Internationales Gezerre um Libyen
Libyen/Türkei/EU. Berlin-Konferenz soll
trotz fehlendem Waffenstillstandsabkommen stattfinden / LNA lehnt
„Friedenstruppen“ ab / Saleh kämpft für Unterstützung durch arabische Staaten
Vorbereitungen zur Berlin-Konferenz gehen weiter
Das deutsche Außenministerium teilte mit, Staats- und Regierungschefs aus 12
Ländern (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, die Vereinigten
Arabischen Emirate, die Türkei, die Republik Kongo, Italien, Ägypten, Algerien)
sind zur Libyen-Konferenz in Berlin am 19. Januar eingeladen. Daneben sind auch
die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die Afrikanische Union und die
Arabische Allianz vertreten. Auf libyscher Seite wurden für die sogenannte
‚Einheitsregierung‘ in Tripolis as-Sarradsch und aus Bengasi Feldmarschall
Haftar eingeladen. Ob auch der Vorsitzende des demokratisch und international
anerkannten libyschen Parlaments, Aguila Saleh, eine Einladung bekommen hat,
ist nicht bekannt. Aus den USA werden der Außenminister Mike Pompeo und der
nationale Sicherheitsberater Robert O'Brien erwartet.
Obwohl die griechische Regierung darum bat, wurde Griechenland die Einladung
verweigert.
Das Treffen soll trotz der Weigerung der Delegation aus Bengasi, das von
Moskau und Ankara vorbereitete Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen,
stattfinden. Eine vorher kurzzeitig vereinbarte Waffenruhe wurde inzwischen
vielfach gebrochen.
Truppen nach Libyen
Italien bot an, bei einem anhaltenden Waffenstillstand 300 Soldaten nach
Libyen zu entsenden, im Rahmen einer sogenannten „Friedensmission“. Der
italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte sagte: „Wir werden darüber in
Berlin diskutieren und wenn die richtigen Bedingungen vorliegen, ist Italien
verfügbar. Aber wir werden keines unserer Kinder dorthin schicken, ohne dass
Sicherheitsvereinbarungen und ein klares Mandat existieren.“
Verteidigungsminister Lorenzo Gueini sagte am 15. Januar, dass die jüngsten
Entwicklungen, gemeint ist der angebliche Waffenstillstand, bedeuten, dass
Italien seine militärische Präsenz in Libyen wieder aufbauen könne. Laut dem
italienischen
Messaggero sagte er: „Wir könnten uns eine
internationale Intervention vorstellen, um den Sicherheitsrahmen zu festigen.
Eine eventuelle Bitte um Unterstützung der internationalen Gemeinschaft würden
wir respektieren“. Italien unterstützt die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ unter
Sarradsch und hat bei Misrata bereits eine Militärbasis errichtet.
Die Vorsitzende des EU-Ausschusses für die Beziehungen zu den
Maghreb-Staaten, Andrea Cozzolino erklärte: „Eine EU-Mission nach Libyen sollte
so bald wie möglich entsandt werden, um Frieden und Dialog zu fördern, um den
Berliner Prozess zu unterstützen und steht in voller Abstimmung mit dem
UN-Sonderbeauftragten Ghassan Salamé.“
Zu dumm nur, dass überhaupt kein Waffenstillstand existiert. Nur scheint das
bei der EU nicht weiter zu interessieren. Es wird so getan als wären Saleh und
Haftar, die Delegierten des Parlaments und der LNA, nicht aus Moskau abgereist,
ohne das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet zu haben.
Die Pläne, eine internationale „Friedenstruppe“ nach Libyen zu entsenden,
ist im Grunde eine militärische Intervention, um die unrechtmäßige
‚Einheitsregierung‘ an der Macht zu halten. Dies wird von der LNA „vollständig
abgelehnt“. In einem Gespräch mit
Asharq Al-Awsat sagte ein ranghoher
Militär, dass die LNA die Entsendung von Friedenstruppen der UN, der EU oder
anderer internationaler Organisationen nicht akzeptieren werde. Vorstellbar sei
einzig, den Waffenstillstand bis zur Abhaltung der Berliner Konferenz zu
verlängern.
Die Europäer wollen also mit allen Mitteln, auch militärischen, ihren
Zugriff auf Libyen sichern und dort ihre Truppen stationieren. Natürlich alles
unter dem Vorwand, dort für Stabilität und Demokratisierung zu sorgen. Dieses
Vorgehen ist von 2011 bekannt, wo Libyen mit Krieg überzogen und ins Verderben
gestürzt wurde, alles unter dem Deckmäntelchen von „Demokratie und
Menschenrechten“.
Es soll eine Pseudo-Regierung in Tripolis am Leben erhalten werden, die
keinen Rückhalt in der Bevölkerung und im Parlament hat, sondern die von der
Türkei, der Moslembruderschaft und den eigenen Milizen erpresst wird.
Historisches Treffen der Stämme angekündigt
Der Hohe Rat der Stammes- und Stadtältesten und -führer wird sich treffen,
um über die vollständige Abschaltung aller Erdölanlagen (Ölfelder und
Hafenanlagen) zu beraten.
Das
Treffen findet unter dem Motto statt: Libyan blood is worth more the oil against
Turkish greed.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1217243526473420802
Die Stämme bekräftigen weiter ihre Unterstützung für die LNA. So
verurteilten heute die Kouloughlis-Stämme Erdogans Ambitionen in Libyen: „Wir
sind unserer Armee treu und stellen uns gegen die Terroristen“.
Aguila Saleh vor dem Arabischen Parlament
Am 15. Januar forderte der Vorsitzende des libyschen Parlaments, Aguila
Saleh, das Arabische Parlament (Parlament der Arabischen Liga) in Kairo dazu
auf, die Anerkennung des Präsidialrats und der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis
wegen Verstößen gegen die Verfassungserklärung und das Skhirat-Abkommen zu
widerrufen. Jeder Verstoß gegen die Verfassungserklärung sei auch ein Verstoß
gegen die Einheit, Sicherheit und territoriale Integrität des Landes. Er
erklärte: „Die Amtszeit des Präsidialrats und der ‚Einheitsregierung‘ ist lange
vorbei und die ‚Einheitsregierung‘ wurde vom Parlament nie anerkannt. Die
Aufrechterhaltung deren Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft liegt
nicht im Interesse des libyschen Volkes.“
Saleh rief das Arabische Parlament dazu auf, die Bemühungen des libyschen
Volkes zur Terrorismusbekämpfung und zur Abwehr der türkischen Invasion in
Libyen zu unterstützen. Der von der UN eingesetzte Präsidialrat räume der
Türkei das Recht ein, sich in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen
und das Land zu besetzen. Und weiter: „Die LNA hat es geschafft, Libyen vom
Terrorismus zu befreien. Sie setzt den Kampf um die Befreiung von Tripolis fort
und wird ihn bald gewinnen.“
Zur Unterzeichnung des
Memorandum of Understanding zur Seegrenze
mit der Türkei und eines militärischen Beistandspaktes erklärte Saleh: „Die
‚Einheitsregierung hat kein Recht, Abkommen zu unterzeichnen, weil sie niemals
das Vertrauen des Parlaments gewonnen und den verfassungsmäßigen Eid geleistet
hat.“ Die beiden Memoranden „machen das Östliche Mittelmeer zu einer Brutstätte
für Konflikte“. Er forderte die arabischen Länder auf, der türkischen
Intervention in Libyen entgegenzutreten. Saleh forderte ein gemeinsames
arabisches Verteidigungsabkommen.
Das Arabische Parlament hat anschließend die türkische Intervention in
Libyen verurteilt. Es betrachte die Entsendung von Truppen durch die Türkei als
Invasion und Bedrohung für alle arabischen Staaten. Es forderte ihre
Regierungen auf, sich gemeinsam gegen die „türkische Gier“ zu stellen.
Bereits am 14. Januar hatte Saleh verkündet, dass die LNA ihre Aufgabe,
Tripolis von den Milizen zu befreien, erfüllen werde: „Die Waffenruhe ist
vorbei und wir werden in Tripolis weiterkämpfen“.
Wie die LNA heute bekanntgab, wurde von ihr eine weitere Position der
Tripolis-Milizen erobert.
Ägyptisches Parlament gibt Präsidenten Handlungsfreiheit
Das ägyptische Parlament ermächtigte den ägyptischen Präsidenten as-Sisi,
nach eigenem Ermessen auf die türkische Intervention zu reagieren. „Ägypten
wird nicht abseits stehen, wenn seine libysche Brüder Hilfe brauchen.“
Sarradschs ‚Einheitsregierung‘ von Machtkämpfen erschüttert
Wie
LibyaDesk berichtet, schilderte der stellvertretende libysche
Botschafter in Tunesien, Mohamed Mirdas, in einem Interview bei
WasatTV detailliert
die Funktionsweise der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis. Mirdas beschuldigte die
Politiker in Tripolis der Korruption und erhob besonders gegen den
Innenminister Fatih Bashagha schwere Vorwürfe. Dieses Interview dürfte die
Machtkämpfe innerhalb der ‚Einheitsregierung‘ weiter anfachen.
Syrische Söldner in Tripolis
Wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bekanntgibt, sind
drei weitere türkische „Söldner“ bei den anhaltenden Zusammenstößen in Tripolis
ums Leben gekommen. Damit habe sich die Gesamtzahl der getöteten protürkischen
Kämpfer auf 14 erhöht.
Mit diesem Schicksal wollen sich nicht alle der von der Türkei nach Libyen
verfrachteten syrischen Söldner abfinden. Heute Morgen sollen in
Aljanzur/Tripolis 14 syrische Söldner Verträge mit Schleppern geschlossen
haben, um für je tausend US-Dollar über das Mittelmeer nach Italien gebracht zu
werden.
Der britische Guardian brachte heute einen Exklusiv-Bericht über 2.000
syrische Söldner, die von der Türkei nach Libyen entsandt werden, um an der
Seite der Milizen der sogenannten ‚Einheitsregierung‘ gegen die Armee des
libyschen Parlaments zu kämpfen. Ein Teil von ihnen ist bereits im Land
eingetroffen. Die ersten 300 Kämpfer aus der zweiten Division der SNA, einer
von der Türkei finanzierten syrischen Rebellengruppe, verließ Syrien am 24.
Dezember über den Grenzübergang Hawar Kilis, gefolgt von weiteren 350 am 29.
Dezember. Sie wurden nach Tripolis, geflogen, wo sie an vorderster Front im
Osten der Stadt eingesetzt werden.
Weitere 1.350 Männer sind am 5. Januar in die Türkei eingereist. Einige wurden
seitdem nach Libyen gebracht, während andere noch in Camps in der Südtürkei
ausgebildet werden. Die Ausreise weitere Kämpfer der islamistischen Sham-Legion
nach Libyen wird erwartet.
Besonders infam: Die Division, zu der diese syrischen Kämpfer
zusammengeschlossen werden, soll ausgerechnet den Namen des in Libyen
hochverehrten Widerstandskämpfers Omar al-Mukhtar tragen.
Wie der
Guardian weiter berichtet, haben die syrischen Söldner
direkt Verträge mit der ‚Einheitsregierung‘ und nicht mit dem türkischen
Militär geschlossen. Allerdings hat ihnen der türkische Staat die
Staatsbürgerschaft für ihren Kampf in Libyen zugesagt. Daneben kommt die Türkei
für medizinische Kosten und die Rückführung der Toten nach Syrien auf. Den
Männern wird eingeredet, sie seien in Libyen, „um den Islam zu verteidigen“.
Den syrischen Söldnern sei untersagt, in sozialen Medien ihren Aufenthalt in
Libyen bekannt zu machen. Laut Erdogan sind erst 35 türkische Soldaten in
beratender Funktion nach Tripolis entsandt. Dies ist sicher auch der Ablehnung
des militärischen Engagements in Libyen innerhalb der türkischen Öffentlichkeit
geschuldet.
https://www.theguardian.com/world/2020/jan/14/libyan-warlord-haftar-leaves-moscow-without-signing-ceasefire-deal
http://www.ansamed.info/ansamed/en/news/sections/politics/2020/01/15/libya-us-will-attend-the-berlin-conference
https://www.europeaninterest.eu/article/ep-delegation-chair-calls-eu-mission-libya/
https://deutsch.rt.com/afrika/96835-haftar-vertreter-verkundet-wiederaufnahme-militarischer
https://www.thenational.ae/world/europe/italy-offers-to-organise-libya-peacekeepers-1.964871
https://www.egypttoday.com/Article/2/79652/Libyan-Speaker-urges-Arab-Parliament-to-withdraw-recognition-of-GNA
https://m.aawsat.com/english/home/article/2083676/sending-peacekeeping-forces-libya
https://aawsat.com/english/home/article/2082656/pro-turkey
https://www.theguardian.com/world/2020/jan/15/exclusive-2000-syrian-troops-deployed-to-libya-to-support-regime