Libysche Stämme schließen Ölanlagen
Libyen. Vor
Berlin-Konferenz verhärten sich die Fronten immer mehr. Erwartungen herunter
geschraubt: Jetzt soll in Berlin nur ein Prozess angestoßen werden.
Nachdem zur Unterstützung der sogenannten
‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch erneut von der Türkei syrische Söldner nach
Libyen geschafft wurden, schlossen heute die libyschen Stämme im Osten und
Westen des Landes die Erdölanlagen. Sie protestieren damit, dass aus den
Öleinnahmen syrische Söldner bezahlt werden.
Betroffen von den Schließungen ist der libysche Ölhalbmond,
für dessen Sicherheit der Magharba-Stamm zuständig ist. In den Anlagen von
Zuwaitina, Brega, Ras Lanuf und Sidra wurde die Arbeit eingestellt.
Ebenfalls geschlossen wurden die Anlagen des al-Hariga Ölhafens
(Tubrok) und al-Zwitina. Der Hohe Rat des Azwayia-Stammes hat ebenfalls den
Stopp der Ölproduktion und die Schließung der Ölfelder im Gebiet von Ajkharra
und Sarir bekanntgegeben.
Die Schließung der Ölanlagen soll so lange anhalten, bis die
LNA die komplette Kontrolle über das Land erlangt und es gesichert hat.
In einem Tweet wird gefordert, die Anlagen solange
geschlossen zu halten, bis:
1. Die „verräterische Erdogan-Kolonialregierung“ in Tripolis
gefallen ist
2. Alle syrischen Söldner das Land verlassen haben
3. Alles türkische Militär aus Libyen abgezogen wurde
4. Die zwischen Erdogan und der ‚Einheitsregierung‘ geschlossenen Abmachungen revidiert sind.
2. Alle syrischen Söldner das Land verlassen haben
3. Alles türkische Militär aus Libyen abgezogen wurde
4. Die zwischen Erdogan und der ‚Einheitsregierung‘ geschlossenen Abmachungen revidiert sind.
Stark betroffen von dem Erdölstopp sind vor allen Italien,
China, Spanien, Deutschland und Frankreich, aber auch Österreich. „Libyen ist
traditionell einer der wichtigsten Erdöllieferanten der Bundesrepublik; es lag
2018 in der deutschen Importstatistik auf Rang drei hinter Russland und knapp
hinter Norwegen. Die BASF-Tochtergesellschaft Wintershall fördert seit 1958
Erdöl in dem Land und gehört zu Libyens größten Ölproduzenten. Sie klagt
bereits seit Jahren, dass sie kriegsbedingt auf ihren Erdölfeldern in der
ostlibyschen Wüste Verluste schreibt.“ Und weiter: „Die Bundesrepublik, die
sich als angeblich unparteiische Mittlerin im Krieg in Libyen präsentiert, hat
tatsächlich starke Wirtschaftsinteressen in dem Land. Libyen ist traditionell
ein bedeutender Erdöllieferant der Bundesrepublik; nach großen, kriegsbedingten
Schwankungen seit 2011 stieg es im Jahr 2018 mit Exporten in einem Volumen von
7,26 Millionen Tonnen wieder zum drittgrößten Lieferanten nach Russland und
Norwegen auf. Hinzu kommt, dass das Land einst auch ein dankbarer Abnehmer
deutscher Produkte war: 2010, im letzten Jahr vor Kriegsbeginn, konnten
deutsche Unternehmen Waren im Wert von fast einer Milliarde Euro dorthin
verkaufen. Der Krieg hat das Geschäft drastisch reduziert; im Jahr 2018
erreichten die deutschen Ausfuhren nach Libyen nur noch gut 300 Millionen Euro.
>Sollte sich die Situation in Libyen jedoch wieder normalisieren und das
Land den Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Infrastruktur beschließen, hat
Libyen das Potential, wieder zu einem wichtigen Partner der deutschen
Wirtschaft heranzuwachsen<, wird Volker Treier, Außenwirtschaftschef des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zitiert.“[1]
Welche Auswirkung die Schließung der Ölförderung auf den
Ölpreis insgesamt und somit auf den Weltmarkt hat, bleibt abzuwarten. Sowohl
der Iran als auch Venezuela scheiden augenblicklich wegen der US-amerikanischen
Situationen als Lieferanten aus.
Wie stets wurden bei den Berlin-Gesprächen die libyschen
Stämme und Städte, sprich die libysche Bevölkerung, vollständig ausgeblendet.
Doch auch diesmal zeigt sich, dass diese über eine beträchtliche Wirkmacht
verfügen und ohne die Stämme in Libyen nichts geht.
Erdogan gießt derweil weiter Öl ins Feuer, indem er
mitteilte, mit der Stationierung türkischer Truppen in Libyen zu beginnen. Ob
diese Ankündigung kurz vor Beginn der Libyenkonferenz in Berlin für ihn
hilfreich ist, wird sich zeigen. Erst heute Morgen sollen wieder 250 syrische
Söldner in Libyen angekommen sein. Wie viele türkische Soldaten möchte er denn
eigentlich nach Libyen schicken, um die Ölfelder zu sichern und gegen das
Militär und die Bevölkerung, die geschlossen gegen ihn stehen, zu kämpfen?
Diese türkische Militärintervention kann nur in einem Fiasko enden.
Und was bitte soll eine sogenannte europäische
„Friedenstruppe“ in Libyen, wie sie Italien immer wieder vorschlägt? Den Kampf
nicht nur gegen die LNA, sondern auch gegen die Bevölkerung, sprich Stämme,
aufnehmen, die bereits verkündeten, solche „Friedenstruppen“ niemals zu dulden?
Verbündete werden sie dort keine mehr finden, nach all den Lügen, Heucheleien
und Missachtungen des Völkerrechts.
Griechenland will
Libyen-Abkommen blockieren
Griechenland, das trotz seines Wunsches nicht zur
Libyen-Konferenz nach Berlin eingeladen wurde,
hat mit der Blockade eines europäischen Libyen-Abkommens gedroht, falls
das zwischen Erdogan und der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis geschlossene
Abkommen, das die Seegrenzen zwischen Libyen und der Türkei festlegt, nicht
aufgehoben wird, so der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis in AlphaTV: „Griechenland wird auf der
Ebene eines (EU-) Gipfeltreffens nie eine politische Lösung zu Libyen
akzeptieren, die nicht als Vorbedingung die Annullierung dieser Vereinbarung
enthält. Einfach ausgedrückt werden wir unser Veto sogar schon einlegen bevor
die Angelegenheit den Gipfel erreicht, auf Außenministerebene.“ Und zu dem
erzwungenen Fernbleiben von der Berlin-Konferenz meinte er: „Wir haben
Seegrenzen mit Libyen und wir hätten in Berlin sein sollen."
Nachdem der Oberkommandierende der Libyschen Nationalarmee
(LNA), Feldmarschall Haftar, gestern mit dem griechischen Außenminister Dendias
und heute mit Mitsotakis Gespräche führte, ließ die LNA auf Twitter wissen:
„Mit dem griechischen Außenminister beginnt eine neue Ära der
Freundschaftskooperation und ein Bündnis, das für immer Bestand haben wird.“
Und der griechische Außenminister ließ seinerseits wissen: „Griechenland ist
bereit, Libyen schon morgen zu unterstützen. Eine große Freundschaft und ein
Bündnis sind entstanden, das über Generationen Bestand haben und niemals
vergessen werden wird. Das libysche Volk wird sich unseres Kampfes erinnern und
daran, wie Griechenland in der Stunde der Not Libyen Beistand leistete.“
Von einer gemeinsamen Außenpolitik der EU kann in Sachen
Libyen also keine Rede sein. Griechenland und Frankreich stehen fest an der
Seite der LNA und des libyschen Parlaments in Bengasi, während Italien und auch
Deutschland die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unterstützen und den
Nato-Partner Türkei Truppen nach Libyen schicken lassen.
Ein Grieche fragt auf Twitter: „Wie oft wird Deutschland
noch auf der falschen Seite der Geschichte stehen? Sie verstehen es einfach
nicht. Sie bauen großartige Maschinen, aber das ist es auch, wenn es um
ethische Fragen geht, oder einfach darum, das Richtige zu tun, können sie damit
nicht umgehen.“
https://twitter.com/grpetrakis/status/1218162581476728832
https://twitter.com/grpetrakis/status/1218162581476728832
Bundesaußenminister
Maas in Bengasi
Doch vielleicht zeigt sich Außenminister Maas auch
lernfähig. Gestern noch als „abtrünniger Warlord“ beschimpft, wird
Feldmarschall Haftar heute schon hofiert! Gestern flog Außenminister Maas
höchstpersönlich in Bengasi ein, um den „Warlord“, sprich den
Oberkommandierenden der LNA, Feldmarschall Haftar, zu überreden, er möge doch bitte,
bitte am Sonntag nach Berlin kommen, damit die Libyen-Konferenz überhaupt
irgendeinen Sinn macht.
Betrachtet man das Video vom Treffen der beiden, ist man
erstaunt, welch charmantes Lächeln Maas auf sein Gesicht zaubert. Mit seiner
Schleimerei hat er zumindest erreicht, dass der Waffenstillstand, brüchig wie
er ist, noch bis zur Konferenz aufrechterhalten wird und Haftar seine Teilnahme
noch nicht abgesagt hat.
https://twitter.com/LyWitness/status/1217826989001838593
https://twitter.com/LyWitness/status/1217826989001838593
Maas auf Twitter: „Bei meinem Besuch heute in Libyen hat
General Haftar deutlich gemacht: Er will zum Erfolg der Libyen-Konferenz in
Berlin einen Beitrag leisten und ist grundsätzlich bereit teilzunehmen. Er hat
zugesagt, den bestehenden Waffenstillstand einzuhalten.“
Der russische Außenminister Lawrow meinte zu Berlin, es sei
Sache der Kriegsparteien in Libyen, ihre Probleme zu lösen, ganz gleich, wie
das Ergebnis einer bevorstehenden Berliner Konferenz über diese langjährige
Krise aussehen könnte. Er fügte hinzu, dass die gegenwärtigen Beziehungen
zwischen den beiden verfeindeten Seiten „sehr angespannt waren, sie wollen
nicht einmal im selben Raum sein, geschweige denn miteinander sprechen oder
sich treffen.“
Ihre Teilnahme in Berlin haben auch Putin, Macron und
Johnson zugesagt. Johnson? Ja, wo steht eigentlich Großbritannien? Ach so, die
sind dort mit Harry und Meghan beschäftigt.
Grausame Tat
erschüttert Libyen
Die Wogen in den sozialen Medien schlagen hoch, seit Videos
veröffentlicht wurden, die zeigen, wie heute während des Waffenstillstands neun
Zivilisten in Ain Zara (Tripolis) bei ihrer Heimfahrt von syrischen Söldnern
erschossen wurden.
Die LNA gab bekannt, sie habe 25.000 Soldaten zur
Verstärkung des Frontabschnitts nach Westlibyen verlegt.
A. Gutsche
Länderprofil Libyen der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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