Dienstag, 29. September 2020

Kurznachrichten Libyen – 27.09.2020

Libyen. Proteste gegen Stromausfälle / Kämpfe zwischen Milizen / Bewegung im Erdölsektor / Mussa Ibrahim von Saif al-Islam mit neuen Aufgaben betraut 
 

+ 23.09.: Demonstrationen in Tripolis. Gegen die 24-stündigen Stromausfälle in Tripolis gingen erneut Demonstranten auf die Straße. Sie blockierten mit brennenden Reifen Hauptverkehrsstraßen. https://libyareview.com/?p=6770
+ Foto: https://twitter.com/MstrMax11/status/1309249944981843968/photo/1
„Stromausfall“ sollte als Synonym für Unzufriedenheit mit der politischen Lage gelesen werden.

+ 25.09.: Kämpfe zwischen Milizen der ‚Einheitsregierung‘. In Tripolis eskalieren Kämpfe zwischen verschiedenen Milizen der ‚Einheitsregierung‘, bei denen sogar Flugabwehrgeschütze und Panzer eingesetzt werden. So werden Bilder gepostet, die zeigen, wie Rauch aus dem Waffenlager der Sicherheitsmiliz in Tadschura aufsteigt. Es soll mindestens vier Tote und mehrere Verletzte gegeben haben.
Als Grund wird Tötung von zwei Mitgliedern der Tadschura-Lions-Miliz durch die Daman-Miliz genannt. Der Verteidigungsminister der ‚Einheitsregierung‘ Salah ad-Din an-Namrusch will nun seinerseits mit Gewalt gegen die beiden Milizen vorgehen und hat ihre Auflösung verkündet.
https://libya.liveuamap.com/en/2020/25-september-smoke-rose-from-inside-the-missile-camp-belonging
https://twitter.com/MstrMax11/status/1309480423454457857/photo/1
https://libyareview.com/?p=6796

 

Libysches Erdöl

+ 25.09.: Sarradsch begrüßt Öffnung der Erdölanlagen. Nun hat sich auch der Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Fayez as-Sarradsch positiv zu der Wiedereröffnung der Ölanlagen und die Aussicht auf Beendigung der Feindseligkeiten geäußert. Er hob die Bedeutung der Berliner Libyen-Konferenz hervor und stellte fest, dass der Libyenkonflikt nicht gewaltsam zu lösen sei. Er bat die UN um Unterstützung bei den für das nächste Jahr anvisierten Wahlen. Er rief auch zum politischen Dialog mit allen Fraktionen und Regionen Libyens auf.
https://libyareview.com/?p=6777

+ 26.09.: Wiederaufnahme des Betriebs auf dem Hamada-Ölfeld (südlich von al-Dschabal al-Gharbi) der Arabian Gulf Oil Company (AGOCO) im Rahmen der neuen Vereinbarung. Das Ölfeld besteht aus mehreren Feldern: (MN8) (MN5) (MN7) und der Ölanlage Zawiya. Poduziert werden täglich 10.000 Barrel, die zur Raffinerie in Zawiya gepumpt werden.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1309848322228793344

+ 27.09.: Auch das große as-Sarrir-Ölfeld hat seine Arbeit wieder aufgenommen.
https://twitter.com/MahmudM27830556/status/1309939815463489537

+ 26.09.: Ahmed Maitiq, stellvertretender Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ aus Misrata, traf am 26.09. in der Türkei ein, um laut der Website von OilPrice an verschiedenen Arbeitstreffen teilzunehmen.
Am 18. September hatte Maitiq die Schaffung einer gemeinsamen Kommission angekündigt, die die Öleinnahmen kontrollieren und eine „gerechte Verteilung“ dieser Einnahmen gemäß den festgelegten Bestimmungen sicherstellen soll.
Auch der Sprecher der LNA al-Mismari hatte erklärte, dass die Erdölvereinbarung mit Maitiq die Bildung einer Kommission zur Verteilung der Öleinnahmen beinhaltet, die aus libyschen Stammesscheichs und Mitgliedern des libyschen Parlaments und Ahmed Maitiq besteht.
https://libyareview.com/gna-deputy-pm-maiteeq-arrives-in-turkey/

+ 26.09.: Der Vorsitzende der National Oil Corporation (NOC) Mustafa Sanella traf sich mit Vertretern der italienischen ENI. Es ging dabei um die Verbesserung der Leistungen der Mellitah Oil und Gas Company (MOGC).
Sanella bestätigte, dass das NOC die Arbeit in den Ölfeldern aufgenommen hat, die als sicher gelten.
https://libyareview.com/noc-chairman-holds-meeting-with-eni-delegation-in-tripoli/

Die Mellitah Oil und Gas Company (MOGC) ist die größte Erdölgesellschaft in Libyen. Sie ist für die Verwaltung von Ölfeldern im ganzen Land zuständig ebenso wie für drei Ölplattformen, auf denen Offshore gefördert wird. Daneben ist sie auch verantwortlich für die Ölpipelines, die über tausende von Kilometern Libyen durchziehenden. MOGC exportiert über eine 516 km lange Unterwasserpipeline, die den Mellitah-Industriekomplex mit der italienischen Küste verbindet und von Green Stream verwaltet wird, aufbereitetes Erdgas nach Italien. Daneben deckt MOGC auch den lokalen Bedarf an Erdgas für die Versorgung der libyschen Kraftwerke.

+ 27.09.: Ein Video gibt Eindruck über die schlechte Versorgungslage bei Diesel-Kraftstoff in der libyschen Hauptstadt Tripolis:
https://twitter.com/Love4Libya/status/1309598886458257408

+ 24.09.: Saif al-Islam Gaddafi politisch aktiv. LibyaDesk schreibt auf Twitter: Wie es scheint, wurde Mussa Ibrahim von Saif al-Islam Gaddafi beauftragt, sein politisches Team wiederzubeleben und neu zu organisieren. Vermutlich ist er mit dem Plan von Gaddafi und der Vorbereitung auf die nächste Phase der politischen Gespräche befasst.
https://twitter.com/LibyaDesk/status/1309209407176269825
Mussa Ibrahim war Informationsminister der Dschamahirija-Regierung während des Nato-Krieges gegen Libyen und diente bis zuletzt Muammar al-Gaddafi als Sprecher. Im Oktober 2019 meldete sich Mussa Ibrahim bei RT zu Wort: https://deutsch.rt.com/international/93487-gaddafis-sprecher-wir-haben-recht/

Migranten

+ 25.09.: Mindestens 13 Migranten starben, nachdem ein Flüchtlingsboot vor der libyschen Küste gekentert war (Internationale Organisation für Migration).
https://libyareview.com/?p=6794

+ 25.09.: Franziska Vilmar von Amnesty International fordert die Europäische Union erneut auf, „jede Kooperation mit Libyen von der Einhaltung von Menschenrechten abhängig zu machen. Niemand darf von der libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht werden. Die in dem Land grassierende Straffreiheit führt dazu, dass niemand zur Verantwortung gezogen wird, der die Rechte geflüchteter Menschen oder gar die Menschen selbst mit Füßen tritt“. In dem AI-Artikel heißt es weiter: „Während die eine Hälfte der aus Seenot abgefangenen Menschen zurück in offizielle Haftlager gebracht wird, gilt die andere Hälfte als verschwunden. Diese Menschen werden in von Milizen betriebene inoffizielle Haftlager – wie zum Beispiel die berüchtigte Tabakfabrik in Tripolis – verbracht, zu denen keine internationale Organisation Zugang hat. Von diesen verschleppten Menschen verliert sich jede Spur.“ Seit 2016 hat „die von der EU unterstützte libysche Küstenwache geschätzt 60.000 Frauen, Männer und Kinder auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht, 8.435 davon allein im Jahr 2020 (Stand: 14. September).“
https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/libyen-menschen-auf-der-flucht-sind-gefangen-einer-spirale-der-gewalt

Verschiedenes

+ 26.09.: Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, dass in den letzten zehn Tagen mehr als 1.200 Söldner, die auf der Seite der ‚Einheitsregierung‘ von der Türkei nach Libyen gebracht worden waren, nach dem Auslaufen ihrer Verträge nach Syrien zurückgekehrt sind.
Nach den Statistiken des SOHR sind bisher insgesamt etwa 18.000 syrische Söldner nach Libyen gekommen, darunter 350 Kinder unter 18 Jahren. Insgesamt seien etwa 8.500 der pro-türkischen Söldner nach Ablauf ihrer Verträge nach Syrien zurückgekehrt.
https://libyareview.com/?p=6803

+ Im ägyptischen Hurghada soll unter ägyptischer Schirmherrschaft und mit Einverständnis der UNO ein Treffen der Militärs der verfeindeten libyschen Parteien stattfinden.
https://libya.liveuamap.com/en/2020/26-september-the-meeting-of-the-libyan-military-in-hurghada
In Libyen bewegt sich gerade viel.

+ 26.09.: Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ und Moslembruder, Fatih Baschagha, sagte bei einem Treffen mit dem niederländischen Botschafter in Libyen, Lars Tummers, er sei bereit, die diplomatischen Vertretungen in Libyen zu sichern. Er dankte den Niederlanden auch für die Einrichtung einer Aufklärungsmission, „die den Verbrechen der Haftar-Milizen und den Verbrechen der russischen Wagner-Söldner nachgehen wird“.
https://almarsad.co/en/2020/09/26/ready-to-secure-embassies-and-diplomatic-missions-in-libya-says-bashagha-to-dutch-ambassador/
Diese Aussagen lassen Einiges befürchten. Zum einen ist es nicht gerechtfertigt, von „Haftar-Milizen“ zu sprechen, da Haftar vom demokratisch gewählten und international anerkannten Parlament beauftragt wurde, wieder eine libysche Armee aufzubauen, eben die LNA. Zum anderen ist die Frage, wie es denn um die Aufklärung der von den Milizen der ‚Einheitsregierungen‘ begangenen Kriegsverbrechen steht, man denke nur an das al-Shatti-Massaker oder an die jüngsten Vorkommnisse in den von den Milizen eingenommenen Städten.
Und im Moment bekämpfen sich die Milizen in Tripolis gegenseitig, anstatt dass sie irgendjemand oder irgendetwas beschützen. Und erst vor wenigen Tagen schossen in Tripolis Baschaghas Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten.
Was Tripolis betrifft, unterliegen die Sicherheitskräfte von Baschagha den Befehlen aus der Türkei und werden von syrischen Söldnern unterstützt, die schlimmer Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Vergewaltigungen und Morde beschuldigt werden. EU-Staaten in einem arabischen Land lassen sich also mehr oder weniger direkt von Erdogan, syrischen Extremisten und den Moslembrüdern, die auch Verbindungen zu al-Kaida pflegen, beschützen? Absurd!

26.09.: Stephanie Williams, stellvertretende Vorsitzende der UN-SMIL, betonte die Notwendigkeit, ausländische Streitkräfte und Söldner aus Libyen abzuziehen und die politischen Gespräche voranzutreiben. Es sei inakzeptabel, dass nach wie vor täglich Militärgüter nach Libyen gelangten. Sie forderte die beiden kriegführenden Parteien auf, ausländische Streitkräfte und Söldner innerhalb von 90 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens abzuziehen.
Sie forderte auch den Schutz von Sirte und seiner Umgebung: „Wir legen großen Wert auf den Schutz von Sirte und anderen bewohnten Gebieten in der Zentralregion Libyens ... mehr als 90% des libyschen Erdöls befinden sich dort.... Deshalb müssen wir die dortige Ölinfrastruktur schützen“.
Williams meinte, dass die Durchführung von Präsidentschaftswahlen die Krise in Libyen lösen würde.
https://libyareview.com/?p=6807
[Wer muss die libysche Ölinfrastruktur schützen? Doch wohl die Libyer selbst und nicht die UNO. Wie dieser Schutz auszusehen hat und wie bzw. durch wen er gewährleistet werden soll, sagte Williams nicht.

+ 26-09.: Der italienische Premierminister Giuseppe Conte erklärt in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass eine politische Lösung der einzige Weg zur Lösung der libyschen Krise sei. Er bestätigte, dass der Frieden in Libyen erreicht wird, wenn die ausländische Einmischung aufhört.
https://libyareview.com/?p=6801
Das sagt ausgerechnet Italien, das selbst Truppen in Libyen stationiert hat und militärisch fest an der Seite der ‚Einheitsregierung‘ steht und für die Ausrüstung und Bezahlung der berüchtigten libyschen Küstenwache verantwortlich ist.

26.09.: Sabine Kebir bietet auf Freitag eine gute Darstellung der derzeitigen Situation in Libyen. Unter anderem heißt es dort: „Was gerade geschieht, ist auch das Ergebnis einer Selbstermächtigung der kriegsgepeinigten libyschen Zivilbevölkerung. Den Anfang September begonnenen und noch anhaltenden Demonstrationen in Tripolis – dem Protest gegen die seit Jahren zusammengebrochene Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern, die das Verlangen nach einem Abzug ausländischer Söldner einschließt – folgten wenig später ähnliche Aktionen im Osten Libyens. […] Der Oberste Stammesrat steht hinter solchem Protest und gibt zu verstehen, im Ausland getroffene Entscheidungen über Libyen nicht mehr anerkennen zu wollen – es müsse endlich Wahlen geben.“
Sabine Kebir sieht die jetzige Bewegung in Libyen durch einen Anstoß der Trump-Regierung ausgelöst. Sie schreibt: „Dass die USA nun die gleiche Konfliktpartei unterstützen wie Russland, ist für die deutsche Außenpolitik, besonders Heiko Maas, hochpeinlich. […] Die jahrelangen Friedensbemühungen von UN und EU werden jäh als das entlarvt, was sie stets waren: wirkungslos.“ [Man möchte hinzufügen: nicht nur wirkungslos, sondern sogar kontraproduktiv.]
https://www.freitag.de/autoren/sabine-kebir/akt-der-selbstermaechtigung

 
 27.09.2020

 

Montag, 28. September 2020

Sarradsch und Mishri gegen Erdölabkommen

Libyen. Trotz Widerstand in der 'Einheitsregierung': Erdölförderung wieder angelaufen, Anlagen und Häfen gehen zum Großteil in Betrieb

Angelika Gutsche |

Nachdem am 18.09. Ahmed Maitiq, Mitglied des Präsidialrats von Misrata und stellvertretender Premierminister, als Vermittler die sofortige Wiederaufnahme der Förderung und des Exports des Erdöls in Absprache mit den Stammesältesten bekanntgegeben hatte, sprach sich der Premierminister der 'Einheitsregierung' Fajez as-Sarradsch gegen die mit der Libyschen Nationalarmee (LNA) getroffenen Vereinbarungen aus. Auch der Vorsitzende des libyschen Hohen Staatsrates (HCS) und Moslembruder, Khaled al-Mishri, nahm gegen das Abkommen Stellung. Dabei ist Mishri in keinster Weise befugt, über Vereinbarungen zu bestimmen, da er nur Vorsitzender eines Beratergremiums, des Staatsrates, ist. Seine Opposition bezüglich des Haftar-Maitiq-Erdölakommens zeigt allein die Haltung der Moslembruderschaft, deren Interesse immer noch der Aufrechterhaltung der Teilung des Landes und des permanenten Kriegszustand gilt und die deshalb das Abkommen ablehnt.

Die Vereinbarungen zwischen Ahmed Maitiq und der LNA beinhaltet die Bildung eins Ausschusses, der die gerechte und transparente Verteilung der Öleinnahmen und die Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen überwachen soll. Aus einem einheitlichen Budget sollen Aufbauprojekte und Projekte, die direkt den Bürgern zugute kommen, finanziert werden. Außerdem soll die Staatsverschuldung bekämpft und die schrittweise Schuldentilgung gesichert werden. Es soll an der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit gearbeitet werden, der die Verwaltung des Landes übertragen wird.
Der LNA-Oberbefehlshaber Haftar hatte sich in Absprache mit libyschen Stammesältesten bereit erklärt, die Ölproduktion entsprechend der Vereinbarungen wieder aufzunehmen.

Allerdings ist die Moslembruderschaft angesichts der getroffenen Vereinbarungen, die in erster Linie der libyschen Bevölkerung zugute kommen sollen, in hellem Aufruhr. Der maßgeblich an dem Abkommen beteiligte Ahmed Maitiq wurde von der Moslembruderschaft sogar daran gehindert, an einer Arbeitssitzung mit der LNA in Sirte teilzunehmen, bei der das Abkommen unterzeichnet werden sollte. Sirte erklärte darauf hin, dass es „immer noch offen für den innerlibyschen Dialog und bereit sei, auf der Grundlage des geschlossenen Abkommens zu arbeiten. Sirte ist bereit, die Dialogmitglieder zu empfangen, und begrüßt alle Bemühungen, die darauf abzielen, die Integrität Libyens aufrechtzuerhalten."

Auch der Chef der National Oil Corporation (NOC) Mustafa Sanella lehnte die Öffnung von Häfen ab, solange sich dort militärische Einheiten befänden. Er plane die Sicherung der Ölfelder und Häfen in Zusammenarbeit mit einer britischen Sicherheitsfirma. Sanella arbeitet eng mit dem britischen Gehiemdienst MI6 zusammen und stellt sich auch gegen Wahlen und politische Einigungen. Zwischenzeitlich hat auch Sanella den Ausnahmezustand für die Häfen aufgehoben, solange dort keine bewaffneten Truppen im Einsatz seien.

Die Sirte Oil Company (SOC) öffnete den Hafen und die Ölanlagen von Marsa el Brega, ebenso will die Arabian Gulf Oil Company (AGOCO) ihre Arbeit wieder aufnehmen. Ebenso wie in Brega und Hariga ist auch im Hafen von Zueitini der Ausnahmezustand aufgehoben und die Arbeit angelaufen, as-Sidrah und Ras Lanuf scheinen noch geschlossen zu sein.

Wie es heißt, wird NOC die Förderung in dieser Woche verdreifachen. Goldman Sachs geht davon aus, dass die Exporte zum Jahresende doppelt so hoch sein könnten, während Bloomberg Intelligence eine Zahl von fast 1 Million Barrel pro Tag für möglich hält. Diese Fördermengen könnten den Markt bedenklich in Bedrängnis bringen und zu einem Preisverfall führen, da auch wegen der Corona-Pandemie die Erölnachfrage stark gesunken ist. Die Ölanlagen und Häfen in Libyen waren seit Januar stillgelegt, um zu verhindern, dass die 'Einheitsregierung' mit den eingenommenen Geldern syrische Söldner und kriminelle Milizen finanziert.

Mustafa az-Zaidi, Sekretär des Exekutivkomitees der Libyschen Nationalen Volksbewegung, bezeichnete das Erdölabkommen als "positiven Schritt", der ohne äußere Einmischung erfolgt sei. Man hoffe, "dass es ein Ausgangspunkt für einen nationalen Dialog sein wird." Libyen sei ein gescheiterter Staat und die Libyer seien elenden Lebensbedingungen ausgesetzt.

Auch das russische Außenministerium begrüßte die Entscheidung der libyschen Behörden, die Ölexporte wieder aufzunehmen. Das Ministerium betrachte dies als einen ersten Schritt zur Stärkung des Vertrauens zwischen den Konfliktparteien im Land.

Derweil beschuldigte der Parlamentarier Ali Tekbali diejenigen, die sich gegen die Vereinbarung zur Wiedereröffnung der Ölanlagen stellen, als Heuchler. Sie täten so, als ob ihnen die schlechten Lebensverhältnisse der Menschen zu Herzen gehen, stellten sich dann aber gegen die Entscheidung, wieder die Ölpumpen anzuschmeißen. Er stellte die rhetorische Frage, ob sich diese Personen wirklich um das Leid der Menschen scherten.

https://almarsad.co/en/2020/09/18/maiteeq-reveals-terms-of-the-agreement-on-the-resumption-of-oil-production-and-export/
https://www.libyaobserver.ly/news/al-mishri-rejects-haftar-mitig-libyan-oil-deal
https://libyareview.com/?p=6665
https://almarsad.co/en/2020/09/18/hassan-shaba-haftar-has-honored-agreement-with-maiteeq-despite-pressure-from-the-muslim-brotherhood/
https://almarsad.co/en/2020/09/19/general-command-muslim-brotherhoods-al-mishri-pressured-maiteeq-to-cancel-his-visit-to-sirte/
https://libyareview.com/?p=6650
https://libyareview.com/?p=6647
https://libyareview.com/?p=6633
https://libyareview.com/?p=6678
https://libyareview.com/?p=6756

 

 

 

Kurznachrichten Libyen - 24.09.2020

Libyen. Deutscher Botschafter antichambriert bei ‚Einheitsregierung‘ / Tibu in Bengasi wollen Verhandlungen / Entführte Libyerin tot aufgefunden / EU-Sanktionen verhängt

Angelika Gutsche |

Der deutsche Botschafter in Libyen

+ 20.09.: Der Premierminister der 'Einheitsregierung' Sarradsch traf sich mit dem deutschen Botschafter in Libyen, Oliver Owcza. Erörtert wurden die jüngsten Entwicklungen in Libyen und die bilateralen Beziehungen, sprich der deutsche Beitrag zu Wiederaufbauprojekten.
https://almarsad.co/en/2020/09/21/sarraj-and-owcza-reiterate-importance-of-outcomes-of-berlin-conference/

+ 24.09.: In Tripolis trafen sich am Dienstag der Moslembruder und Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Baschagha, mit dem deutschen Botschafter Oliver Owcza. Dabei ging es laut Bashagha um die sicherheitspolitische Lage und darum, „dass für ein einiges und stabiles Libyen die russischen Söldner ausgewiesen werden müssen.“
Owcza zeigte sich auf Twitter zufrieden mit den Gesprächen und schrieb, dass „alle nationalen und internationalen Anstrengungen auf einen politischen Dialog unter der Führung der Vereinten Nationen ausgerichtet sein“ müssten. [Allerdings erklärte er nicht, wieso die UNO führend sein soll und nicht die Libyer ihre Probleme selbst lösen könnten.]
RT schreibt: „Bei den von Baschagha angesprochenen ‚russischen Söldnern‘ dürften die Mitarbeiter des russischen Sicherheitsunternehmens Wagner gemeint sein, die im Osten des Landes auf der Seite von General Chalifa Haftar kämpfen, der die mehrheitlich gewählte und anschließend in den Osten Libyens nach Tobruk vertriebene Regierung Abdullah Thennis [auch Thanni] unterstützt.“

Laut den Aussagen des russischen Außenministers Sergei Lawrow hätten sich verschiedene ausländische Akteure bemüht, „den Krieg zu beenden und die katastrophalen Folgen der aggressiven Aktionen der NATO zu überwinden“. Er betonte, dass Russland im Gegensatz zu vielen anderen Akteuren von Anfang an Kontakte zu allen Konfliktparteien in Libyen aufbaute und pflegte. Die Frage der ausländischen Militärpräsenz in Libyen sollte erst gelöst werden, wenn die Staatlichkeit Libyens wiederhergestellt ist. Nur die legitime und unabhängige libysche Regierung werde in der Lage sein zu entscheiden, welche ausländischen Kräfte im Land bleiben dürfen und welche nicht.
https://deutsch.rt.com/afrika/106956-innenminister-libyens-trifft-deutschen-botschafter/

Libysche Stämme und Städte

+ 23.09.: Der Vorsitzende des Obersten Rates der Tibu-Stämme in Bengasi, Scheich Ali Baraka, bezeichnete den in Tripolis ansässigen Hohen Staatsrat (HCS) als „illegale Einrichtung“. Baraka fügte hinzu, dass „die Stämme beschlossen haben, den Krieg zu beenden und am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, um Libyen vor der Zerstörung zu retten“.
Gegenüber Sputnik sagte Baraka: „Feldmarschall Khalifa Haftar wurde vom libyschen Parlament ernannt, das vom libyschen Volk gewählt wurde.“ Er betonte, dass es die Aufgabe der Armee sei, die Sicherheit der Libyer zu gewährleisten: „Es ist eine rein militärische Institution und keine politische Einrichtung. “ Der Dialog werde zwischen politischen Körperschaften, Stämmen und libyschen Regionen stattfinden.
Die ausländische Einmischung müsse beendet werden. Er forderte die am Konflikt beteiligten Länder auf, die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu respektieren.
https://libyareview.com/?p=6736

Verschiedenes

+ 24.09.: Die Leiche einer vor kurzem entführten Libyerin wurde in Süd-Tripolis aufgefunden. LibyaReview: „Die libysche Hauptstadt wird von extremistischen Milizen und syrischen Söldnern kontrolliert, die mit der Einheitsregierung zusammenarbeiten. Morde, Entführungen und Überfälle, begangen an unschuldigen, libyschen Bürger sind nichts Ungewöhnliches.“ Auch Mitarbeiter der Erdölanlagen werden häufig als Geiseln genommen.
https://libyareview.com/?p=6754

+ 20.09.: Nachdem ein Boot vor der Küste Libyens gekentert ist, werden mindestens 17 Menschen vermisst.
https://libyareview.com/?p=6645

+ 21.09.: „Die Europäische Union verhängt Sanktionen wegen Verstößen gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen. Die Außenminister der Mitgliedstaaten fassten einstimmig einen entsprechenden Beschluss, wie die Nachrichtenagentur dpa aus EU-Kreisen erfuhr.“ Konkret geht es um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien und Kasachstan sowie um zwei Libyer, Mahmoud al-Warfali und Musa Diab.
https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-eu-sanktionen-101.html

Wie AlMarsad berichtet, täuschen die von der Moslembruderschaft herausgegebenen Publikationen ihre Leser mit verzerrten Darstellungen. Das jüngste Beispiel dafür ist die falsche Darstellung der Sanktionen, die die Europäische Union am Montag verhängte. So titelten die Medien der Moslembruderschaft „Sanktionen gegen ein jordanisches Unternehmen, das Waffen an Haftar liefert, verhängt“.
Allerdings handelt es sich bei der von der EU sanktionierten Firma um die Med Wave Shipping Company, die in Amman (Jordanien) nur eine Zweigniederlassung betreibt, den Hauptsitz aber im libanesischen Beirut hat. Med Wave Shipping ist Eigentümerin und Betreiberin des berühmt-berüchtigten Schiffes Bana, das am 29. Januar Waffen und Panzer in Tripolis entlud. Ihre Besatzung zeigte sich nach einer späteren Verhaftung in Italien geständig. Die Bana war in Begleitung türkischer Fregatten nur zwei Tage nach der Berliner Konferenz im Hafen von Tripolis eingetroffen, obwohl Erdogan in Berlin erklärt hatte, keine Waffen mehr nach Libyen zu liefern und den Waffenstillstand einhalten zu wollen.
Von der EU wurde auch eine türkische Reederei sanktioniert, die im türkischen Hafen Mersin ansässig ist.
https://almarsad.co/en/2020/09/23/muslim-brotherhood-media-outlets-deceive-audiences-al-marsad-uncovers-truth-on-shipping-company/

+ 23.09.: Einzelheiten über das Treffen der verfeindeten libyschen Parteien am 15. Oktober in Genf unter der Schirmherrschaft der UN wurden bekannt. So sollen 80 Personen daran teilnehmen, davon 13 Parlamentsmitglieder und 13 Mitglieder des Hohen Staatsrates (HCS). Laut einem Berater des libyschen Parlaments, Fathi al-Marimi, „wird die neue Regierung gebildet, um die libyschen Institutionen, insbesondere die wirtschaftlichen und finanziellen, zu vereinheitlichen“.
Anwesend sind auch Vertreter der UNO, der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas, der Türkei und Italiens sowie Ägypten, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Arabische Liga.
Der neue Präsidialrat wird voraussichtlich aus drei Personen bestehen, die jeweils eine libysche Region (Tripolitanien, Kyrenaika, Fessan) vertreten.
https://libyareview.com/?p=6722
Während die Übergangsregierung in Tobruk bereits ihren Rücktritt erklärte, hat Sarradsch seinen Rücktritt erst für Ende Oktober angekündigt. Man darf gespannt sein.

+ 23.09.: LNA-Sprecher al-Mismari erklärte, die LNA habe bei der Operation in der Stadt Sebha am 14.09. den IS-Führer für Libyen und Nordafrika, Abd al-Kafi, bekannt als Abu Abdullah al-Libi, getötet.
http://en.alwasat.ly/news/libya/296390

Das 116. Bataillon der LNA habe seine Patrouillen im südlichen Libyen verstärkt.
https://twitter.com/Libya_OSINT/status/1308494733262585856

+ 21.09.: Abu Sharare, ein in den USA ansässiger palästinensischer Anwalt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft mit zweifelhaftem Ruf, behauptet, er habe beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag eine Klage gegen Feldmarschall Khalifa Haftar eingereicht; und dies obwohl er weder ein Spezialist für Völkerrecht ist, noch mit den politischen Verhältnissen in Libyen vertraut zu sein scheint.
Es scheint sich bei diesen Angriffen gegen Haftar um den Versuch der Ablenkung von den Vorgängen innerhalb der ‚Einheitsregierung‘, die von Machtkämpfen und Korruptionsvorwürfen erschüttert wird, zu handeln.
https://almarsad.co/en/2020/09/21/al-marsad-exposes-palestinian-lawyer-who-vows-to-chase-haftar-for-the-sake-of-palestine/

+ 22.09.: „Charakteristisch für die aktuelle Lage in Ostmitteleuropa ist eine dezidiert revisionistische und aggressive türkische Außenpolitik, die den Einsatz militärischer Mittel nicht ausschließt. Ankara will in der gesamten Region seine Macht ausbauen. Damit will das Land am Bosporus der Europäischen Union und dem sicherheitspolitischen Westen insgesamt eine klare Botschaft übermitteln: Die Türkei ist eine wichtige Mittelmacht, die niemand, der in der Region aktiv zu werden beabsichtigt oder dort bereits aktiv ist, ignorieren sollte. Dieser Machtanspruch reicht weit: von der Ägäis, Zypern und den Regionen des östlichen Mittelmeerraums bis nach Syrien und Libyen. Und auch wenn Griechenland und Zypern die Auswirkungen dieser Politik am deutlichsten zu spüren bekommen, geht es letztlich wohl weniger konkret um die zwei Länder selbst als vielmehr darum, an ihnen ein Exempel zu statuieren.“
https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/im-mittel-mehr-macht-4658/

+ Karte der momentanen Gebietsaufteilung in Libyen:
https://mondediplo.com/maps/libya-divided

 

Dienstag, 22. September 2020

Kurznachrichten Libyen - 15.09.2020

Libyen. Anhaltende Unruhen /Rücktritt der Übergangsregierung /Stämme lehnen im Ausland getroffene Abmachungen ab und stellen sich hinter Protestierer / Neuer UN-Sondergesandter

Angelika Gutsche |

Unruhen auch im Osten Libyens und Rücktritt der Übergangsregierung in Tobruk

14.09.: Die gesamte libysche Übergangsregierung (Tobruk) unter der Leitung von Abdullah ath-Thinni hat beim Parlamentspräsidenten Aguila Saleh ihren Rücktritt eingereicht.

Die Abdankung erfolgte aufgrund von anhaltender Protesten in ostlibyschen Städten, die sich gegen die politische Elite, die schlechten Lebensbedingungen, die anhaltenden Stromausfälle, den Kraftstoffmangel und das Fehlen öffentlicher Dienstleistungen richten.

Nicht nur in Bengasi, sondern auch in al-Baida und in al-Mardsch kam es zu Protestkundgebungen, sowie in der südlibyschen Stadt Sebha. In Bengasi setzten Demonstranten den Regierungssitz in Brand.

Die Proteste hatten Ende August in Tripolis ihren Anfang genommen und wurden dort mit brutaler Gewalt unter Einsatz von scharfer Munition niedergeschlagen. Dessen ungeachtet erfolgte der Aufruf zu weiteren Demonstrationen; vor dem Sitz der 'Einheitsregierung' in Tripolis fanden bereits neue Proteste statt.

In der ostlibyschen Stadt al-Mardsch sollen die Proteste in Gewalttätigkeiten umgeschlagen haben, so dass die LNA ebenfalls mit Gewalt gegen Protestierende vorging. Es soll ein Todesopfer und mehrere Verletzte gegeben haben. Die UN-Sondermission hat das Vorgehen der Sicherheitskräfte in al-Mardsch gegen "friedliche Demonstranten" streng verurteilt.

Dazu schreibt al-Marsad: "Das ständige Messen mit zweierlei Maß der UN-Sondermission und die verschwommenen Stellungnahmen bei Vorkommnissen in Tripolis und in Gebieten, die von der 'Einheitsregierung' kontrolliert werden - sowie die Besorgnis auslösenden Angriffen auf Demonstranten in Tripolis und die mangelhafte Kritik daran, wenn Schlüsselfiguren wie Fathi Bashagha [Innenminister], Fayez as-Sarradsch, syrische Söldner und die verschiedenen Milizen beteiligt sind, stimmen bedenklich, wenn man sie mit den Stellungnahmen zu Brandanschlägen im Osten des Landes, die wie im Fall von al-Mardsch offensichtlich von gewalttätigen Demonstranten verursacht wurden, vergleicht."

Währenddessen erklärte der Sprecher der LNA, man schütze das Recht auf Demonstrationen, warnte aber gleichzeitig davor, das Demonstrationsrecht durch Gewalt und Zerstörung öffentlichen Eigentums zu missbrauchen. Es bestehe die Gefahr, dass die Proteste durch Mitglieder der Moslembruderschaft infiltriert würden.
http://en.alwasat.ly/news/libya/295412
https://almarsad.co/en/2020/09/13/unsmil-condemns-al-marj-security-directorate-for-resisting-peaceful-arsonists/
http://en.alwasat.ly/news/libya/295407
Es wäre angebracht, dass die 'Einheitsregierung' in Tripolis unter Sarradsch dem Beispiel der Übergangsregierung in Tobruk folgen und ebenfalls geschlossen ihren Rücktritt erklären würde.

Der Oberste libysche Stammesrat lehnt im Ausland erzielte Gesprächsergebnisse ab und bekundet Solidarität mit den landesweit Protestierenden

15.09.: Es seien bei den Verhandlungen in Marokko nicht alle libyschen Parteien vertreten gewesen, so dass der Wille des libyschen Volkes nicht wirklich zum Ausdruck gekommen sei: "Wir lehnen alle Ergebnisse ab, die auf sektiererischen Quoten beruhen und die Einheit des Landes gefährden." In der Erklärung wurde auch bekräftigt, dass sich der Rat weiterhin für die Auflösung der Milizen und die Vertreibung ausländischer Söldner aus Libyen einsetze. Der Stammesrat erklärte seine Solidarität mit den Protestierenden, die landesweit für eine Verbesserung der Lebensbedingungen demonstrieren.
In seiner Erklärung warnte der Rat davor, Personen aus den gegenwärtigen Regierungen wieder in eine zukünftige Regierungsposition zu berufen, da die derzeitigen Regierungen für das Leid der Menschen verantwortlich seien, indem sie es versäumten, das nationale Interesse und die Souveränität des Landes zu schützen.
Der Rat betonte auch die Notwendigkeit, die Vorbereitungen für die bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu beschleunigen. Wahlen könnten verhindern, dass ausländische Einmischung die libyschen Konflikte weiter verschärften.
https://libyareview.com/?p=6519

Neuer UN-Sondergesandter für Libyen

13.09.: Nach neunmonatiger Vakanz und internen Querelen hat sich der UN-Sicherheitsrat endlich auf einen neuen UN-Sondergesandten für Libyen geeinigt. Es handelt sich dabei um den bulgarischen UN-Diplomat Nickolai Evtimov Mladenov,
Die UN-Sondermission für Libyen soll bis zum 15. September 2021 verlängert werden und eine neue Führungsstruktur mit einer Doppelspitze bekommen. Der neue Leiter soll für den Austausch und die Vermittlung zwischen libyschen und internationalen Akteuren verantwortlich sein, während die neu geschaffene zweite Stelle für die laufende Geschäftsführung mit ihren 200 (!) Mitarbeitern zuständig ist.
Mladenov war von 2010 bis 2013 bulgarischer Außenminister unter dem damaligen Premierminister Boyko Borisov, von 2007 bis 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments und vom 27. Juli 2009 bis 27. Januar 2010 Verteidigungsminister. 2013 wurde Mladenov zum UN-Sonderbeauftragten für den Irak und zum Leiter der UN-Hilfsmission für den Irak ernannt. 2015 wurde Mladenov UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess.
https://www.addresslibya.co/en/archives/58895
https://almarsad.co/en/2020/09/13/unsc-to-finally-designate-a-un-envoy-and-coordinator-to-libya/
Mit Krieg kennt er sich also aus, der neue UN-Gesandte für Libyen. Es ist davon auszugehen, dass seine Mission in Libyen genauso viel "Erfolg" aufweist, wie im Irak oder beim Nahost-Friedensprozess. Aufgrund seines bisherigen Werdegangs darf man sicher sein, dass er die Interessen des Westens bestens vertreten wird.

Weitere Nachrichten

+ 15.09.: Laut dem Präsidialrat der 'Einheitsregierung' wird Fayez as-Sarradsch den Befehlshaber der libyschen Nationalarmee, Feldmarschall Khalifa Haftar, „weder in naher noch in ferner Zukunft, unabhängig von der internationalen Vermittlung, treffen.”
https://www.addresslibya.co/en/archives/58907

+ Heise.de: "Die türkische Lira ist im kontinuierlichen Abwärtstrend. Der Währungsverfall hat weitreichende Folgen: Einfuhren verteuern sich, Unternehmensgewinne sinken, die Kaufkraft nimmt ab. Die Inflationsrate liegt bei zwölf Prozent. Experten machen Präsident Erdogan dafür verantwortlich. Die Regierungspartei AKP verliert immer mehr an Wählergunst."
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkische-Lira-stuerzt-weiter-ab-4893718.html

 15.09.2020

 

 

Dienstag, 15. September 2020

 

Kurznachrichten Libyen - 13.09.2020

Libyen. Wahlen in Libyen? - Auflösungserscheinungen der 'Einheitsregierung' - weitere Proteste

Angelika Gutsche |

Wann wird in Libyen wieder gewählt?

+ 11.09.: Omar Boushrida, der auch an dem sogenannten Konsultationstreffen in Montreux teilnahm, hält die Verzögerung von Wahlen für einen schwerwiegender Fehler, da dann der Krieg erneut aufflammen könnte und die Legitimität der 'Einheitsregierung' nicht mehr gegeben sei.
https://almarsad.co/en/2020/09/11/boushrida-delaying-elections-will-be-a-grave-mistake/

+ 11.09.: Parlamentspräsident Aguila Saleh nahm zu der schwierigen Phase, die Libyen gerade durchläuft, Stellung. Sowohl von externer als auch interner Seite bestehe Interesse, das Chaos im Land aufrechtzuerhalten und seinen Reichtum zu plündern.
Zu Wahlen äußerte sich Saleh wie folgt: "Es wird schnellstmöglich Gemeinderatswahlen geben und dann werden wir daran arbeiten, verfassungsgemäße und rechtliche Regeln für Präsidentschafts- und Parlamentswahlen festzulegen, die während des in der Erklärung von Kairo festgelegten Zeitraums abzuhalten sind."
https://almarsad.co/en/2020/09/11/aguila-saleh-militia-control-of-the-cbl-and-gna-has-caused-libyas-financial-chaos/

'Einheitsregierung' unter Beschuss

+ 12.09.: Suhail al-Gharyani, der Sohn des derzeit in Istanbul wohnhaften, radikal-islamistischen Geistlichen Sadiq -al-Gharyani, forderte diejenigen, die er als "Männer des Vulkan des Zorns" bezeichnete, zu einem Protest gegen Fayez as-Sarradsch vor dem Präsidialrat auf. All diejenigen, die an der staatlichen Korruption beteiligt sind, müssten von ihren Posten entfernt werden. Er positionierte sich klar gegen die LNA und forderte, die Kämpfer des "Vulkan des Zorns" in die neu zu schaffende Nationalgarde zu integrieren.
https://almarsad.co/en/2020/09/12/like-father-like-son-sadiq-al-gharianis-son-calls-for-a-stand-against-sarraj/

+ 13.09.: Abdurrahman asch-Schater, Mitglied des beratenden Hohen Staatsrates (HCS), sagte, dass innerhalb der Regierung Sarradsch immer mehr "politischer Schrott" recycelt werde. „Wir hofften, dass as-Sarradsch ein Nationalheld sein wird; aber er hat sich stattdessen für den roten Teppich und den Dialog in den Hauptstädten und Palästen der Welt entschieden." Sarradsch weigere sich, "mit den Bürgern in Warteschlangen über Treibstoff, Liquidität und miserable Dienstleistungen zu sprechen. Die kommenden Tage werden hart für ihn werden."
https://almarsad.co/en/2020/09/13/al-shater-the-coming-days-will-be-tough-for-sarraj/

Proteste und Demonstrationen

+ 12.09.: Die Proteste in Bengasi gegen schlechte Lebensbedingungen und die "komplette Abwesenheit von staatlichen Institutionen" halten an. Es wurden Straßensperren errichtet und Autoreifen angezündet. Auch in Sebha fanden Demonstrationen statt.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1304558713630601219

Der türkische Expansionismus

+ Ein Artikel von LMd erklärt anschaulich, um was es beim Streit zwischen Griechenland und der Türkei hinsichtlich der Ausschließlichen Wirtschaftszone im Mittelmeer wirklich geht, warum die Türkei das Seevölkerrecht in mehrfacher Hinsicht eklatant missachtet und wieso ihr Abkommen mit der libyschen 'Einheitsregierung' von Sarradsch rechtlich nicht haltbar ist: "Zum Ersten verletzt die maritime Expedition den Unclos-Artikel 74. Der gebietet in Absatz 3, dass bei konkurrierenden AWZ-Ansprüchen die streitenden Parteien bis zu einer Übereinkunft (durch Vertrag oder Schiedsverfahren) den „Geist der Verständigung und Zusammenarbeit“ zu wahren haben, um eine „endgültige Übereinkunft nicht zu gefährden oder zu verhindern“. Gegen dieses Gebot verstößt die türkische Seite, indem sie explorative Aktivitäten in einer umstrittenen Zone betreibt. Die griechische Seite tut das in der von ihr beanspruchten AWZ (noch) nicht. Dass die griechische Kriegsmarine die türkischen Schiffe „beschattet“, ist durchaus rechtens, erst wenn sie türkische Schiffe behindern oder gar angreifen würde, wäre dies völkerrechtswidrig.

Zum Zweiten: Das Dokument, auf das die Türkei ihren Anspruch auf die fragliche AWZ stützt, ist eine Absprache mit einer dritten Partei, die griechische Rechte eklatant verletzt. Bei der bilateralen Vereinbarung zwischen Ankara und Tripolis vom 27. November 2019 ist bereits die Legitimation der Regierung as-Sarradsch zweifelhaft, die sich auf die türkische Militärhilfe stützt und die von Ankara zu der gemeinsamen AWZ-Vereinbarung erpresst wurde. Ein weiteres Manko ist, dass die Vereinbarung nur in Form eines „Memorandum of Understanding“ (MoU) abgeschlossen wurde. Der Grund: Ein MoU bedarf nicht der Ratifizierung durch das libysche Parlament, das in Opposition zur As-Sarradsch-Regierung steht.
Gravierender ist der dritte Punkt: Das türkisch-libysche MoU verstößt gleich doppelt gegen das Seevölkerrecht. Zum einen setzt das im Unclos-Artikel 74 vorgesehene AWZ-Abgrenzungsverfahren zwei Partner „mit gegenüberliegenden oder aneinander angrenzenden Küsten“ voraus. Das aber ist bei den Küstenstaaten Türkei und Libyen nicht der Fall. Der westlichste Punkt der türkischen Südküste liegt 250 Kilometer östlich der libyschen Ostgrenze mit Ägypten. Der „gegenüberliegende“ Staat, mit dem die Türkei eine AWZ-Abgrenzung im Seegebiet zwischen dem 28. und 32. Längengrad vereinbaren könnte, wäre also Ägypten, mit dem die Türkei aber seit der Machtergreifung des Sisi-Regimes verfeindet ist."
"Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags stellt in einer am 17. Januar 2020 veröffentlichten „Seevölkerrechtlichen Bewertung der türkisch-libyschen Vereinbarung“ klar, dass „Inseln unabhängig von ihrer Größe die gleichen Seegebiete (Küstenmeer, Festlandsockel und AWZ) haben wie das Festland“. Demzufolge verstößt das türkisch-libysche MoU „gegen das völkergewohnheitsrechtliche Seerecht und erscheint im Ergebnis als unzulässiger Vertrag zulasten Dritter“."
Zwar seien auch die Ansprüche Griechenlands überzogen, doch habe das Abkommen zur AWZ mit Ägypten die Regierung Mitsotakis diese Vereinbarung "als großen Erfolg gefeiert: Damit habe man das türkisch-libysche Abkommen „in den Mülleimer entsorgt“, wie es Außenminister Dendias formulierte. In der Tat hat das Kairoer Abkommen für Griechenland zwei wichtige Vorteile. Es stellt dem türkisch-libyschen MoU die Ansprüche Griechenlands und Ägyptens entgegen, die der IGH in einem Streit- oder Schiedsverfahren sehr wahrscheinlich bestätigen würde. Das gilt vor allem für den wichtigsten Punkt: den Anspruch der großen griechischen Inseln (Kreta, Karpathos, Rhodos) auf eine eigene AWZ, den Ankara und Tripolis völkerrechtswidrig bestreiten."
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5709141

+ LMd schreibt unter der Überschrift "Leichte Beute Libyen. Der am 21. August vereinbarte Waffenstillstand nährt Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Dafür bräuchte es allerdings ein Einlenken der diversen internationalen Akteure im Land."
In dem Artikel heißt es: "Erdoğan ist also fest entschlossen, das türkische Einflussgebiet zu vergrößern. 2018 zählte die regierungsnahe Zeitung Yeni Akit zehn Länder auf, in denen türkische Soldaten stationiert sind, und verkündete unverhohlen: „Die Türkei kehrt in ihre osmanischen Gebiete zurück.“ Der expansionistische Drang wird auch durch die Reaktivierung des außenpolitischen Konzepts „Mavi Vatan“ (Blaue Heimat) deutlich, das der ehemalige Admiral Cem Gürdeniz 2006 entwickelt hatte. Es legt den Akzent nicht auf Diplomatie, sondern auf die rigorose Durchsetzung Einsatz syrischer Kämpfer, die zuvor bei der Invasion von Rojava mitgekämpft haben. Ankara liefert auch massive materielle Unterstützung, etwa durch die Installation von Flugabwehrraketensystemen NIM-23 Hawk und den Einsatz von Bayraktar-TB2-Drohnen, die nach Angaben von Beobachtern bei den Auseinandersetzungen mit Haftars LNA seit Frühjahr 2020 den entscheidenden Vorteil gebracht haben."
Auch wenn dem letzten Satz des Artikels "an einem ändert auch der jüngste Waffenstillstand nichts: Über die Zukunft Libyens entscheiden vor allem internationale Akteure – das libysche Volk fragt niemand" zuzustimmen ist, sind andere Teile fragwürdig, so wenn z.B. Russland die Schuld an einem "eingefrorenem Konflikt" gegeben wird, wie wenn nicht die Nato und die EU daran Interesse hatten, dass die LNA in Tripolis nicht siegen wird und die Türkei militärisch interveniert.
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5710488

Verschiedenes

+Die Informationsstelle Militarisierung (IMI)informiert auf 16 lesenswerten Seiten unter dem Titel "Frankreich und der Libyen-Konflikt" über die "französischen Interessen an der Militär-Intervention". Unter anderem wird folgendes Resümee gezogen: "Folgen des anhaltenden Krieges sind die Vertreibung hunderttausender Menschen aus ihrer Heimat und eine äußerst kritische humanitäre wie Menschenrechtslage in Libyen. Nach Angaben der UN gibt es in Libyen aktuell rund 350.000 Binnenflüchtlinge, welche durch den Bürgerkrieg zur Flucht innerhalb Libyens gezwungen sind. Zudem benötigen etwa 820.000 Menschen in Libyen humanitäre Hilfe, darunter 248.000 Kinder. [...] Die Intervention in Libyen war also eine einzige Tragödie, wenn man nach rund neun Jahren später betrachtet, wie verheerend sich die Menschenrechtslage in Libyen entwickelt hat. Hier ernsthaft von einem „erfolgreichen“ NATO-Einsatz zu reden ist nicht nur zynisch, sondern auch schlichtweg falsch."
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie-2020-4-Libyen.pdf

+ Fotografien aus Tripolis:
https://de.qantara.de/inhalt/buerger-fotografen-in-libyen-schoenheit-inmitten-von-krieg

22:46 13.09.2020

 

Kurznachrichten Libyen - 11.09.2020

Libyen. Verhandelt wird in Marokko, Beschlüsse fallen in der Schweiz, Sarradsch-Delegation in Kairo

Angelika Gutsche  

Optimismus bei Gesprächen im marokkanischen Bouznika - dazu kritische Stimmen

11.09.: In dem gemeinsamen Schlusskommuniqué des Hohen Staatsrats in Tripolis und des Parlaments heißt es, dass die Sitzungen im marokkanischen Bouznika in einer positiven Atmosphäre verlaufen seien. Explizit wird in der Erklärung darauf hingewiesen, dass ausländische Einmischung zur Verschärfung des Konflikts in Libyen beigetragen habe.
In einer Pressekonferenz erklärte der marokkanische Außenminister Nasser Bourita, dass die Libyer selbst am besten in der Lage sind, die Interessen ihres Landes zu vertreten und für Frieden und Stabilität zu sorgen. An die Delegierten gewandt sagte er: „Sie haben bewiesen, dass die Libyer in der Lage sind, auch ohne ausländische Hilfe Lösungen für ihre Probleme zu finden". In den innerlibyschen Gesprächen ging es um die Bestimmung klarer Standards zur Korruptionsbekämpfung und zur Beendigung der Spaltung der libyschen Institutionen. Abdul-Salam al-Safrani, ein Führer der Muslimbruderschaft, sagte, es sei bei der Neuvergabe von Posten bei sieben (von zehn) der libyschen Institutionen eine Einigung erzielt worden.
Die Gespräche werden fortgeführt.
https://libyareview.com/?p=6418
https://almarsad.co/en/2020/09/09/al-safrani-sovereign-positions-should-be-filled-geographically-and-demographically/

Dagegen erklärte der Vorsitzende des Hohen Staatsrates, Khaled al-Mishri, Mitglied der Partei für Gerechtigkeit und Aufbau der Muslimbruderschaft (JCP), die Treffen in Marokko seien Konsultationen und keinesfalls der Beginn eines Dialogs im engeren Sinne des Wort.
https://almarsad.co/en/2020/09/09/al-mishri-moroccos-meetings-are-mere-consultations-not-dialogue/

Innerhalb der 'Einheitsregierung' in Tripolis tobt ein Machtkampf zwischen Sarradsch und dem Innenminister und Moslembruder Fatih Bashagha, der von den Misrata-Milizen unterstützt wird. Deshalb dürfte es schwierig sein, Verhandlungsergebnisse in die Tat umzusetzen.

Und auch der radikale Kleriker Sadiq al-Ghariani meldet sich zu Wort und hält die Marokko-Gespräche für Augenwischerei und eine abgekartete Sache der Vereinten Nationen, denen daran gelegen ist, den Krieg in Libyen fortzusetzen. Kein Problem in Libyen würde damit gelöst.
https://almarsad.co/en/2020/09/10/gharyani-dialogue-in-morocco-is-useless-and-un-wants-to-perpetuate-conflict/

Treffen von "wichtigen libyschen Interessengruppen" plus UN-Delegation in der Schweiz unter Ausschluss von Vertretern aus dem Osten

Die sogenannten Vertreter der „wichtigsten libyschen Interessengruppen“, darunter die Muslimbruderschaft, haben in den vergangenen drei Tagen ein Treffen in Montreux, Schweiz, abgehalten.
Das Treffen wird als Antwort auf das Hoffen der Libyer nach Stabilität und ein menschenwürdiges Leben sowie auf die sich verschlechternde wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Situation des libyschen Volkes dargestellt und wurde vom sogenannten Zentrum für humanitären Dialog (HD) und in Anwesenheit der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) abgehalten. Es sollte als „Vorbereitungsphase für eine umfassende Lösung" dienen, (d.h. es stellt den Anfang einer weiteren Übergangsphase dar). Die Teilnehmer wollen - und zwar ohne Vertreter aus dem östlichen Libyen - bestimmen, wie die zukünftigen politischen Dialoge unter der Schirmherrschaft der UN-Sondermission in Libyen auszusehen haben. Hierzu wurden sieben Punkte verabschiedet:
(Frage: Wer ist im Zentrum für humanitären Dialog vertreten und wie werden dessen Mitglieder berufen?)

1. Die „Vorbereitungsphase für eine umfassende Lösung“ ist ein Zeitraum, um die geeigneten Bedingungen für die Abhaltung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen innerhalb von achtzehn Monaten auf der Grundlage einer vereinbarten Verfassungsregel zu schaffen.
(D.h. Wahlen wiederum auf den Nimmerleinstag verschieben und den Status quo aufrecht erhalten!Gerade die Einigung auf eine Verfassung vor Wahlen dürfte in der Praxis kaum möglich sein. Ein echter Verfassungsentwurf müsste aus demokratisch gewählten Mehrheiten heraus zustande kommen.)
2. Umstrukturierung der Exekutivbehörde, um einen Präsidialrat aus einem Präsidenten und zwei Abgeordneten sowie eine daraus zu bildende unabhängige Regierung der nationalen Einheit zu bilden.
3. Mitglieder des Präsidialrates (Tripolis) und dem Vorsitzenden der 'Einheitsregierung' (Tripolis) wurden durch das Libysche Komitee für den politischen Dialog ausgewählt und beauftragt, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die die Einheit Libyens und seine geografische, politische und soziale Vielfalt berücksichtigt und Vertrauen gewinnt.
(Wer gehört diesem Libyschen Komitee für den politischen Dialog an? Wiederum nur Teilnehmer aus Tripolis?Wo sind die Vertreter des libyschen Parlaments und der LNA?)
4. Bewertung und Weiterverfolgung der Arbeit der Exekutivbehörde und der regelmäßigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch den Libyschen Ausschuss für den politischen Dialog.
5. Das Parlament und der Hohe Staatsrats sollen aufgefordert werden, sich innerhalb angemessener Fristen auf die souveränen Positionen und den Wahlprozess zu einigen.
(Was sind angemessene Fristen?)
6. Während der „Vorbereitungsphase für eine umfassende Lösung“ und zur Wahrnehmung ihrer souveränen Aufgaben und sobald die Sicherheits- und Logistikbedingungen erfüllt sind, Verlegung der Institutionen der Exekutive und des Parlaments nach Sirte.
(Wer bestimmt, wann die Bedingungen erfüllt sind? Und nach der Vorbereitungsphase?)
7. Es soll die Wichtigkeit der nationalen und sozialen Versöhnung betont werden, indem illegale Inhaftierung und politische Verurteilung beendet werden, das Amnestiegesetz für politische Gefangene aktiviert wird, die sichere Rückkehr der Deportierten und Vertriebenen und das Recht auf Wiedergutmachung ohne große Rechtsstreitigkeiten gewährleistet werden.
Der Hoffnungen auf eine baldige Wiederaufnahme des Ausschusses für den politischen Dialog wurde Ausdruck gegeben. Die internationale Gemeinschaft müsse ihre volle Verantwortung für die Gewährleistung der Stabilität in Libyen und das Engagement aller libyschen Interessengruppen für die Resolutionen des Sicherheitsrates zur libyschen Souveränität und die Unterstützung der libyschen Politik übernehmen.

Gerade das Engagement der sogenannten 'internationalen Gemeinschaft' seit Februar 2011 ist das Problem in Libyen!
Dieses Treffen genau dann abzuhalten, wenn in Marokko die Gespräche zwischen Vertretern des Parlaments und dem Hohen Staatsrats laufen, ist schon sehr dreist.
Es darf davon ausgegangen werden, dass wiederum solche Bedingungen und Forderungen an die Vertreter des Parlaments und der LNA gestellt werden, die ohne Selbstverleugnung unmöglich zu erfüllen sind, so dass der Status quo immer weiter aufrechterhalten wird.

Delegation der 'Einheitsregierung' in Kairo

Eine hochkarätige Delegation der 'Einheitsregierung' ist zu Gesprächen im ägyptischen Kairo eingetroffen, das bekannter Weise ja deren Gegner, die Libysche Nationalarmee (LNA), unterstützt.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1303344640502923264
Tatsächlich konnte die LNA Tripolis nicht erobern und die Türkei nicht Sirte, d.h. die USA hat erfolgreich den Status quo aufrecht erhalten.

+ 09.09.: Der Sprecher der LNA al-Mismari sagte hierzu, dass die Delegation der 'Einheitsregierung', die Kairo besucht, nicht befugt sei, die Gesprächsergebnisse von Kairo in Libyen in die Tat umzusetzen, da den Milizen, insbesondere in Misrata, keine Lösungen aufgezwungen werden könnten. Sarradsch habe aus Angst um seinen Posten diese Delegation nach Kairo entsandt.
Laut Mismari bedeute der Waffenstillstand keinen Friedensschluss. Die Milizen müssten ihre Waffen der LNA übergeben. Die LNA sei auch gegen jeden Angriff von Milizen der 'Einheitsregierung' gewappnet.
https://almarsad.co/en/2020/09/10/al-mismari-gnas-militias-are-moving-towards-jufra-and-lna-is-ready/

Parlamentspräsident Aguila Saleh soll von EU-Sanktionsliste gestrichen werden

09.09.: Die Europäische Union plant, den libyschen Parlamentspräsidenten Aguila Saleh von ihrer Sanktionsliste zu streichen. Damit soll eine Friedenslösung in Libyen erleichtert und gleichzeitig die Bedeutung der EU bei den Verhandlungen herausgestellt werden.
Seit 2016 steht Saleh auf der Sanktionsliste, da ihn die EU beschuldigt, Friedensbemühungen zu behindern. Allerdings haben sich Russland und Ägypten bemüht, das international anerkannte und demokratisch gewählte libysche Parlament stärker in die Friedensverhandlungen einzubinden. Auch Frankreich, das in starker Rivalität zu Deutschland und in Libyen auch zu Italien steht, unterstützt das Parlament und die LNA. Nun wollen alle beteiligten EU-Staaten, insbesondere Italien, Frankreich und Deutschland, ihre Einheit unter Beweis stellen. Allerdings will Zypern alle EU-Sanktionsentscheidungen, die einstimmig getroffen werden müssen, blockieren, bis nicht auch die Türkei wegen ihrer Ölbohrungen vor der zypriotischen Küste sanktioniert ist.

Aufgehoben werden sollen auch die Sanktionen gegen Nouri Abusahmain (ehemaliger Präsident des libyschen Generalkongresses in Tripolis) sowie von Khalifa al-Ghwell (ehemaliger Premierminister der Regierung von Tripolis).

Sowohl das Parlament und dessen Präsident Aguila Saleh als darauf folgend auch die 'Einheitsregierung' unter Sarradsch hatten sich für einen Waffenstillstand ausgesprochen.
http://en.alwasat.ly/news/libya/294985

Saleh war in letzter Zeit an allen wichtigen Verhandlungen beteiligt, auch wenn die westliche Presse immer nur vom "Warlord Haftar" und nie vom gewählten und anerkannten Parlament und dessen Präsidenten gesprochen hat. Dabei hatte eben dieses Parlament die LNA zur libyschen Armee und Haftar zu ihrem Kommandanten erklärt. Doch statt demokratische Prozesse zu unterstützen, zog es die EU vor, die islamistischen Kräfte und Moslembrüder zu stärken, die sich nur durch brutale Gewalt in Tripolis an der Macht halten können. Soweit zum Demokratieverständnis der EU!
Die EU will um jeden Preis bei der Regierungsbildung in Libyen ihren Einfluss geltend machen. Sollen doch zukünftig alle Verträge, Öl- und Gasexport, sowie EU-Importe und Aufbauprojekte, von einer willfährigen libyschen Regierung mit den Staaten geschlossen werden, die für die Zerstörung des Landes 2011 verantwortlich waren. Der Nato-Krieg gegen Libyen muss sich doch endlich lohnen und die Rückkehr der Kolonialisten ermöglichen.

'Einheitsregierung' und internationale Gemeinschaft nicht an Abhaltung von Wahlen interessiert

09.09.: Der Leiter der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC) in Libyen, Emad ad-Din as-Sayeh, ist der Meinung, dass die 'Einheitsregierung' versucht, die Arbeit der Wahlkommission zu unterlaufen. Obwohl das libysche Wahlgesetz die politische Unabhängigkeit der Wahlkommission vorsehe, treffe die 'Einheitsregierung' die Entscheidungen bezüglich der Höhe des Budgets und des Personals und bestimme somit über deren Arbeit. Etatkürzungen hätten zu Personalkürzungen geführt, es würden aber mindestens noch 70 qualifizierte Mitarbeiter benötigt, um die Wahlzentrale und 24 Verwaltungsbüros zur landesweiten Vorbereitung der nächsten Wahlen ausstatten zu können. Jedes Jahr sei das Budget weiter gekürzt worden, dies sei eine systematische und willentliche Schwächung der Wahlkommission. Laut Sayeh unterstütze die 'Einheitsregierung' vordringlich Kommunalwahlen, während Gelder zur Information der libyschen Wähler über Parteien und Kandidaten fehlten. Wahlen müssten den internationalen Mindestanforderungen genügen, doch die 'Einheitsregierung' komme den beim Skhirat-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen nicht nach. Sayeh über die Wahlbehörde: "Wir sind nicht gespalten und haben gute Beziehungen zu allen politischen Parteien." Doch wenn das Budgets nicht erhöht wird, werde die Wahlkommission ihre Arbeit einstellen und sich an das Parlament wenden, um über das weitere Bestehen der Wahlkommission zu entscheiden."
Sayeh hält es für ausgeschlossen, dass die Marokko-Treffen zwischen dem Parlament und der 'Einheitsregierung' tatsächlich zu Wahlen führen werden, denn der UN-Sondermission für Libyen und der internationale Gemeinschaft kämen die zu erwartenden Ergebnissen sehr ungelegen, da diese Kräfte andere Ziele als die Sicherheit und politische Stabilität in Libyen verfolgen. Sayed: „Ich glaube nicht, dass in naher Zukunft Wahlen stattfinden werden; das geht aus den Treffen mit verschiedenen internationalen Akteuren hervor. In den Erklärungen von Parlamentspräsident Aguila Saleh und des Präsidialrates wurde vereinbart, in eine vierte Übergangsphase einzutreten, in der Verfassungsfragen entschieden werden, um dann dauerhafte Stabilität zu erreichen, in der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden können. Viele Parteien schlagen ein Verfassungsreferendum vor. Aber welche Verfassung? Die Verfassung der Konstituierenden Versammlung von Libyen ist umstritten und die Erklärung von Saleh ist klar: Bildung eines Ausschusses zur Überprüfung der Verfassung oder Erstellung eines neuen Verfassungsentwurfs."
As-Sayeh unterstützt die Einführung einer E-Card für die Wahlen: "Die kommenden Wahlen werden eine sehr hohe Wahlbeteiligung und einen starken Wettbewerb aufweisen. Deshalb wollten wir u.a. einer Karte mit dem Fingerabdruck, den persönlichen Daten und dem Bild des Wählers erstellen. Nur Besitzer dieser E-Card können wählen".
https://almarsad.co/en/2020/09/09/al-sayeh-gna-undermines-the-elections-commission-because-it-fears-elections/

Verschiedenes

+ 11.09.: Auch in Bengasi fanden Demonstrationen gegen die sich immer mehr verschlechternden Lebensbedingungen statt. Dabei wurden Straßen blockiert und Reifen in Brand gesetzt.
https://www.addresslibya.co/en/archives/58869

+ Die türkische Regierung wird auf Twitter beschuldigt, nicht nur mit dschihadistischen Organisationen wie dem IS zusammenzuarbeiten, sondern selbst solche Terrororganisationen zu gründen. Dazu sei in der Region Aleppo nahe der türkischen Grenze die Hamza-Miliz gegründet worden, angeblich um gegen die Regierung Assad in Syrien zu kämpfen. Allerdings sei dabei nur der Name arabisch, denn ein Türke sei zum Kommandanten ernannt worden, von dem fälschlicher Weise behauptet wurde, er sei Syrer, der von der syrischen Armee übergelaufen ist. Tatsächlich handle es sich um Seif Bulad Abu Bakr, den ehemaligen IS-Kommandeur in der al-Bab-Region und jetziger Kommandeur der Hamza-Miliz. Fotos belegen diese Beschuldigung.
https://twitter.com/GAITAMIMI1/status/1303733723741868034?s=20

+ 08.09.: Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab bekannt, dass die Türkei den Sold für syrische Söldner von 2000 auf 800 US-$/Monat gesenkt hat. Es seien auch etliche Kämpfer nach Syrien rückgeführt worden. Von den insgesamt 18.000 nach Libyen verbrachten Söldnern seien etwa 7.000 nach Syrien zurückgekehrt.
https://libyareview.com/?p=6350

+ Thomas Pany auf Telepolis: "US-Kriege seit 9/11: Mindestens 37 Millionen Flüchtlinge", darunter 1,2 Millionen Libyer (das entspricht 19% der Vorkriegsbevölkerung). Hierbei handelt es sich um "konservative Schätzungen".
Pany: "Die Angst vor Angriffen, die Zerstörungen der Wohnungen, das Schwinden von Arbeitsmöglichkeiten, von Zugängen zu Nahrung, zu Schulen und Krankenhäuser sind brutale, hässliche Konsequenzen von Kriegen."
https://www.heise.de/tp/features/US-Kriege-seit-9-11-Mindestens-37-Millionen-Fluechtlinge-4889620.html
Da sich die Grünen als Kriegspartei andienen und auch den Nato-Krieg gegen Libyen freudig begrüßten, sind sie für alle, die sich einer Friedenspolitik verpflichtet fühlen, unwählbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Linke nicht den gleichen Weg von der Friedens- zur Kriegspartei einschlägt.

 11.09.2020

 

 

Donnerstag, 10. September 2020

 

Kurznachrichten Libyen - 07.09.2020

Libyen. Verhandlungen zwischen Parlament und Hohem Staatsrat in Marokko - Bewegung 23. August ruft zu neuen Protesten auf - Sarradsch bei Erdogan in Istanbul

Angelika Gutsche |

Verhandlungen in Marokko

+ 06.09.: In der marokkanischen Stadt Bouznika finden Verhandlungen zwischen Delegationen auf Expertenebene des libyschen Hohen Staatsrats (Tripolis) und der libyschen Parlaments (House of Representatives/HoR) statt. Diese sollen der Vorbereitung eines Treffens zwischen dem Präsidenten des Hohen Staatsrats und Moslembruder Khaled al-Mishri und dem Parlamentspräsidenten Aguila Saleh dienen. In einer Presseerklärung des Parlaments heißt es, dass die Treffen helfen sollten, "den Dialog zwischen den betroffenen libyschen Parteien wieder aufzunehmen, um eine politische Lösung zu erreichen, die die Konflikte im Land zu beenden". Der Waffenstillstand solle stabilisiert werden. Aus dem Auswärtigen Komitee des Parlaments hieß es, die Einheit des Landes müsse gewahrt werden, ausländische Söldner und Militärs das Land verlassen und ein Staat mit seinen Institutionen und Gesetzen wieder errichtet werden. Vertreter der Libyschen Nationalarmee sind an den Gesprächen nicht beteiligt.

Allerdings haben 24 Mitglieder des Hohen Staatsrats erklärt, dass sie es ablehnten, den Staatsrat auf dessen Vorsitzenden al-Mishri und wenige Vertreter zu beschränken, da al-Mishri nicht den Staatsrat repräsentiere. Sie würden keine Entscheidungen anerkennen, die nicht mit nationalen Interessen übereinstimmen und die im Namen des Staatsrats getroffen werden, die aber nur durch ein eng begrenztes Spektrum des Rates zustande gekommen sind, zu denen die Mitglieder der Moslembruderschaft zählen, die versucht, den Staatsrat zu kapern.
https://libyareview.com/?p=6290
https://almarsad.co/en/2020/09/07/members-of-the-state-council-denounce-mishris-monopoly-over-all-decisions/

Bewegung "23.August"

+ 06.09.: Die Volksbewegung "23. August" hat ihre Anhänger aufgefordert, sich einem friedlichen Protest gegen die schlechten Lebensbedingungen in Tripolis anzuschließen.
Seit Anfang August kommt es in Tripolis immer wieder zu Protesten gegen die langanhaltenden Strom- und Wasserausfälle sowie die Finanzierung von syrischen Söldnern durch die Regierung Sarradsch.
https://www.addresslibya.co/en/archives/58818

+ 06.09.: Die Generalanwaltschaft in Tripolis gab bekannt, dass Personen, die im Zusammenhang mit Protesten Ende August in Tripolis inhaftiert wurden, freigelassen werden. Die Festnahmen erfolgten unter dem Vorwurf des "Aufruhrs", allerdings habe sich dieser Vorwurf nicht bestätigen lassen. Außerdem hegte der Staatsanwalt den Verdacht, dass die Verhafteten gefoltert wurden. Es liefen Ermittlungen wegen Entführung und Folter von Demonstranten.
Ende August fanden in in Tripolis Demonstrationen gegen die sich ständig verschlechternden Lebensbedingungen statt. Die Demonstranten wurden von Bewaffneten angegriffen und das Feuer auf sie eröffnet. Das Innenministerium der 'Einheitsregierung' lehnte die Verantwortung für die Erschießung von Demonstranten ab und machte „Infiltratoren“ für den Vorfall verantwortlich.
https://www.addresslibya.co/en/archives/58823

'Einheitsregierung'/Milizen/Türkei

+ 06.09.: Der Premierminister der 'Einheitsregierung' Fayez as-Sarradsch ist in Istanbul zu Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan eingetroffen. Obwohl über den Inhalt der Gespräche nichts bekannt ist, wird angenommen, dass Sarradsch von Erdogan Handlungsanweisungen für die in Marokko laufenden Gespräche des Hohen Staatsrats mit dem libyschen Parlament bekommt.

https://www.addresslibya.co/en/archives/58816

+ 03.09.: Laut dem Vorsitzenden der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Abdel Rahman halten sich derzeit hunderte Söldner in Trainingslagern in der Türkei auf, die im Falle des Zusammenbruchs des Waffenstillstands nach Libyen überstellt würden.
Nach allgemeiner internationaler Kritik über den Transfer syrischer Söldner nach Libyen habe die Rekrutierung etwas nachgelassen.
Laut AFRICOM hat die Türkei zwischen April und Juni 2020 mehr als 5.000 syrische Söldner nach Tripolis gebracht. Abdel Rahman: „Der Bericht ist identisch mit den Berichten der Beobachtungsstelle, die im April über die Anwesenheit von etwa 10.000 syrischen Söldnern in Libyen sprach, deren Zahl im Juni auf 15.000 angestiegen war. Jetzt sprechen wir über 18.000 Söldner, die insgesamt bis letzte Woche nach Libyen gebracht wurden, 6.150 von ihnen sind inzwischen wieder nach Syrien zurückgekehrt."
https://libyareview.com/?p=6282

Verschiedenes

+ 04.09.: Der Leiter der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC) Emad as-Sayeh sagte dass die Kommission noch nicht bereit sei, Wahlen in Libyen abzuhalten. Das Komitee könne aufgrund fehlender finanzieller Ausstattung und ungenügender Unterstützung seinen Aufgaben nicht nachkommen. Das Komitee sehe sich nicht in der Lage, die Wähler über Gesetze, Bedingungen für die Kandidatur und das Wahlsystem zu informieren.
Überrascht zeigte sich as-Sayeh von der Ankündigung des Premierministers der 'Einheitsregierung' Fayez Al-Sarraj, im kommenden März Wahlen durchzuführen. Er warf der 'Einheitsregierung' Unfähigkeit vor, die Vorbereitung von Wahlen zu unterstützen.
https://libyareview.com/?p=6241

+ Sabine Kebir auf Freitag: "Kaum wollte Ägypten massiv eingreifen, da meldeten sich die USA als Akteur zurück. Die Tripolis-Regierung steht seither unter Druck"
https://www.freitag.de/autoren/sabine-kebir/noch-haelt-die-waffenruhe

 

Mittwoch, 2. September 2020



Kurznachrichten Libyen – 25.08.2020

Libyen. In eigener Sache: Reisebedingt wird die Berichterstattung über Libyen in den kommenden Wochen leider eingeschränkt sein.


+ 25.04.: Laut dem Abgeordneten Ibrahim az-Zaghid kamen bei der friedlichen Demonstration in Tripolis durch Schüsse von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ 22 Menschen zu Tode und mehr als 50 Zivilisten wurden verletzt. Auch fanden im Morgengrauen Razzien in Wohnhäusern statt, bei denen Personen festgenommen wurden. Der amtierenden Vorsitzenden der UN-Sondermission für Libyen, Stephanie Williams, warf Zaghid vor, dass sie die furchtbare humanitäre Situation in Tripolis konsequent ignoriere. Bezüglich der ‚Einheitsregierung‘ meinte Zaghid: „Eine solche Regierung gibt Milliarden des libyschen Staates und der libyschen Zentralbank aus und zahlt sie an die Türkei und die Terroristen, damit diese das Land kolonisieren“.
Der Abgeordnete forderte den UN-Sicherheitsrat, die internationale Gemeinschaft und die EU auf, diese Vorgänge zu untersuchen, da sie sich gegen die freie Meinungsäußerung richteten.
https://libyareview.com/?p=5966
https://libyareview.com/?p=5963
Man möge sich vorstellen, in Minsk oder Moskau würden friedlich demonstrierende Menschen erschossen! Wenn das in Tripolis passiert, ist es nicht einmal eine Nachricht wert.

+ 23.08.: Tote und Verletzte bei Demonstration in Tripolis als Milizen der ‚Einheitsregierung‘ das Feuer auf Demonstranten eröffnen.
Als die Demonstranten versuchten, zum Marinestützpunkt in Abu Setta vorzudringen, wo sich das vorläufige Hauptquartier des Präsidialrats und das Hauptquartier der türkischen Militärberater befinden, wurde scharf auf sie geschossen.
An der Tat soll auch die RADA-Miliz, Unterstützermiliz des Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ Bashagha, beteiligt gewesen sein, die extra aus Tarhuna nach Tripolis gekommen sei.

FILM:
https://twitter.com/LibyaReview/status/1297599244677910528
https://twitter.com/LibyaReview/status/1297610649179168769
https://twitter.com/LibyaReview/status/1297634293553025024
Hunderte gingen in Tripolis auf die Straße, um gegen die Korruption innerhalb der ‚Einheitsregierung‘ zu protestieren. Sie forderten den Sturz der Regierung von as-Sarradsch. Die Demonstranten machten die ‚Einheitsregierung‘ für die Verschlechterung der Lebensbedingungen verantwortlich und kritisierten die hohen Löhne der Regierungsbeamten, während die einfachen Bürger unter der Geldknappheit leiden. Angeprangert wurden auch die Zahlungen an die von der Türkei ins Land gebrachten syrischen Söldner und an lokale Milizen. Die Milizen gingen mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vor. Begründung: Die Demonstration sei nicht angemeldet gewesen.
FILM: https://twitter.com/LibyaReview/status/1297960966395756544
https://libyareview.com/?p=5935
Den jungen Menschen in Libyen wird seit fast zehn Jahren systematisch ihre Jugend und ihre Zukunft gestohlen! Der Zorn bricht sich Bann...
+ 24.08.: In Sirte soll die LNA gegen Jugendliche des Gaddadfa-Stammes vorgegangen sein, die die Freilassung von etwa 50 Dschamahirija-Anhängern forderten, die nach einer Demonstration verhaftet worden waren.
https://libya.liveuamap.com/en/2020/25-august-yesterday-lna-forces-clashed-with-gdadfa-tribe

+ 23.08.: Dutzende der libyschen Schutzkräfte der ‚Einheitsregierung‘ für die libyschen Ölanlagen stürmen das Hauptquartier der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis. Foto:
https://twitter.com/LibyaReview/status/1297534117622558720
+ Am 22.08. schreibt Sami Zaptia in LibyaHerald von dem vielfältigen Druck, unter den Sarradsch in Tripolis steht. Er berichtet über eine Gruppe von hauptsächlich Frauen, die am 20.08. am Algier-Platz in Tripolis demonstrierte, um auf die desaströsen Lebensbedingungen, unter denen sie alle zu leiden hätten, aufmerksam machte. Insbesondere angeprangert wurden Strom- und Wasserausfälle, Geldmangel und in den Straßen angehäufter Müll sowie die Bedrohung durch Covid-19, dies alles mache das Leben unerträglich. Gegen bis zu 24 Stunden anhaltenden Stromausfällen hätten bereits die Tage zuvor Jugendliche demonstriert, wobei auch Reifen angezündet und Straßen blockiert wurden.
Kein Wunder, dass sich viele Famlien verulkt vorkamen als Sarradsch den Studenten und Schülern zu Schulbeginn empfahl, über Handys und soziale Medien zu lernen, wo doch ständig der Strom ausfällt. Und wer den eigenen Generator mit Diesel versorgen möchte, muss für den Liter horrende Preise bezahlen.
Inzwischen sollen auch libysche Jugendliche die 'Todesboote' über das Mittelmeer besteigen. Erst vor kurzem soll eines dieser Boot gekentert sein. Alle libyschen Insassen gelten als vermisst. In ganz Libyen machte sich Bestürzung breit, wie weit es mit dem einst so reichen Libyen gekommen ist.
Die Leute werden aufgefordert, wegen des Coronaviruses, der sich inzwischen in Libyen rasant ausbreitet, zu Hause zu bleiben. Dies ist aber nicht möglich, da sie sich mit Bargeld, Kochgas, Masken und Lebensmittel versorgen und sich dabei in die langen Warteschlangen einreihen müssen. Zaptia: „Die Regierung von Sarradsch wird als eine von der internationalen Gemeinschaft eingesetzte Regierung, die über kein lokales Mandat oder Legitimität verfügt, wahrgenommen. Legitimität hätte sie durch Effektivität und Erbringung von Dienstleistungen erringen können. Sie hat es aber versäumt, auch nur eines der unzähligen Probleme in den Griff zu bekommen, die Strom- und Wasserknappheit, die fehlende Liquidität, die nicht funktionierende Müllabfuhr, die schlechte Sicherheitslage, die Kraftstoff- und Kochgasknappheit usw. Das hat ihm keine Freunde gebracht.“
https://www.libyaherald.com/2020/08/22/serraj-government-creaking-under-pressure-with-electricity-blackouts-water-cuts-youth-fleeing-to-europe-and-demonstrating-and-municipalities-calling-for-immediate-action/
Vielleicht empfindet Sarradsch dies auch deswegen nicht als vordringlich, weil seine Familie in London lebt und von ihm selbst berichtet wird, er wäre häufig dort, um sich mit seiner geliebten Schokolade einzudecken.

Libysche Nationalarmee (LNA)
+ 24.08.: Laut LNA-Sprecher al-Mismari bestehen große Zweifel an der Aufrichtigkeit von Sarradsch und der Türkei, es mit einem Waffenstillstand ernstzunehmen. Er bezeichnete die von der Regierung der Nationalen Vereinbarung (GNA) unter Fayez al-Sarraj angekündigte Initiative als “reine Irreführung der öffentlichen Meinung”.
Wir haben in den vergangenen 24 Stunden verdächtige Bewegungen und Verlegungen von Einheiten festgestellt, darunter zwei türkische Fregatten und drei Kriegsschiffe, die sich in Kampfposition in Richtung der Küste von Sirte bewegen, um die Streitkräfte anzugreifen. Wir haben auch eine umfangreiche Mobilisierung von Milizen in der al-Hishah-Qaddahiyah-Zamzam-Linie und die Entsendung großer Gruppen von Milizen an diese Linie zur Vorbereitung einer groß angelegten Offensive gegen die in Sirte stationierte LNA festgestellt”.
Der Armeesprecher warnte, dass jeder Offensive mit Gewalt begegnet würde und dass die Streitkräfte im Falle eines Angriffs auf Sirte sich dem Feind entgegenstellen würden.
https://almarsad.co/en/2020/08/24/al-mismari-lna-will-stand-against-any-offensive-in-sirte-by-turkey/
+ 23.08.: Augenzeugen in Bograin (östlich von Misrata) berichten, dass bewaffnete Fahrzeuge und syrische Söldner aus Misrata in das Gebiet al-Washka (östlich von Bograin) zogen.
https://twitter.com/LibyanAddressJo/status/1297562658414235651/photo/1

Libysche Stämme und Städte
+ 25.08.: Die Morde, die am Sonntag von Milizen in Tripolis begangen wurden, als sich eine Gruppe von Demonstranten auf den Grünen Platz in Tripolis zubewegte, verurteilte der Vorsitzende des libyschen Obersten Rates der Scheichs und Ältesten, Saleh al-Fandi auf heftigste. Er meinte, dass das Schlimmste in den nächsten Tagen noch bevorstehe, wenn unter den Augen der UN-Sondermission in Tripolis noch mehr Zivilisten getötet werden. Davor verschließe die UNSMIL jedoch die Augen.
+ 25.08.: Die Grüne Bewegung (Dschamahirija) hat angeblich zu Demonstrationen in allen Landesteilen aufgerufen. Ihre Forderung: Saif al-Islam Gaddafi müsse an den laufenden Verhandlungen beteiligt werden.
https://twitter.com/LibyaDesk/status/1298219591408156674
+ 25.08.: Eine Gruppe einflussreicher Stammesvertreter im östlichen Libyen hat eine Initiative zur Freilassung aller Gefangenen gestartet. Es sollten Gespräche mit den Demonstranten stattfinden, um endlich die Ausgrenzung ehemaliger Gaddafi-Anhänger in Libyen zu beenden.
https://twitter.com/LibyaDesk/status/1298219589990600704
+ 24.08.: Am Sonntag forderte der libysche Rat der Scheichs und Ältesten im Gebiet von Wirschefana die Sicherheitsdirektionen auf, alle Anweisungen oder Entscheidungen des Innenministers der ‚Einheitsregierung‘ zu missachten. Der Innenminister Fathi Bashagha wurde von den Mitgliedern des Rates als „Usurpator der Macht“ beschrieben, der die Libyer mit Hilfe syrischer Söldner ausbeutet.
Die Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt, als hunderte Demonstranten in Tripolis auf die Straße gingen, um gegen die sich immer mehr verschlechterten Lebensbedingungen und gegen die von der Türkei ins Land gebrachten syrischen Söldnern zu protestieren. Die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ setzten Schusswaffen gegen die Demonstranten ein.
Die Wirschefana-Ältesten brachten auch ihre Solidarität mit der Volksbewegung in allen westlichen Städten zum Ausdruck und bekräftigten ihre Ablehnung der illegalen Praktiken Bashaghas. Sie verurteilten auch die Anwesenheit von syrischen Söldnern in den Wirschefana-Gebieten.
https://libyareview.com/?p=5941
+ 23.08.: Der Sozialrat der Werfalla-Stämme begrüßt die Ankündigung des Waffenstillstands zwischen as-Sarradsch und Saleh. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung dankte der Rat für die lokalen und internationalen Anstrengungen, um dieses Abkommen zu schließen. Dies sei ein wichtiger Schritt, um die Vereinnahmung der Ressourcen, die dem Volk zustünden, zu verhindern.
https://libyareview.com/?p=5917

Libysches Parlament/Übergangsregierung
+ 25.06.: Parlamentspräsident Aguila Saleh bezeichnete den Angriff auf Demonstranten in Tripolis als Machtmissbrauch. Es sei das Recht der Bürger, frei und friedlich zu demonstrieren. Saleh forderte alle offiziellen Polizei- und Sicherheitsdienste in Tripolis auf, friedliche Demonstranten zu schützen.
https://libyareview.com/?p=5968
+ 23.08.: Der Medienbeauftragte des Parlaments, Hamid as-Safi, betonte die Wichtigkeit einer politischen Lösung in Libyen, um eine Verschärfung des Konflikts zu vermeiden.
As-Safi: „Sarradschs Erklärung ist nur ein medialer Wirbel, und wir befürchten, dass er seine Versprechen nicht einhalten wird. Was das libysche Volk und die Öffentlichkeit insgesamt beunruhigt, ist, dass Sarradsch Entscheidungen nicht frei treffen kann“.
https://almarsad.co/en/2020/08/23/al-safi-sarraj-may-not-be-able-to-fulfil-his-ceasefire-promises/

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei
+ 24.08.: Sarradsch erklärte, dass er eine Kabinettsumbildung vorantreiben werde, um sicherzustellen, dass Libyen eine fähigere Regierung hat. Maßnahmen zur Linderung der Spannungen wie die Beschleunigung der politischen Gespräche, die Rechenschaftspflicht korrupter Beamter und die Freilassung politischer Gefangener wurden abgelehnt.
https://twitter.com/LibyaDesk/status/1298198072384774144
+ 24.08.: In einem Telefongespräch hat die französische Botschafterin in Tripolis as-Sarradsch zu einem baldmöglichen Besuch nach Paris eingeladen. Sarradsch hat die Einladung angenommen.
https://libyareview.com/?p=5926
+ 24.08.: Die Presse berichtet über die Unzufriedenheit der von der Türkei nach Libyen gebrachten syrischen Söldner. Da die Türkei ihre Zusagen ihnen gegenüber nicht eingehalten hatte, sahen sie sich berechtigt, die verlassenen Häuser von Geflohenen zu plündern. Zu diesem Zweck hätten sie sich in Misrata frei bewegen könnten.
Es sollen sich noch über 10.000 syrische Söldner plus etwas 10.000 Kämpfern anderer Nationalität in Libyen befinden. Trotz der Waffenstillstandsvereinbarung bildet die Türkei weiterhin Kämpfer aus und schickt sie nach Libyen.
https://libyareview.com/?p=5938
+ 22.08.: Der Hohe Staatsrat in Tripolis lehnte jede Vereinbarung mit dem ‚Kriegsverbrecher Haftar‘ ab, der Rat sagte auch: „Das Militär muss wieder aufgebaut werden, das Chaos der Waffenverbreitung muss ein Ende haben und irreguläre Formationen müssen aufgelöst werden“, fügte der Rat hinzu. Er betonte die Notwendigkeit, die Übergangsphase dringend zu beenden, indem ein Referendum über den Verfassungsentwurf durchgeführt wird.“
https://libyareview.com/?p=5894
+ 22.08.: In der Stadt al-Asabaa haben Milizen der ‚Einheitsregierung, unter ihnen auch syrische Söldner, Angriffe auf die Bewohner ausgeführt. Die Bewaffneten drangen in die Häuser ein, wobei ein Bewohner getötet, ein weiterer verwundet und andere junge Männer entführt wurden.
https://libyareview.com/?p=5906
+ 22.08.: Der Stadtrat von az-Zawiya verurteilte die Entscheidung des Innenministers der ‚Einheitsregierung‘, den für die Sicherheit zuständigen Direktor zu suspendieren. Die Forderungen des Volkes nach einem menschenwürdigen Leben seien legitim. Der Präsidialrat und Sarradsch wurde dafür verantwortlich gemacht, die Probleme des Landes nicht gelöst zu haben als da sind Strom- und Wassermangel, Misswirtschaft bei der Müllentsorgung, das Problem der Vertriebenen und Migranten sowie Fragen der Wiedergutmachung.
https://libyareview.com/?p=5897
+ 22.08.: Empörung herrscht wegen der Ernennung eines neuen libyschen Botschafters durch die ‚Einheitsregierung‘. Sarradsch bestimmte seinen Sekretär und persönlichen Fotografen Motasim Bellah ad-Dhawi zum Geschäftsträger, obwohl dieser keinerlei Qualifikationen für dieses Amt aufweist und hunderte von jungen Absolventen des Diplomatischen Instituts auf eine Anstellung warten. Dhawi wird ein Gehalt von etwa 15.000 US-$ pro Monat beziehen.
https://almarsad.co/en/2020/08/23/sarraj-appoints-his-personal-photographer-as-charge-daffaires-in-bosnia/
Es ist wirklich unglaublich, dass Sarradsch in diesen politisch so angespannten Zeiten absolut kein politisches Gespür und keinerlei Schamgefühlt hat.
+ 22.08.: Der ehemalige politische Berater der ‚Einheitsregierung‘, Sami al-Atrash, sagte, eine „dritte Partei“ habe den Waffenstillstand in Libyen durchgesetzt. Damit gemeint sind die USA. Wenn Sarradsch unfähig sei, ganz Libyen unter seine Kontrolle zu bringen, dann müsse er zurücktreten. Er meinte, es werde bald noch eine andere Macht in Libyen auf den Plan treten, „die sich für die Errichtung der entmilitarisierten Zone einsetzen wird. Dies könnte in Form einer von den USA geführten internationalen Militärtruppe geschehen“. Dies sei für ihn und andere unakzeptabel.
https://almarsad.co/en/2020/08/23/former-gna-advisor-sarraj-must-resign-if-unable-to-control-all-of-libya/
+ Der ehemalige nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, sagte, dass er die türkische Präsenz in Libyen entschieden ablehnt und dass es der Politik von US-Präsident Donald Trump und Europa im Umgang mit der Libyen-Akte an Klarheit mangelt: „Mir gefällt die Beteiligung der Türkei an der Unterstützung Sarradschs oder der ausländischen Streitkräfte dort nicht“, schloss der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA. Er sagte, dass die Verschlechterung der Lage in Libyen nicht im besten Interesse der Vereinigten Staaten oder Ägyptens sei.
https://almarsad.co/en/2020/08/23/john-bolton-objects-to-turkish-presence-in-libya/
+ Sollte der Waffenstillstand eingehalten werden, was noch alles andere als gesichert ist, was würde dann mit den über 10.000 syrischen Söldnern, die sich im westlichen Libyen befinden, fragt das Investigativjournal. Die Syrer selbst fühlten sich nach der Ausrufung des Waffenstillstands schlecht informiert, die Gerüchteküche koche: „Vor einigen Monaten haben wir gehört, dass die Türkei Syrer in den Jemen schicken würde“, sagte einer. „Aber dieses Gerücht ist vorerst gestorben. Dann haben wir kürzlich gehört, dass wir vielleicht nach Aserbaidschan gehen würden.“ Das neueste Gerücht besagt, die Syrer würden zur Ausbildung nach Katar geschickt und einige auf der dortigen türkischen Militärbasis verbleiben. Was bliebe den syrischen Dschihadisten anderes übrig, als immer dorthin zu gehen, wohin der ‚Sultan‘ sie schickt?
https://investigativejournal.org/a-new-libya-ceasefire-and-the-syrian-mercenary-rumor-mill/

Coronakrise
+ 23.08.: Laut WHO gibt es insgesamt 10.437 positiv auf Covid-19 Getestete, davon sind 1085 gesundet und 188 gestorben.

Migration
+ 25.08.: Das deutsche Schiff Sea Watch 4 ist unterwegs, um Migranten aufzunehmen, die vor der libyschen Küste Schiffbruch erlitten.

Verschiedenes
+ 25.08.: Die UNSMIL forderte die ‘Einheitsregierung’ auf, dringend die Vorgänge um den Schusswaffeneinsatz von Milizen gegen friedliche Demonstranten mit vielen Toten und Verletzten zu untersuchen. In Anbetracht "der anhaltenden Verelendung des libyschen Volkes und der allgegenwärtigen Gefahr eines erneuten Konflikts ist es für die libyschen Führer an der Zeit, ihre Differenzen beiseite zu legen und in einen umfassenden politischen Dialog einzutreten", sagte die UN-Mission.
Videos und Fotos, die in sozialen Medien kursieren, zeigen Männer in Militärkleidung, die in einer Straße der Hauptstadt mit ihren Waffen auf Demonstranten zielten.
http://en.alwasat.ly/news/libya/293414
+ 25.08.: An den Kommunalwahlen in der Stadt Kikla (150 km westlich von Tripolis) haben sich 5 % (in Worten: fünf Prozent!) der Wahlberechtigten beteiligt, davon waren 30 % Frauen.
Auch in der Stadt Taragin (Fessan) standen am 25.08. Gemeinderatswahlen an, aber lokale Quellen berichten, dass Personen in Militäruniformen die Wahllokale schlossen und die Wahlunterlagen konfiszierten.
http://en.alwasat.ly/news/libya/293420
+ 22.08.: Die UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) begrüßt die nun eingesetzte Fact-Finding Mission on Libya (FFML), die Menschenrechtsverletzungen in Libyen aufklären soll. Die Sache hat nur einen großen Haken: Untersucht werden sollen nur solche Fälle, die nach 2016 geschehen sind. Damit ignoriert die UNSMIL alle Menschenrechtsverletzungen, die zwischen 2011 und 2016 in Libyen geschehen sind. Dazu zählten die Massengräber von Jannat in Misrata, das Massaker von Gharghour (2013), die gegen Bani Walid verhängte Resolution 7 und die Vorgänge um Tawerga sowie die Verwüstung der Stadt. Nicht untersucht werden auch die Zerstörung des Internationalen Flughafens von Tripolis 2014 durch den Libya Dawn und der Brand und die Zerstörung des Flughafens von Tripolis im Jahr 2014 und die Vertreibungen aus Wirschefana.
Die UNSMIL hält damit eine schützende Hand über Fathi Bashagha, dem jetzigen Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, der 2011 Militärrat in Misrata war und später als verantwortlicher Kommandant zum Libya Dawn gehörte. Bashagha war der Hauptverantwortliche, zusammen mit Ali Sallabi, Kommandant im Zintan-Militärrat, und Osama Dschuweili, dem gegenwärtigen Kommandeur der westlichen Militärzone der ‚Einheitsregierung‘. Sie alle werden nicht belangt.
https://almarsad.co/en/2020/08/22/ignoring-jannat-gharghour-resolution-7-and-tawergha-williams-supports-investigating-only-post-2016-violations/
25.08.: Der Vorsitzende des Blocks Ihya Libyen (Libysche Wiederbelebung), Dr. Aref Ali Nayed, wandte sich am Montag in einem Offenen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, und forderte die Ausweitung des Mandats der kürzlich von der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) ernannten Factfinding Mission auf alle von 2011 bis gestern begangenen Verstöße.
Nayed kritisierte auch die Angriffe auf die Stadt al-Asabaa und angrenzende Ortschaften sowie das harte Durchgreifen gegen die dortige Zivilbevölkerung.
Ebenfalls verurteilte er das Vorgehen gegen Demonstranten in Tripolis mit scharfer Munition verschiedenen Kalibers (einschließlich der Flak 14,5-Kaliber). Die Demonstranten hätten lediglich ihre Grundrechte auf ein menschenwürdiges Leben und die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen eingefordert.
Außerdem verwies Nayed auf die anhaltende Verbringung von syrischen Söldnern über die Türkei nach Libyen.
https://almarsad.co/en/2020/08/24/ihya-libya-bloc-demands-guterres-to-expand-investigations-of-violations-from-2011-to-yesterday/
+ 25.08.: Nach einer Analyse des militärische Kooperationsabkommen zwischen Katar, Libyen und der Türkei kam der italienische Politologe Giuseppe Gagliano zu dem Schluss, es sei Teil einer seit 2011 geplanten Strategie der Zusammenarbeit, Ausbildung und Finanzierung von radikalen islamistischen Gruppen, die als proxy-Kämpfer dienten.
Der Bericht zeige, dass die Waffenimporte Katars aus der Türkei dramatisch zugenommen haben, wodurch Ankara Einnahmen in Höhe von 335 Millionen US-Dollar erzielen konnte. "Doha unterstützte offen die türkische Militäroperation Frühling des Friedens im Nordosten Syriens, um den Einfluss der Muslimbruderschaft auszuweiten”.
Der italienische Analyst fügte hinzu: "Was die Beziehungen zwischen Libyen und Katar betrifft, so nutzte Doha die politischen Schwächen sowohl der Europäischen Union als auch der UNO aus. Darüber hinaus hat der relative Rückzug der USA vom Schauplatz im Nahen Osten - angesichts der Tatsache, dass die Prioritäten der Trump-Administration China, der Indopazifikraum und Russland sind - Doha in der Tat einen zweifellosen strategischen Vorteil verschafft".
Zu Libyen sagte Gagliano: "Katar hat die Instabilität ausgenutzt und versucht, diese günstige Gelegenheit zu nutzen, um auf geopolitischer Hinsicht in Libyen mehr Gewicht und Bedeutung zu erlangen. […] Wir sollten auch nicht die wichtige Rolle vergessen, die ihre Spezialeinheiten beim letzten Angriff auf Gaddafi gespielt haben.
Mit dem Sturz des Gaddafi-Regimes erkannte Katar den Nationalen Übergangsrat als eine legitime politische Institution an und unterstützte ihn auf allen Ebenen. Ein weiteres Druckmittel und gleichzeitig ein Mittel zum Vordringen nach Libyen waren sicherlich die vom Gaddafi-Regime verfolgten Brüder Ali Sallabi und Ismail as-Sallabi. Vor allem Ali Sallabi ist einer der wichtigsten Männer, die mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehen. Ein weiterer wichtiger Mann für Katar war zweifellos Abdelhakim Belhadsch, der als Führer der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) sowohl von der CIA als auch vom US-Außenministerium als gefährlicher Terrorist eingeschätzt wird.
Katar investiert viel in den Wiederaufbau der militärischen Infrastruktur von Tripolis. Es ist kein Zufall, dass die katarische Delegation, die kürzlich Tripolis besuchte, aus Militärberatern und Ausbildern bestand, die sich mit ihren libyschen und türkischen Kollegen trafen.”
https://almarsad.co/en/2020/08/25/italian-report-on-qatari-role-in-training-terrorist-groups-during-2011-in-libya/
+ Tagesschau berichtet: „Airbus unterstützt die türkischen Streitkräfte bei der Wartung von Transportflugzeugen, die nach Libyen fliegen. Die Türkei bringt trotz UN-Embargo Waffen, Rüstungsgerät und Söldner in das Bürgerkriegsland. […] seit Kurzem haben die türkischen Streitkräfte eine regelrechte Luftbrücke in das Bürgerkriegsland eingerichtet, bei der Europas Luftfahrtriese Airbus eine wichtige Rolle spielt. Der Konzern, dessen Rüstungssparte in Ottobrunn bei München sitzt, wartet trotz Waffenembargo vor Ort in der Türkei Transportflugzeuge des Typs A400M und hält sie damit einsatzfähig für ihre Libyen-Missionen. Mindestens zwölf Mal setzten die türkischen Streitkräfte seit Ende Juni ihr modernstes Transportflugzeug ein. Das geht aus einer Auswertung von Flugzeug-Trackingseiten hervor. […] Ein Video, das am türkischen Flughafen Gaziantep an der Grenze zu Syrien aufgenommen wurde, zeigt eine Gruppe dunkel gekleideter Personen an der Laderampe eines A400M. Der Flughafen gilt als Drehscheibe für syrische Söldner, die von der Türkei nach Libyen gebracht werden. Kurz nach der Veröffentlichung des Videos am 9. Juli bei Instagram startete eine A400M-Maschine in Gaziantep und landete im libyschen Misrata, wie auf Flighttracking-Seiten zu erkennen ist. “ Es gäbe durchaus die Möglichkeit, die Türkei unter Druck zu setzen, denn „der Vertragspartner von Airbus für den A400M ist nicht die Türkei, sondern die internationale Beschaffungsorganisation Occar in Bonn.“
„Der Grünen-Rüstungsexperte Tobias Lindner meinte, es kann nicht sein, dass eine europäische Firma der Türkei dabei hilft, das Waffenembargo gegen Libyen zu brechen.“
https://www.tagesschau.de/investigativ/report-muenchen/airbus-tuerkei-libyen-101.html
+ Für Weißrussland steht das Schlimmste zu befürchten! Der berühmt-berüchtigte Kriegstreiber Bernard-Henri Lévy ist in Lettland aufgetaucht und bezeichnet Swetlana Tichanowskaja als ‚Muse der Revolution‘. Minsk verweigerte ihm die Einreise.
Bernard-Henri Lévy darf nirgends fehlen, wenn es darum geht, Staaten und Nationen zu zerstören. Er hatte in Jugoslawien genauso seine Finger im Spiel wie in der Ukraine, in Libyen und Syrien.
https://deutsch.rt.com/europa/105843-muse-der-revolution-philosoph-bernard-henri-levy-trifft-swetlana-tichanowskaja/
Erdöl/Erdgas
+ 24.08.: „Der umstrittene Einsatz des Forschungsschiffs «Oruc Reis» im östlichen Mittelmeer soll um vier Tage verlängert werden. Das Schiff, das derzeit nach Öl- und Gasvorkommen sucht, solle dort bis zum 27. August bleiben, teilte die türkische Marine mit. Zwischen den Nato-Mitgliedern Griechenland und der Türkei gibt es seit längerem Spannungen aufgrund sich überschneidender Ansprüche auf die Seegebiete im östlichen Mittelmeer.“
„Die Griechen sind ein wichtiger und natürlicher strategischer Partner“, sagte ein hochrangiger Offizier für internationale Zusammenarbeit kürzlich in einem Interview mit der Jerusalem Post und fügte hinzu, dass „jemand die leere Stelle füllen musste, als wir aufhörten, Übungen mit den Türken zu machen“.
https://www.nzz.ch/international/tuerkei-griechenland-wettlauf-um-erdgas-im-mittelmeer-ld.1571955?kid=nl118_2020-8-23&mktcid=nled&ga=1&mktcval=118_2020-08-19&trco=&reduced=true
+ 24.08.: Erdogan betont, dass er keinen Schritt zurückweichen werde. Der deutsche Außenminister Maas ist für direkte Gespräche zwischen Griechenland und der Türkei.
https://deutsch.rt.com/europa/105918-verbohrte-nato-partner-maas-will/
+ 25.08.: Derweil berichtet heute die Tagesschau: „Der Streit zwischen den Nachbarländern Griechenland und Türkei um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer spitzt sich zu. Beide Staaten haben für heute rivalisierende Militärmanöver angekündigt. Nachdem Griechenland eine militärische Übung südlich der Insel Kreta angesetzt hatte, reagierte das türkische Verteidigungsministerium mit der Ankündigung eines eigenen Manövers zur selben Zeit in derselben Region.“
https://www.tagesschau.de/ausland/streit-tuerkei-griechenland-101.html
+ 23.08.: Die Jerusalem Post schreibt: „Vier F-16-Kampfflugzeuge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sind auf der griechischen Insel Kreta gelandet, um an gemeinsamen Übungen mit dem Mittelmeerland teilzunehmen, da die Spannungen mit der benachbarten Türkei zunehmen.
Die Jets werden zusammen mit Hilfspersonal, Ingenieuren und Bodenpersonal auf dem Luftwaffenstützpunkt Souda auf Kreta stationiert und werden gemeinsame Übungen mit den griechischen Streitkräften über dem östlichen Mittelmeer durchführen.
[…] Israel unterhält eine umfassende Zusammenarbeit mit Griechenland und hat an mehreren militärischen Übungen der Luft-, See- und Bodentruppen mit dem Mittelmeerland teilgenommen, insbesondere nach der Herabstufung der Beziehungen zur Türkei.
„Die Griechen sind ein wichtiger und natürlicher strategischer Partner“, sagte ein hochrangiger Offizier für internationale Zusammenarbeit kürzlich in einem Interview mit der Jerusalem Post und fügte hinzu, dass „jemand die leere Stelle füllen musste, als wir aufhörten, Übungen mit den Türken zu machen“.
https://www.jpost.com/middle-east/uae-sends-f-16-jets-to-crete-for-joint-drills-with-greece-639739