Kurznachrichten Libyen – 11.04. bis 16.04. 2022
Erdölfelder geschlossen / Aufgrund des dringenden Weltmarktbedarfs an Erdöl und Gas und angedrohten Förderstopps könnte der Westen gezwungen sein, eine Friedenslösung in Libyen zuzulassen / Nicht nur die verbalen Attacken verschärfen sich, in Tripolis nehmen auch die militärischen Spannungen zwischen Dabaiba- und Baschagha-treuen Milizen zu / Dabaiba sucht Hilfe beim radikal-islamistischen Ex-Mufti al-Ghariani und dessen Milizen und genehmigt ihm im Gegenzug die Einrichtung von Schulen / Baschagha und seine Regierung schließen Reihen, auch in Misrata
Aktuelle Entwicklung
14.04.: Erdöl. Wieder einmal sollen Wetterunbillen, diesmal
ein zu erwartender Sandsturm, dafür verantwortlich sein, dass kein Erdöl aus
Libyen exportiert werden kann. Es wurde der Notstand für die Zeit vom 14. bis
einschließlich 16. April ausgerufen. Betroffen sind die Öl- und Gasfelder von
Waha, Sirte, Ras Lanuf, Zuetina und Harug.
https://libyarise.com/libyan-oil-exports-are-in-an-unexpected-predicament-a-sandstorm-and-force-majeure/
Der Wetterbericht vom 15.04. gibt keine Stürme her. Für Sebha werden zum
Beispiel nur 15 km/Std. an Windgeschwindigkeit gemessen.
Am 10.04. hatte die bis dahin gut arbeitende 5+5-Militärkommission (JMC)
bekanntgegeben, dass sie ihre Arbeit einstellt und gefordert, dass kein Erdöl
mehr exportiert und die Küstenstraße, die die Gebiete von Ost- und Westlibyen
verbindet, geschlossen wird. Ebenfalls soll der Flugverkehr zwischen Ost- und
Westlibyen eingestellt werden. Die JMC werde ihre Tätigkeit aussetzen, bis ihre
Forderungen erfüllt sind. JMC wirft der Dabaiba-Regierung schwerstes Versagen
und die Verantwortung für eine weitere Spaltung des Landes vor.
+ 14.05.: Baschagha/Tunis-Treffen. Der neue libysche
Premierminister Baschagha traf sich in seinem Büro in Tunis mit kürzlich aus
der Dabaiba-Regierung ausgeschiedenen Ministern, darunter den ehemaligen
Wirtschaftsminister Muhammad al-Hawidsch, sowie mit Parlamentariern und mit
einer Reihe von Milizenkommandanten aus Misrata – nur wenige Tage, nachdem sich
Dabaiba mit Milizenführern aus Misrata getroffen hatte.
Es scheint als treffe Baschagha letzte Vorbereitungen für die Machtübernahme in
Tripolis. Dabaiba befindet sich in einer unhaltbaren Lage, nachdem ihm sogar
die Türkei als sein wichtigster Verbündeter im Stich gelassen hat und die
meisten seiner Minister zurückgetreten oder wegen Korruption verhaftet worden
sind. Laut dem Sprecher der Baschagha- GNS-Regierung (Regierung der Nationalen
Stabilität) scheinen dies inzwischen auch die westlichen Regierungen, allen
voran die USA, eingesehen zu haben und mit Baschagha zu kooperieren.
https://libyarise.com/tunisias-leaked-meetings-did-bashagha-approach-tripoli/
Kann das Einschwenken der USA und des Westens mit den „Sandstürmen“ in den
von der LNA beherrschten Saharagebieten, in denen das Öl und Gas gefördert
wird, zusammenhängen? Bisher erfreute sich der abgesetzte Premierminister
Dabaiba und seine Regierung der ausnahmslosen Unterstützung der
UN-Sonderberaterin Stephanie Williams und des US-Botschafter Richard Norland.
Das durch den Ukraine-Krieg in Europa fehlende Erdöl und Erdgas wird die
EU-Staaten dazu nötigen, für Libyen rasch eine politische Lösung zu finden.
+ 14.04.: Dabaiba/Ghariani. Der abgesetzte Premierminister
Dabaiba erteilte dem ehemaligen und vom Parlament abgesetzten Mufti Sadiq
al-Ghariani die Erlaubnis, religiöse Schulen für die Grund- und Sekundarstufe
einzurichten. Ghariani ist ein islamistischer Extremist, so dass zu erwarten
ist, dass seine „Schulen“ zu Brutstätten für religiösen Fanatismus werden.
Allerdings ist Ghariani mit seinen radikal-islamistischen Milizen auch einer
der letzten Verbündeten, die Dabaiba geblieben sind, um sich in Tripolis – und
nur dort – an der Macht zu halten. Damit hat sich Dabaiba selbst demaskiert und
gezeigt, dass er bereit ist, sich mit den extremistischen Kräften des Landes zu
verbünden, um sich und seinen Familienclan an den Fleischtöpfen zu halten, auch
wenn damit die Spaltung innerhalb Libyens und eventuell sogar erneute Kämpfe
einhergehen.
Die Ankündigung der Einrichtung von Ghariani-Schulen löste eine Welle der
Empörung aus, auch weil es sich dabei um eine Angelegenheit des
Bildungsministeriums handelt und nicht von Dabaiba bestimmt werden kann.
https://libyarise.com/dabaiba-and-gharyani-schools-terrorists-breeding-grounds-threaten-libyas-stability/
Außer sich und seinen Clan zu bereichern hat Dabaiba keinerlei Fortschritte
für Libyen gebracht, aber jetzt öffnet er radikal-islamistischen Geistlichen
den Zugang zum Bildungswesen. Es sollte nicht vergessen werden, dass Dabaiba
durch von der UNSMIL geduldete und vertuschte Bestechung mit Hilfe der UN-Sonderberaterin
Stephanie Williams an die Macht kam.
+ 16.04.: Tripolis. Kolonnen von gepanzerten Fahrzeugen
sind aus Misrata
kommend in die Airport Road von Tripolis und in Qasr Bin Ghashir eingefahren.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1515107197633667073
+ 16.04.: Tripolis. Video: Eine der Dabaiba-Regierung
nahestehende Miliz errichtete bei Tagesanbruch in der as-Sawani-Straße vor dem
Lager al-Imdad Sandbarrikaden.
Milizen aus westlichen Landesteilen, die Dabaiba unterstützen, haben
mobilisiert und auf mehreren öffentlichen Plätzen Stellung bezogen.
https://libyarise.com/misurata-disavows-the-mobilization-of-dabaiba-militias-in-tripoli-the-secret-of-timing/
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1515287023573155841
+ 16.04.: Misrata. Mehrere Milizenkommandanten aus der
westlibyschen Stadt Misrata riefen Baschagha und Dabaiba dazu auf, das Land
nicht in einen bewaffneten Konflikt zu stürzen, sondern weiterhin im
politischen Dialog zu bleiben, um die Krise beizulegen. Baschagha und Dabaiba
sowie der UNSMIL (UN-sondermission für Libyen) wurde angedroht, sie für
Blutvergießen und Unruhen zur Verantwortung zu ziehen.
Die Misrata-Erklärung erfolgte zwei Tage nach getrennten Treffen mit Baschagha
und Dabaiba.
https://libyareview.com/22939/misrata-armed-group-commanders-call-for-peaceful-solution-to-two-government-situation/
Der Machtkampf
+ 10.04.: Gewerkschaft/Erdöl/LCB. Die Libysche
Allgemeine Gewerkschaft der Öl- und Gasarbeiter beschuldigte den Leiter
des Rechnungsprüfungsamtes, Khaled Schakschak, seine Macht zu missbrauchen.
Schakschak würde seine Position unrechtmäßig ausüben, da er vom Parlament
bereits entlassen worden sei. Er sei 2013 nur für drei Jahre ins Amt berufen
worden, seine Amtszeit sei also 2016 abgelaufen.
Schakschak hatte sich abfällig über die NOC geäußert, deren Öleinnahmen von
rund 27 Milliarden USD von ihr einbehalten wurden. Nun kündigte die
Gewerkschaft an, sie wolle nicht länger den Anordnungen von Schakschak und dem
GNU-Premierminister Dabaiba folgeleisten. Es werde eine Antwort der
Beschäftigten auf die Erpressung und Einschüchterung geben. Die Libysche
Zentralbank (LCB) wurde aufgefordert, Gelder aus dem Notfallbudget an den
Ölsektor auszuzahlen.
https://libyareview.com/22757/libyan-oil-workers-denounce-head-of-audit-bureau/
+ 12.04.: Aoun/Sanella. Erdölminister Mohamed Aoun
erklärte, dass der libysche Rechnungshof noch keine Entscheidung über die
Suspendierung des Vorsitzenden der National Oil Corporation (NOC), Mustafa
Sanella, getroffen habe. Gegen Sanella waren zahlreiche Beschwerden ergangen.
Bereits im Oktober 2021 hatte Aoun zweimal NOC-Chef suspendiert, dieser konnte
sich aber mit Hilfe der Unterstützung des damaligen Premierministers Dabaiba im
Amt halten.
https://libyareview.com/22818/libyan-oil-minister-requests-suspension-of-noc-chairman-sanalla/
+ 16.04.: Erdöleinnahmen. Der Finanzminister der
GNS-Regierung (Baschagha), Osama Hammad, beschuldigte die National Oil
Corporation (NOC) der politischen Einmischung, nachdem diese beschlossen
hatte, mindestens sechs Milliarden USD an die Libysche Zentralbank (CBL) zu
überweisen. Die Überweisung sei illegal, da sie gegen die Vorschriften des
Parlaments verstoße. Die NOC ist verpflichtet, die Öleinnahmen vorübergehend
und so lange, bis eine politische Lösung erreicht ist, auf den Bankkonten bei
der libyschen Auslandsbank zu deponieren.
https://libyareview.com/22947/libyas-noc-accused-of-political-interference/
Damit steht das Geld, das auf die CBL überwiesen wurde, Dabaiba und seinen
ausländischen Helfershelfern zur Verfügung.
+ 10.04.: Parlamentarier/al-Menfi. 21
Präsidentschaftskandidaten fordern al-Menfi auf, den Ausnahmezustand auszurufen
und dem Parlament und dem Hohen Staatsrat 30 Tage Zeit für eine
Regierungsbildung zu geben, die sechs Monate lang die Angelegenheiten des
Landes regeln soll, bevor gewählt wird.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1513359672937521159
Es ist unklar, was das außer Zeitschinderei bringen soll. Das Parlament hat
sich mit großen Teilen des HCS bereits für eine Baschagha-Regierung
entschieden. Dieser Kompromiss wird von weiten Teilen der libyschen Politik und
der Stämme mitgetragen. Eine nochmalige Regierungsbildung ist absolut unnötig.
+ 10.04.: Yaqobi/Dabaiba. Der Abgeordnete as-Sayeda
al-Yaqobi erklärte, dass Dabaiba für das Scheitern des Libyschen
Politischen Dialogforums (LPDF) verantwortlich ist. Da die
Dabaiba-Regierung auch nicht die Krise in Libyen habe meistern können, hätte
nun auch die Gemeinsame 5+5-Militärmission ihre Arbeit eingestellt. Al-Yaqobi:
„Wie will Dabaiba in der Lage sein, im Juni Wahlen abzuhalten? Er stand hinter
der Verschiebung der Wahlen vom 24. Dezember und hat die Kommunalwahlen unter
eklatanter Verletzung des Gesetzes Nr. 59 gestoppt.“ Alle wüssten, Dabaiba
würde nur Zeit gewinnen wollen, um länger an der Macht zu bleiben.
https://libyareview.com/22779/mp-accuses-dbaiba-of-causing-libyan-army-divisions/
+ 11.04.: Dabaiba/Haftar. Es fanden in Paris
Geheimverhandlungen zwischen Belkacem Haftar, Sohn von General Khalifa Haftar,
und Vertretern von Dabaiba statt, um Dabaiba zum Rücktritt als Premierminister
zu bewegen. Die Gespräche sind bisher ergebnislos verlaufen.
https://www.africaintelligence.com/north-africa_diplomacy/2022/04/11/haftar-and-dabaiba-clans-hold-secret-negotiations-in-paris,109766867-eve
+ 12.04.: Dabaiba/Misrata. Dabaiba traf sich in der Stadt
Misurata mit einflussreichen Milizenführern und zivilen Würdenträgern, wobei es
um das Ausmaß der Korruption in der Dabaiba-Regierung ging und die Übergabe der
Macht in Tripolis an die Baschagha-Regierung, die Dabaiba verhindert. Dabaiba
gelang es nicht, ihre Unterstützung zu erlangen. Laut eines Beobachters wollen
die Misrata-Führer nun Baschagha unterstützen.
https://www.alsaaa24.com/2022/04/12/%d8%a7%d9%84%d8%b5%d9%81%d8%b1%d9%88%d9%86%d9%8a-%d9%82%d9%8a%d8%a7%d8%af%d8%a7%d8%aa-%d9%85%d8%b5%d8%b1%d8%a7%d8%aa%d8%a9-%d8%a7%d9%84%d8%aa%d9%8a-%d8%a7%d8%ac%d8%aa%d9%85%d8%b9%d8%aa-%d8%a8%d8%a7/
Die Vertreter der Baschagha-Regierung haben im Osten und Süden des Landes
bereits ihre Posten eingenommen.
+ 12.04.: LNA/Dabaiba. LNA-Generalmajor Fawzi al-Mansouri
bezeichnete die Entscheidung der Dabaiba-Regierung, die Zahlung der
LNA-Gehälter einzustellen, als >politische Erpressung<. Die Öleinnahmen
würden zur Finanzierung von Milizen verwendet. Die Vereinheitlichung der
militärischen Institutionen würden durch Dabaiba scheitern. Dabaiba wolle
keinen Frieden in Libyen.
https://libyareview.com/22805/libyan-general-accuses-dbaiba-of-funding-militias/
Bisher hat die sogenannte ‚internationale Gemeinschaft‘ Dabaiba, den sie
auch an die Macht brachte, gestützt.
+ 13.04.: LNA-Soldzahlungen. Das Rechnungsprüfungsamt hat
die Auszahlung des ausstehenden Solds für die LNA-Soldaten für die Monate
Januar und Februar genehmigt. Vorher war die Auszahlung von der abgesetzten
Dabaiba-Regierung gestoppt worden. Es heißt, die jetzige Auszahlung sei auf
Druck der USA zustande gekommen, die verhindern wollen, dass die Ölförderung
auf den unter Kontrolle der LNA stehenden Ölfeldern und die Arbeit auf den
Verladeterminals angesichts des Ukraine-Krieges ausgesetzt wird. Der Sold für
den Monat März steht immer noch aus und wird von Dabaiba als Druckmittel
eingesetzt.
https://libyarise.com/disbursing-two-months-of-the-salaries-of-the-libyan-army-a-breakthrough-or-a-bargaining-chip/
Besonders während der Zeit des Ramadan ist die Aussetzung der Soldzahlungen
kritisch.
+ 14.04.: LNA/Dabaiba. LNA-Sprecher Generalmajor Ahmed
al-Mismari erklärte, es gebe einen „bösartigen Krieg gegen die Armee“, der
darauf abziele, das Vertrauen der Streitkräfte in ihre Kommandeure zu
untergraben. Gemeint ist die Zurückhaltung des Solds der Soldaten.
https://libyareview.com/22873/al-mismari-warns-of-malicious-war-targeting-libyan-army/
+ 13.04.: Parlament/Dabaiba. Parlamentssprecher Abdullah Blaiheg erklärte, dass die Regierung der Nationalen Einheit (GNU) unter Leitung von Dabaiba illegal in Tripolis arbeitet. Das Parlament habe in dieser Angelegenheit die notwendigen rechtlichen Schritte eingeleitet.
+ 13.04.: Verfassungsausschuss/Kairo. In Kairo begann unter
der UN-Schirmherrschaft die Sitzungen des libyschen Verfassungsausschusses, der
sich auf eine verfassungsmäßige Grundlage für die Durchführung der Wahlen
einigen soll. Die Eröffnungsrede hielt Stefanie Williams, Sonderberaterin der
UN-Generalsekretärs. Teilnehmen sollen an dem Treffen Mitglieder des Parlaments
und des Hohen Staatsrats (HCR).
https://libyareview.com/22873/al-mismari-warns-of-malicious-war-targeting-libyan-army/
Es ist wirklich absurd, wie seit nun elf Jahren ein Gremium das nächste
ablöst, ohne wirkliche Fortschritt zu erreichen und der Staatszerfall immer
weiter fortschreitet. Wer nimmt endlich Stephanie Williams aus dem Spiel!
+ 15.04.: Parlament/Verfassungsfrage. Vor allem folgende
Punkte sind im Verfassungsentwurf zwischen Parlament und Hohen Staatsrat
umstritten: die Flagge, die Hymne, der Name des Staates, seine Form, sein
Regierungssystem und die Quelle der Gesetzgebung (Scharia oder weltliches
Recht). Der Hohe Staatsrat vertritt dabei die Seite der Moslembruderschaft, die
islamisches Recht und islamische Staatsform durchzusetzen versucht. [Dabei
ist anzumerken, dass der Hohe Staatsrat von außen eingesetzt wurde und
keinerlei Legitimität besitzt. Ihm eine dermaßen prominente Stellung bei der
Bestimmung der Verfassung einzuräumen dient allein dazu, den Einfluss der
westlichen Staaten und ihrer Verbündeten in Libyen aufrechtzuerhalten].
Auch die Minderheiten (Berber, Tuareg, Tibu) haben Einspruch gegen den
Verfassungsentwurf erhoben, da ihre Rechte zu wenig berücksichtigt würden.
Sollte in Kairo keine Lösung erreicht werden, werde die Verfassungsfrage zur
Lösung an das nächste Parlament verwiesen, so das Parlamentsmitglied Fathi
al-Marimi. [Wie eine Lösung aussehen kann, mit der beide Seiten zufrieden
sind, ist kaum vorstellbar – so konträr die Meinung sind. Es wäre viel
vernünftiger, zuerst Wahlen abzuhalten und dann auf der Basis dieser
Meinungsbildung durch das Volk und dem daraus hervorgegangenen Kräfteverhältnis
eine Verfassung auszuarbeiten. Vor Wahlen auf einer Verfassung zu bestehen, auf
die man sich niemals einigen kann, heißt, Wahlen immer wieder zu verschieben.]
Marimi vertrat die Ansicht, dass sich das gegenwärtige Verfahren nicht länger
als einen Monat hinziehen sollte und dann der Verfassungsentwurf einem
Referendum unterzogen wird. [Wie soll denn dieses Referendum in einem
failed state wie Libyen stattfinden, in dem aus Sicherheits- und anderen
Gründen auch keine Wahlen durchgeführt werden können. Und sollte das Referendum
kommen, wird es wohl kaum eine Mehrheit für den Verfassungsentwurf geben. Und
dann: Fängt alles wieder von vorne an? – Alles nur Zeitschinderei, um keine
Wahlen abhalten zu müssen und eine innerlibysche Einigung zu hintertreiben. Man
mag sich damit gar nicht mehr befassen.]
Bezüglich der Drohung von Stephanie Williams, das Parlament zu umgehen und nur
noch den Präsidialrat zu involvieren, erklärte Marimi, dies komme nicht
infrage.
https://libyareview.com/22923/ageela-salehs-adviser-discusses-latest-political-developments-in-libya/
Weitere Nachrichten aus Libyen
+ 13.04.: As-Senussi/Abdullah Mansour. Der Prozess gegen
Abdullah as-Senussi, Abdullah Mansur und andere Angeklagte aus der Gaddafi-Zeit
wurde vom Berufungsgericht in Tripolis auf den 18. Mai vertagt. Die Angeklagten
nahmen an der Verhandlung teil.
Senussi war in der Gaddafi-Ära Geheimdienstchef und leidet heute unter ernsten
gesundheitlichen Problemen. 2015 war Senussi mit anderen, darunter Saif
al-Islam Gaddafi, in einem international als Farce bezeichneten Prozess zum
Tode verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, an der Niederschlagung des von
der Nato unterstützten Aufstands im Jahr 2011 beteiligt gewesen zu sein.
Baghdadi al-Mahmoudi war der letzte Premierminister in der Dschamahirija-Zeit.
https://libyareview.com/22879/libyan-court-adjourns-former-intelligence-chief-trial/
+ 11.04.: Veruntreuung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat
die Inhaftierung des Leiters der Finanzabteilung der Al-Dschumhuriya Bank,
Zweigstelle Al-Sabri, wegen Veruntreuung von Geldern von Kundenkonten
angeordnet.
https://libyareview.com/22785/libyan-bank-official-arrested-for-embezzlement/
+ 10.04.: Entführung. Die 444. Brigade gab die Befreiung
von 195 Personen bekannt, darunter 23 Frauen und zwei Kinder, die von einer
Bande in Bani Walid entführt worden waren und für deren Freilassung ein
Lösegeld gefordert worden war.
http://en.alwasat.ly/news/libya/355296
+ 13.04.: Pressefreiheit. Reporter ohne Grenzen
hat die sofortige Freilassung von Ali ar-Rifawi, einem Reporter des Senders Channel
218, gefordert, der seit dem 26. März in Sirte inhaftiert ist.
https://libyarise.com/reporters-without-borders-calls-for-the-release-of-218-reporter-ali-rifawi/
+ 14.04.: Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Das Nationale
Menschenrechtskomitee in Libyen (NCHRL) prangerte das Vorgehen gegen
Demonstranten am 11. April in Tripolis an. Die Demonstrationsteilnehmer hatten
sich unter anderem für die Rechte von Behinderten und Kriegsversehrten und für
die Angestellten in Gesundheitsberufen eingesetzt. Bei der Auflösung der
Proteste kam es zu gewalttätigen Einsätzen von Seiten der Sicherheitskräfte.
Die Generalstaatsanwaltschaft wurde aufgefordert, eine umfassende Untersuchung
der Umstände der körperlichen und verbalen Angriffe auf friedliche
Demonstranten einzuleiten. Die Bürger hätten ein Recht auf Versammlungs- und
Demonstrationsfreiheit, friedlichen Protest und freie Meinungsäußerung.
https://libyarise.com/the-national-committee-for-human-rights-calls-for-an-investigation-into-the-attack-on-demonstrators-in-tripoli/
+ 13.04.: Migration. Libyens Dabaiba-Regierung hat Hunderte
von illegalen syrischen Migranten, die versuchten nach Europa zu kommen, ohne
Gerichtsverfahren inhaftiert. Die Zahl der in libyschen Gefängnissen
inhaftierten Syrer wird auf mehr als 400 Personen, darunter Frauen und Kinder,
geschätzt.
Tausende inhaftierte Migranten befinden sich etwa im al-Maya-Migrantenlager in
der Nähe von Tripolis. Die dort festgehaltenen Menschen sind Misshandlungen und
schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.
https://libyareview.com/22845/hundreds-of-syrian-migrants-detained-in-libya/
+ 13.04.: As-Saadi al-Gaddafi/Italien. Die Leitung des Excelsior
Hotels in der italienischen Stadt Rapallo fordert von as-Saadi al-Gaddafi,
Sohn von Muammar Gaddafi, 390.000 USD, weil er seit 15 Jahren sein Auto vor dem
Hotel geparkt hat.
Saadi war 2011 in den Niger geflüchtet, von wo er 2014 an Libyen ausgeliefert
wurde. Bis 2021 befand er sich in Tripolis in Haft, wo er auch gefoltert wurde.
https://libyarise.com/italian-hotel-asks-gaddafis-son-to-pay-390000/
Frage: Warum ließ das Hotel den Wagen nicht einfach abschleppen?
+ 13.04.: Kairo/Bengasi. Egyptair kündigte an,
dass es ab dem 18. April tägliche Direktflüge von Kairo nach Bengasi anbieten
wird.
https://libyareview.com/22871/egyptair-to-operate-cairo-benghazi-flights/
Aus anderen Ländern
+ 15.04.: Tunesien. Ein mit Treibstoff beladener Tanker ist
bei schlechtem Wetter vor der tunesischen Küste gesunken. Die siebenköpfige
Mannschaft konnte gerettet werden.
https://www.al-madina.com/article/783931
+ Pakistan. „Am Sonntag kam es in mehreren pakistanischen
Städten, darunter auch in der Hauptstadt Islamabad, zu massiven
Demonstrationen. Tausende gingen auf die Straße, um ihre Unterstützung für den
abgesetzten Premierminister Imran Khan zum Ausdruck zu bringen. Viele
Pakistaner und internationale Beobachter sind davon überzeugt, dass die Vereinigten
Staaten hinter seinem Sturz stehen.
Das Parlament des Landes hatte ihn am Samstag in einem Misstrauensvotum wegen
„politischer und wirtschaftlicher Misswirtschaft“ abgesetzt. Khan bezeichnete
die Abstimmung als einen vom Ausland unterstützten Regimewechsel aufgrund
seiner unabhängigen Außenpolitik und seiner Ablehnung der Einrichtung
ausländischer Stützpunkte auf pakistanischem Territorium. Khan hatte vor Kurzem
auch Moskau besucht und mit Putin den Baubeginn von Pakistan Stream, einer
Pipeline, die Flüssigerdgas (LNG) von Karachi nach Punjab transportieren soll,
besprochen – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem der Westen versucht, ein
Ölembargo gegen Russland zu verhängen. Khan ist Befürworter einer multipolaren
Weltordnung.
Khan twitterte: „Der Freiheitskampf gegen eine ausländische Verschwörung zum
Regimewechsel beginnt heute.“ Und: „Noch nie in unserer Geschichte sind so
viele Menschen so spontan und zahlreich auf die Straße gegangen und haben die
importierte Regierung unter der Führung von Gaunern abgelehnt“.
https://t.me/GelaNews/3841?single
Der von den USA unterstützte sanfte Staatsstreich gegen Khan ist fürs Erste
gelungen. Alle Abgeordneten der Khan-Partei legten ihre Abgeordnetenmandate
nieder und nahmen nicht an der Wahl eines Premierministers Sharif teil. Sharif
gehört „der politischen Aristokratie Pakistans an. Sein älterer Bruder Nawaz
Sharif war dreimal pakistanischer Premier, darf aber infolge einer Verurteilung
wegen Korruption nicht mehr kandidieren. Auch gegen Shehbaz Sharif gibt es
entsprechende Vorwürfe.“
https://rtde.live/asien/135985-pakistan-neuer-premierminister-gewaehlt/
+ Algerien/Russland. „Nach der Anerkennung der Souveränität
Marokkos über die Westsahara durch die USA und Spanien spitzt sich nicht nur
die Energiefrage zu, Marokkos Rivale Algerien wird mit Russland Militärmanöver
an dessen Grenze durchführen. […] Algerien ist die Schutzmacht der
Saharauis, die nach 30 Jahren den Waffenstillstand zur Befreiung der von
Marokko illegal besetzten Westsahara wieder aufgegeben haben, nachdem Marokko
in drei Jahrzehnten die Grundlage für die Waffenruhe systematisch hintertrieben
hatte. Denn geplant war, unter Beobachtung einer UN-Mission (Minurso) ein
Referendum über die Unabhängigkeit durchzuführen. […] Ähnlich wie in Osteuropa,
wo die Eskalation schließlich zum Ukraine-Krieg eskalierte, spielen die USA aus
geostrategischen Gründen auch in Nordafrika weiter mit dem Feuer. Es war die
US-Regierung unter Donald Trump, die kurz vor seinem unrühmlichen Abgang
plötzlich den Vorstoß unternahm und die Souveränität Marokkos über die
Westsahara anerkannt hatte. […] in der typischen Kolonialisten-Manier wurde die
>Zustimmung des Volkes der Westsahara< nicht eingeholt, urteilte das EuG.
Die Westsahara sei aber >kein Teil Marokkos<, ist im Urteil zu lesen,
auch wenn es die USA oder die ehemalige Kolonialmacht Spanien das Gebiet
faktisch inzwischen völkerrechtswidrig Marokko zuschreiben. Allerdings spielen
auch Interessen an erneuerbaren Energien eine Rolle, wie zum Beispiel auch an
der Desertec-Initiative deutlich wurde. Dazu kommen neben der
Landwirtschaft aber auch Sand, Salz und andere Mineralien.“
https://www.heise.de/tp/features/Ausweitung-der-russischen-Kampfzone-in-die-Sahara-6669640.html?seite=all
+ Algerien. „Premier Mario Draghi schließt eine neue
Großpartnerschaft mit Algerien. Italien will möglichst schnell unabhängig
werden von russischem Gas – und riskiert dafür eine neue Abhängigkeit. […] Von
dort [Algerien] kommen jetzt schon etwa 31 Prozent des italienischen
Gasbedarfs, rund 21 Milliarden Kubikmeter pro Jahr – und zwar über die Pipeline
Transmed. Sie ist 2500 Kilometer lang und verbindet den Süden Algeriens über
Tunesien und das Mittelmeer mit dem sizilianischen Mazara del Vallo. Die
Leitung, in Betrieb seit 1983, ist auch als >Gasdotto Mattei< bekannt.
Enrico Mattei war einst Gründer und langjähriger Manager von Eni, eine
mythische Persönlichkeit der italienischen Nachkriegszeit. Als die Algerier
sich gegen die französischen Kolonialherren auflehnten, stand er ihnen bei. Posthum
wurde er mit höchsten Auszeichnungen geehrt. […] Algeriens Gasreserven werden
auf 2300 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Das macht es zur Nummer 10 weltweit.
Fördert Algerien weiterhin dieselben Mengen wie bisher und findet es in näherer
Zukunft keine neuen Felder, sind die Reserven in 28 Jahren aufgebraucht.
Unmittelbar könnte Algerien den Italienern die Quote ihrer Produktion zukommen
lassen, die es bislang nach Spanien bringt, den zweitgrößten Abnehmer nach
Italien – nämlich genau zehn Milliarden Kubikmeter. Aus politischen Gründen
wäre das Algier ganz recht. Seit nämlich Madrid neulich dem Nachbarland und
ewigen Rivalen Marokko de facto ein Anrecht auf die umkämpfte Westsahara
zusprach, sind die Beziehungen zwischen Spanien und Algerien an einem Tiefpunkt.
Algerien unterstützt seit Jahrzehnten die Befreiungsfront Polisario in der
Westsahara und deren Wunsch nach einem Referendum zur Selbstbestimmung.“
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-algerien-mario-draghi-1.5565014
+ Israel/Palästina. „Al-Aksa-Moschee gestürmt. Israelische
Einsatzkräfte haben am Freitag schwere Zusammenstöße auf dem Gelände der
Al-Aksa-Moschee in der Altstadt von Jerusalem ausgelöst. Die Polizei meldete
drei leicht Verletzte, während auf der Gegenseite nach Angaben des
Palästinensischen Roten Halbmonds mindestens 152 Menschen verletzt wurden. Die
Polizei hatte die nach Tausenden zählende Menge, die sich zum Morgengebet
versammelt hatte, mit der Begründung angegriffen, dass Steine auf den
tieferliegenden Platz vor der Westmauer, im Ausland oft »Klagemauer« genannt,
geworfen worden seien. Im späteren Verlauf des Tages stürmten Polizisten auch
in die Moschee, um Männer festzunehmen, die sich dort verschanzt hatten.
Insgesamt wurden bis zum Freitagmittag ungefähr 400 Menschen festgenommen.
[…] Als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen der Polizei am Freitag und deren
Eindringen in die drittwichtigste Moschee der islamischen Glaubensgemeinschaft
droht nun auch die Vereinigte Arabische Liste die Koalition zu verlassen.“ https://www.jungewelt.de/artikel/424706.nahostkonflikt-al-aksa-moschee-gest%C3%BCrmt.html
Dies würde die israelische Regierungskrise weiter verschlimmern. Nicht zu
vergessen, dass sich auch Israel nicht an den Russland-Sanktionen beteiligt.
+ Ukraine-Krieg/Nazi-Rassismus. Unter dem Titel „Das
Bündnis des MI6, der CIA und der Bandera-Anhänger“ schreibt Thierry Meyssan:
„Wir waren seit dreißig Jahren nicht fähig, das Wiederaufleben des
Nazi-Rassismus in der Ukraine und den baltischen Ländern zu sehen, noch sehen
wir, dass viele der ukrainischen Zivilisten, die wir willkommen heißen, von
Bandera-Ideologie durchdrungen sind. […] Die Bandera-Anhänger rekrutieren
bereits Kadetten in Deutschland, Kanada, Frankreich, Polen, im Vereinigten
Königreich und in den Vereinigten Staaten und jetzt auch Offiziere in den
Militärakademien dieser Länder. Dafür schufen sie 2019 einen geheimen Orden,
Centuria, der ihre Ideologie verbreitet.“
https://www.voltairenet.org/article216409.html
+ Ukraine-Krieg/Nato. „Fast alle westlichen Medien berichten
und kommentieren jetzt zum Krieg in der Ukraine, als ob dieser eine totale
Überraschung wäre. Seit 1994 aber haben russische, US-amerikanische und andere
Top-Politiker und Politologen vor einer Erweiterung der NATO nach Osten
ausdrücklich gewarnt. Doch Bill Clinton wollte die Erweiterung –
unausgesprochen, aber klar erkennbar gegen Russland.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=83007#more-83007
+ Nato/Russland/China. „Es zeichnet sich ab, dass der für
Juni geplante NATO-Gipfel in Madrid eine lange geplante Neuordnung der Welt
verkünden wird. Sie fußt auf der militärischen Einkreisung Chinas und
Russlands. Dazu werden Bündnispartner am Indischen und Pazifischen Ozean
herangezogen. Dem europäischen Brückenkopf der USA soll ein militärisches und
politisches Stahlkorsett umgelegt werden, das Russland durch vermeintliche
Geschlossenheit und eine Art ideologische Gleichschaltung beeindrucken soll.
Größere Kriege, auch die mit sogenannten taktischen Atomwaffen angeblich
führbaren, sind geplant. An »modernen« Atombomben bastelt die NATO offiziell
seit 2016 verstärkt. Alle Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge mit Russland
wurden in 20jähriger Arbeit beseitigt. Auf Fragen nach russischen Sicherheitsinteressen
antwortet der Westen nicht mehr oder mit Phrasen.“
https://www.jungewelt.de/artikel/424725.weltkriegspakt.html
A. Gutsche