Libyen im Mai
Was geschah… eine
unvollständige Auflistung
Mai 2016
Nicht mehr einzeln aufgeführt werden die meisten der fast
täglichen Bootsunglücke vor der libyschen Küste, bei denen viele Migranten ums
Leben kommen. Sie sind nicht vergessen!
01.05. Ein Oberst der libyschen Armee, Abdullah
Sweissi, wurde nahe seines Hauses in Tarhouna (85 km südöstlich von Tripolis)
ermordet. Oberst Sweissi war vom Präsidialrat zum Befehlshaber des
Sicherheitsteams ernannt worden, das für die Bewachung des Verteidigungsministeriums
zuständig ist. Seine Familie macht
eine islamistische Brigade für den Mord verantwortlich.
01.05. In Sirte soll ein Erschießungskommando des
IS den Armeekommandanten Ahnaish Gaddafi und zwei weitere Soldaten ermordet
haben. Der IS versucht damit,
jeden Widerstand angesichts der erwarteten militärischen Offensive zu
unterdrücken. Ahnaish Gaddafi war ein führendes Mitglied des
Gaddafi-Stammes. Die beiden anderen Soldaten waren in Derna entführt und nach
Sirte gebracht worden.
Der IS soll auch fünf Personen in Ben
Jawad im Osten von Sirte getötet haben.
Die Zufahrten zu Sirte sind inzwischen vom IS vermint, der auf den Straßen auch
Sandbarrieren und etliche Checkpoints errichtet hat, damit die noch
verbliebenen Bewohner von Sirte die Stadt nicht mehr verlassen können.
01.05. Während
die Bevölkerung in Sirte immer mehr unter den Repressionen des IS leidet, ist
ein Machtkampf über den Oberbefehl der libyschen Streitkräfte ausgebrochen.
Es geht dabei um die Frage, wer die militärische Führung ausübt, Generalmajor
Hefter mit der Libyschen Nationalarmee oder sein Rivale Ibrahim Dschethren, der
die paramilitärsiche PFG kommandiert, die die ostlibyschen Ölanlagen bewacht.
01.05. Bei
der gegen den IS gerichteten Offensive von Generalmajor Hefter kamen im April
in Bengasi 25 Soldaten der Saika-Spezialeinsatzkräfte zu Tode, 93 wurden
verwundet.
01.05. Laut
UN-SMIL (United Nations Support Mission in Libya) kamen im April in Libyen 33
Zivilisten ums Leben, 14 wurden verletzt.
02.05. JamahariyaNewsAgency:
Das 50. Infanteriebataillon der Rischwana-Armee (Dschamahirija) bewegt sich auf
Sirte zu.
02.05. JamahiriyaNewsAgency:
Allein in den letzten 15 Tagen sind im Krankenhaus von Sebha 12 Neugeborene
gestorben.
02.05. Der
italienische Premierminister Matteo Renzi sagt, seine Regierung hätte
monatelang dem Druck von außen widerstanden, militärisch in Libyen zu
intervenieren. Immer hieß es: „Los, interveniert, schickt Flugzeuge und 5000
Leute nach Libyen.“
Obwohl von Renzi nicht ausdrücklich genannt, meinte er wohl die USA,
die Europa dazu drängen, die Führung bei einer Intervention in Libyen zu
übernehmen. Die italienische Militärführung hätte misstrauisch auf diese
ungenau definierte Mission reagiert.
02.05. 13
Ukrainern, die vormals zum medizinischen Personal in Sirte gehörten, gelang die
Flucht aus der vom IS gehaltenen Stadt.
Vier andere Ukrainer werden bereits seit 2011 im Gefängnis am Mitiga-Flughafen
bei Tripolis von den Abdul-Rauf-Kara-Milizen gefangen gehalten.
02.05. Drei
Kinder kamen in Bengasi durch eine Sprengfalle ums Leben, eine
Hinterlassenschaft der von dort vertriebenen islamistischen Milizen.
02.05. Am
2. Mai befasste sich der Journalist Eric Zuesse mit Artikeln, die die
Hintergründe für den Syrienkrieg darlegen und eine Drahtzieherschaft für den
Giftgasangriff auf Zivilisten in einem Vorort von Damaskus im August 2013 den
USA nahelegen. Das dabei verwendete Sarin soll aus Libyen stammen.
Der angesehene investigative
Journalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh hat sich in zwei Artikeln,
die vor einiger Zeit in der angesehenen ‚London Review of Books‘ veröffentlicht
wurden, mit der Herkunft des zur Herstellung von Giftgas notwendigen Sarins,
das bei einem Giftgas-Anschlag in Syrien benutzt wurde, beschäftigt.
Dabei
hätten sich Hinweise verdichtet, dass Hillary Clinton ihre Zustimmung
gab, das später beim Anschlag verwendete Sarin aus libyschen Militärbeständen
von Libyen nach Syrien zu bringen. Dem hätte ein ausgeklügelter Plan zugrunde
gelegen: Die Obama-Administration konnte den Anschlag Bashar al-Assad in die
Schuhe schieben und dies fälschlich als Grund für eine Invasion in Syrien
nutzen.[3]
Dem Ganzen lag Hersh zufolge ein
2012 geschlossenes, geheimes Abkommen zwischen der Obama-Administration, der
Türkei, Saudi-Arabien und Katar zugrunde. Hersh: „Die Vereinbarungen sahen vor,
dass die Türkei, Saudi Arabien und Katar die Finanzierung übernehmen sollten
und die CIA mit Unterstützung des MI6 für die Beschaffung der Waffen aus dem
Gaddafi-Arsenal und deren Lieferung nach Syrien verantwortlich war.“ Die ‚rote
Linie‘, die Assad nicht hätte überschreiten dürfen, war für Obama der
Giftgasanschlag auf Zivilisten.
Tatsächlich hätte es aber bei dem
Giftgas-Einsatz in Syrien keine ‚red line‘, sondern eine ‚rat line‘ gegeben.
Als ‚Rattenweg‘ wurde von der CIA ein ‚back channel highway‘, ein Schleuserweg
nach Syrien, bezeichnet. Die ‚rat line‘ wurde laut Hersh 2012 genehmigt, um
Waffen und Munition von Libyen über die Türkei nach Syrien zu bringen, um sie
dort an die syrische Opposition zu verteilen. Viele Waffen landeten schließlich
bei dschihadistischen Gruppen, von denen sich manche al-Kaida angeschlossen
hatten. Die Obama-Administration hat niemals öffentlich zugegeben, hierbei eine
Rolle gespielt zu haben.
Aus mehreren anderen unabhängigen
Berichten geht hervor, dass sich in Gaddafis Waffenarsenal neben den
herkömmlichen Waffen auch das zur Herstellung von Giftgasbomben benötigte
Sarin-Gas befunden hat.
Eine wichtige Rolle bei den
Lieferungen von erbeuteten Waffen aus libyschen Militärbeständen an die
‚Aufständischen‘ in Syrien spielte das US-Konsulat in Bengasi und der später
ermordete amerikanische Botschafter in Libyen, Christopher Stevens, der laut
Hersh über recht einzigartige diplomatische Eigenschaften (‚solely diplomatic
capacity‘) verfügte. Ein anderer Journalist, Christoph Lehmann, hatte getitelt:
„Top US- und Saudi-Offizielle verantwortlich für chemische Waffen in Syrien“.
[5] Und
weiter: „Die Beweise führen direkt ins Weiße Haus, zum Stabschefvorsitzenden
Martin Dempsey, zu CIA-Direktor John Brennan, zum Chef des saudischen
Geheimdienstes Prinz Bandar und zum saudi-arabischen Innenminister.“
In einem Interview[6]
beschuldigt Hersh nun auch Hillary Clinton, in die in Bengasi von der CIA
organisierten Waffenlieferungen inklusive des Giftgases Sarin von Libyen nach
Syrien verwickelt gewesen zu sein. Der bei einem späteren Angriff auf das
Konsulat in Bengasi getötete US-Botschafter Stevens wusste laut Hersh mit
Sicherheit über die Waffenschieberei Bescheid. Hersh sagt: „Dieser Botschafter,
der ermordet wurde, war – soweit ich das verstehe – bekannt als jemand, der
sich der CIA nicht in den Weg stellt. Ich schrieb: Am Tag dieser Mission
[Verschiffung des Waffenarsenals zur Weiterleitung an syrische Aufständische]
hatte er sich mit dem örtlichen CIA-Boss und Vertretern der Schiffsgesellschaft
getroffen. Er war mit Sicherheit involviert, sich der Sache bewusst, ein Zeuge
davon, was vor sich ging. Und es ist ausgeschlossen, dass sich jemand in so
einer sensiblen Position nicht irgendwie mit seinem Boss abspricht.“ Sein Boss
war Hillary Clinton.
03.05. JamahiriyaNewsAgency:
Eine Delegation des Obersten Rates der libyschen Stämme und Städte
ist in Tunesien eingetroffen, um eine Konferenz über deren Rolle bei der
Eindämmung der aktuellen Krise innerhalb Libyens und in der gesamten Region
abzuhalten.
03.05. JamahiriyaNewsAgency:
Derzeit umzingeln bewaffnete Truppen die wenigen übriggebliebenen
Al-Kaida-Kämpfer im Osten des Landes.
Um anschließend die Stadt Sirte vom IS zu befreien, werden sich Truppen aus
allen Landesteilen zusammenschließen. Dies sei seit längerem geplant.
03.05. Laut
einem Bewohner von Sirte, dem vor drei Tagen die Flucht nach Tripolis gelang,
herrscht in der vom IS beherrschten Stadt eine humanitäre Katastrophe. Es
mangle an Nahrungsmitteln, Geld und Medizin. Der IS hätte eine Frauen-Einheit
aufgestellt, die die Häuser kontrolliert, um nach Satelliten-TV oder verbotenen
Druckerzeugnissen zu suchen. Jeder will fliehen, allerdings müsse er allen
Besitz zurücklassen.
IS-Kämpfer haben alle Ausfallstraßen von
Sirte mittels Sandbarrieren geschlossen.
03.05. Es
wird weiterhin in Libyen gekämpft, die Lage ist unübersichtlich. Laut
Libyaherald kam es heute in der
Stadt Zillah, die sich 400 Kilometer südöstlich von Sirte im Dschufra-Distrikt
befindet, zu Zusammenstößen zwischen Kämpfern, die der Libyschen Nationalarmee
LNA zuzurechnen sind, und islamistischen Milizen aus Bengasi, die von Zijad
Belaam angeführt werden.
Die Miliz ist Teil des „Revolutionären Schura-Rats“, der die letzten zwei
Jahre in Bengasi gegen die LNA kämpfte. Belaam pendelte nach seiner Rückkehr
aus der Türkei, wo er wegen einer Schussverletzung behandelt worden war,
zwischen den Städten Misrata, Tripolis, Zillah und Sabratha.
In Zillah kämpften die „Sudan Rebel Justice“ und die „Equality Movement“
JEM, die sich der LNA angeschlossen haben und in das Gebiet vorgedrungen sind,
gegen die islamistische Miliz von Belaam. JEM kämpfte 2011 auf Seiten Gaddafis.
Es heißt, In Zillah hätten sich Belaams Kämpfer zurückziehen müssen. Es
hätte sich um aus Bengasi geflüchtete Dschihadisten gehandelt.
Die Libysche Nationalarmee, das heißt in diesem Fall die JEM, kontrolliert nun
Zillah. In den letzten Tagen wurde berichtet, dass sich sowohl Pro-LNA-Truppen
(wie Tuareg-Kämpfer) als auch Pro-Misrata-Kämpfer, in Richtung
Dschufra-Distrikt bewegt hätten, um in jeweils eigenständig geplanten
Operationen Sirte vom Süden her anzugreifen.
Unklar ist, ob die LNA-Hauptstreitkräfte vor Ajdabija gestoppt worden sind oder
sich in der Stadt selbst aufhalten. Ibrahim Dschadhran, der Konkurrent von
Generalmajor Hefter um die militärische Führung, soll Bedingungen für den
Aufenthalt der LNA-Armee in Ajdabija gestellt haben.
Sowohl die Libysche Nationalarmee als auch die Misrata-Truppen wollen die
ersten bei der Befreiung Sirtes sein. Es könnte zu Kämpfen zwischen den beiden
kommen.
03.05. JamahiriyaNewsAgency
veröffentlicht eine
Stellungnahme des Libyan People’s National Movement (LPNM). Darin heißt es
unter anderem, dass 1. den Leistungen der bewaffneten Kräfte zur Säuberung Libyens
von Terroristen hoher Respekt gezollt wird. Alle bewaffneten Kräfte und
Sicherheitsdienste sollten ihre Kräfte vereinen, um die bewaffneten Einsätze zu
verstärken. 2. LPNM hält einen nationalen Dialog für wichtig, der zu echter
nationaler Aussöhnung führt, welcher auf der Ablehnung von Streitigkeiten und
Entschädigungen und Reparation ebenso beruht
wie auf Amnestie und Freilassung von Gefangenen und der Würdigung der
Märtyrer. Auf die Wichtigkeit vertrauensbildender Maßnahmen wird verwiesen.
Unumgänglich sei die bedingungslose Freilassung aller Gefangenen. An dieser
Stelle wird den Verantwortlichen von Misrata für die Freilassung von Gefangenen
als Zeichen des guten Willens gedankt. 3. Auch islamistische Gruppen sollen in
einen allgemeinen Dialog einbezogen werden, wenn sie dem Terrorismus
abgeschworen und ihren guten Willen bewiesen haben.
Es kann keine nationale Aussöhnung geben, a) wenn nicht alle Gefangenen
freigelassen werden, b) wenn die nationalen Prinzipien nicht gelten, c) mit
jenen, die die Verantwortung für das Unglück tragen, das Libyen in die
augenblickliche Krise gestürzt hat.
03.05. Emily
Estelle analysiert in einem Beitrag von JamahiriyaNewsAgency, warum es nicht
ausreicht, den IS aus Sirte zu vertreiben.
Sie schreibt, dass Sirte für den IS eine Stadt ist, die, wenn sie nicht
mehr zu halten ist, durchaus aufgegeben werden kann. Der Rückzug in den Fessan
sei schon geplant. Von dort aus würde der IS mit Hilfe von IS-Zellen im
Nordwesten und Nordosten Libyens einen asymmetrischen Krieg beginnen, der
Anschläge auf Ölanlagen oder Attentate auf weiche Ziele wie Märkte in größeren
Städten beinhaltet.
Vom Fessan aus würde der IS Kampfzellen in Tunesien und Algerien unterstützen,
aber auch solche im Sahelgebiet. Es könnten auch Angriffe auf französische und
US-amerikanische Militärbasen im Niger erfolgen.
Vom IS angeführte Angriffe in Tunesien würden die dortige Regierung bedrohen
und es dem IS ermöglichen, in den unterwickelten Provinzen an Boden zu
gewinnen. Von dort könnte ebenfalls ein asymmetrischer Krieg begonnen werden,
um den Staat zu destabilisieren.
Der IS würde versuchen, eine westliche Intervention zu verhindern, indem es
deren militärischen Ziele in diesen Ländern angreift.
Die Befreiung von Sirte sollte also nicht gleichgesetzt werden mit der
Eindämmung des IS in Libyen, denn der IS würde unverzüglich neue Fronten in
ganz Nordafrika eröffnen.
05.05. In
Bengasi feuerten Dschihadisten vier Mörsergranaten in eine Demonstration. Es
wurden sieben Menschen getötet und an die 40 verletzt. Der Angriff scheint
eine Reaktion auf den Vormarsch der Libyschen Nationalarmee LNA auf Sirte
gewesen zu sein. Die Demonstranten unterstützten die LNA und protestierten
gegen die Einheitsregierung in Tripolis und jede ausländische Einmischung in
Libyen.
06.05. Dschihadisten
erobern nach Kämpfen mit Misrata-Milizen die etwa 100 Kilometer westlich von
Sirte gelegene Stadt Abu Grein. Laut Augenzeugenberichten hätte der IS in
den eroberten Gebieten seine schwarze Flagge über Moscheen und der
Regierungszentrale gehisst.
Insgesamt sollen drei Selbstmordanschlägen mit Toten und Verletzten erfolgt
sein.
07.05. Die
Libysche Nationalarmee gibt bekannt, die Kontrolle über den gesamten
Dschufra-Bezirk übernommen zu haben, einschließlich des
Dschufra-Militärflughafens bei Hun. Auch die Ölfelder seien
gesichert.
09.05. Die Tobruk-Regierung hat damit gedroht, den
Ölhafen Marsa al-Hariga bei Tobruk zu schließen. Über diesen Hafen wird der
Großteil der libyschen Erdölexporte abgewickelt. Der Versuch der
Tobruk-Regierung, Öl über den Hafen ohne die Institutionen in Tripolis
abzuwickeln, wurde von einem amerikanischen Kriegsschiff vereitelt.
Die Ölförderung brach von ehemals 1,5 Mio. Barrel (2012) auf aktuell 340.000
Barrel pro Tag ein.
09.05. Der
Präsidialrat der libyschen ‚Einheitsregierung‘ hat die Aufstellung einer
Präsidialgarde angekündigt. Dies wird von Dschamahirija als Staatsstreich
betrachtet.
Die Entscheidung zur Aufstellung einer Präsidialgarde sei ein Bruch des
Abkommens von Skhirat (Marokko), denn dieses hatte eine Auflösung der Milizen
und ihren Rückzug aus Tripolis vorgesehen. Stattdessen werden nun die
Interessen Katars und der Türkei durchgesetzt. Das Personal der neuen
Präsidialgarde wird sich aus den dschihadistischen Milizen von Tripolis
zusammensetzen, die nun die Grenzen, Marinestützpunkte und Flughäfen sichern
sollen.
Die Libysche Nationalarmee wird sich ihre Entmachtung nicht gefallen lassen.
Siehe meinen Blog-Beitrag:
https://www.freitag.de/autoren/gela/in-libyen-exkaliert-die-lage
09.05. Sarratsch
nahm an einem Treffen mit der Arabischen Liga in Kairo teil.
Begleitet wurde Sarratsch vom
designierten stellvertretenden Premierminister Ahmed Maetig. Dieser will
Russland für die Bekämpfung des Terrorismus um Hilfe bitten, denn
Libyen habe enge Bindungen an Russland, da die meisten libyschen Führungskräfte
in Russland studiert hätten.
10.05. Der
Prozess gegen al-Saadi Gaddafi vor dem Berufungsgericht in Tripolis ist zum
sechsten Mal verschoben worden und soll nun am 25. Mai stattfinden.
10.05. Der italienische General Paolo Serra,
Militärberater von Martin Kobler, wurde am Flughafen von Zintan gezwungen, die
Stadt wieder zu verlassen. Serra
wollte an Gesprächen des Militärrats teilnehmen. Er wurde als „Grazianis Enkel“
beschimpft. Graziani war in der Zeit der italienischen Besatzung unter
Mussolini als „Schlächter von Libyen“ bekannt.
Der Oberste Rat der libyschen Stämme und Städte rühmt die Jugend von Zintan für
die Ausweisung Serras. Martin Kobler twittert: „Deeply disappointed that
UNSMIL staff could not have undisturbed meetings in Zintan #Libya today…”
11.05. Stundenlange Stromausfälle legen Tripolis
lahm.
11.05. Ein
Autobombe explodiert in Misrata und hinterlässt einen Toten und acht Verletzte.
Vermutlich handelt es sich um einen Anschlag des IS, der die Zerstörung
Misratas angedroht hatte.
Bisher ist Misrata nicht gegen den IS vorgegangen, einige Milizen der Stadt
scheinen sogar enge Verbindungen zu ihm zu pflegen. Da Teile von Misrata nun
die ‚Einheitsregierung‘ anerkannt haben, könnte der IS hierfür Rache üben.
11.05. 2.200
Familien sind aus Sirte und Umgebung geflohen. Viele kamen heute in Bani Walid
an. Das dortige Krankenhaus befindet sich in einer verzweifelten Situation, da
es an allem fehlt.
11.05. Das
Oberkommando der Libyschen Nationalarmee gibt in Bengasi bekannt, dass in Sirte
streng geheime Operationen gegen den IS durchgeführt werden. Der IS würde
versuchen, sich einen Fluchtweg nach Süden zu sichern.
13.05. Dem
britischen Parlament liegt ein Bericht vor, nachdem die EU-Marine-Mission
‚Sophia‘, die 2015 mit dem Ziel gegründet worden war, illegalen Fluchtwege über
das Mittelmeer zu sperren, sehr zweifelhafte Ergebnisse aufweist. Laut sputniknews.com wirke die Marine-Mission
als Magnet auf Fluchtwillige und sei für das Schmugglergeschäft sogar noch
nützlich. Die Kosten für die Mission ‚Sophia‘ betragen pro Jahr 12 Millionen
Euro.
Laut der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX kamen im Jahr 2015 mehr als 1,8
Millionen Migranten in der EU an.
13.05. Die
Washington Post berichtet, dass seit Ende vergangenen Jahres in Bengasi,
Misrata und Umgebung militärische Sondereinheiten stationiert sind. Es
handle sich dabei um sogenannte ‚Kontaktteams‘ zu je 25 Soldaten.
13.05. Der
ehemalige britische Militärchef Lord Tugendhat hat sich gegen die Stationierung
britischer Truppen in Libyen ausgesprochen. Ein militärischer Einsatz in
dem Land könnte zu einem ‚Afghanistan-Desaster‘ führen.
14.05. Laut
der Fox News Korrespondentin Catherine Herridge ist zu vermuten, dass Abdelhakim
Belhadsch sich dem IS in Libyen angeschlossen hat und die IS-Milizen nun
anführt.
Belhadsch war der Kommandant der Libyan Islamic Fighting
Group LIFG und maßgeblich am Sturz Gaddafis beteiligt. Obwohl bekannt war, dass
er für al-Kaida in Afghanistan gekämpft hatte, wurde er in Libyen von den USA
und der NATO unterstützt und zum Chef des Militärrats in Tripolis gemacht. Sein
jetziger Anschluss an den IS könnte es der Terrormiliz erleichtern, Kämpfer aus
den ‚gemäßigten‘ Islamistengruppen zu rekrutieren.
Der IS soll von neu errichteten Ausbildungslagern in der Nähe der Stadt Derna
konkrete Hilfe erhalten.
15.05. Ein
Dozent für Kunst und Medien der Universität Tripolis wurde heute an der Straße
zum Flughafen ermordet aufgefunden.
Bei dem Opfer eines zweiten Mordes handelt es sich um einen Polizeileutnant,
der beim Verlassen seiner Polizeistation in Tripolis erschossen wurde.
16.05. Misrata-Milizen
geben bekannt, ihnen sei heute nach heftigen Kämpfen die Rückeroberung Abu
Greins vom IS gelungen. Die Luftwaffe von Misrata (wieso hat Misrata eine eigene Luftwaffe?) hätte auch Stellungen
des IS westlich von Sirte bombardiert.
16.05. In
Wien fand eine sogenannte ‚Stabilisierungskonferenz für Libyen‘ statt. Sie
sollte zur Stützung der ‚Einheitsregierung‘ beitragen, die von den Teilnehmern
als einzig legitime Regierung Libyens anerkannt wurde. Jeglicher offizieller
Kontakt mit parallelen Institutionen müsse eingestellt werden. Einzig die
‚Einheitsregierung sei Ansprechpartner für Sicherheitsfragen und trüge auch die
alleinige Verantwortung für die libyschen Ressourcen. [
Dieser Passus bezieht sich auf die Tobruk-Regierung, die nach ihrer
Flucht aus Tripolis eine eigene Nationale Öl-Kooperative und Zentralbank im
Osten des Landes eingerichtet hatte. ]
In dem Kommuniqué heißt es, dass in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 2278
Schlüsselinstitutionen wie die Zentralbank, die nationale Öl-Kooperative und
die libysche Investmentbehörde unter die alleinige Kontrolle der
‚Einheitsregierung‘ gestellt werden.
Die Einsetzung einer ‚Präsidialgarde‘ wurde begrüßt und das Waffenembargo gegen
Libyen soll zum Teil zugunsten der ‚Einheitsregierung‘ aufgehoben werden.
[W
arum
erhält diese Marionetten-‚Einheitsregierung‘ die Möglichkeit zum Waffenkauf,
während sie der gewählten Tobruk-Regierung, die sich immer im Kampf gegen
Dschihadsten und den IS befand, vorenthalten wurde?
Offensichtlich ist, dass die Strategie der Moslembruderschaft darin besteht,
mit Hilfe von der Türkei und Katar eine Präsidialgarde aufzustellen, die die legitime
Libysche Nationalarmee ersetzen soll.
Mit dieser Aufstellung einer ‚Präsidialgarde‘ soll die Auflösung der Libyschen
Nationalarmee, die loyal hinter der Tobruk-Regierung (House of Representatives
HoR) steht, eingeleitet werden. Seit der Ankündigung, die Stadt Sirte vom IS
befreien zu wollen, eskaliert der Streit zwischen der Tobruk-Regierung
beziehungsweise der Libyschen Nationarmee und der ‚Einheitsregierung‘ immer
stärker.]
Siehe meinen Blog-Beitrag:
https://www.freitag.de/autoren/gela/in-libyen-exkaliert-die-lage
Allerdings sagte der russische Botschafter für Libyen, Molotkov, dem
italienischen Fernsehsender RAI: "Es ist verfrüht zu sagen, dass das
Waffenembargo bald aufgehoben wird, da es vom UN-Sicherheitsrat beschlossen
werden und eine weite Spannbreite von Kriterien und Bedingungen erfüllen
muss." Die Vereinbarungen müssten jetzt erst schriftlich ausgearbeitet
werden.
In Wien ist auch der neue von al-Sarradsch ernannte Außenminister Taher
Sidschala anwesend. Sidschala war bereits in der Ära Gaddafi Außenminister.
17.05. Die
JamahiriyaNewsAgency gibt zur Wiener ‚Stabilisierungskonferenz für Libyen‘
folgende Erklärung ab:
„Der Sinn dieses Treffens war es, den imperialistischen
Staatsstreich zu Ende zu bringen, eine illegitime Regierung zu legitimieren und
Regelungen für eine ständige ausländische Besatzung Libyens zu erstellen. [ …]
Obwohl es sich um eine reine Propagandaveranstaltung gehandelt hat, sind die
Folgen für die Souveränität Libyens verheerend.
Ein Beobachter merkte an, dass es kein Zufall ist, dass dieses Treffen, am
hundertsten Jahrestag der Unterzeichnung des Sykes-Picot-Abkommens stattfand.
Für das Empire ist dies ein Sieg. Für die freien Menschen in Libyen eine offene
Kriegserklärung.“
17.05. Der
von Sarradsch geführte Präsidialrat will nicht länger auf die Zustimmung des
Tobruk-Parlaments warten, sondern rief die ‚Einheitsregierung‘ dazu auf, mit
der Arbeit zu beginnen.
[Der Präsidialrat hat dabei völlig
ignoriert, dass diese ‚Einheitsregierung‘ ohne die Zustimmung von Tobruk
illegal ist.]
Die vor drei Monaten vorgestellte Ministerliste wurde nicht verändert.
Verteidigungsminister wird Mahdi Ibrahim al-Barghathi. Es gibt 18 Minister,
daneben drei spezielle Minister und fünf Vizepräsidenten.
17.05. Laut
dem ‚Corriere della Sera‘ will Italien die Entsendung von Truppen nach Libyen
bis zur Schaffung politischer Stabilität verschieben. Berichte des
italienischen Geheimdienstes über die weiterhin bestehende hohe Unsicherheit im
Land hätten diesen Beschluss nahegelegt.
17.05. Der
türkische Parlamentarier Eren Erden legte Dokumente vor, die beweisen, dass die
türkische Behörden Mitglieder des IS unterstützt. Sie erhielten in der Türkei
medizinische Betreuung, Wohnungen und Geld.
17.05. Innerhalb
weniger Stunden werden über 1.100 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet, die
auf dem Weg von Libyen nach Italien waren.
17.05. Die
beiden nationalen Öl-Kooperativen – eine in Tripolis und eine in Bengasi – sind
am 16.5. übereingekommen, miteinander zu kooperieren, um die Ausfuhr von Öl aus
Libyen zu ermöglichen. Allerdings ist fraglich, ob dieses Abkommen auch
einhalten wird. Im Moment kann keine der beiden Öl-Kooperativen Öl
exportieren, da sie sich gegenseitig blockieren. Im Westen des Landes sind die
Pipelines von Zintan-Milizen geschlossen worden, im Osten wird der einzige
Exporthafen, der sich im Moment in Betrieb befindet, von beiden Öl-Kooperativen
blockiert: Die Tobruk-Regierung lässt keine Tanker der Tripolis-Öl-Kooperativen
beladen und die ‚Einheitsregierung‘ lässt mit westlicher Hilfe keine Schiffe
auslaufen, die von der Tobruk-Öl-Kooperative beladen wurden.
Trotz der Vereinbarungen von Wien weigert sich die Tobruk-Regierung, mit der
Sarradsch-Administration zusammenzuarbeiten. Ölfelder, die mit anderen
Öl-Terminals im Osten Libyens verbunden sind, stehen unter der Kontrolle der
Libyschen Nationalarmee von Khalifa Hefter. Er wird einem Ölexport kaum
zustimmen, wenn die Erträge an die Zentralbank in Tripolis gehen, die von
Sarradsch und seiner Einheitsregierung kontrolliert wird.
Es ist unklar, wen die in Wien ansässige OPEC als libyschen Vertreter
akzeptieren wird: Die OPEC hat eigentlich die Öl-Kooperative von Bengasi als
die legale Vertretung Libyens anerkannt, allerdings behauptet jetzt die UNO,
dass nur mit der Öl-Kooperative von Tripolis verhandelt werden darf, da diese
vom Präsidialrat kontrolliert würde.
17.05. In
einem Interview mit ‚Russia-today‘ sagt die Autorin Diana Johnstone, dass die
von der internationale Gemeinschaft und der UN eingesetzte ‚Einheitsregierung‘
in Wahrheit ein Instrument der US-Regierung sei.
Die Regierung nenne sich zwar ‚Einheitsregierung‘ – es gäbe aber keine
‚libysche Einheit‘. Deshalb handle es sich um eine Regierung der ‚internationalen
Einheit‘, die es den USA ermögliche, in Libyen den IS zu bekämpfen. Dieser
befinde sich aber nur in Libyen, weil die USA das Land bombardiert haben. Ein
Zirkelschluss: Die USA schaffen Chaos, um anschließend Soldaten in das Land zu
entsenden.
Und Abayomi Azikiwe, Herausgeber der ‚Pan-African News Wire‘ meint, dass vor
fünf Jahren das Pentagon, die CIA und die NATO erst extremistische
Organisationen in Libyen ermöglicht hätten. Innerhalb von sieben Monaten wären
10.000 Bomben auf Libyen abgeworfen worden. Das hätte dem IS den Weg geebnet.
Wie sollten sie jetzt eine Lösung haben für dieses von ihnen selbst geschaffene
Problem?
Und Marko Gasic, ein Kommentator der internationalen Politik, verweist auf das
Chaos, das in Libyen herrscht, auf Allianzen, die ständig wechseln und die man
kaum vorhersehen kann. Es mache überhaupt keinen Sinn, Waffen in das „troubled
Libyan water“ zu bringen. Das würde nur die eine Seite ermutigen, die andere
anzugreifen. Es gäbe noch mehr Flüchtlinge, neue Probleme in Libyen und in der
ganzen Region. Denn natürlich würde mit den Waffen nicht nur der IS angegriffen
werden. Wenn jemand Waffen hat, richte er sie auf alle seine Feinde, um seine
Interessen zu verteidigen. Dies führe zu noch mehr Instabilität in Libyen und
eine Verringerung für die Chance, eine Lösung zu finden, die alle Seiten
einschließt. Durch Waffenlieferungen würde die Polarisierung nicht geringer,
sondern größer werden.
17.05. DjamahiriyaNewsAgency:
Die Präsidialgarde ist eine terroristische Organisation, die nicht legitimiert
oder bewaffnet werden darf.
17.05. Khalifa
Hefter, vom Tobruk-Parlament zum Oberkommandanten der Libyschen Nationalarmee
ernannt, sagte in einem TV-Interview: „Die Entscheidungen der
‚Einheitsregierung‘ sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben werden.
Sie gehen mich nichts an.“ Denn die ‚Einheitsregierung‘ sei vom
Tobruk-Parlament nicht – wie vorgeschrieben – anerkannt worden. Hefter lehnte
auch die Präsidialgarde des Präsidialrats ab. Er wolle seine
Zeit auch nicht mit einem Treffen mit Martin Kobler verschwenden: „Ich vertraue
der Armee und der Polizei und nicht einem UN-Beamten.“ Er wolle der Armee, die
von der NATO-Intervention 2011 schwer getroffen worden sei, zu ihrem ehemaligen
Ansehen zurückverhelfen. Die Libysche Nationalarmee repräsentiere alle Libyer.
Für den Terrorismus in der Welt machte Hefter die Moslembruderschaft
verantwortlich. Seine Aufgabe sei es, Terrorismus und Moslembruderschaft zu
bekämpfen.
17.05. In
einem Interview mit dem in Frankreich erscheinenden katholischen Magazin ‚La
Croix‘ sagte Papst Franziskus, dass die Art und Weise, wie der Westen versuche,
sein Demokratiemodell auf Libyen zu übertragen, dessen Art zu leben nicht
respektiere. Der
Papst meinte auch, dass die Intervention des Westens zum Sturz Gaddafis die
Situation im Land verschlimmert hätte. In Libyen existierten Stammesstrukturen.
„In Anbetracht des gegenwärtigen islamistischen Terrorismus, sollten wir die
Art hinterfragen, in der wir ein zu westliches Demokratiemodell in Länder
exportieren, in denen es strengere Machtausübung gab.“
18.05. Eine
MiG-Maschine stürzte – laut offiziellen Angaben aufgrund technischer Probleme –
beim Landeanflug auf den Militärstützpunkt von Tobruk ab. Zwei Menschen starben
bei dem Absturz. Bereits am 14.5. war ein Rettungshubschrauber auf diesem
Militärstützpunkt abgestürzt.
18.05. Ein
in seiner Offenheit schockierender CNN-Film zeigt, wie US-Spezialkräfte von
Sizilien aus „eine neue und vitale Front gegen den IS“ starten: „US-Spezialkräfte und Überwachungsflüge operieren
über Libyen und an Land: Der Westen führt Sicherheitsoperationen im Land durch,
um Libyens verzweifelten Kampf gegen den IS zu unterstützen.“
Spezialeinsatzkräfte hätten ihre Präsenz im Land kürzlich erhöht. Augenzeugen
und libysche Behörden hätten CNN bestätigt, dass diese sich nahe der Stadt
Misrata befänden, wo etwa ein Dutzend Soldaten von einer Basis nahe der Stadt
aus operieren. Verschiedene Teams befänden sich in der Gegend um Tripolis und
Misrata und im Osten des Landes. Sie würden die ‚Einheitsregierung‘ von Faijez
al-Sarradsch unterstützen. Es sei allerdings unklar, was genau der Einsatz in
Libyen beinhaltet, denn die Durchführung von Luft- und anderen Angriffen sei
nur begrenzt möglich.
CNN begleitete die Misrata-Milizen auf ihrer Fahrt Richtung Sirte.
http://edition.cnn.com/2016/05/18/middleeast/libya-isis-us-special-forces/
18.05. Die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlicht unter dem
Titel „We Feel We are Cursed: Life under ISIS in Sirte, Libya“ (‚Wir sind
verdammt: das Leben in Sirte unter dem IS ‘) einen 41 Seiten umfassenden
Bericht. Seit der IS Anfang 2015 die Herrschaft über Sirte erlangte, wurden
mindestens 49 Menschen hingerichtet, darunter Gefangene und politische
Opponenten sowie Personen, die der Spionage, der Gotteslästerung sowie der
Hexerei beschuldigt wurden. Von den IS-Kämpfern werden Lebensmittel, Geld,
Benzin und Medikamente beschlagnahmt ebenso wie Häuser der Bewohner von Sirte,
die auch gezwungen werden, ihre Töchter mit IS-Milizionären zu verheiraten.
Zwei Drittel der ehemals 80.000 Einwohner haben inzwischen die Stadt verlassen.
Der IS hat auch viele Kämpfer von Milizen entführt, von denen wohl die meisten
getötet wurden. Dabei handele es sich um Kriegsverbrechen und um Verbrechen
gegen die Menschlichkeit.
Die Einwohner von Sirte beschreiben, wie sie terrorisiert werden. Es komme zu
öffentlichen Köpfungen und Kreuzigungen. Eine sogenannte ‚Moralpolizei‘ patrouilliert
durch die Straßen der Stadt und überprüft die verhängten Verbote wie zu
rauchen, Musik zu hören, sich zu parfümieren, Alkohol zu trinken, Auch die
Kleiderordnung von Frauen werde überprüft. Die ganze Stadt lebe in Angst und
Schrecken.
Es fehle an Drogeriemärkten, im Krankenhaus arbeiten keine Ärzte und Schwestern
mehr, es mangle an Medikamenten. Der Universitätsbetrieb wurde eingestellt.
Es wird gefordert, dass der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen IS-Mitglieder
und deren Unterstützer erlässt, die gravierende Verbrechen in Libyen begangen
haben.
Der gesamte Report findet sich hier:
Download the full report in English
18.05. Vier
Personen wurden beim Geldabheben in einer Bank in Tripolis erschossen und zehn
verletzt. Eine lokale Miliz, von der die Menschen angenommen hatten, sie
wären für die Sicherheit verantwortlich, hatte das Feuer auf die Bankkunden
eröffnet.
18.05. Auf
der Küstenstraße nach Sirte wurden bei einer Reihe von Zusammenstößen 32
Mitglieder während der von Misrata geführten ‚Al-Bunjan Al-Marous‘ Operation,
die vom Präsidialrat gegen den IS gestartet worden war, getötet und weitere 50
Personen verletzt.
19.05. Die
Stadt Abu Grain (140 km westlich von Sirte) und zwei nahegelegene Dörfer sollen
von Milizen der neuen ‚Einheitsregierung‘ vom IS befreit und die IS-Kämpfer
nach Sirte zurückgetrieben worden sein.
19.05. Die
JamahiriyaNewsAgency befasst sich mit der Einsetzung einer neuen
‚Einheitsregierung‘, einer Präsidialgarde und deren Bewaffnung:
Kriegsvorbereitung
Die Vereinigten Staaten seien nicht daran interessiert, den
IS zu bekämpfen, sondern setzten tatsächliche terroristische Vereinigungen mit
legitimen Widerstandsbewegungen gleich. Fälschlicherweise sei behauptet worden,
dass sich der Grüne Widerstand in Libyen mit dem IS zusammengetan habe.
Tatsächlich wahr sei, dass der Grüne Widerstand immer und ohne jede Ausnahme
gegen alle Erscheinungen des politischen Islams eingetreten ist und ihn
bekämpfte, unabhängig unter welchem Namen er auftrat. Der Grüne Widerstand
wisse, dass alle Fraktionen des politischen Islams eine Bedrohung für die
Sicherheit und Souveränität des Landes darstellen.
Außerdem würden durch die US-Waffenlieferungen für die vom Ausland geschaffene
und eingesetzte ‚Einheitsregierung‘ mit ihrer aus der Miliz der libyschen
Morgendämmerung bestehenden ‚Präsidialgarde‘ in Wahrheit Terroristen bewaffnet.
Gleichzeitig würde der legitimen Libyschen Nationalarmee die nötige
Unterstützung entzogen, um wirkungsvoll gegen den IS in Libyen vorgehen zu
können.
Der Artikel gibt folgendes Zitat wieder: „Wir beziehen uns auf das Treffen in Istanbul unter dem Patronat des
türkischen Geheimdienstes, an dem eine Anzahl von [terroristischen]
Milizenführern teilnahmen, unter ihnen Abdul Rauf (‚Attribution Bataillon‘),
Abdul Ghani Alkklar, Junta-Chef Abu Salim und Khaled al-Scharif, die ‚Libyan
Islamic Fighting Group LIFG und weitere militärische Anführer des
Ahalboss-Bataillons, der Brigade Mahjoub, die zusammen mit der libyschen
Morgendämmerung die Milizen in der Hauptstadt Tripolis stellen.
Während dieses Treffens stellte Khaled al-Scharif sein Projekt
[Schaffung der Präsidialgarde] vor und erläuterte, dass die ‚Nationale
(Präsidial)garde‘, die zunächst aus 10.000 Mitglieder extremistischer Milizen
[Terroristen] gebildet werde, den Auftrag erhalte, die Hauptstadt und ihre
Vororte zu sichern, um die Arbeit der … von Farradsch geführten Regierung zu
ermöglichen. Diese Milizen stehen unter dem Schutz des Präsidialrats seit
dessen Ankunft auf der Marinebasis bei Tripolis Ende März.
Obwohl diese Entscheidung [eine Präsidialgarde zu schaffen] angeblich
auf der politischen Vereinbarung, die in der marokkanischen Stadt Skhirat am
17. Dezember 2015 getroffen wurde, beruht, […] verletzt diese Entscheidung das
Skhirat-Abkommen, das ausdrücklich die Entwaffnung der Milizen [terroristischer
Milizen] und ihre Entfernung aus Tripolis und anderen libyschen Städten
vorsieht… Der OS missbraucht diese Vereinbarung für seinen eigenen Plan, die
Interessen, Pläne und Machenschaften der Katar-Türkei-Achse durchzusetzen… Es
entspricht der Strategie der Moslembruderschaft, eine Nationalgarde in
Zusammenarbeit mit der Türkei und Katar zu schaffen, um die legitime Libysche
Nationalarmee zu ersetzen.
Ein anderer Plan, der von den Führern dieser Milizen geschmiedet wurde
und der mit der Zerstörung des libyschen Armeekommandos einhergeht, beinhaltet
die Mordkampagne, deren Ziel Offiziere in Tripolis waren.“
Der Autor des Artikels kommt zu dem Schluss, dass sowohl die Vereinigten
Staaten als auch die Vereinten Nationen auf konspirative Weise
-
die libysche Souveränität an sich reißen
-
einen Staatsstreich zu Ende bringen, den sie vor
fünf Jahren mit dem brutalen Mord an Muammar al-Gaddafi begonnen haben
-
die Moslembruderschaft als offizielle Regierung
an die Macht bringen
-
und Terroristen die Aufgabe übertragen, diese zu
beschützen
Er endet mit den Worten: „Dies
ist eine Regierung, die in Libyen niemand will. Eine Regierung, die Libyen zu
einem noch gefährlicheren Land machen wird. Eine Regierung, die für die
benachbarten Staaten eine größere Bedrohung darstellt.
Dieser verräterische Akt ist
nichts anderes, als wenn das islamische Kalifat selbst seine schwarze Flagge
über Tripolis gehisst hätte, während die Vereinten Nationen und
Staatsoberhäupter von über zwanzig Ländern sich in Wien getroffen haben, um
sich vor ihm und all seinem Horror zu verbeugen.“
https://jamahiriyanewsagency.wordpress.com/2016/05/19/preparing-for-war/
19.05. Die
hochgeachtete libysche EU-Botschafterin, Farida Allaghi, ist zurückgetreten.
Sie sagte, sie könne angesichts der politischen Situation in Libyen nicht länger
schweigen. Sie sehe die Rolle der internationalen Gemeinschaft in Libyen
sehr kritisch, besonders die der EU. Eine Anzahl Brüsseler und internationaler
Amtsträger würden für die Krise in Libyen die Verantwortung tragen. Sie hätte
schon früher aufgeben wollen, aber sie sah sich als Vertreterin der libyschen
Frauen.
19.05. Durch
ein Mörsergeschoss, das auf einer Kreuzung in Bengasi einschlug, wurden drei
Zivilisten getötet und neun weitere verletzt, drei von ihnen schwer. In der
Stadt halten sich noch vereinzelt Dschihadisten auf, obwohl der Großteil von
ihnen durch die libysche Nationalarmee aus der Stadt gedrängt wurde.
20.05. Die
‚Einheitsregierung‘ ist gegen den Plan Deutschlands, libysche Soldaten in
Tunesien durch die Bundeswehr ausbilden zu lassen. Die Ausbildung solle auf
libyschem Staatsgebiet erfolgen. Dies meint auch Tunesien. Das Nachbarland hat
Angst, es könnten sich unter den Auszubildenden Terroristen befinden, die so
nach Tunesien gelangten. Diese Angst erscheint durchaus berechtigt angesichts
der Zusammensetzung der neuen ‚Präsidialgarde‘, die vorwiegend aus al-Kaida
nahestehenden Milizen der Hauptstadt Tripolis besteht.
[Es wird immer absurder: Die
Bundeswehr bildet angehende Terroristen aus!]
Auch London ist sich uneins mit Berlin und möchte, dass Milizen von
britischen Spezialeinheiten auf libyschem Gebiet ausgebildet werden. Die
NATO-Staaten sind sich auch nicht einig, inwieweit die NATO bei Ausbildung der
Armee und der Bekämpfung von Waffen- und Flüchtlingsschmugglern involviert
werden soll. Klar ist, dass die NATO [!] bei der Installierung eines libyschen
Verteidigungsministeriums und bei der Ausbildung der Polizei und Küstenwache
helfen will.
22.05. Der
Chef der libyschen Nachrichtenagentur LANA in Tripolis, Ahmed Saad, ist wegen
Betrugs und Korruption verhaftet worden. Die libysche Zeitung Libyaherald meint, da es in Libyen
gerade extrem unwahrscheinlich sei, wegen Korruption belangt zu werden, dürften
politische Gründe hinter der Verhaftung stecken. Ahmed Saad könnte beim neuen
‚Präsidialrat‘ in Ungnade gefallen sein.
Es gibt noch eine zweite LANA-Agentur mit Sitz in Beida.
22.05. In
dem Ort Sorman (50 km westlich von Tripolis) und im Wadi Rabie (nahe dem
internationalen Flughafen von Tripolis) kam es zwischen Befürwortern und
Gegnern der ‚Einheitsregierung‘ zu Gefechten mit Toten und Verletzten. Die
Einwohner wurden aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen.
23.05. In
der ‚Times of Oman‘ schreibt Richard Galustian‘ über die beschlossenen
Waffenlieferungen an die ‚Einheitsregierung‘: Diese
‚Einheitsregierung‘ sei ein potemkinsches Dorf, da der Präsidialrat bzw. die
‚Einheitsregierung‘ über keinerlei Territorium verfüge, weder in Tripolis noch
irgendwo sonst in Libyen, mit Ausnahme eines Bunkers auf dem Marinestützpunkt
Abu Sita. Ihre militärischen Kräfte bestünden aus verschiedenen Milizen aller
extremistischen Schattierungen der Städte Tripolis, Zuwaia und Misrata und, was
am bedeutsamsten sei, aus Kämpfern der LIFG, die al-Kaida und der
Moslembruderschaft zuzurechnen sind. Gefährlich sei, dass der IS Freunde unter
den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ hat.
Noch unverständlicher werde die Bewaffnung dieser Gruppen im Hinblick
darauf, dass die Libysche Nationalarmee in den letzten zwei Wochen fast alle
Ölhäfen im Osten des Landes wie Hariga, Zeutina, Brega und Ras Lanuf unter ihre
Kontrolle gebracht hat. Die Marionettenregierung von Abu Sita sei also gar
nicht in der Lage, Erdöl ohne das Einverständnis der Libyschen Nationalarmee zu
verschiffen.
Eine wichtige Sonderrolle spielen dabei auch die Milizen von Zintan im
Nordwesten Libyens, die loyal zur Libyschen Nationalarmee stehen.
Warum die
„Tripolis-Morgendämmerung-Mischmasch-Extremistenführung“ trotzdem von den USA,
der UN und der EU bewaffnet werde? Zum einen könnte damit die ostlibysche Kyrenaika
dazu provoziert werden, ihre Unabhängigkeit von Libyen zu erklären, zum anderen
– und das sei der wahrscheinlichere Grund – würden die extremistischen
Gruppierungen der ‚Einheitsregierung‘ mit den neuen Waffen nicht den IS,
sondern ihren Feind, die Libysche Nationalarmee angreifen.
Sicher sei jedenfalls, dass die ‚Einheitsregierung‘ keinerlei Einheit für
Libyen bringen werde.
http://newsclick.in/international/libyan-quagmire-inevitably-continue
[Vielleicht sind ja gerade die großen Erfolge der Libyschen Nationalarmee in
der letzten Zeit der Grund für die Bewaffnung ihrer dschihadistischen Feinde in
Form der ‚Nationalgarde‘, mit deren Hilfe die Nationalbank und die libysche
Ölkooperative in Tripolis unter den Einfluss des Westens gebracht werden soll.]
23.05. Die
‚Einheitsregierung‘ hat bei der EU offiziell Hilfe beim Wiederaufbau der
Küstenwache und der Sicherheitskräfte des Landes beantragt.
23.05. Die
EU-Außenminister beschließen die Ausweitung des ‚Sophia‘-Mandats. Das
Mandat, das in internationalen Gewässern Schlepperboote stoppen und zerstören
kann, soll um ein Jahr verlängert und ausgeweitet werden. Neben dem Aufbau
einer Küstenwache soll auch das US-Waffenembargo überwacht werden, von dem
allerdings die ‚Einheitsregierung‘ und ihre islamistische Präsidialgarde
ausgenommen sind. Voraussetzung für die teilweise Aussetzung des Embargos ist
allerdings eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates, der auch Russland
zustimmen müsste.
24.05. Der
Stabschef der Libyschen Nationalarmee, Abdul Razak al-Nazhuri, sagte anlässlich
einer Absolventenfeier von 1.600 Spezialkräften in der Stadt Zintan, dass die
Libysche Nationalarmee nur noch zehn Kilometer von Tripolis entfernt sei und
die Hauptstadt bald befreien werde. Es hieß, die Absolventen kämen aus
allen Landesteilen. Zintan und seine Milizen stehen an der Seite der Libyschen
Nationalarmee und des Tobruk-Parlaments.
Al-Nazhuri sagte, es könne nur ein vereintes Libyen und nur eine libysche Armee
und Polizei geben. Dies sei die Botschaft an die neue ‚Einheitsregierung‘: Eine
vom Ausland eingesetzte Regierung werde nicht akzeptiert.
25.05. Der Vorsitzende des vom Ausland eingesetzten
Präsidialrats, Fajez Sarradsch, besucht Doha, die Hauptstadt Katars. Vorher
suchte er in der Türkei, in den Vereinten Arabischen Emiraten und in Saudi
Arabien Unterstützung für seine ‚Einheitsregierung‘, die inzwischen von weiten
Kreisen als ‚Regime‘ bezeichnet wird.
Sarradsch wird vorgeworfen, sich ausschließlich auf Reisen außerhalb Libyens
aufzuhalten. Das Tobruk-Parlament geht nun rechtlich gegen die
‚Einheitsregierung‘ vor, während die Libysche Nationalarmee auf Tripolis zu
marschiert, um die Hauptstadt mit militärischen Mitteln von der ‚ausländischen
Besatzungsmacht‘ zu befreien.
26.05. JamahiryaNewsAgency:
Die Familien der Führer islamistischer Milizen verlassen per Flugzeug in
Richtung Türkei oder über den Landweg nach Tunesien die libysche Hauptstadt
Tripolis.
Auch die Familie von Khaled al-Scharif (Libyan Islamic Fighting Group LIFG)
sei in die Türkei geflogen. Zwei mögliche Gründe werden genannt: Milizen von
al-Scharif und Belhadsch hätten sich in Richtung Süden in Bewegung gesetzt.
Oder: Es werden immer mehr Anführer von dschihadistischen Milizen in Tripolis
getötet, die für Gräueltaten und Massaker in den letzten fünf Jahren in
Tripolis verantwortlich waren.
Khalid al-Scharif war am 11. Januar 2013 zum stellvertretenden
Verteidigungsminister ernannt worden. Er arbeitete zusammen mit dem Militärrat
in Tripolis, der von Abdel Hakim Belhadsch geführt wurde. Aus dem Militärrat ging
die Nationalgarde hervor, die eng mit der Justizverwaltung zusammenarbeitete
und die Gefangenenlager kontrolliere, einschließlich des verrufenen
Al-Hadba-Gefängnisses.
Während des Treffens im März in Istanbul
schlug al-Scharif vor, Offiziere der libyschen Armee in Tripolis zu ermorden.
Tatsächlich wurden einige Offiziere Opfer des Mordkomplotts. Ziel war es, die
legitime Libysche Nationalarmee durch seine Nationalgarde zu ersetzen.
Die Al-Kaida-LIFG-Nationalgarde dürfte über etwa 10.000 Kämpfer verfügen und
stellt nun das Hauptkontingent der von der Wiener Konferenz abgesegneten
Präsidialgarde.
26.05. JamahiriyaNewsAgency:
Der Hohe Stammesrat im Fessan gab bekannt, den Süden der Region gegen die
Bedrohung durch den IS und kriminellen Banden sichern zu wollen. Da der
Präsidialrat in Tripolis nur zur weiteren gefährlichen Erosion der Sicherheit
beigetragen habe, würde er vom Hohen Rat nicht anerkannt, ebenso wenig wie die
Präsidialgarde. Der Fessan würde sich durch eine eigene Armee schützen, die die
gesamte südliche Region verteidigen wird und ausschließlich dem Hohen
Stammesrat verpflichtet ist. Eine zentrale Kommandozentrale sei eingerichtet,
von der aus alle Operationen geleitet werden.
26.05. Der Prozess gegen Saadi Gaddafi wird zum
sechsten Mal verschoben und soll jetzt am 12. Juli stattfinden. Die
Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, die sich mit willkürlicher Haft befasst,
hat die sofortige Freilassung aller Gefangenen von al-Hadba, einschließlich
Saadi Gaddafi, gefordert, da deren Festnahmen und Gerichtsverfahren gegen alle
internationalen Gesetze und Normen verstoßen hätten.
26.05. Die Staatsanwältin des Internationalen
Gerichtshofs, Fatou Bensouda, sagte vor dem UN-Sicherheitsrat, dass im Hinblick
auf dauerhafte Friedensbestrebungen sowohl Gerichtsbarkeit als auch
Zuständigkeiten und Abschreckung bei der Gesetzesausübung in Libyen eine
kritische Rolle spielten. Die Regierung müsse dazu ermutigt werden, Pläne
und Strategien zur Bekämpfung der Gräueltaten vorzulegen und in die zuständigen
Institutionen investieren.
Bensouda drängte die
‚Einheitsregierung‘, die Überstellung von Saif al-Islam Gaddafi an den
Internationalen Strafgerichtshof ohne weitere Verzögerungen voranzutreiben.
Da Saif al-Islam in Zintan inhaftiert und somit für den libyschen Staat nicht
greifbar ist, ist die Aufforderung für die Überstellung direkt an den
Kommandanten des Bataillons gerichtet worden, der für die Bewachung Saif al-Islams in Zintan zuständig ist.
Ebenso soll der ehemalige libyschen Sicherheitschef Abdullah Senussi nach Den
Haag überstellt werden.
Sowohl Saif al-Islam als auch Senussi wurden im Juli letzten Jahres von
einem Gericht in Tripolis, bei dem weitere 35 andere Angehörige der
Dschamahirija-Administration vor Gericht standen, zum Tode verurteilt. Der
Prozess wurde vom UN-Sondermission für Libyen, von Human Right Watch und von
Amnesty International als fehlerhaft, unfair und intransparent bezeichnet.
26.05. Salwa el-Daghili wurde vor Kurzem als libysche
Vertreterin bei der UN-Menschenrechtskommission in Genf vom stellvertretenden
Außenminister der ‚Einheitsregierung‘ abberufen. Salwa el-Daghili will aber ihren Posten weiter ausüben, da sie sich nur
den Entscheidungen des Tobruk-Parlaments, der einzig legitimen Vertretung des
libyschen Volkes, verpflichtet fühlt.
Es ist unklar, ob es ihr gelingen wird, ihren Posten zu behalten, denn die
UN muss die Vertreter der jeweiligen Staaten anerkennen oder ablehnen. Und laut
Martin Kobler ist nur die Einheitsregierung berechtigt, Repräsentanten zu
benennen.
[Und Kobler ist ja im Moment tonangebend,
was in Libyen Sache ist und was nicht.]
26.05. Es
gibt jetzt in Libyen nicht nur drei Regierungen, sondern auch zweierlei
Banknoten. Die Tobruk-Regierung
hat in Russland neue Geldscheine im Wert von vier Milliarden Libysche Dinar für
die Zentralbank in Baida drucken lassen. Diese Banknoten wurden zunächst von
der ‚Einheitsregierung‘ abgelehnt, dann schwenkte sie um und erkennt sie nun
doch an. Die ‚russischen‘ Banknoten, die ab 1. Juni in Umlauf kommen, haben im
ganzen Land Gültigkeit.
Es gibt seit dem Staatsstreich 2014 zwei Zentralbanken, eine in Tripolis und
eine in Baida.
Die Entscheidung der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis dürfte die USA verärgert
haben, denn deren Botschaft erklärte die neuen Scheine zum Falschgeld, da die
internationale Gemeinschaft nur die Zentralbank in Tripolis anerkenne.
Für die Zentralbank in Tripolis druckt Großbritannien die Scheine. In ganz
Libyen herrscht Bargeldmangel, da niemand mehr sein Geld auf die Bank bringt,
sondern es zu Hause hortet. Liegt es
vielleicht daran, dass viele Libyer die Angst umtreibt, dass das Geld nicht
mehr da ist, das sie einst in der Bank eingezahlt hatten?
27.05. JamahiriyaNewsAgency:
Eine Gruppe von Stammesältesten hat in der im Süden Libyens gelegenen Stadt
Ubari eine Versammlung abgehalten, um die Möglichkeiten für die Schaffung eines
‚Höchsten Rats im Fessan‘ zu beraten. Berichte, dass auf der Versammlung
der Fessan zum föderalen Staat erklärt worden sei, wurden verneint. Die Zukunft
des Fessan würde erst auf einer weiteren Sitzung entschieden werden. Laut einer
Stellungnahme wolle der Hohe Rat im Fessan einen Militärgouverneur ernennen,
der für die Armee, Polizei, Gerichtsbarkeit, Grenzsicherung sowie Öl- und
Gasfelder innerhalb der Region verantwortlich ist. Insgesamt hätten etwa 120
Delegierte an dem Treffen teilgenommen, darunter wenige Tubu und Tuareg.
Der Ältestenrat ebenso wie der Schura-Rat in Sebha und zivile
Gesellschaftsorganisationen verurteilten jede Art von Föderalismusbestrebungen.
Sie selbst seien für die nationale Einheit. Libyens Öl und Wasser gehöre allen
Libyern, sagten sie.
27.05. Griechenland
will in den nächsten Tagen seinen Luftraum für Maschinen der libyschen
Luftwaffe sperren. Italien und Malta haben bereits ihre Lufträume gesperrt.
Dies könnten bereits Vorbereitungen für einen möglichen NATO-Einsatz sein.
28.05. Als
der Präsident des Staatsrates (Tripolis), Abdulrahman Sewehli, sich vor Ort
über den Kampf gegen den IS bei Abu Grain informieren wollte, traf sein Konvoi
mit einer Misrata-Miliz zusammen. Ein Streit über die Anerkennung der
‚Einheitsregierung‘ artete schnell in handfeste Kampfeshandlungen aus. Sewehli
konnte mit seinen Leuten entkommen und wurde verletzt nach Tripolis
ausgeflogen.
Zeitgleich wurde in Tripolis kurzfristig der Sohn von Sewehli entführt.
28.05. Seit
drei Tagen kommt es in Tripolis zu anhaltenden Stromausfällen, die zuletzt bis
zu 18 Stunden dauerten. Während die staatliche Elektrizitätsgesellschaft
technische Probleme als Gründe angibt, erklärt die Gewerkschaft der Elektrizitätsangestellten,
es werde gestreikt, da seit Wochen keine Gehälter mehr gezahlt worden seien.
Die Stromausfälle untergraben die Glaubwürdigkeit der neuen
‚Einheitsregierung‘, ebenso wie das Fehlen von Bargeld in den Banken. Die immer mehr um sich greifende
Unzufriedenheit äußert sich in den sozialen Medien in Aufrufen zum
Generalstreik.
28.05. Um
die Ortschaft Nadschila (westlich des Internationalen Flughafens von Tripolis)
kam es am zweiten Tag in Folge zu Zusammenstößen zwischen den die Libysche
Nationalarmee unterstützenden Warschefana-Kämpfern und Milizen aus Misrata und
Janzouri. Es könnte sich dabei um den Beginn der Operation zur Befreiung von
Tripolis durch die Libysche Nationalarmee handeln.
Die Frontlinie zwischen den Warschefana und den Kräften, die jeweils in
Tripolis an der Macht sind, verläuft seit 2014 um den Ort Nadschila.
28.05. In
einem Artikel des britischen ‚Independent‘
wird eine parlamentarische Debatte eingefordert, die sich mit den geheimen
Kriegen Großbritanniens in Nahost beschäftigt. In den Krieg zu ziehen, wäre
eine der weitreichendsten Entscheidungen, die ein Land treffen könne. Das
britische Volk würde es verdienen, darüber informiert zu werden, wohin die
Regierung Truppen entsendet, welche Gefahren damit verbunden sind und was das
Ziel der Kampfeinsätze sein soll.
29.05. Milizen
aus Misrata erklärten, das Elektrizitätswerk in den Außenbezirken von Sirte
erreicht zu haben. Sie sollen von ausländischen Spezialeinheiten dabei
unterstützt worden sein. Kräfte der ‚Einheitsregierung‘ sollen damit begonnen
haben, Sirte zu umzingeln. Es sollen auch Luftangriffe auf Sirte geflogen
worden sein.
Dazu JamahiriyaNewsAgency: Augenzeugenberichten
widersprechen dieser Darstellung. Es sei in Sirte die ganze Nacht über ruhig
geblieben, vom IS sei keine Spur zu sehen gewesen. Fraglich sei, wie das von
Martin Kobler, Paolo Serra und Milizen der Einheitsregierung heute beschlossene
Vorgehen gegen den IS in Sirte aussehen soll, wenn Kämpfe mit dem IS vermieden
werden. Erklären ließe sich dies allerdings durch die Nähe der IS-Milizen mit
den al-Kaida- und LIFG-Kämpfern, die nun in der ‚Nationalgarde‘ dienen. Sollte
Sirte durch diese dschihadistischen Kräften vom IS ‚befreit‘ werden, wäre
anschließend eine zweite Befreiung nötig.
29.05. In
den letzten Tagen sind bei Bootsunglücken vor der libyschen Küste fast 900
Menschen bei dem Versuch, nach Italien zu flüchten, ertrunken.
30.05. Nach
heftigen Kämpfen mit Toten und Verletzten ist es der PFG gelungen, die beiden
Städte Ben Dschawad und Nofilidscha vom IS zurückzuerobern. Dies sei der
erste Schritt auch für die Rückeroberung Sirtes. Die Städte waren erst im
Januar an den IS gefallen.
Die PFG ist eine einige tausend Mann starke, paramilitärische Miliz, die die
Ölhäfen im Osten Libyens bewacht. Tatsächlich ist sie inzwischen ein
unabhängiger militärischer Mitspieler um die politische Macht in Libyen. Ihr
Oberkommandant Ibrahim Dschethren steht mit General Hefter und seiner Libyschen
Nationalarmee in Konkurrenz um die militärische Führung. Zunächst unterstützte
Dschethren die ostlibysche Tobruk-Regierung, hat nun aber umgeschwenkt und sich
mit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis verbündet.
Innerhalb der PFG gibt es verschiedene Aufsplitterungen.
Ibrahim Dschethren ist der Bruder des Bürgermeisters von Ajdabija, Salem
Dschethren.
30.05. Die
Zeitung libyaherald.com zieht nach zwei Monaten Sarradsch eine bittere Bilanz:
Die Libyer hätten Fajez al-Sarradsch, Ahmed Maetig und alle anderen Mitglieder
des Präsidialrats gehörig satt, die nur von einer Sitzung zur nächsten in alle
Hauptstädte fliegen, und die sie nur im Fernsehen zu sehen bekämen.
Die der ‚Einheitsregierung‘ anfangs durchaus wohlwollend gesinnte Zeitung zieht
das Resümee, dass die vom Ausland eingesetzte ‚Einheitsregierung‘ gescheitert
sei und das Land nicht einigen könne.
Der Autor endet mit der Feststellung:
„Der einzige Gewinner zum Bedauern Libyens wird die Internationale Gemeinschaft
sein. Sie wird den IS in Sirte bekämpfen können und wird einen Deal
abschließen, um die illegale Migration aus Libyen zu bekämpfen – während die
Libyer noch tiefer im politischen Morast versinken.“
Siehe auch meinen Blog-Beitrag:
https://www.freitag.de/autoren/gela/bittere-bilanz-nach-zwei-monaten-sarradsch
Quellen (soweit
nicht anders angegeben): libyaherald.com – jamahiriyanewsagency.wordpress.com
– libyaobserver.ly –
vivalibya.wordpress.com – en.libyachannel.com – deutsch.rt.com – derstandard.at
– de.sputniknews.com – corriere della Sera – parstoday.com – welt-im-blick.de – washington post – zdf.heute – cnn.com – heise.de
– der spiegel – newsclick.in – independent.co.uk –libyaobserver.ly – handelsblatt.com - libyaschannel.com
Bei vielen Nachrichten wird kein direkter Quellenbezug
angegeben. Der Grund liegt darin, dass die Verfasserin häufig verschiedene
Quellen verkürzt zu einer Nachricht zusammenfasst.