter gefragt, ob die UNSMIL entweder etwas vor den Libyern und der internationalen Gemeinschaft verbirgt oder ob ihr die Kontrolle über die Situation auf dem Forum entglitten ist. Auf Internetseiten der Moslembruderschaft wurde der Entwurf eines Abkommens veröffentlicht, nach dem die Macht im Land (einschließlich des Militärs) in den Händen des Premierministers konzentriert ist, den nur das LPDF abzusetzen berechtigt ist. Der Präsidialrat, in dem alle libyschen Regionen vertreten sein sollen, würde repräsentativen Zwecken, ohne wirkliche Befugnisse dienen. Klar ist, dass der Premierminister ein Moslembruder sein soll.
EUReport weist noch einmal darauf hin, dass Stephanie Williams die Interessen der USA vertritt und „der proamerikanischste Kandidat ist Innenminister Fathi Bashagha. Er war es, der zuvor angeboten hatte, eine US-Militärbasis in Libyen einzurichten.“ Doch Bashagha sei auch der Mann der Moslembruderschaft, der mit den Islamisten in Verbindung stehe, die der Folter beschuldigt werden, und er sei der Schirmherr der salafistischen RADA-Gruppe, die die Bewohner von Tripolis terrorisieren und Menschen entführen. Mit Bashagha an der Spitze „wird Libyen vor einem neuen Konflikt stehen, und das Land wird weiterhin ein Nest des islamischen Radikalismus sein, der die Sicherheit sowohl Europas als auch Afrikas bedroht.“
EUReporter endet: „Vielleicht wird das Ergebnis dieses Prozesses einige kurzfristige Interessen der USA befriedigen, aber das LPDF wird Libyen keinen Frieden und keine Einheit bringen. Es ist nur natürlich, dass er scheitern wird.“
https://www.eureporter.co/politics/2020/11/13/the-libyan-political-dialogue-forum-is-at-an-impasse/

+ 14.11. LPDF: Rettung oder Untergang Libyens? Unter diesem Titel befasst sich TheDuran mit den Aussichten des LPDF. „Die meisten Libyer sehen die LDPF nicht als legitim an. Das Forum ist so organisiert, dass das letzte Wort bei der UNSMIL-Führung, vertreten durch Stephanie Williams und die USA, liegt. Um die neue libysche Führung zu bestimmen, wählte Williams 49 der 75 Konferenzteilnehmer aus, wobei die meisten Teilnehmer von den USA bestimmt werden.
Die UNSMIL behielt sich auch das Recht vor, zu bestimmen, welche Kandidaten für Positionen für die neue „Kompromiss“-Führung Libyens geeignet sind. Sollte es bei der Wahl eines Kandidaten zu einer Pattsituation kommen, hat die UNSMIL erneut das letzte Wort. Mehrere Gruppen in Tripolis protestieren bereits gegen die LDPF und die Auferlegung des US-amerikanischen Willens gegenüber den Libyern, die nicht bereit sind, pro-amerikanische Kandidaten zu akzeptieren. Der Oberste Rat der Scheichs und Honoratioren von Libyen sagt, dass 45 der 75 von der UNSMIL ausgewählten Teilnehmer der Muslimbruderschaft angehören, einer islamistischen Organisation, die in vielen Ländern verboten ist. Vertreter der libyschen Stämme sind dagegen, dass die Muslimbruderschaft hohe Positionen in der neuen Regierung einnimmt.
Wenn die US-amerikanische Manipulation dazu führt, dass die neue Übergangsregierung in Libyen von Radikalen geführt wird, bedeutet dies, dass ein Krieg droht. Wieder einmal wird eine solche Regierung von Khalifa Haftar nicht anerkannt werden, wie er es bei der ‚Einheitsregierung‘ getan hat. Darüber hinaus könnten einige Personen sogar in Tripolis einen Bürgerkrieg auslösen.
Wer hat einen Führungsanspruch?
Fathi Bashagha steht im Konflikt mit Fayez as-Sarradsch, der ihn im August 2020 abzusetzen versuchte und ihn beschuldigte, Demonstration brutal aufgelöst zu haben. Bashagha steht auch im langen Konflikt mit der Miliz Tripoli Protection Force. Der Verband der Tripolis-Milizen hat unmissverständlich erklärt, dass er Bashaghas Führungsanspruch nicht akzeptiert.
Bashagha werden seit der Erstürmung des Flughafens von Tripolis im Jahr 2014 Kriegsverbrechen und Folter vorgeworfen. Er ist eng mit bewaffneten Gruppen aus Misrata verbündet. Die Amerikaner selbst behaupteten, dass das libysche Innenministerium unter seiner Führung aktiv am Menschenhandel beteiligt war und die von ihm kontrollierte Salafisten-Miliz RADA betreibt ein illegales Gefängnis am Mitiga-Flughafen.
Bashaga hatte den Amerikanern versprochen, eine Militärbasis in Libyen einzurichten. Wenn man bedenkt, dass die Demokraten, die 2011 die Intervention in Libyen organisierten und den „arabischen Frühling“ unterstützt haben, ins Weiße Haus zurückkehren, könnten die Amerikaner versucht sein, auf loyale Extremisten wie Bashagha zu setzen. Dies wird jedoch nicht zum Frieden führen“
https://theduran.com/the-libyan-political-dialogue-forum-will-it-save-libya-or-destroy-the-country/

+ 16.11.: LPDF/Verlierer ist das libysche Volk. Der Abgeordnete Ali Saidi erklärte, das LPDF habe das Parlament seiner Legitimität beraubt. Stephanie Williams wolle sicherstellen, dass islamistische Parteien als Sieger des Forums hervorgehen, während nationale Führungspersönlichkeiten von der politischen Bühne entfernt werden sollen.
https://libyareview.com/8088/

+ 15.11.: LPDF/Gekaufte Stimmen. Der tunesische Journalist und Libyenexperte, Ghazi Moalla, beschrieb das LPDF der UNSMIL als „Dialog-Börse und Markt für Stimmenkauf“. Je nach Tagungshotel der Teilnehmer des Forums werden unterschiedliche Summen für Stimmen geboten, zum Teil in astronomischen Höhen. „Der Preis für die Stimme im LPDF-Forum hat 500.000 Euro erreicht.“ Jetzt käme es zu einer zweiten LPDF-Verhandlungsrunde.
Der Vorsitzende des Rates für wirtschaftliche Entwicklung in Tripolis, Fadil al-Amin, spielte seinerseits auf den Verdacht der Korruption und des Stimmenkaufs im LPDF an als er sagte: „Korruptionsgelder sind unterwegs“.
https://almarsad.co/en/2020/11/15/ghazi-moalla-price-of-the-vote-has-reached-500000-euros-within-the-lpdf/

+ 16.11.: LPDF/Ali Dabaiba.. Der Politologe Mohamed Eldscharh hatte erklärt, dass ihm zwei Mitglieder des LPDF bestätigt hätten, Bestechungsgelder in Höhe von 200.000 US-$ von den Dabaibas angeboten bekommen zu haben. Sowohl die UNSMIL als auch tunesische Behörden wurden über den Vorfall informiert.
Eldscharh weiter: „Die Auswahl eines bestimmten Teilnehmers des LPDF hat bereits zu Besorgnis Anlass gegeben.“ Gemeint ist Ali Dabaiba, ein Milliardär, der Gegenstand einer sechsjährigen Betrugsuntersuchung der schottischen Behörden war, die von der Times als „der größte Betrugsfall in der Geschichte Schottlands“ bezeichnet worden war. Eldscharh wies darauf hin, dass „es sicherlich nicht nur das Lager von Ali Dabaiba ist, das Geld anbietet, aber sein Fall ist bei weitem der eklatanteste, d.h. jemandem, der Gegenstand eines riesigen Betrugsuntersuchung in Schottland ist, wurde von der UNSMIL erlaubt, sich am LPDF zu beteiligen, und ist jetzt innerhalb des LPDF in Bestechung verwickelt“.
Abdul-Hamid Dabaiba wies die Vorwürfe des Stimmenkaufs für den Posten des Premierministers zurück.
https://almarsad.co/en/2020/11/16/abdul-hamid-dbaiba-all-libyans-respect-ali-dbaiba-bribes-are-not-our-way/
https://almarsad.co/en/2020/11/16/eljarh-two-lpdf-members-received-offer-to-vote-for-dbaiba-for-us200000/

+ 17.11.: LPDF/Oliver Owcza. Der deutsche Botschafter zeigte sich von den Männern und Frauen der LPDF „beeindruckt“ und twittert: „Aus verschiedenen Regionen, Wahlkreisen und politischen Lagern kommend, diskutierten und berieten sie zehn Tage lang – und einigten sich auf wesentliche Schritte hin zu einem vereinten Libyen. Jetzt ist es wichtig, den Schwung für endgültige Entscheidungen beizubehalten.“
https://twitter.com/GermanAmbLBY/status/1328620810014175232
War der Herr Botschafter auf einer anderen Veranstaltung?

+ 16.11.: Frauenrechte. Libysche Frauen forderten in Ghadames bei der Bildung der Exekutive eine Frauenquote von dreißig Prozent sowie die Achtung der Rechte von Frauen zu gewährleisten, die den verschiedenen Teilen der libyschen Gesellschaft angehören. Auch einer der beiden Stellvertreter des Ministerpräsidenten solle eine Frau sein. Weiter wurde gefordert, Frauen, insbesondere politische und Menschenrechtsaktivistinnen, gegen alle Formen von Gewalt zu schützen.
https://libyareview.com/8072/

+ 17.11.: 5+5-Militärgespräche/Erdölanlagen/PFG. In Brega (Stadt im Ölhalbmond) einigten sich die libyschen Konfliktparteien in Gesprächen mit dem Leiter der National Oil Corporation (NOC), Mustafa Sanella darauf, die Sicherheitskräfte zur Bewachung der Ölanlagen zusammenzuführen. Dazu soll eine neue Schutztruppe aus zivilem und militärischem Personal gebildet werden.
Es durfte auch Stephanie Williams nicht fehlen, die erklärte, dass die UNO Ölgesellschaften unterstützt, die zur Steigerung der Ölförderung beitragen und die sich für die libysche Souveränität über die Ölanlagen einsetzen.
https://libyareview.com/8109/

+ 17.11.: 5+5-Militärgespräche/Erdölanlagen/PFG. Ein Mitglied der 5+5-Militärgespräche sagte, dass ein Unterausschuss die Menge der bewaffneten Kämpfer und Fahrzeuge auf beiden Seiten des Konflikts zählen werde. Der Waffenstillstand soll fristgerecht umgesetzt werden. Eine erste Phase umfasse den Rückzug von schwerem Gerät und die Bildung einer gemeinsamen Truppe, die zweite Phase den Rückzug von Söldnern. „Es ist nicht mehr von östlichen oder westlichen Streitkräften die Rede, sie alle gehören der libyschen Armee an. Das Hauptziel, das auf allen Wegen verfolgt wird, ist die Vereinheitlichung der militärischen Institution“.
https://libyareview.com/8105/

+ 17.11.: Wirtschaft. Die Zollbehörde der ‚Einheitsregierung‘ kündigte an, keine Waren mehr, die nicht über den Bezahlmechanismus der Libyschen Zentralbank abgewickelt werden, ins Land zu lassen.
https://libyareview.com/8099/

+ 16.11.: Libyen/Palästina. Das Außenministerium der libyschen Übergangsregierung (Tobruk) kündigte im Beisein des palästinensischen Generalkonsuls in Libyen, Ahmed Dscharrar, die Wiedereröffnung des palästinensischen Konsulats in Bengasi an. „Wir bringen den Glauben des libyschen Volkes an die gerechte Sache des palästinensischen Volkes zum Ausdruck, seine Rechte wiederzuerlangen, sein Land zu befreien und seinen unabhängigen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt zu errichten“, hieß es in der Erklärung. Im Jahr 2014 war die palästinensische Botschaft in Tripolis aus Sicherheitsgründen geschlossen worden.
https://libyareview.com/8083/

+ 14.11.: Migranten/Italien. Am 09.11. kamen drei Migrantenboote mit mehr als 150 Migranten auf der sizilianischen Insel Lampedusa an. Am 13.11. forderte der italienische Außenminister Luigi Di Maio angesichts der kritischen Situation im Zusammenhang mit der Verbreitung von COVID-19 ein Ende der illegalen Migrationsströme nach Europa.
https://libyareview.com/8031/

+ 17.11.: Migranten. Am Montag gab die Internationale Organisation für Migration (IOM) bekannt, dass sie 409 illegale Migranten auf See abgefangen, „gerettet“ und nach Libyen zurückgeschickt hat.

+ Migration/Lukratives Geschäft. Auf ein Boot werden 150 Migranten gezwungen. Jeder von ihnen muss 2.000 US-$ zahlen. Die Schleuserbanden verdienen damit pro Boot 300.000 US-$. https://twitter.com/libya_at/status/1328265296336056323/photo/1

+ 15.11.: Söldner. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) erklärte, dass bei den Kämpfen in Libyen und Berg-Karabach mehr als 789 von Ankara entsandte syrische Kämpfer getötet wurden, davon 496 in Libyen und 293 in Bergkarabach. Hunderte wurden verletzt oder gelten als vermisst.
Nach den Statistiken des SOHR stieg die Zahl der syrischen Söldner, die nach Libyen kamen, auf fast 18.000 syrische Söldner, darunter 350 Kinder unter 18 Jahren. Davon kehrten 10.750 nach Ablauf ihrer Verträge nach Syrien zurück. Unter den nach Libyen gebrachten Dschihadisten befänden sich 2.500 Tunesier.
Der Großteil von etwa 4.000 syrischen Söldnern, die von einer privaten russischen Sicherheitsfirma nach Libyen gebracht wurden und auf Seiten der LNA kämpften, seien nach Beendigung der Militäroperationen nach Syrien zurückkehrte.
https://libyareview.com/8051/

16.11.: Söldner. Wie SOHR bekannt gab, wurden etwa 500 ausländische Söldner bei Kriegshandlungen in Libyen getötet. Am 12.11. wurden die Leichen von 26 Syrern in der Stadt Tarhouna, südlich von Tripolis, in einem Massengrab gefunden.
https://libyareview.com/8080/

+ 15.11.: Türkei/Libyen. Erdogan will Libyen besuchen, um das Militärabkommen zu aktivieren und die Grundlagen für einen neuen Stützpunkt zu schaffen
https://libya.liveuamap.com/en/2020/15-november-erdogan-to-visit-libya-to-activate-military-agreements

+ 14.11.: Katar/Libyen. Der Verteidigungsminister des ‚Einheitsregierung‘, Salaheddin Namroush, hat mit dem katarischen Vizepremierminister Khalid Atiyyah, der auch Staatsminister für Verteidigungsangelegenheiten ist, ein „Kooperationsprotokoll“ über Ausbildung und Kapazitätsaufbau unterzeichnet.
https://twitter.com/YorukIsik/status/1327711502065930246

+ 15.11.: Türkei. Des Schwiegersohnes von Erdogan, Berat al-Buraq, wird zum Wirtschaftsberater des Emirs von Katar, Scheich Tamim, ernannt. Burags Monatsgehalt: 200.000 US-$.
https://twitter.com/RealthingUlli/status/1327958203020283904

Donnerstag, 19. November 2020

 

Skandalöser Versuch des Stimmenkaufs bei LPDF

Libyen. Das Libysche Politische Dialog Forum (LPDF) in Tunesien oder: Ist der Ruf erst ruiniert...

Angelika Gutsche |

Am Montag, den 09. November begann das auf sechs Tage angesetzte Libysche Politische Dialog Forum in Tunesien. Ziel dieses Forums sollte es sein, eine neue Übergangsregierung mittels 75 von der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) unter Leitung der amtierenden Vorsitzenden Stephanie Williams handverlesenen Dialogteilnehmern einzusetzen. Dem LPDF vorangegangen waren der Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der ‚Einheitsregierung‘ (Government of National Accord / GNA) und der Libyschen Nationalarmee (LNA) im Rahmen von 5+5-Militärgesprächen.

Bereits am Abend des 14. November endete die Sitzung ohne Konsens und mit tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kandidatur, der Auswahl der in die Regierungsämter zu wählenden Personen der auf eine neue Regierung und auf den Präsidenten zu übertragenden Befugnissen. https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327750193274638336/photo/1

Am Morgen des 15. Novembers platzte dann eine richtige Bombe als zwei LPDF-Teilnehmer bestätigten, dass ihnen 200.000 US-$ angeboten wurden, damit sie für Ali Dabaiba als neuen Premierminister stimmen. Das Angebot kam von Familienmitgliedern und Helfern von Ali Dabaiba, die im Tagungshotel anwesend waren.

Wer ist Ali Dabaiba?

Ali Dabaiba war in der Gaddafi-Zeit der hoch korrupte Bürgermeister von Misrata, der schon damals Gelder auf seine Privatkonten im Ausland scheffelte. Misrata, das der Dschamahirija und Gaddafi schon immer feindlich gesonnen war, unterstützte 2011 die sogenannten ‚Aufständischen‘, ebenso wie sein Bürgermeister Dabaiba. Es floss sogleich viel Gelder für die Moslembrüder in Misrata, bestimmt nicht von, sondern über Dabaiba, und ganz sicher waren es nicht seine eigenen Gelder, auch wenn das behauptet wurde.

Die SüddeutscheZeitung deckte 2016 die Machenschaften einer Kanzlei in Panama auf, die half, schmutziges Geld zu verstecken, und wusste im Verlauf der Recherchen über Ali Dbaiba zu berichten: „Obwohl der verrufene Dabaiba auf dem Höhepunkt des libyschen Bürgerkriegs die Seiten wechselte und die Rebellen in seiner Heimatstadt Misrata finanzierte, fror die neue Regierung dennoch sein Vermögen ein und setzte seinen Namen auf eine Liste von Männern, die im Verdacht standen, staatliche Gelder veruntreut zu haben. Er zog schließlich nach London, wo seine Familie einige wenige wertvolle Besitztümer besitzt. Libysche Ermittler beschuldigen Dabaiba, Verträge im Wert von mehreren Millionen Dollar an Firmen ausgeteilt zu haben, die entweder von ihm oder einem seiner Verwandten geleitet wurden. Die Gewinne aus diesen Geschäften soll er über ein Netz von Strohfirmen ins Ausland geschmuggelt haben. Bis heute haben die Ermittler rund 100 in den Britischen Jungferninseln, Malta, Lichtenstein und Großbritannien registrierte Unternehmen bis zu Dabaiba, seinen Söhnen oder mutmaßlichen Komplizen zurückverfolgt. Die wahren Eigentümerstrukturen dieser Firmen bleiben bestenfalls verschwommen.“
https://panamapapers.sueddeutsche.de/

Dabaiba wurde über Interpol wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, Geldwäsche, Machtmissbrauch und Korruption gesucht und laut einer libyschen Nachrichtenseite wurde er 2014 auch verhaftet. Allerdings wurde der Haftbefehl unverzüglich wieder außer Kraft gesetzt und Dabaiba von der Interpol-Fahndungsliste gestrichen. Geheimdienste der westlichen Ländern dürften den Nutzen eines absolut skrupellosen, aber gut vernetzen Libyers erkannt haben. Auf Nachfrage von Organiced Crime And Corruption Reporting Project (occrp) im Jahre 2018 über die Gründe der Aussetzung des Haftbefehls wollten weder Interpol noch die libyschen Behörden Auskunft geben. Selbstverständlich florierten Dabaibas krumme Geschäfte immer weiter. Zu dieser Zeit soll Dabaiba laut occrp seinen Wohnsitz in Istanbul gehabt haben. https://www.occrp.org/en/investigations/8366-cyprus-records-shed-light-on-libya-s-hidden-millions
https://twitter.com/ibnthabit/status/1328023059660419072/photo/1

Der wahre Skandal

Mit Sicherheit ist Ali Dabaiba nicht der einzige, der versucht, sich mit Geld im „neuen Libyen“ Posten und damit Macht und Zugriff auf die staatlichen Fleischtöpfe zu erkaufen. Pech für ihn, dass es an die Öffentlichkeit kam. Seine Persönlichkeit war wohl etwas zu schillernd.

Der wahre Skandal ist jedoch, wie eine dermaßen durch und durch korrupte Person wie Ali Dabaiba es schaffte, überhaupt auf die Teilnehmerliste des LPDF gesetzt und auch noch als neuer libyscher Premierminister gehandelt zu werden. Es ist undenkbar, dass es bei der UNSMIL nicht bekannt war, mit wem man es hier zu tun hat.

Auch wenn Stephanie Williams jetzt eine Untersuchung einleiten will, ist nicht nur das LPDF, sondern die gesamte UNSMIL kompromittiert und jedes Vertrauen zerstört. Zuerst die unter völlig intransparenten Umständen zustande gekommene und erst im letzten Moment veröffentlichte LPDF-Teilnehmerliste mit dem unsäglichen Überhang an Moslembrüdern, dann die wiederholte Hinauszögerung von Wahlen und jetzt dieser Fauxpas. Dann war der Beschluss, erst bis Ende 2021 Wahlen abhalten zu wollen, ein Witz, und die Festsetzung des Wahltermins auf den 24.12.2021, also praktisch am letztmöglichen Termin vor Ablauf der Frist und unter Ausschluss der westlichen Öffentlichkeit – denn wer interessiert sich an Weihnachten für Libyen – ein Affront gegen das libysche Volk. Das schnelle und scheinbar problemlose Zustandekommen von Beschlüssen zeigte auch, dass die Ergebnisse bereits vorher feststanden und die LPDF-Teilnehmer nur noch als Staffage dienen. https://twitter.com/LibyaDesk/status/1328014687489888257
https://twitter.com/smmlibya/status/1327528427549765632

Inzwischen haben 25 LPDF-Teilnehmer aus allen Landesteilen in einer Petition gefordert, die LPDF zumindest auf den 18. Dezember zu verschieben. Die Statthalter der Moslembruderschaft schlossen sich diesem Appell selbstredend nicht an. Was soll eine Verschiebung auch bringen, wenn die Ergebnisse schon im vorab feststehen beziehungsweise gekauft werden. Die Glaubwürdigkeit des LPDF wird auch eine Verschiebung nicht wieder herstellen.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327989063182397442

Laut einem Tweed auf Twitter, der mit Fotos belegt ist, nehmen am LPDF nicht nur der Korruption beschuldigte Kriminelle teil, sondern auch ein wegen Mord und Entführung Verurteilter, der im Gefängnis von Surman einsaß und aufgrund eines Luftangriffs freikam.
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1327967783506894848

Ist dies das Klientel, das Libyen Freiheit und Demokratie bringen soll? Mit welchen kriminellen Elementen macht sich die UNSMIL hier eigentlich gemein? Wer wird Stephanie Williams für das, was sie Libyen antut, jemals zur Rechenschaft ziehen?

Kann es da noch überraschen, dass die LPDF-Teilnehmer gegen das Verbot der Kandidatur gegenwärtiger und ehemaliger Amtsinhaber für die neue Regierung und den Präsidentenrat stimmten? Alles bleibt wie es seit 2011 immer war. Alle Scham ist gefallen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1328067922816864257

Nimmt Dabaiba noch immer am LPDF teil? Oder ist der Einfluss der Moslembruderschaft so groß, dass sie Dabaiba trotz seiner Bestechungsbemühungen bei den Verhandlungen halten können? Jedenfalls interessant zu wissen, dass die künftige UNSMIL-Regierung für Libyen nicht gewählt, sondern gekauft wird.

Ja, da freut sich der Emir von Katar und gratuliert Tunesien für den großartigen Verlauf des LPDF!
http://en.alwasat.ly/news/world/301442

16.11.2020

 

 

Vorsicht Facebook!

Libyen. Zur Diskriminierung unliebsamer Personen existiert auf Facebook ein kriminelles Netzwerk, das massenhaft gefälschte Seiten verbreitet.

Angelika Gutsche  

Das libysche Online-Magazin AlMarsad hat eine Menge dieser Fälle aufgedeckt und dokumentiert.

Die gefälschten Facebook-Seiten, die insbesondere Frauen betreffen, tauchten mit Beginn des Libyschen Forums für politischen Dialog (LPDF) vermehrt auf, um das Ansehen und die Reputation libyscher Persönlichkeiten, die im Focus des öffentlichen Lebens stehen, massiv zu schädigen und zu verleumden. Daneben existieren Seiten von frei erfundenen Personen und Institutionen wie zum Beispiel einem Tarhouna Displaced Persons Committee oder The Emirates Center for Studies and Media. Etliche dieser Fake-Seiten werden auf AlMarsad dokumentiert.

AlMarsad vermutet, dass hinter diesen gefälschten Seiten, die vorgeben zu bekannten Persönlichkeiten aus der Politik, dem Medienbereich, dem Militär oder auch der Kunst zu gehören, ein im Dunkeln agierendes Netzwerk steht, das der Moslembruderschaft zugehörig ist.

Die gefakten Seiten werden auf vielen Seiten geteilt und so findet die unter falschen Namen veröffentlichte Propaganda weite Verbreitung. Beispielsweise zählte der Journalist Hamza at-Tohami auf seiner gefälschten Seite 92.000 Followers. Die fälschlich ihm zugeschriebenen provokanten Aussagen forderten den Widerspruch anderer Facebook-Benutzer heraus, die sich ihrerseits zum Teil als gefälschte Seiten entpuppten, die wieder mit gefälschten Posts antworteten. Merkwürdigerweise hatten diese Seiten denselben Administrator.

Die Opfer von Fake-Angriffen sind vor allem Frauen, Politikerinnen, Abgeordnete, Diplomatinnen, Schauspielerinnen. Auch die erfundenen Figuren sind meist weiblich.

Insgesamt folgen fast eine Million Libyer diesen Fake-Seiten, die sie für echt halten. Die auf diesen Seiten verbreiteten Inhalte sind häufig moralisch fragwürdig oder sie richten sich gegen den Propheten; damit zielen sie auf einen Rufmord der betroffenen realen Person ab und sind als krimineller Akt zu werten. Die Facebook-Nutzer werden vorsätzlich in die Irre geführt und die betroffenen Personen nicht nur in ihrer Integrität verletzt, sondern auch deren Leib und Leben in der gegenwärtig aufgeheizten politischen Situation gefährdet.

Man erinnere sich an die Ermordung der Anwältin und Aktivistin Hanan al-Barasi, die vor wenigen Tagen am helllichten Tag in Bengasi erschossen wurde. Auch al-Barasi spielte auf gefälschten Facebook-Seiten eine Rolle und wurde dort mit Teilnehmern des LPDF (Libysches Forum für politischen Dialog) in Verbindung gebracht.

Weitere der von AlMarsad angeführten Beispiele: Eine Diplomatin bekennt sich auf der gefälschten Seite auf eine Art und Weise zu Frankreich und gegen den Islam, die suggeriert, die Türkei habe gegenüber Frankreich die richtige Haltung eingenommen. Eine andere Fake-Seite unterstellt der hochqualifizierten Leiterin der Organisation Lawyers for Justice in Libya, sie sei eine Stewardess, die über Politik diskutiere. Auf anderen Seiten werden Forderungen der Moslembruderschaft unterstützt.

Die Fälscher gehen äußerst raffiniert vor, vermischen häufig wahre mit falschen Behauptungen und lassen die Moslembrüder immer in einem glanzvollen, heldenhaft Licht erscheinen, die zum Beispiel verhinderen, dass Ungerechtigkeiten passieren. Die Seite des im wahren Leben nicht existenten Tarhouna Displaced Persons Committee vermittelt den Eindruck, dass die Armee die um Hilfe bettelnden Bewohner von Tarhouna im Stich gelassen hat. Die ebenfalls gefälschte Seite eines Parlamentariers aus Tarhouna teilt diese Seite, die dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Auf der Fake-Seite eines Parlamentsabgeordneten werden sexuelle Übergriffe auf Frauen in der Kyrenaika unterstellt mit dem Ziel, Unruhen zwischen den verunglimpften Bürgern der Kyrenaika und Tarhouna zu stiften.

Eine andere gefälschte Seite unterstellt, dass die LNA den Tod ihres Generalmajors Wanis Buchhamada befördert hat und dass Attentate von der LNA selbst verübt würden. Krebserkrankungen werden als Strafe Gottes für die Unterstützung der LNA dargestellt. Daneben werden niemals gemachte, politisch brisante Aussagen prominenten Politkern auf deren gefakten Facebook-Seiten untergeschoben, um diese öffentlich in ein schlechtes Licht zu rücken.

In allen Fällen werden Sichtweisen, Lügengeschichten und Unterstellungen der Moslembruderschaft auf gefälschten Facebook-Seiten prominent dargestellt und verbreitet, von Personen, die davon nicht die geringste Ahnung haben oder erst gar nicht existieren.

Selbstredend werden auf diesen Fake-Seiten neben den gefälschten Inhalten auch gefälschte Fotos verwendet. Die meisten dieser gefälschten Seiten werden von Libyen aus betrieben, einige andere von der Türkei und der Schweiz aus, wo viele Mitglieder der Muslimbruderschaft aktiv sind.

Die große Frage bleibt, wie sich die Betroffenen vor solchen unter ihrem Namen eingerichteten Facebook-Seiten schützen können und wie Facebook den Schutz seiner Benutzer vor solchen betrügerischen Machenschaften krimineller Netzwerke gewährleisten kann.

https://almarsad.co/en/2020/11/11/report-al-marsad-exposes-dangerous-network-creating-fake-facebook-pages-to-target-libyans/

15.11.2020

 

Montag, 16. November 2020

Kurznachrichten Libyen – 12.11.2020

Libyen. Ermordung der Anwältin Hanan al-Barasi in Bengasi / 5+5-Militärgespräche (Sirte) / LPDF-Gespräche (Tunesien)

Angelika Gutsche |

+ 10.11.: Attentat. Die bekannte Anwältin und Aktivistin Hanan al-Barasi (Azzouz Barqa; 46)) wurde in Bengasi auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen.
Al-Barasi hatte häufig offen Stellung gegen Personen bezogen, denen sie kriminelles Verhalten oder Machtmissbrauch vorwarf und sich sowohl kritisch in Bezug auf die Moslembruderschaft als auch vor wenigen Tagen bezüglich einem der Söhne von Khalifa Haftar geäußert. Die Medien der Moslembruderschaft nahmen dies zum Anlass, den Oberbefehlshaber der LNA, Khalifa Haftar, mit dem Anschlag auf al-Barasi in Zusammenhang zu bringen. Haftar hat inzwischen den Mord an al-Barasi auf das Schärfste verurteilt und ihrer Familie sein Beileid ausgesprochen. Es müsse alles unternommen werden, um die Täter zu fassen und sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Der Mord an al-Barasi wurde auch von der UNSMIL, von Botschaftern und unabhängigen Menschenrechtsgruppen auf das Schärfste verurteilt. Das Innenministerium der Übergangsregierung (Tobruk) kündigte eine transparente und professionelle Aufklärung des Verbrechens an.
https://almarsad.co/en/2020/11/11/hanan-al-barasis-murder-between-political-exploitation-and-calls-for-a-transparent-investigation/
https://almarsad.co/en/2020/11/11/lna-general-command-condemns-the-assassination-of-hanan-al-barasi/

+ 11.11.: Migranten/OCHA-Libya (Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten). Die Tötung eines 15-jährigen eritreischen Asylbewerbers in einem Migrantenlager in Tripolis wurde von OCHA scharf verurteilt. Die libyschen Behörden wurden dazu aufgefordert, die Täter zu ermitteln und vor Gericht zu stellen.
https://twitter.com/OCHA_Libya/status/1326596350096662529

+ 07.11.: Entführung von Flugpassagieren. Vor wenigen Tagen wurden bei ihrer Ankunft am Mitiga-Flughafen in Tripolis eine Reihe von Flugpassagieren von einer Miliz der ‚Einheitsregierung‘ verschleppt. Das Nationale Komitee für Menschenrechte in Libyen (NCHRL) verurteilte die Entführung der aus Bengasi kommenden Passagiere und forderte ihre Freilassung. Die Täter müssten strafrechtlich belangt werden. Ebenfalls protestierte die UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) gegen die Verschleppung. Die UNSMIL fordert die sofortige Freilassung der willkürlich festgehaltenen Personen und die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit aller Libyer.
Auch das Innenministerium der ‚Einheitsregierung hatte die Entführung verurteilt, da diese die Spaltung des Landes verstärken würde. Der Vorfall soll untersucht werden.
https://libyareview.com/7894/

+ 10.11. Verschleppung. Der Leiter des Medienbüros der ‚Einheitsregierung‘, Mohammed Bayiu, wurde nach internationalen Protesten 3 Wochen nach seiner Entführung durch eine Tripolis-Miliz wieder auf freien Fuß gesetzt.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1326219524237127682

+ 10.11.: 5+5-Militärgspräche. Die UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) gab bekannt, dass die sechste Gesprächsrunde der Militärkommission (Joint Military Commission, JMC) in Sirte, ihrem neuen ständigen Hauptquartier, begonnen hat. Es geht dabei um die Umsetzung des am 23. März in Genf geschlossenen Waffenstillstandsabkommens und um die Bildung von Ausschüssen.
https://libyareview.com/7943/

+ 07.11.: Libysche Armee: Die LNA dementierte am Samstag Gerüchte über einen Rückzug ihrer Stellungen in Sirte. Erst beim Abzug der Söldner und ausländischer Truppen würden auch die LNA-Streitkräfte in ihre Militärlager zurückkehren.
Das am 23. Oktober unterzeichneten Genfer Abkommen sieht vor, dass innerhalb von maximal drei Monaten alle Militäreinheiten und Milizen in ihre Lager zurückkehren und alle ausländischen Söldner und Militärs das Land verlassen.
https://libyareview.com/7889/

+ 07.11.: Militärgüter aus der Türkei. Der Parlamentarier Said Imgheib behauptete, dass auch nach Abschluss des Genfer Abkommens immer noch türkische Militärfrachtflugzeuge auf Militärbasen (al-Watiya) in Libyen landen würden. Dies passe zu der Aussage des türkischen Präsidenten Erdogan, dass das Waffenstillstandabkommen nicht lange Bestand haben werde.
Des Weiteren wurde kritisiert, dass sich die ‚Einheitsregierung‘ auch weigere, die Verbindungsstraße zwischen dem westlichen und dem östlichen Libyen zu öffnen.
https://libyareview.com/7882/

+ 10.11.: LPDF-Gespräche/Libysches Parlament. 112 Abgeordnete des libyschen Parlaments äußern Vorbehalte gegen die intransparente Auswahl der LPDF-Teilnehmer durch die UNSMIL und lehnen die Einsetzung eines nicht gewählten Legislativorgans ab. Jede kriegerische Aktivität sei zur Lösung des Libyenkonflikts abzulehnen, jede friedliche Lösung werde begrüßt. Allerdings seien die vom Parlament und vom Obersten Staatsrat dazu eingereichten Vorschläge komplett übergangen worden. Die UNSMIL dürfe sich nicht über die Verfassungserklärung, das politische Abkommen von Skhirat und die Befugnisse des Parlaments hinwegsetzen. Das Parlament poche erneut auf die Abhaltung von Wahlen, eine letzte Übergangsphase werde akzeptiert, deren Zeitplan aber exakt einzuhalten sei. Es wird darauf hingewiesen, dass jede Verletzung der militärischen Abkommen das Ende des gesamten Abkommens und von friedlichen Lösungen bedeute. Durch zusätzliche Gremien, denen es an Legitimität mangelt, werde sich der Libyenkonflikt verschärfen.
https://almarsad.co/en/2020/11/10/112-mps-express-reservations-on-unsmils-selection-of-lpdf-participants-in-lpdf-reject-any-unelected-legislative-body/

+ 10.11.: LPDF-Gespräche in Tunis-Gammarth. An der Eröffnungssitzung nahmen die amtierende UNSMIL-Vertreterin Stephanie Williams und der tunesische Präsident Kais Saied teil. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres dankte in einer Videoschaltung Tunesien für die Ausrichtung des Libyschen Forums für politischen Dialog (LPDF) und forderte die ‚internationale Gemeinschaft‘ auf, die Einhaltung des Waffenembargos sicherzustellen. An dem sechstägigen Forum nehmen 75 von der UNMSIL handverlesene Unterhändler teil.
Auf dem Forum sollen die Bildung eines neuen Präsidialrats und einer neuen ‚Einheitsregierung‘ diskutiert werden, deren Aufgabe die Beendigung des bewaffneten Konflikts, die Aufrechterhaltung von Sicherheit, die Vereinheitlichung der staatlichen Institutionen, die Vorbereitung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die Schaffung eines dezentralisierten Systems, die Bekämpfung von Korruption und die Umstrukturierung der Wirtschaft sein sollen. Der tunesische Präsident Saied rief die Personen, die die erneute Übergangsperiode anführen werden, dazu auf, bei den nächsten Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen nicht mehr zu kandidieren. Es müsse auch eine Frist für die Abhaltung von Wahlen gesetzt und die bewaffneten Milizen aufgelöst werden.
Laut Stephanie Williams hoffen die UN und die internationale Gemeinschaft, durch die LPDF-Gespräche, die auf der Resolution 2510 des UN-Sicherheitsrates und der Berliner Libyen-Konferenz vom 19. Januar 2020 beruhen, den Konflikt in Libyen zu beenden. Die neue Regierung habe die Aufgabe, „das geeignete Klima für die Abhaltung von Wahlen zu schaffen, den Weg der nationalen Versöhnung einzuleiten, Korruption zu bekämpfen und den Libyern öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.“ Es müsse eine Exekutivbehörde gebildet werden, die zu demokratischen Wahlen führt und die Übergangsphase beendet“.
Wie diese Exekutivbehörde mit ihren zwei Organen, dem Präsidialrat und der Regierung, aussehen soll, darüber gibt es allerdings zwei konträre Vorstellungen. Nach der Vorstellung der Bürgerrechtsbewegung sei dem Präsidialrat „politische Souveränität“ zuzusprechen, während die Regierung eine technokratische Rolle spielen soll. Dagegen soll nach Vorstellung der islamistischen Bewegungen und der Moslembruderschaft der Präsidialrat eher ehrenamtlich tätig und „protokollarisch und in der Ausübung seiner Befugnisse eingeschränkt“ sein, während die Regierung „politisch mit hohen und weitreichenden Befugnissen“ ausgestattet werden sollte.
Weiter soll auch zwischen den beiden Blöcken eine Unstimmigkeit darüber herrschen, ob zukünftig der Sitz der Exekutivbehörden in Sirte sein soll, eine Stadt, die etwa in der Mitte zwischen Tripolis (westliches Libyen) und Bengasi (östliches Libyen) liegt und auf die die Tripolis-Milizen keinen Zugriff haben.
https://libyareview.com/7943/
http://en.alwasat.ly/news/libya/300756
https://addresslibya.net/archives/60619
https://libyareview.com/7932/
https://libyareview.com/7927/
Vermutlich wurden die Personen für die erneute Tripolis-Regierung und den Präsidialrat bereits vorab ausgehandelt und stehen bereits fest. Es heißt, die LPDF sei eine Veranstaltung des ‚power-laundering‘ (Machtwäsche) mit dem Ziel, die ‚Einheitsregierung 2.0‘ entstehen zu lassen.
Nach wie vor ist die Kritik an der Auswahl der Teilnehmer durch die UNSMIL groß. Sie entzündet sich daran, dass die Teilnehmerliste erst im letzten Moment veröffentlicht wurde, ohne die Namen einer politischen Richtung zuzuordnen. Diese Arbeit wurde erst durch die libysche Öffentlichkeit und einige Medien geleistet. Es darf nicht verwundern, dass die Moslembruderschaft keinerlei Probleme mit der LPDF hat. Auf der Liste finden sich etliche Namen, die dem Dschihadismus zuzuordnen sind.
Weithin wird die Besorgnis geäußert, dass mit einer weiteren von der UN eingesetzten ‚Einheitsregierung‘ 2.0 Wahlen in immer weitere Ferne gerückt werden. Die LPDF wird als eine Veranstaltung gesehen, die nicht dazu dient, Wahlen herbeizuführen, sondern Wahlen weiterhin zu verhindern.
Bemängelt wird auch, dass Stephanie Williams als Ausländerin wegen ihres Vorgehens in Libyen nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, obwohl mit der Einsetzung einer libyschen Regierung durch ausländische Mächte die UN-Charta, die allen Staaten Souveränität zugesteht, mit Füßen getreten wird. Eine Lösung könne nur aufgrund einer Willensbekundung der Libyer selbst gefunden werden, die aber niemals Moslembrüdern zu einer Mehrheit verhelfen würden. Kein Staat habe das Recht, einem anderen Staat die Regierung aufzudrängen. Das Vorgehen der ‚internationalen Gemeinschaft‘ sei eine neue Form modernen Kolonialismus, getarnt mit schönrednerischen Parolen. Dadurch werde nur weiterer Unfriede gestiftet.

+ 09.11.: LPDF/Wahlen in Libyen. Der Leiter der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC), Emad ad-Din as-Sayeh, rief die Teilnehmer des LPDF auf, so bald wie möglich Parlaments-, Präsidentschafts- und Verfassungswahlen abzuhalten. Die HNEC solle endlich mit der Ausarbeitung von Wahlgesetzen beauftragt werden. Da die ‚Einheitsregierung‘ der HNEC keine Gelder mehr ausbezahlt habe, seien 90 Tage nötig, um alle nötigen Vorbereitungen für Wahlen zu treffen. Es sei wichtig, alle politischen Richtungen Libyens in die Wahlen miteinzubeziehen.
https://libyareview.com/7918/

+ 11.11.: LPDF/Sirte. Das LNA-Mitglied al-Mahjoub wies darauf hin, dass „die beste Lösung, um die Macht der Milizen zu beenden, neben dem LPDF, darin besteht, die wichtigsten staatlichen Institutionen von Tripolis nach Sirte zu verlegen“ und sie damit dem Zugriff der Milizen zu entziehen.
https://libyareview.com/7955/

+ 06.11.: Ägypten-Bashagha-Abkommen. Der Innenminister der libyschen Übergangsregierung (Tobruk), Ibrahim Bushnaf, kündigte an, das Sicherheitsabkommen, das der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis), Fatih Bashagha, mit der ägyptischen Regierung geschlossen hat, von seinem Ministerium nicht anerkannt wird, wenn seine Übergangsregierung nicht miteinbezogen werde. Bushnaf teilte der ägyptischen Regierung auch mit, dass die Grenzübergänge zu Ägypten weiterhin unter der Kontrolle der vom Parlament anerkannten Übergangsregierung (Tobruk) stehen. Fatih Bashagha hatte sich zu politischen Gesprächen in Kairo aufgehalten und mit der dortigen Regierung ein Abkommen geschlossen.
https://almarsad.co/en/2020/11/06/bushnaf-to-egypt-we-will-not-abide-by-any-security-agreements-to-which-we-are-not-a-party/

+ 07.11.: Korruption. Der oberste Korruptionsermittler der Generalstaatsanwaltschaft, as-Siddiq as-Sour, ermittelt im Ausland in mehreren Korruptionsfällen, die sich in Höhe von mehr als 530 Millionen US-$ bewegen. Wie bekannt wurde, ermittelt auch die niederländische und schweizerische Staatsanwaltschaft sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte gegen die Libysche Investitionsbehörde (LIA), die den staatlichen Staatsfonds verwaltet, der mehr als 65 Milliarden US-$ im Ausland angelegt hat.
https://addresslibya.net/archives/60538

+ 07.11.: Trauer um LNA-Kommandanten. Die LNA trauert um den Vorsitzenden des Sozialrats der Tuareg-Stämme in Libyen, Generalmajor Hussein al-Koni, der nach längerer Krankheit verstorben ist. Al-Koni widmete die letzten Jahre seines Lebens der Lösung der libyschen Konflikte und der Aussöhnung.
Mit al-Koni ist nach Wanis Bukhamada der zweite hochrangige LNA-Kommandant innerhalb weniger Tage gestorben.
https://almarsad.co/en/2020/11/07/lna-general-command-mourns-death-of-major-geneneral-al-koni/

+ 10.11.: Migranten. Das Zintan-Gefangenenlager in Libyen wird geschlossen. Es ist unklar, wann genau die Flüchtlinge nach Tripolis verlegt werden, aber die Gefangenen wurden bereits angewiesen, zu packen und mit dem Abbau der Unterkünfte zu beginnen.
https://twitter.com/AndreaGagne/status/1326151095572377600

+ 11.11.: Protest. 120 libysche Bauunternehmen wollen gegen die ‚Einheitsregierung‘ wegen Nichtzahlung von Rechnungen für den Wiederaufbau von Schulen, die im Nato-Krieg 2011 zerstört wurden, protestieren.
https://libyareview.com/7968/

+ 11.11.: Diebstahl/Energieversorgung. Die General Electricity Company berichtete, dass zwei Kilometer Kupferkabel aus dem Gebiet Tadschoura (östlich von Tripolis) gestohlen wurden.
https://libya.liveuamap.com/en/2020/11-november-the-general-electricity-company-reported-that

+ 10.11.: Briten in Tripolis. Das Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ kündigte den Abschluss eines Schulungskurses für Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörde durch die britische (!) Firma Rose Partners Security Consulting an.
http://en.alwasat.ly/news/libya/300901

+ 09.11.: USA-Wahlen. Fayez as-Sarradsch konnte gar nicht schnell genug Jo Biden und Kamala Harris zu ihren offiziell noch nicht bestätigten Wahlsieg in den USA gratulieren. Er drückte in einem Brief sein „Bestreben aus, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um einen zivilen demokratischen Staat in Libyen aufzubauen“.
https://almarsad.co/en/2020/11/08/sarraj-to-biden-i-want-to-achieve-a-civil-state-in-libya/
Grundsätzlich dürften die meisten Libyer die Demokratische Partei der USA nicht besonders wertschätzen, hat ihnen doch die Regierung Obama mit ihrer Außenministerin Clinton den Nato-Krieg und somit den Sturz in den Abgrund namens failed state bescherte.

+ 10.11.: Russland/Libyen-Konflikt. Laut dem russischen Präsidenten Putin ist die anhaltende Instabilität in der MENA-Region (Middle East und North Africa), speziell die bewaffneten Konflikte in Libyen, Jemen und Syrien, der Hauptgrund für die Ausbreitung des Terrorismus.
Bereits letzte Woche rief der russische UN-Vertreter, Wassili Nebenzia, bezüglich des kürzlich unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens alle ausländischen Streitkräfte und Sicherheitsunternehmen dazu auf, Libyen zu verlassen.
https://libyareview.com/7949/

+ 09.11.: US-Wahl/Susan Rice. Für das eventuell neue Kabinett von Biden ist Susan Rice im Gespräch. Dazu der Standard: „Bliebe es bei der konservativen Majorität [im Senat], müsste Rice ihre Hoffnungen womöglich begraben. Etliche Republikaner nehmen sie bis heute ins Visier, weil sie einen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi, bei dem 2012 der amerikanische Botschafter ums Leben kam, zunächst als Folge spontanen Volkszorns charakterisiert hatte, provoziert durch ein Schmähvideo über den Propheten Mohammed. Tatsächlich handelte es sich um den gründlich geplanten Anschlag einer Terrorzelle.“
https://www.derstandard.at/story/2000121569559/wer-sich-fuer-bidens-kabinett-in-stellung-bringt Unter Obama war Rice war erst UN-Botschafterin, dann Nationale Sicherheitsberaterin, die maßgeblich für den Nato-Krieg gegen Libyen mitverantwortlich war.

+ 09.11.: Türkei/Pressefreiheit. Muyesser Yildiz, eine türkische Journalistin, sagte, die türkischen Behörden hätten sie inhaftiert, nachdem sie in zwei Artikeln Staatsgeheimnisse über die militärische Beteiligung Ankaras in Libyen preisgegeben hätte. Sie berichtete auch über den Tod eines Geheimdienstoffiziers in Libyen. Yildiz kritisierte die Missachtung der Pressefreiheit und die fehlende Rechtsgrundlage für ihre Inhaftierung; das Vertrauen in die Justiz sei verlorengegangen.
https://libyareview.com/7923/

+ 11.11.: Österreich/Politischer Islam. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz kündigte an: „Im Kampf gegen den politischen Islam werden wir einen Straftatbestand „Politischer Islam“ schaffen, um gegen diejenigen vorgehen zu können, die selbst keine Terroristen sind, aber den Nährboden für solche schaffen.“
„Es wird weitere Möglichkeiten für die Schließung der Kultusstätten geben, eine Einführung eines Imame-Registers, das Symbol- und Vereinsgesetz wird verschärft und darüber hinaus werden Maßnahmen gesetzt, um Finanzströme zur Terrorismusfinanzierung trocken legen zu können.“
https://twitter.com/sebastiankurz/status/1326519060922834945

 12.11.2020

 

 

Donnerstag, 5. November 2020

Kurznachrichten Libyen – 03.11.2020

/

Sarradsch tritt vom Rücktritt zurück und fährt in die Türkei / 5+5-Militärgespräche und Vorbereitung auf libysches Tunesien-Forum / Proteste gegen Mohamed-Karikaturen

+ 31.10.: Sarradsch – Rücktritt vom Rücktritt. Fayez as-Sarradsch, Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, kündigte an, dass er sein Amt weiterhin ausüben wird. Er wolle damit Stabilität gewährleisten und ein politisches Vakuum vermeiden. Sarradsch hatte im September angekündigt, bis Ende Oktober zurücktreten zu wollen. Auf Wunsch von Kanzlerin Merkel hatte der deutsche Außenminister Heiko Maas Sarradsch aufgefordert, im Amt zu bleiben. Auch der Vorsitzende des libyschen Hohen Staatsrates, Khalid Al-Mishri, will Sarradsch im Amt halten.
https://libyareview.com/7721/
https://libyareview.com/7719/

+ 02.11.: Denkwürdige Vorbereitungen auf Tunesien-Konferenz (LPDF). Kurz nach seinem Rücktritt vom Rücktritt ist der Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Fayez Sarradsch in die Türkei gereist und hat dort unter anderem geheime Gespräche mit dem türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan geführt. Sarradsch wird dafür kritisiert, dass er in den vergangenen zwei Tagen seine Amtsgeschäfte von der Türkei aus führte ohne dies kenntlich zu machen.
Die amtierende UN-Sondergesandte für Libyen, Stephanie Williams, hielt sich am 31.11. ebenfalls in Istanbul zu einem Gespräch mit Sarradschs Stellvertreter, Ahmed Maitiq, auf. Es soll dabei um das Libysche Forum für politischen Dialog (LPDF), das am 9. November in Tunesien stattfinden wird, gegangen sein.
Der Vorsitzende des Hohen Staatsrats (Tripolis), Khalid al-Mishri, war dagegen am 31.10. in Katar unterwegs, wo er mit Emir at-Thani zusammentraf.
https://english.aawsat.com/home/article/2600306/questions-rise-over-sarraj%E2%80%99s-visit-turkey-days-after-retracting-resignation
Die Vorbereitungen für das LPDF am 9.11. scheinen in vollem Gange. Bezeichnend, mit wem sich die Beteiligten, auch die UN-Vertreterin, absprechen: mit der Türkei und Katar!
Der Rücktritt vom Rücktritt Sarradschs hängt vermutlich damit zusammen, dass die vorab gemauschelten Pläne zu einer neuen Regierungsbildung nicht aufgingen, nach denen ein neues Regierungstrio aus dem jetzigen Parlamentspräsident Agila Saleh, dem jetzigen Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ und Moslembruder Fathi Bashagha und dem Vorsitzenden des Hohen Staatsrats Khalid al-Mishri gebildet werden sollte. So muss Sarradsch als Statthalter europäischer Interessen im Amt bleiben.

02.11.: Marokko-Treffen. Jetzt gibt es auch noch ein Treffen in Marokko und zwar von je 13 Mitgliedern des libyschen Parlaments und des in Tripolis ansässigen Hohen Staatsrats (HCS). Eine Tagesordnung steht noch nicht fest, es soll neben der Vorbereitung für den Tunesien-Dialog auch um die Organisation eines Referendums über einen Verfassungsentwurf gehen.
https://libyareview.com/7788/

+ 31.10.: Mohamed-Karikaturen. In Tripolis, Misrata, Zawiya und anderen Städten fanden Demonstrationen statt, die sich gegen die Verunglimpfung Mohameds in den Charlie-Hebdo-Karikaturen richteten. Neben einem aufrichtigen Volkszorn über die Beleidigungen Mohameds kamen auch extremistisch-dschihadistische Parolen zum Tragen, in denen die terroristischen Anschläge in Frankreich gerechtfertigt wurden. Auf Transparenten wurden auch Adolf Hitler und der Einmarsch Deutschlands 1940 in Paris gepriesen.
https://almarsad.co/en/2020/10/31/misratas-demonstrators-parrot-erdogans-insults-to-macron-and-praise-hitler/
Es ist unverständlich, dass in der gerade so aufgeheizten Situation zwischen Frankreich und der Türkei Charlie Hebdo Öl ins Feuer goss und noch einmal diese Mohamed-Karikaturen veröffentlichte, die schon einmal einen Aufstand in der islamischen Welt verursachten. Unzweifelhaft, Charlie Hebdo darf das. Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut. Und Charlie Hebdo scheint der Meinung zu sein, es ist lustig und Kunst, eine ganze Religionsgemeinschaft schwer zu beleidigen. Aber: Sind die Macher von Charlie Hebdo wirklich nur naiv oder was wollten sie mit dieser Wiederveröffentlichung bezwecken? Für Macron, der die Mohamed-Karikaturen aus innenpolitischen Gründen verteidigen muss, dürften sich die Mohamed-Karikaturen wie ein zwischen die Beine geworfener Knüppel anfühlen bei seinem Versuch, den Einfluss Frankreichs im arabischen Maghreb zu stärken. Man muss ihn deshalb nicht bedauern.
Erdogan wiederum dürften die Karikaturen eher freuen, kann er damit innenpolitisch punkten und seine geopolitischen Macht- und Führungsansprüche hinter der Maske des Streiters für die moslemische Welt verstecken. Indem sich
Charlie Hebdo als Kämpfer für die Pressefreiheit stilisiert, hilft es Erdogan sich als Kämpfer für die moslemische Welt zu inszenieren. Über weitere Karikaturen kann er sich nur freuen.

+ 26.10.: Mohamed-Karikaturen. Der Hohe Staatsrat (HCS) in Tripolis forderte die Einstellung aller Wirtschaftsbeziehungen mit französischen Unternehmen, inklusive der Vertragskündigung mit der französischen Ölfirma Total, die das al-Waha-Ölfeld betreibt. Die ‚Einheitsregierung‘ solle so auf die Beleidigungen des Propheten Mohammed durch Frankreich reagieren. https://libyareview.com/7618/

+ 26.10.: Mohamed-Karikaturen. Zuvor schon hatte das Außenministerium der ‚Einheitsregierung‘ getwittert: „Wir möchten den französischen Präsidenten an die Erklärung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2018 erinnern. Sie besagt, dass die Beleidigung des Propheten nicht unter die Meinungsfreiheit fällt“. Macron müsse sich bei den Muslimen entschuldigen.
https://libyareview.com/7609/

+ 01.11.: Mohamed-Karikaturen. Macron erklärt sich in al-Jazeera: Seine Aussagen seien verkürzt wiedergegeben oder falsch übersetzt worden.
https://www.nzz.ch/international/karikaturenstreit-macron-erklaert-sich-der-arabischen-welt-ld.1584723?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2020-11-2&ga=&trco=

+ Türkisches Militär in Libyen. Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Moslembruder und Türkei-Verbündeter Fathi Bashagha sagte, dass ausländische Kräfte, auch jene die die ‚Einheitsregierung‘ unterstützen, das Land verlassen müssten. Damit ist die Türkei gemeint, die neben Waffen und Luftverteidigungssystemen auch syrische Söldner nach Libyen entsandte.
https://twitter.com/smmlibya/status/1321000863251484672
Mit dieser Aussage will sich Bashagha sowohl der einheimischen Bevölkerung als auch der internationalen Politik andienen. Moslembruder Bashagha müsste klar sein, dass sein Verbündeter Erdogan das Haupthindernis für eine friedliche Lösung des Libyenkonflikts ist. Ankara hat viel zu verlieren, wenn die Herrschaft der ‚Einheitsregierung‘ vorbei ist. Es muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die ‚Einheitsregierung‘, deren Innenminister Bashagha ist, weder gewählt und auch niemals vom Parlament anerkannt, sondern vom Ausland eingesetzt wurde.

+ 27.10.: Sicherheitsabkommen mit Katar. Das Genfer 5+5-Militärabkommen sieht vor, dass alle Militärabkommen auf Eis gelegt werden und ausländische Militärberater das Land verlassen – zumindest so lange bis eine gesamtlibysche Regierung gewählt wurde. Die Türkei und auch der Verteidigungsminister der ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis) gaben bekannt, dass sie das militärische Sicherheitsabkommen zwischen Libyen und der Türkei davon nicht betroffen sehen.
Das am 26.10. neu unterzeichnete Sicherheitsabkommen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und Katar stellt nach Beobachtern eine klare Verletzung des Genfer Abkommens dar.
https://libyareview.com/7628/

+ 27.10.: Der Parlamentsabgeordnete, Ali as-Saeedi, meinte zum Sicherheitsabkommen mit Katar, dass es deutlich mache, dass weder die Türkei noch Katar den Wunsch hätten, den Libyenkonflikt mit friedlichen und diplomatischen Mitteln zu lösen. „Katar und die Türkei begehren die Ressourcen der Libyer und versuchen, von Libyen ausgehend, Chaos und Terrorismus in der Welt zu verbreiten. Sie versuchen, Libyen wieder ins Chaos zu stürzen“.
https://libyareview.com/7637/

+ 31.10.: Private US-Militärdienstleister von Bengasi auf den Balkan verlegt. Nach Informationen und Flugdaten, die von ArmsWatch ausgewertet wurden, sind in den letzten Wochen mindestens 150 private Militärdienstleister mit Pentagon-Charterflügen nach Europa transportiert worden. US-Militärs, die in Bengasi (Libyen) operieren, wurden am 28. Oktober 2020 mit zwei Flugzeugen über Malta in die bulgarische Hauptstadt Sofia gebracht.
Die Verlegung scheint mit den Präsidentschaftswahlen in Moldawien am 1. November 2020 in Zusammenhang gestanden zu haben. ArmsWatch schreibt: „US-Verteidigungsminister Mark Epster hat bereits angekündigt, dass die USA ihre Verteidigungszusammenarbeit mit Bulgarien und Rumänien weiter ausbauen werden. Es ist wahrscheinlich, dass solche Pläne die dringende Verlegung von militärischen Dienstleistern aus Kriegsgebieten nach Europa beinhalten.“
Obwohl die US-Armee offiziell nicht in Bengasi operiert, ist die Zahl der Flüge zwischen Bengasi und Washington seit Juni angestiegen, wie aus einem von der Times veröffentlichten Untersuchungsbericht hervorgeht.
https://armswatch.com/us-deploys-private-military-contractors-from-libya-to-europe/
Das überrascht, hieß es doch immer, private russische Militärdienstleister seien im Osten Libyens im Einsatz. Oder überrascht auch wieder nicht: Khalifa Haftar, der Mann der CIA.

+ 27.10.: Entführung von Mohamed Bayiu: Die Familie des Leiters des libyschen Medienbüros, Mohamed Bayiu, wandte sich an die Öffentlichkeit und forderte die internationale Gemeinschaft, Menschenrechtsorganisationen und alle internationalen Gremien, die sich mit der Pressefreiheit befassen, dazu auf, unverzüglich aktiv zu werden, um die Freilassung von Bayiu zu erwirken. Bayiu war von einer Miliz der ‚Einheitsregierung‘ nach massiven Drohungen aus politischen Gründen verschleppt worden.
Auch die UNSMIL forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Baiyus.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1318920496331837442
https://libyareview.com/7643/

+ 31.10.: Frauenrechte. Zum 20. Jahrestag der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates zu Frauen, Frieden und Sicherheit wurde eine Kampagne zur Stärkung der libyschen Frauen bei der Friedenskonsolidierung gestartet.
https://twitter.com/unwomenarabic/status/1322084603935531009

+ 31.10.: Frauenrechte. Die EU-Mission zur Unterstützung des libyschen Grenzschutzes in Libyen (European Union Border Assistance Mission in Libya, EUBAM) bekräftigte die Unterstützung für die Einbeziehung von Frauen am Friedensprozess in dem nordafrikanischen Land. „Frauen müssen als Akteure einbezogen werden und nicht nur als Opfer gesehen werden. Das Waffenstillstandsabkommen vom 23. Oktober ist eine Gelegenheit für Libyen, den Frauen ihren rechtmäßigen Platz als Friedensstifterinnen einzuräumen, um einen nachhaltigeren Frieden zu erreichen“.
https://libyareview.com/7733/

+31.10.: Migranten/Syrische Söldner. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) teilte mit, dass sieben syrische Söldner, die im Auftrag der Türkei in Libyen kämpften, beim Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, vor der libyschen Küste ertrunken sind.
https://libyareview.com/7752/

+ 03.11.: Migranten. Hanan Salah von Human Rights Watch kritisierte die willkürliche Inhaftierung von Migranten in Libyen und forderte die EU auf, ihre Unterstützung für die libysche Küstenwache auszusetzen, bis sichergestellt ist, dass die Sicherheit und Rechte der Migranten respektiert werden.
https://libyareview.com/7793/

+ 01.11.: UN/Russland. Der russische UN-Vertreter, Wassilij Nebenzia, forderte alle ausländischen Streitkräfte und Sicherheitsunternehmen auf, Libyen zu verlassen, um die Lage in dem vom Krieg zerrütteten Land zu stabilisieren. Er forderte auch, dass sich die UN endlich darüber verständigen müsse, wer neuer UN-Sondergesandter für Libyen in der Nachfolge von Ghassan Salamé werden soll.
Bereits am 26. Oktober hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärt, dass die Unterzeichnung des Waffenstillstands in Libyen den russischen und türkischen Bemühungen zu verdanken sei. Moskau und Ankara arbeiteten weiterhin daran, die Positionen der Konfliktparteien in Libyen anzunähern.
https://libyareview.com/7766/

+ 30.10.: Libysche Diplomaten. Die Zentralafrikanische Republik ließ sechs libysche Diplomaten ausweisen, darunter den Botschafter Issa Omar Barouni. Die Ausweisung sei aufgrund von zweifelhaften Visa erfolgt. 2018 hatte der damalige Botschafter angekündigt, dass er die in Tripolis ansässige ‚Einheitsregierung‘ nicht anerkennen werde, sondern sich der Übergangsregierung in Bengasi zugehörig erkläre. Daraufhin wurde er von der ‚Einheitsregierung‘ entlassen. Die Zentralafrikanische Republik widersetzte sich seitdem jeden Versuches, einen neuen libyschen Botschafter zu installieren.
https://libyareview.com/7703/

+ 28.10.: Korruption. Die Generalstaatsanwaltschaft erließ weitere Vorladungen und Haftbefehle gegen Beamte der ‚Einheitsregierung‘ wegen des Vorwurfs der Korruption und Veruntreuung von öffentlichen Geldern. Die Fahndung nach Badad Konswah, ehemaliger Minister der ‚Einheitsregierung‘, soll intensiviert werden.
https://libyareview.com/7670/
https://addresslibya.net/archives/60364

+ 31.10.: Menschenrechtsverletzungen. Bei einem Überfall auf sein Haus westlich von Tripolis durch Bewaffnete wurde der Geschäftsmann Hussein al-Wirfalli getötet und seine Frau schwer verwundet.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1322335689179103232

+ 01.11.: Menschenrechtsverletzungen im Oktober. Laut Libyan Crimes Watch wurden in der Stadt Tarhuna 37 Leichen exhumiert, die aus Massengräbern stammen. Zwei Kinder wurden durch Minen getötet und zwei weitere Zivilisten verletzt. Es kommt weiterhin zu außergerichtlichen Tötungen, willkürlichen Verhaftungen und Verbrechen durch das organisierte Verbrechen.
https://libyancrimeswatch.org/?p=23488&lang=en

+ 30.10.: Corona-Pandemie. Laut WHO sind alle vier Isolationszentren in Südlibyen aus Mangel an Personal, Schutzausrüstung und Medizinbedarf weiterhin geschlossen. In Libyen wurden etwa 60.000 Covid-19-Infektionen bestätigt, 831 Personen starben. Die Zahlen sind rasch von einigen Hundert im August auf jetzt fast 60.000 angestiegen. Die tatsächlichen Zahlen dürften weitaus höher liegen.
https://libyareview.com/7711/

+ Karikatur zu Südlibyen: http://en.alwasat.ly/news/caricature/284542

+ 28.10.: Russland/Türkei/Syrische Söldner. Unter dem Titel „Putin sucht Erdogans Achillesferse“ berichtet die NZZ, dass Moskau gegen die Türkei mit dem Angriff auf ein Ausbildungscamp von protürkischen Kämpfern in Syrien zurückgeschlagen hat. Die Faylak asch-Scham-Miliz hatte 80 Tote und 130 Verletzte zu verzeichnen: „Faylak al-Sham ist nicht irgendeine der zahlreichen bewaffneten Gruppen der syrischen Opposition. Sie ging 2014 aus der syrischen Muslimbruderschaft hervor, galt jedoch als gemäßigt genug, um auch von den USA unterstützt zu werden. Heute gilt sie als eine der größten und am besten ausgebildeten Rebellengruppen im Solde der Türkei. Sie sei «der Favorit» des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, sagte der Nahost-Experte Nicholas Heras der Nachrichtenagentur AFP.“ Gleichzeitig sei die Gruppierung für Ankara eines der wichtigsten Reservoire zur Rekrutierung von Söldnern für die Konflikte in Libyen und im Kaukasus. „Gemäß unterschiedlichen Schätzungen hat die Türkei seit Beginn dieses Jahres zwischen 5000 und 16 000 syrische Söldner nach Libyen geflogen“. Laut NZZ sei der Angriff auf die syrische Söldnermiliz eine Reaktion für das Vorgehen der Türkei sowohl in Syrien, Libyen und in Bergkarabach. Die neue Offensive Russlands könnte die Flucht von Hunderttausenden syrischer Flüchtlinge in die Türkei bewirken, was Erdogan in höchste innenpolitische Schwierigkeiten bringen würde.
https://www.nzz.ch/international/angriff-auf-rebellen-in-idlib-putin-sucht-erdogans-achillesferse-ld.1583838?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2020-10-28&ga=&trco=

+ 28.10.: Türkei/Dschihadisten. RT schreibt: „Die Bundesregierung hat dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner Partei vorgeworfen, enge Verbindungen zu Islamisten zu unterhalten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Politikerin Sevim Dağdelen vor, wie die Nachrichtenagentur AFP meldete. Diese ergab, dass es zunehmende offene Kontakte zwischen dem Erdoğan-Lager und der unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden islamistischen „Milli Görüş“-Bewegung (IGMG) gebe, die dem Spektrum der Muslimbruderschaft zuzuordnen ist.“
https://deutsch.rt.com/inland/108252-bundesregierung-wirft-erdogan-naehe-zu-islamisten-vor/

+ 27.10.: Türkische Lira stürzt ab. Die türkische Lira fiel auf ein Rekordtief von 8,15 gegenüber dem Dollar und hat in diesem Jahr schon 26 Prozent ihres Wertes verloren. Die türkische Regierung habe in den letzten 18 Monaten etwa 134 Mrd. US-$ zur Stützung der Währung ausgegeben. Geschuldet sei dies der türkischen Wirtschaftskrise, der Coronakrise und einer Inflation von 11,7 Prozent, aber auch den Reibereien mit den Nato-Verbündeten, insbesondere Frankreich und den USA. Laut Marktanalysten hat das regionale Muskelspiel von Präsident Erdogan – in Libyen, Syrien, um Zypern und im Kaukasus – die Anleger beunruhigt. Diese geopolitischen Spannungen schwächten die Lira.
https://www.bbc.com/news/world-europe-54705617

+ 27.10: Wetter. Ein plötzlich einsetzendes Sturmtief mit Hagelschlag verursachte große Schäden in der Hauptstadt Tripolis. Durch umstürzende Palmen wurden Autos beschädigt, auch Straßen und Plätze wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es erfolgten weitere Wetterwarnungen.
http://en.alwasat.ly/news/libya/299448