Montag, 26. September 2016



Vernichtender Bericht des britischen Parlamentsausschusses über die Libyen-Intervention des Jahres 2011

London. Der Bericht des Auswärtigen Ausschusses des britischen Parlaments über die Versäumnisse Camerons zu Beginn des NATO-Kriegs gegen Libyen im Jahr 2011 ist ein Ausbund an Heuchelei.

Natürlich wussten alle Geheimdienste und politischen Berater, was für verheerende Folgen der Sturz der Dschamahirija-Regierung und die Ermordung Muammar al-Gaddafis für Libyen und seine Bevölkerung haben würden. Natürlich hatte auch der damalige britische Premier Cameron wie alle anderen maßgeblich beteiligten westlichen Politiker die Fakten auf dem Tisch. Natürlich nahmen sie die Konsequenzen, unter denen die Libyer noch heute so schrecklich leiden, billigend für den Regime-change in Kauf. Natürlich wollten sie damals um jeden Preis die libyschen Ressourcen unter ihre Kontrolle bekommen.
Inhaltlich sagt der Bericht nichts Neues, die Fakten sind hinlänglich bekannt. [1] Neu ist allein die Tatsache, dass dieser Bericht jetzt von einer offiziellen britischen Stelle einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
In dem Bericht des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Crispin Blunt[2], heißt es, die britische Politik hätte 2011 auf einer inadäquaten Aufklärung und einem Mangel an Verständnis für Libyen basiert. Kritik wurde auch am Auftreten der UN-Sondermission für Libyen geübt. So wurde gefragt, ob sie die richtige Institution wäre, um Stabilität und Wiederaufbau in dem von Krisen geschüttelten Land zu bewerkstelligen. Es soll – angestoßen durch das britische Außenministerium – auf internationaler Ebene nach neuen und effektiveren Wegen gesucht werden. Dies sei auch im Hinblick auf ähnliche Aufgaben in Syrien, Jemen oder Irak nötig. [Nach dem Motto: „Wie installieren wir eine Marionetten-Regierung des Westens?“]
Insbesondere hätte die britische Libyen-Politik unter einem Mangel an Wissen über die Stammesbeziehungen und deren Einflüsse gelitten. Ebenso sei der Einfluss von Islamisten bei den Revolutionären und deren Missbrauch der Revolution zur Machtübernahme nicht klar gewesen.
In erster Linie wurde Frankreich die Schuld an der gesamten Misere zugeschoben.
Der Bericht stellt klar, dass Gaddafi und seine Kräfte im März 2011 in Bengasi keine Massaker ausgeführt haben, so wie es Frankreich behauptet und die ganze Welt wahrgenommen hat. Für die behaupteten Massaker unter Zivilisten in den Städten und Ortschaften, die auf der Straße nach Bengasi liegen, „wurden keine glaubhaften Beweise gefunden“. Die Gaddafi-Einheiten hätten auch keine Vergeltung an Zivilisten geübt und es hätten in Adschdabija keine Massaker stattgefunden, als die Armee die Stadt durchquerte. Alles sei „grotesk übertrieben“ worden.
Der Bericht schlussfolgert, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die britische Regierung eine gewissenhafte Analyse der Rebellion in Libyen vorgenommen hat. Unerbittlichen sei man vom Schutz der Bevölkerung in Bengasi zur Beseitigung von Gaddafi und zum Regime-change übergegangen. Es hätte nach den ersten Bombenangriffen auf die libysche Armee und deren Rückzug aus Bengasi eine Feuerpause geben müssen, innerhalb derer man nach politischen Lösungen hätte suchen sollen. Ein Dialog mit Gaddafi oder seinem Sohn Seif al-Islam wäre möglich gewesen, wurde aber von den Franzosen abgelehnt.
Weiter wird der damaligen britischen Regierung unter David Cameron vorgeworfen, die innerhalb einer Dekade erreichten Fortschritte hinsichtlich der Kooperation mit Gaddafi im Kampf gegen islamistische Extremisten, der verbesserten britisch-libyschen Beziehungen, der Vernichtung von Massenvernichtungswaffen, der Zusammenarbeit beim Umgang mit Migration aus Nordafrika und geschäftlicher Möglichkeiten bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit aufgegeben zu haben.
Der Bericht beschuldigt auch die USA und insbesondere Barak Obama, für die Ausweitung der UN-Resolution 1973 verantwortlich gewesen zu sein. Zusätzlich zur Verhängung einer Flugverbotszone sei der Zusatz der Autorisierung „aller nötigen Maßnahmen, um die Bevölkerung zu schützen“ aufgenommen worden. Dies hätte zu einer ‚Fahrverbotszone‘ und zu der Berechtigung geführt, das gesamte libysche Regierungs- und Kommunikationsnetzwerk anzugreifen.
Die westliche Politik hätte bis heute mangels Verständnis für die Besonderheiten des Landes darin versagt, Instabilität und Rivalitäten im Land zu beseitigen. Crispin Blunt schreibt: „Das Resultat war ein politischer und wirtschaftlicher Kollaps, Kriege zwischen Milizen und Stämmen, humanitäre und Migrationskrisen, massenhafte Menschenrechtsverletzungen, die Verbreitung von Waffen in der ganzen Region und die Ausbreitung des IS in Nordafrika.“
Auch an der UN und der UN-Mission für Libyen wird harte Kritik geübt. Allerdings wird die Unterstützung der ‚Libyschen Politischen Übereinkunft‘ [Abkommen von Skhirat] und der ‚Einheitsregierung‘ weiterhin für richtig befunden, „um die politische Zersplitterung, ausufernde Gewalt, den wirtschaftlichen Kollaps und noch mehr menschliches Leiden“ zu verhindern.
Der Bericht erblödet sich nicht, nach wie vor die westliche Intervention mit der „Unberechenbarkeit“ Gaddafis zu rechtfertigen. Alles, was ihm fälschlicher Weise vorgeworfen worden war, sei ihm ja auch zuzutrauen gewesen. [Aber wohl nur, wenn man die jahrelange westliche Anti-Gaddafi-Propaganda für wahre Münze gehalten hat.] Und an dem jetzigen Chaos in Libyen sei auch nicht der NATO-Krieg schuld, sondern natürlich Gaddafis „vierzigjährige schlechte Herrschaft“.
Im Prinzip sagt der Bericht aus: „Wir haben Libyen überhaupt nicht verstanden und deshalb alles falsch gemacht. Und jetzt machen wir genau so weiter!“ Den Briten fällt nichts weiter ein, als die alten Fehler fortzuschreiben und weiterhin eine vom Westen eingesetzte, nicht legitimierte Marionetten-‚Einheitsregierung‘ zu unterstützen, die den ganzen libyschen Schlamassel weiter vergrößert. Echte Alternativen hierzu würden nämlich einen Verlust an Einfluss in Libyen bedeuten. Und diesen Einfluss zu wahren und auszubauen, hat bei den Westmächten immer noch erste Priorität.

Angelika Gutsche, 21.09.2016



[1] Siehe auch: www.freitag.de/autoren/gela/lehren-aus-libyen-wie-man-nicht-interveniert
[2] www.publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/119.pdf
   www.libyaherald.com/2016/09/14/uk-parliament-slates-british-and-french-intervention-in-2011-questions-uns-performance-in-stabilising-libya-but-supports-gna/


Die Verantwortlichen für den Libyen-Krieg und das daraus entstandene Fiasko

„David Cameron war letztendlich verantwortlich für den Fehlschlag, eine stimmige Strategie für Libyen zu entwickeln“, schreibt Crispin Blunt[1] in seinem Bericht für den Auswärtigen Ausschusses des britischen Parlaments über die Versäumnisse Camerons zu Beginn des NATO-Kriegs gegen Libyen im Jahr 2011.
Binoy Kampmark beschäftigt sich in einem Artikel mit dem Titel „David Cameron, Libya and Disaster“ [2]  in Global Research mit dem Blunt-Bericht sowie den falschen Gründen und katastrophalen Auswirkungen des NATO-Kriegs gegen Libyen.
Innerhalb Libyens seien viele Milizen entstanden, allein in Tripolis 150, die im ganzen Land ihr Unwesen trieben und denen unglaubliche Gräueltaten zugeschrieben werden.
Der Sturz Muammar al-Gaddafis hätte aber nicht nur zum Zusammenbruch Libyens geführt, sondern auch die Verhältnisse in Mali aufgemischt und zu Gewaltausbrüchen in ganz Nordafrika und im Nahen Osten geführt.
An erster Stelle stehe der Konflikt in Nordmali, der durch Tuareg-Gruppen, die lange unter Gaddafi als Soldaten gedient hatten, ausgelöst wurde. Bis an die Zähne bewaffnet und mit Unterstützung von islamistischen Gruppen wie Ansar Dine, hätten die Tuareg versucht, einen eigenen Staat auszurufen. Diese Vorgänge hätten wiederum al-Kaida finanzierte islamistische Gruppen angezogen. Al-Kaida im islamischen Maghreb sei zu einer Bedrohung für das ganze Gebiet und auch die umliegenden Staaten geworden. Es folgte 2013 eine französische Intervention in Nordmali, die – nachdem sie sich totgelaufen hatte – in eine Friedensmission überging.
Seither sind innerhalb der sogenannten MINUSMA-UN-Mission 12.000 UN-Soldaten in Mali stationiert, die aber den Zerfall des Landes kaum aufhalten konnten. Seit 2013 hätte es über 100 Opfer gegeben, die meisten durch Landminen und Straßenbomben.
Die Schockwellen nach dem Fall von Gaddafi hätten sich auch über andere afrikanische Staaten ausgebreitet, nicht zuletzt dank eines ausufernden Waffenhandels. In Tunesien, Algerien, dem Niger, Tschad, Sudan und in Ägypten hätten militante Gruppen leichten Zugang zu Waffen aller Art gehabt.
Es hätten sich dschihadistische Gruppen mit radikalisierten Kämpfern gebildet, die nirgendwohin gehen konnten und die in dem ganzen Gebiet eine Art Dschihad-Tourismus entwickelten, um ihre Aktionen durchzuführen.
Die Aussagen von Frankreich und Großbritannien, sie hätten die Verantwortung, Libyens Wirtschaft und Politik wieder aufzubauen, seien nichts anderes als dummes Geschwätz, weil sie sich auf ignorante Weise weigerten, die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort zur Kenntnis zu nehmen. Nachdem sie das Chaos angerichtet haben, wüssten sie nicht, wie sie es wieder beseitigen könnten.
Die schuldhafte Verantwortung Camerons habe sich noch dadurch verschlimmert, dass die Intervention 2011 völlig unsinnig auf humanitären Grundsätzen wie einer ‚Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung‘ begründet war. Es sei immer klar gewesen, dass die französisch-britisch geführte Mission nur ein plausibles Alibi benötigte.
Dieses Alibi lieferte die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats, die „alle nötigen Maßnahmen“ autorisierte, um die Bevölkerung zu schützen. Um zuschlagen zu können, hätten sie sich also auf die Suche nach den zu schützenden Zivilisten gemacht.
Dieser hinterhältige Trick des internationalen Rechts, genannt die ‚Verantwortung zum Schutz von Zivilisten‘, hätte sofort nach den ersten Luftschlägen ausgesetzt werden müssen, denn bereits nach 24 Stunden sei dieses Ziel im März 2011 erreicht gewesen.
Doch stattdessen sei die Intervention in monströse Anstrengungen ausgeartet, die einen Regime-change zum Ziel hatten. Die Kampfhandlungen wurden keineswegs ausgesetzt, nachdem die Lage in Bengasi wieder sicher war. So sei eine zunächst kleine Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung in eine Politik des Regime-changes mit militärischen Mitteln ausgeweitet worden. Die dafür verantwortlichen Abenteurer sollten als Angeklagte auf den Bänken der internationalen Strafgerichtshöfe Platz nehmen.

Dieser Artikel von Binoy Kampmark ist angesichts der verschärften Situation in Syrien höchst aktuell und kann nur als Warnung dienen.

Angelika Gutsche, 22.09.2016




[1] www.publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/119.pdf
   www.libyaherald.com/2016/09/14/uk-parliament-slates-british-and-french-intervention-in-2011-questions-uns-performance-in-stabilising-libya-but-supports-gna/
[2] http://www.globalresearch.ca/david-cameron-libya-and-disaster/5545934

Freitag, 23. September 2016



Is

       Ist Khamis al-Gaddafi noch am Leben?
Libyen. Khamis al-Gaddafi, jüngster Sohn Muammar al-Gaddafis, soll in Südlibyen mit ehemaligen libyschen Offizieren an Kämpfen teilgenommen haben.
Laut Radio Kamerun soll der Sohn Muammar al-Gaddafis, Hauptmann Khamis al-Gaddafi, noch am Leben sein und mit anderen ehemaligen libyschen Offizieren an Kämpfen im Süden Libyens teilgenommen haben.[1]
Während des Kriegs 2011 war die in Bani Walid kämpfende 32. Brigade unter dem Kommando von Khamis al-Gaddafi von NATO-Kampfflugzeugen angegriffen worden. Wie damals die Medien berichteten, sei der Sohn Muammar al-Gaddafis dabei schwer verwundet worden und später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Allerdings wurde der Leichnam nie gefunden und noch im Oktober 2012 dementierte der ehemalige Sprecher Muammar al-Gaddafis, Ibrahim Moussa, den Tod des Gaddafi-Sohns.
Inzwischen gibt es Aussagen von Ortsansässigen, dass Khamis al-Gaddafi damals von loyalen Kräften aus dem Krankenhaus geholt und an einen sicheren Ort gebracht worden sei. Heute soll sich Khamis al-Gaddafi in Begleitung von 32 Offizieren, darunter auch Generäle, immer noch in Libyen aufhalten. Zuletzt sollen sie an Kämpfen in Südlibyen teilgenommen haben.
Der heute 36-jährige ist der siebte und jüngste Sohn Muammar al-Gaddafis. Er absolvierte seinerzeit zwei Militärakademien in Libyen und nahm anschließend an einem Generalstabslehrgang in Moskau teil. Er befehligte die 32. Brigade, eine Eliteeinheit der libyschen Armee.[2]

Angelika Gutsche,
17.9.2016


[1] http://mashreqnews.com/post/70698/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Chamis_al-Gaddafi



Die Libysche Nationalarmee übernimmt Erdölanlagen


Libyen. Die Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ verliert die Kontrolle über die wichtigen Erdölanlagen und Verladehäfen im Golf von Sirte.

Am 11. September eroberte die Libysche Nationalarmee (LNA) in nur wenigen Stunden die an der Küste gelegenen Häfen Sidra und Ras Lanuf[1] mit ihren Erdölverladeterminals von den Petroleum Facilities Guards (PFG), die unter dem Kommando Ibrahim Dschedhren[2] stehen, zurück. Ebenso konnten von der LNA die südlichen und östlichen Zufahrten zu Adschdabija, einer weiteren Erdölanlage, eingenommen werden.
Die Aktion, die um fünf Uhr morgens ihren Anfang nahm, war gut geplant und unterstand dem direkten Befehl von Generalmajor Khalifa Hefter. Der Magharba-Stamm in Adschdabija rief alle Stammesangehörigen dazu auf, die LNA zu unterstützen. Scheich Saleh Alatjosch ermahnte die Angestellten, bei der friedlichen Übernahme der Anlagen mit der LNA zu kooperieren.
Bereits am 12. September konnte der Sprecher der LNA bekannt geben, dass nun alle Ölterminals von Sidra, Ras Lanuf, Brega und Zuweitina unter der Kontrolle der libyschen Armee stehen. Premierminister Thinni von der Tobruk-Regierung[3] dankte den Kämpfern der PFG dafür, dass sie der LNA keinen Widerstand geleistet haben. Bis auf Brega wurden vormals alle Ölterminals von Ibrahim Dschedhrens PFG beherrscht.
Bei ihrem Vormarsch stieß die LNA auf so gut wie keine Gegenwehr. Die PFG-Milizionäre flohen unter Zurücklassung all ihrer Waffen, sowie zweier Panzer und anderer Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände. Während auf LNA-Seite keine Verluste zu verzeichnen waren, gab es auf Seiten der PFG einen Toten. Schon vor einiger Zeit hatten die Stämme des Ostens die jungen Milizionäre der PFG dazu aufgerufen, Dschedhren und der PFG den Rücken zu kehren und zu ihren Familien und in ihr ziviles Leben zurückzukehren. Einmal mehr erwiesen sich Stammesloyalitäten als stärker, denn die jungen PFG-Kämpfer scheinen den Seitenwechsel ihres Warlords Dschedhren von der Tobruk-Regierung zur Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ nicht mitvollzogen zu haben.
Dschedhren, der 20.000 Kämpfer unter seinem Befehl hatte, soll sich sein Überlaufen zur ‚Einheitsregierung‘ von dieser mit mehr als 100 Millionen Dollar bezahlt haben lassen. Offiziell hieß es, diese Gelder seien für ausstehenden Sold seiner Miliz verwendet worden, andere sprachen von Erpressungsgeldern. Das Haus von Dschedhren wurde ebenfalls am 11. September angegriffen. Wo sich Dschedhren gegenwärtig aufhält, ist unbekannt. Von seinem Stamm soll er aufgefordert worden sein, sich der LNA zu ergeben.
Das Tobruk-Parlament gratulierte der Armee und dem libyschen Volk zu ihrem Erfolg. Sowohl General Hefter als auch der Präsident des Abgeordnetenhauses, Agila Saleh, sprachen sich für eine baldige Öffnung der Terminals und für eine Wiederaufnahme der Ölexporte aus.
Zunächst zeigte der Präsidialrat in Tripolis keine Reaktion auf die Übernahme der Ölanlagen durch die LNA. Erst spät gab es eine Stellungnahme, in der gegen die ‚Besetzung‘ protestiert wurde. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, schloss sich dem an und meinte, die Besetzung bedrohe die Stabilität und könne zu einer weiteren Spaltung Libyens führen. Weitere, sich widersprechende Reaktionen von Mitgliedern des Präsidialrats erfolgten zu späteren Zeiten. Der ‚Premierminister‘ der ‚Einheitsregierung‘, Sarradsch, befindet sich zurzeit mit seiner Familie auf Urlaub.
Die westliche Reaktion auf diesen Überraschungscoup, der eine Demütigung für den von den UN installierten Präsidialrat und das von ausländischen Nationen gestützte ‚Einheits‘-Regime darstellt, kam prompt. Die USA, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien verurteilten in einer nur als absurd zu bezeichnenden gemeinsamen Presseerklärung die Angriffe der LNA auf Zueitina, Ras Lanuf, Sidra und Brega und forderten alle Parteien zu einem sofortigen Waffenstillstand und der Unterlassung weiterer Feindseligkeiten auf. Das libysche Militär wurde zur bedingungslosen Aufgabe des sogenannten ‚Erdölhalbmonds‘ aufgefordert. Die Regierungen sprachen weiter der ‚Einheitsregierung‘ ihre volle Unterstützung als einzige Exekutivautorität aus.
Diese völlig an den libyschen Realitäten vorbeigehende Erklärung zog einen wütenden Aufschrei der Libyer nach sich und führte im ganzen Land zu Protesten. In Tobruk und Zinten kam es zu Kundgebungen, Zinten-Milizen drohten mit der erneuten Schließung der Küstenstraße. Soziale Netzwerke verbreiteten Aufrufe zu Anti-EU- und US-Aktionen. Überall in den Straßen von Bengasi machten sich die Freude über die Rückeroberung der Erdöleinrichtungen durch die LNA und der Unmut gegen den Westen Luft.
Der Ältestenrat der Stämme aus der Kyrenaika verurteilte die Stellungnahme der Westmächte als unakzeptable Einmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens und warf ihnen vor, nicht gegen die Öl-Diebeszüge des Ibrahim Dschedhren vorgegangen zu sein. Die Stämme des Fessan bekannten sich zur Libyschen Nationalarmee und feierten deren Erfolg, ebenso wie die Rischvanas.
Auch der frühere Premierminister Mahmud Dschibril und der Chef der LNA-Einsatzzentrale in Tripolis, Oberst Idris Madi, kritisierten die Stellungnahme der westlichen Staaten als unakzeptable Einmischung in libysche Angelegenheiten. Madri bezeichnete die Übernahme der Erdölterminals als großen Sieg der Libyer und als Anfang des Endes des libyschen Elends.
Das Oberkommando der libyschen Armee erklärte in einer Stellungnahme, dass sowohl die Produktion als auch der Export von Erdöl weiterhin der Kontrolle der National Oil Corporation (NOC) unterstellt seien und dass sich die Rolle der LNA darauf beschränke, die Anlagen vor terroristischen Milizangriffen zu schützen, die aus dem Verkauf des Öls unrechtmäßig Profit schlagen wollten. Die Anlagen von Zueitina, Ras Lanuf, Brega und Sidra stünden jetzt alle unter dem Schutz der LNA, die dafür verantwortlich sei, die Menschen vor Übergriffen und Korruption zu bewahren. Mit den Aktionen wolle man dem libyschen Volk die Kontrolle über seine Ressourcen und seine Würde zurückgeben, das Leiden der Bevölkerung solle endlich beendet werden und es solle ihm wieder der gesamte Reichtum aus seinen Ressourcen zu Gute kommen.
Der Vorsitzende der wiedervereinigten National Oil Corperation (NOC), Mustafa Senella, ein Intimfeind von Ibrahim Dschedhren und seiner PFG, besuchte drei der Ölterminals, um sich über deren Zustand zu informieren. Er sagte, Ölexporte aus Zueitina würden unverzüglich wieder aufgenommen werden, in Ras Lanuf und Sidra benötige es dazu etwas mehr Zeit, jedoch hätten Techniker bereits die Vorarbeiten für die Durchführung von Reparaturen aufgenommen. Er begrüßte das Statement der LNA, die mit dem Tobruk-Parlament und deren Präsidenten, Agila Saleh, in Einklang stünden, dass die Häfen unter der Kontrolle der NOC stehen sollen. Die Wiedereröffnung der Anlagen markiere den Anfang einer neuen Phase der Kooperation und Koexistenz zwischen den verschiedenen libyschen Fraktionen. Die Abmachungen zur Wiedervereinigung der beiden NOC[4] sehen vor, dass die oberste Exekutive bei Präsidialrat und die oberste Legislative beim Tobruk-Parlament liegen sollen.
Vor den Vereinten Nationen in New York erläuterte derweil Martin Kobler den aus seiner Sicht üblichen Stand der Dinge in Libyen. Er meinte, Khalifa Hefter müsse innerhalb einer vereinten libyschen Armee eine Rolle spielen. Der Frage eines Journalisten, wie er denn General Hefter dazu bewegen wolle, mit dem Präsidialrat Gespräche aufzunehmen, die dieser bisher strikt verweigert habe, wich Kobler aus. Derweil wurde Generalmajor Khalifa Hefter zum Generalfeldmarschall befördert.
Das Blatt hat sich gewendet. Die LNA soll inzwischen etwa achtzig Prozent des libyschen Territoriums unter ihre Kontrolle gebracht haben. Dass dieser Coup der LNA für die westlichen Staaten völlig überraschend kam, wirft ein bezeichnendes Licht auf die angebliche Allmacht der in Libyen tätigen ausländischen Geheimdienste. Die neokolonialen Ambitionen haben kaum noch Anhänger im Land und weit weniger Macht und Einfluss als gemeinhin angenommen.
Die neokolonialen und globalstrategischen Pläne der USA und ihrer Verbündeter gingen nicht auf, weder in Libyen, noch in Syrien oder in der Ukraine. Inzwischen geht es dem Westen nur noch um Schadensbegrenzung und darum, den Gesichtsverlust möglichst gering zu halten.

Angelika Gutsche, 16.9.2016


[1] Ras Lanuf und Sidra mit ihren 25.000 Einwohnern verfügen nicht nur über Erdölterminals, sondern auch über Raffinerien, petrochemische Anlagen, einen Militär- und Zivilflughafen und Gebäude der Ölgesellschaft.
[2] www.freitag.de/autoren/gela/ibrahim-dschedhren-und-seine-pfg
[3] Die 2014 in den Osten Libyens geflüchtete Regierung wird nach dem Sitz ihres Parlaments in der Stadt Tobruk als ‚Tobruk-Regierung‘ bezeichnet, die Regierung selbst sitzt aber inzwischen in Baida. Abdullah Theinni ist der Premierminister, Agila Saleh der Präsident.
[4] Es gab bis dahin zwei konkurrierende National Oil Corperations, eine in Tripolis und eine zweite in der östlichen Stadt Baida neu angesiedelte.

Montag, 19. September 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Philippinen: US-Kampagne gegen Duterte hat begonnen
19.9.2016. Kaum hatte der radikalpopulistische Präsident Rodrigo Duterte den Abzug des US-Militärs von den Philippinen gefordert, taucht plötzlich ein ominöser Zeuge auf, der behauptet Mitglied eines Todesschwadrons gewesen zu sein, welches im Auftrag von Duterte, als dieser noch Bürgermeister von Davao war, Kriminelle umgebracht hat und größtenteils US-gesteuerte „Menschenrechtsorganisationen“ forderten internationale Ermittlungen gegen den Staatschef. Duterte hat den Warnschuß erkannt und ruderte mit seiner Forderung nach Abzug der US-Truppen zurück.



Syrien schießt israelischen Kampfjet und Drohne ab
19.9.2016. Nachdem Israel widerholt mit seiner Luftwaffe zugunsten islamischer Terroristen in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen hat, bekam es nun einen Denkzettel, der den Mythos der israelischen „Unbesiegbarkeit“ arg anknackste: die syrische Luftwaffe hat sowohl einen israelischen Kampfjet als auch eine Drohne aus Israel abgeschossen. Offensichtlich verfügt Syrien mittlerweile über neuere Raketen aus Rußland, die den israelischen Attacken nicht so wehrlos gegenüber sind wie die bisherigen.



Großbritannien: Libyen-Bericht des Parlaments legt Camerons Schuld an Kriegsverbrechen offen und sieht Angriffskrieg auf Libyen als Fehler – leider zu spät!
19.9.2016. Der Auswärtige Ausschuss des Unterhauses in London hat einen Untersuchungsbericht über den Überfall der NATO auf Libyen 2011 und die britische Beteiligung vorgelegt, in der der damalige britische Machthaber David Cameron nicht gut wegkommt. Die Abgeordneten bezweifeln, dass Gaddafi wirklich seine Gegner abschlachten wollte und die Regierung Cameron „konnte die tatsächliche Bedrohung, die das Gaddafi-Regime für Zivilisten darstellte, nicht verifizieren, und sie nahm selektiv Elemente von Gaddafis Rhetorik für bare Münze“, schreiben sie und schlussfolgern: „Die britische Strategie gründete auf irrtümlichen Annahmen und unvollständigem Verständnis der Sachlage“.


Mittwoch, 14. September 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Jemen: Saudischer Luftangriff auf brunnenbauende Dorfbewohner
14.9.2016. Saudi-Arabien und seine verbündeten Golfdiktaturen haben wieder einen Luftangriff gegen den Jemen geflogen und Zivilisten ermordet – diemal hat es 22 Dorfbewohner in der Region Arhab erwischt, die gerade einen Brunnen bauten. Nachdem Helfer herbeigeeilt waren, erfolgte eine zweite Angriffswelle, was die Opferzahlen in die Höhe trieb – eine Strategie, wie sie auch radikalislamische Terroristen verwenden, um möglichst viele Menschen zu töten.




Usbekistan bekräftigt unter neuem Präsidenten seine Neutralität!
14.9.2016. Nach dem Tod des langjährigen Staatschefs Islam Karimov, der das Land seit der Unabhängigkeit 1990 mit harter Hand regiert hatte, wurde der Premierminister Shaukat Mirzijojew als dessen Nachfolger vereidigt. Der neue Übergangsstaatspräsident bekräftigte den von Karimov eingeschlagenen Kurs der militärischen Neutralität und das Verbot für ausländische Militärbasen im Land – da wird wohl die nächste westliche „Farben-Revolution“ nicht lange auf sich warten lassen.



Libyen: Truppen der Tobruk-Regierung erobern Erdöl-Terminals in Ras Lanuf und Sedra
14.9.2016. Die Libysche Nationalarmee LNA, der militärische Arm des international anerkannten libyschen Parlaments, welches seinen Sitz in der ostlibyschen Stadt Tobruk hat und dessen Regierung unter Abdullah al-Thinni, haben dieser Tage die Erdölterminals in Ras Lanuf uns Sedra erobert, die von einer dubiosen Privat-Miliz mit dem offiziell klingenden Namen „Wachmannschaften der Erdölanlagen“ kontrolliert wurden. Diese „Wachmannschaften“ hatte sich auf Druck des Wesens und unter Androhung von Sanktionen mit der Marionettenregierung unter Premier Fayez al-Seraj in Tripolis verbündet, die hauptsächlich von islamistischen Milizen unterstützt wird.

Donnerstag, 8. September 2016



Libyen im August - Monatsrückblick

Was geschah… eine unvollständige Auflistung
August 2016

01.08.  Die USA bombardieren auf Bitten der vom Westen installierten Sarradsch-‚Regierung‘ erneut Libyen. Das Pentagon gab am Montag bekannt, dass es erstmals wieder Luftangriffe gegen den IS in Sirte geflogen hat.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag:
https://www.freitag.de/autoren/gela/die-usa-werfen-wieder-bomben-auf-libyen
01.08.  Bei einer Rischvana-Großdemonstration fordern deren Teilnehmer die vollständige Umsetzung des Amnestiegesetztes von 2014 und die Freilassung aller Gefangenen und Stammesangehörigen. Die Kundgebung ist ein Ausdruck der Solidarität mit allen in Gefangenenlagern festgehaltenen Angehörigen libyscher Stämme.
www.facebook.com/worshfana/videos/vb.343804079008889/1052411858148104/?type=2&theater
01.08.  ‚Ärzte ohne Grenzen‘ befragten über den Zeitraum eines Jahres in der sizilianischen Stadt Ragusa 387 Bootsflüchtlinge, die aus Libyen gekommen waren. Dabei wiesen 60 Prozent mentale Störungen auf. 82 Prozent berichteten von traumatischen Erfahrungen, die sie entweder bereits in ihren Heimatländern oder auf der Flucht, meist aber als Gefangene während ihrer Zeit in Libyen machen mussten. 42 Prozent wiesen posttraumatische Stresssymptome auf und 27 Prozent hatten Angststörungen.
02.08.  In einer Stellungnahme verurteilt das libysche Parlament in Tobruk die amerikanischen Interventionen, die illegitim und nicht verfassungsgemäß seien und nicht die Unterstützung des libyschen Volkes hätten.
Der libysche Politikanalyst Abdul Aziz erklärt, dass die Intervention der USA in Libyen eine Unterstützung für die ‚Einheitsregierung‘ sein solle, in Wahrheit jedoch Extremistengruppen im Land stärke. Die US-amerikanischen Aktionen stünden einzig und allein im Dienst einer neokolonialen Agenda.
Die ‚Einheitsregierung‘ setze sich aus Mitgliedern der Moslembruderschaft und extremistisch-islamistischen Gruppen zusammen, deshalb könne sie vom Parlament in Tobruk nicht anerkannt werden, denn dieses sehe sich den Werten eines säkularen Parlaments verpflichtet.
02.08.  Bei einem Autobombenanschlag nahe Bengasi kamen 23 Soldaten der Libyschen Nationalarmee ums Leben, über 70 wurden verwundet. Der dschihadistische Revolutionäre Schura-Rat von Bengasi hat sich zu dem Attentat bekannt. Die Vereinten Nationen weigern sich bisher, ihn als terroristische Vereinigung einzustufen, obwohl er Seite an Seite mit dem IS und Ansar al-Scharia kämpft, die beide als terroristische Vereinigungen angesehen werden. Unklar ist, wie der Attentäter es schaffen konnte, trotz Absperrungen und Kontrollen so nahe an die Soldaten heranzukommen. Und die große Frage ist, woher die überall bereits umzingelten Dschihadisten immer noch all die Waffen, Fahrzeuge und Munition herbekommen.
02.08.  Die Libysche Nationalarmee flog Angriffe auf den westlichen Teil von Derna.
02.08.  Die libysche Zentralbank gab bekannt, dass sich zwischen 2012 und 2016 insgesamt 56 Banküberfälle in Libyen ereignet hätten.
03.08.  Das libysche Parlament in Tobruk hat die amerikanischen Luftangriffe auf Sirte verurteilt und den USA vorgeworfen, mit zweierlei Maß zu messen. Der libysche Parlamentsausschuss für Verteidigung und Sicherheit hat den US-Botschafter einbestellt und ihm eine Protestnote übergeben.
03.08.  Russland bezieht zu den Bombardierungen des IS in Sirte durch die USA Stellung. Es fordert eine enge internationale Abstimmung und bezieht sich auf das Abkommen von Skhirat, das wegen der fehlenden Zustimmung des Tobruk-Parlaments nicht in Kraft getreten ist.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/einladung-zur-militaerintervention
04.08.  Hillary Clinton unterhielt enge Beziehungen zu der französischen Firma Lafarge, die Deals mit dem IS in Syrien machte und heute einer der größten Investoren im Irak ist.[1] Was wusste Botschafter Stevens vor seiner Ermordung über die Waffentransporte von Libyen nach Syrien und Clintons Verstrickungen?
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/eine-spur-in-den-irak-nach-syrien-und-libyen
05.08.  Amerikanische Regierungsvertreter erklärten gegenüber Reuters, die Angriffe auf Libyen seien keine isolierten Luftschläge, sondern bildeten den Auftakt eines längeren Krieges.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag:
www.freitag.de/autoren/gela/die-rueckkehr-der-barbaren
06.08.  Barak Obama kann getrost in Urlaub fahren, es kann währenddessen weitergebombt werden. Der AFRICOM-Befehlshabers, Marinegeneral Thomas Waldhauser kann eigenmächtig Angriffe in Libyen anordnen, ohne sich beim US-Präsidenten rückversichern zu müssen. Bei einer Befragung vor dem Senat meinte Waldhauser, es mache keinen Sinn, den IS in Libyen nicht aus der Luft anzugreifen. Das Afrika-Kommando der US-Armee hat seinen Sitz im deutschen Stuttgart. Waldhauser war bereits 2011 der Befehlshaber im Krieg gegen Libyen. Und der Kapitän des Flaggschiffes, von dem aus die Flugzeuge für die Bombenangriffe auf Sirte starteten, wurde in einer amerikanischen Militärzeitschrift mit den Worten zitiert: „… Wir werden Flugzeuge mit Waffen starten, und wenn sie zurückkehren, werden sie diese auf irgendjemand abgeworfen haben. Und falls wir die Marines an Land schicken müssen, werden sie ins dickste Schlachtgetümmel kommen.“[2]
06.08.  Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, unterstützt nicht die Bitte von Sarradsch an die USA, Luftangriffe gegen den IS in Sirte zu fliegen.
08.08.  Die ‚Bewegung Fünf Sterne‘ (Movimento Cinqe Stelle, M5S) von Pepe Grillo, die bei neuesten Wählerumfragen in Italien gut abschneidet, hat die italienische Regierung aufgefordert, den USA nicht zu erlauben, von den Militärstützpunkten in Italien aus Einsätze in Libyen zu fliegen. Die USA starten ihre Luftwaffe vor allem von Sigonella auf Sizilien aus.
09.08.  JamahiriyaNewsAgency erklärt Martin Kobler in Libyen zur ‚persona non grata‘. Seine Äußerungen seien respektlos und provokativ, seine Einmischungen riefen unnötige zusätzliche Konflikte hervor, seine Handlungen stünden im Gegensatz zur Charta der Vereinten Nationen und verletzten die Souveränität Libyens.
09.08.  Ein Steward von Afrikija Airways ist am Mitiga-Airport bei Tripolis erschossen worden.
09.08.  Bereits im Juli äußerte Andreas Dittmann, Anthropogeographieprofessor an der Universtät Gießen, in einem Gespräch mit der Deutschen Welle: „Der ehemalige Herrscher Muammar Gaddafi hatte sich einst auf die beduinische Tradition der gemeinsamen Beratung bezogen. Wenn man sich dieser Tradition des Diskutierens in Volkskomitees - so hieß das unter Gaddafi - bedienen würde, wäre das ein Fortschritt gegenüber der derzeitigen Situation, in der man einander bekämpft. Man hat in Libyen keine Tradition freier Wahlen. Diese hat es im modernen Libyen noch nie gegeben - weder während der Regierungszeit Gaddafis noch davor, als das Land zunächst eine italienische Kolonie und anschließend eine Monarchie war.[3]
10.08.  Die Einsatzzentrale der Misrata-Milizen meldet, dass sie in Sirte das Ouagadougou-Konferenzzentrum, in dem der IS sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, erobert haben. Die USA fliegen weiter Luftangriffe auf Sirte, obwohl die US-Zeitung „The Daily Beast“ einen Artikel veröffentlichte, der darlegt, wie ein führender General in den USA seine Analysten zwang, die Berichte über die Wirksamkeit des ‚Krieges gegen den IS‘ zu schönen. Es steht auch außer Frage, dass sowohl die USA als auch Großbritannien, Frankreich und Italien in Libyen „boots on the ground“ haben, obwohl dies von den jeweiligen Regierungen bestritten wird.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/sirte-oder-die-geheime-invasion-des-westens
11.08. JamahiriyaNewsAgency: Dschamahirija steht dem im Juli aus einem Gefängnis-Dialog hervorgegangenen Entwurf einer Vereinbarung zwischen den Dschamahirija-Kräften und islamistischen Kräften, die auch LIFG-Kräfte beinhalten, kritisch gegenüber. Eine Allianz zwischen den beiden kontroversen Kräften scheint fragwürdig. An dem Dialog nahmen vier Gefangene des al-Hadba-Gefängnisses teil, von denen drei zum Tode verurteilt worden sind. Warum wurden diese dann als Zeichen des guten Willens nicht freilassen? Und warum wurden vor kurzem 17 Gefangene kurz vor ihrer Freilassung im Juni ermordet und ihre Leichen an öffentlichen Plätzen in Tripolis abgelegt? Ist der Dialog eine Reaktion auf die Freilassung Seif al-Gaddafis und dessen Ankündigung, Libyen wieder zu vereinen, den Terrorismus auszumerzen und die Souveränität des Landes wieder herzustellen? Seif al-Gaddafi hat die Unterstützung des Großteils der libyschen Stämme, die sich öffentlich zu ihm bekannt haben.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/gefaengnisdialog-in-tripolis
11.08.  Auf Betreiben einer Delegation aus dem Fessan wurde von General Hefter ein elfköpfiges Komitee gebildet, das mit den Stämmen und den Ältestenräten im Fessan über die Möglichkeiten zur Beendigung der Instabilität im Süden verhandeln und zur Bildung einer Armee, bestehend aus den verschiedenen in der Region tätigen Milizen, führen soll. In der Delegation sind auch einige Gaddafisten vertreten.
11.08.  Es wird geschätzt, dass in Libyen über zwei Millionen Waffen im Umlauf sind.
11.08.  Am fünften Jahrestag der Vertreibung aus Tawerga haben Flüchtlinge in Tripolis und Bengasi für ihre Heimkehr demonstriert. Trotz einiger Versuche, mit Misrata über die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatstadt zu verhandeln, müssen diese weiterhin unter menschenunwürdigen Bedingungen in verschiedenen Flüchtlingslagern ausharren. In Misrata arbeitet eine machtvolle Lobby gegen die Rückkehr der Flüchtlinge.
11.08.  Die US-Zeitung ‚The Daily Beast‘[4] berichtet, wie ein führender CENTCOM-General seine Geheimdienstanalysten zwang, Geheimdienstberichte zu manipulierten. Auch vor den Kongress geladene Zeugen wurden unter Druck gesetzt, um einen positiveren Eindruck über den Krieg gegen den IS vorzugaukeln. Dies fand eine Untersuchungskommission des US-Kongresses heraus, die demnächst mit einem 10-Seiten-Bericht an die Öffentlichkeit treten will. Geheimdienstanalysten hatten eine offizielle Beschwerde eingereicht, weil ihre Berichte über den IS und al-Kaida in Syrien von höhergestellten Beamten abgeändert worden waren. Das Arbeitsklima sei vergiftet gewesen und sie seien genötigt worden, Schlussfolgerungen zu ziehen, die sich aus den vorliegenden Fakten nicht ergeben hätten. Es wird berichtet, dass die für die Fälschungen verantwortlichen Generäle bei CENTCOM die entsprechenden Emails und Ordner vor Einsichtnahme durch die Untersuchungskommission auf ihren Rechnern gelöscht hätten. Nun stellt sich die Frage, warum die Berichte geschönt wurden und auf wessen Veranlassung. Waren es die Generäle oder geht die Befehlskette noch weiter nach oben? Der Ruf nach einer ‚ungeschminkten‘ Wahrheit wird immer lauter.

Auch ein Artikel von RussiaToday befasst sich mit den Vorgängen um frisierte Geheimdienstberichte in den USA, die militärische Erfolge gegen den IS geschönt, gleichzeitig dessen Gefährlichkeit heruntergespielt hätten. Während im Sommer 2015 nach 10.000 US-Luftwaffeneinsätzen gegen den IS noch immer kein größerer Erfolg verzeichnet wurde, konnten russische Luftwaffeneinsätze in Syrien schon nach wenigen Wochen 80 Prozent der IS-Öltankwagen zerstören und damit die Hauptfinanzierungsquelle des IS trockenlegen.[5]
Der IS darf nicht aufgerieben, sondern nur geschwächt werden, reisen auf seinem Ticket doch die Drohnen und Militärjets in all jene Länder, wo er gesichtet wurde.
12.08.  Aufgrund der starken Proteste innerhalb der Bevölkerung Libyens sollen sich die französischen Truppen aus dem Land zurückgezogen haben. Sie befänden sich jetzt im Stand-by-Modus auf Malta.
12.08.  Eines der beiden Mitglieder, die den insgesamt neun-köpfigen Präsidialrat immer noch boykottieren, ist der aus dem Osten stammende Ali al-Gatrani. Über ‚Premierminister‘ Sarradsch meinte er, dieser befinde sich im politischen Koma und benehme sich wie ein Agent fremder Mächte, die beabsichtigen, Libyen zu teilen und seine Schätze zu stehlen. Sarradsch gefährde die Einheit und Sicherheit Libyens. Gatrani beschuldigte schon früher den Präsidialrat, von der Moslembruderschaft dominiert zu sein.
12.08.  Inzwischen sieht es auch Martin Kobler, der UN-Beauftragte für Libyen, ein: „Die Unterstützung [für Sarradsch] bröckelt“, so sagte er in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.[6] Die Gründe dafür sieht er allein in den anhaltenden Stromausfällen und dem Verfall des Libyschen Dinars, die Intervention und Invasion ausländischen Militärs erwähnt er mit keinem Wort. Er sagt, vordringlichste Angelegenheiten der ‚Sarradsch-Abu-Sita-Regierung‘ seien das Terrorismus- und das Migrationsproblem. Doch dies sind wohl eher die vordringlichsten Angelegenheiten für Europa. Den politischen Weg seiner ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ hält er für alternativlos. Diese soll das Land in eine Zukunft à la Dubai führen.
Das schmerzt schon fast. Kann es sein, dass er da geographisch, kulturell und politisch etwas durcheinander bringt? Frappierend ist, wie Kobler weite Teile der politischen Realität Libyens einfach ausblendet, was sein Scheitern nicht nur vorhersehbar, sondern auch unvermeidbar macht. Wenigstens gesteht er ein, dass die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ von Sarradsch ein Legitimitätsdefizit hat – was Sarradsch aber nicht davon abhielt, fremde Truppen ins Land zu rufen – dass „starke Gruppen“ das politische Abkommen (vermutlich meint er das Skhirat-Abkommen) ablehnen sowie dass der IS in Libyen über keine Basis verfügt und sich fast ausnahmslos aus Ausländern zusammensetzt.
12.08.  Laut der dschihadistischen Bengasi-Verteidigungs-Brigade wurde eine vierköpfige Familie, darunter zwei Kinder, von einer französischen Drohne getötet.
13.08.  RT strahlt ein Interview mit Julian Assange aus, in dem es unter anderem um die Verbindungen zwischen Hillary Clinton und dem Islamischen Staat IS geht (etwa ab 18. Minute):
https://deutsch.rt.com/international/39968-exklusives-rt-interview-mit-assange/
Assange sagt darin, es sei unbestreitbar belegt, dass zu der Zeit, als Clinton Außenministerin der USA gewesen ist, Libyen genutzt wurde, um Dschihadisten in Syrien Waffen zukommen zu lassen. Dies sei durch verschiedene Quellen gut belegt. 1.700 E-Mails, die aus dieser Zeit stammen und von Wikileaks veröffentlicht worden sind, haben einen Bezug zu Libyen. Daraus geht hervor, wie Clinton die Invasion in Libyen nicht nur politisch, sondern auch organisatorisch anführte. Informationen, die Clinton über die französische Firma Lafarge mit dem IS in Verbindung bringen, hat vor allem Le Monde veröffentlicht. Wikileaks hat 350 E-Mails über Syrien veröffentlicht, die einen Bezug zu Lafarge haben. Daraus geht hervor, dass Lafarge an den IS Geld bezahlt hat. Geld von Lafarge floss 2015 und 2016 auch an die Clinton-Stiftung. Zwischen Lafarge und Clinton gibt es eine lange Beziehung. Sie saß dort im Vorstand. Veröffentlichungen von Wikileaks zur Clinton-Stiftung sind noch zu erwarten.
Assange ist der Ansicht, dass die Beweise, die von Wikileaks veröffentlicht wurden, zur Anklage vor einer Grand Jury ausreichten. Dazu müsste sie aber von einem Staatsanwalt aufgefordert werden. Dies sei bisher nicht geschehen.
13.08.  Die Libysche Nationalarmee ist mit einem großen Konvoi militärischer und ziviler Fahrzeuge in der Stadt Zueitina einmarschiert und wurde von deren Bevölkerung enthusiastisch begrüßt. Der Konvoi stoppte kurz vor dem Zugang zu den Erdölterminals. Diese sind von der Petroleum Facilities Guard besetzt, die unter dem Befehl von Ibrahim Dschadran steht.
Vor wenigen Tagen hatten Regierungen der EU und die USA ihre Besorgnis über die wachsenden Spannungen um die Stadt Zueitina und deren Erdölanlagen zum Ausdruck gebracht. Kampfhandlungen, die zu Zerstörungen führen könnten, sollten vermieden werden.
Die Libysche Nationalarmee könnte beabsichtigen, die Ölterminals von Zueitina, Sidra und Ras Lanuf einzunehmen.
14.08.  In Tripolis kämpfen Islamisten gegen Islamisten um Macht und Einfluss, während die Bevölkerung leidet. Die ‚Revolutionäre Tripolis-Brigade‘ unter der Führung von Haitham Tadschuri hat das Hauptquartier und einige andere Posten des Geheimdienstes von Tripolis angegriffen und unter ihre Kontrolle gebracht. Die Miliz ‚Tripoli Revolutionaries‘ Brigade‘ ist eine der stärksten Milizen der Stadt. Tadschuri, der auch wegen seiner Korruptheit als unbeliebt gilt, wechselte bereits mehrmals die Seiten. Zunächst bekannte er sich zur Monarchie, wurde 2014 vom General National Congress verhaftet und von der UN als Verbrecher gegen die Menschlichkeit eingestuft. Heute steht er in Feindschaft zu Großmufti al-Ghariani, aber auch zu den LIFG-Milizen und zu islamistischen Misrata-Kräften, aus denen sich vor allem der Geheimdienst in Tripolis zusammensetzt. Er gilt als Unterstützer des Government of National Reconciliation, die aus dem Rumpfparlament des General National Congress hervorgegangen ist. Dessen ‚Präsident‘ Khalifa Ghweil bemüht sich um einen innerlibyschen Dialog der Aussöhnung. Das Government of National Reconciliation kontrolliert immer noch verschiedene Regierungseinrichtungen in Tripolis wie das Gesundheits- und das Kommunikationsministerium.
Die ‚Revolutionäre Tripolis-Brigade‘ berichtet über einen Angriff der Al-Bruni-Brigade, die eng mit dem Chef des Geheimdienstes, Mohamed Muftah Nuh verbunden ist, am Mitiga-Airport. Tadschuri wirf Nuh Bestechlichkeit vor und fordert seine Absetzung. Erst danach wären die ‚Revolutionären Tripolis-Brigaden‘ bereit, die Geheimdiensteinrichtungen wieder zu räumen. Ein weiterer Vorwurf lautet, ein Geheimdienstmitarbeiter hätte versucht, mittels finanzieller Anreize Kollegen zur Spionage für ausländische Staaten zu überreden.
Die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ hat bisher keine Stellungnahme zu den Vorgängen abgegeben.
Währenddessen sind in Tripolis Plakate geklebt worden, die den Großmufti al Ghariani auf ‚Zutritt gesperrt‘-Schildern zeigen, das mit einem dicken, roten Diagonalstift durchgestrichen ist und die Aufschrift ‚Nein zur Moslembruderschaft‘ und ‚Schluss mit dem Blutvergießen‘ tragen. Die Verursacher sind unbekannt.
15.08.  Laut einem Mitglied des Verteidigungskomitees des russischen Parlaments würden die USA alles tun, um die Abu-Sita-Einheitsregierung zu stützen, deren Situation prekär sei und die ihre Sitzungen immer noch auf der Marinebasis Abu-Sita abhalten müsse. Die amerikanischen Interventionen dienten drei Zwecken: die ‚Einheitsregierung‘ zu stützen, die Position des Tobruk-Parlaments zu schwächen und der Welt zu zeigen, dass man gegen den IS kämpfe.
15.08.  Das Missing-Migrants-Projekt hat über den Zeitraum von etwa zwei Monaten 1.400 Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien gekommen waren, befragt. Dabei sagte ein Großteil, sie seien Misshandlungen ausgesetzt gewesen und missbraucht worden, so hätten sie für geleistete Arbeit keinen Lohn erhalten, sie seien gefangen gehalten, entführt oder gefoltert worden. Etwa fünf Prozent der Befragten sagten, ihnen sei Geld für Blut, Organe oder Körperteile angeboten worden. Einige seien während ihrer Gefangenschaft zu Blutspenden gezwungen worden. Die meisten Missbrauchsfälle fanden in Libyen statt, einige auch in Ägypten. Große Sorge bereitet die große Zahl Minderjähriger, die alleine unterwegs sind und von denen fast 13.000 dieses Jahr in Italien angekommen sind.

Laut Europol gelten allein in Europa mindestens 10.000 minderjährige Geflüchtete als vermisst. Viele der Vermissten seien Opfer von sexuellem Missbrauch und Sklaverei. Unter dem Titel „Das Schicksal der Verdammten“ heißt es in einem Artikel von Emran Feroz: „So kamen etwa italienische Sozialarbeiter zum Schluss, dass sowohl männliche als auch weibliche Minderjährige aus Nigeria, die das europäische Festland über das Mittelmeer erreicht haben, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Ähnliches ist laut UNICEF auch im französischen Calais der Fall. Sex, sprich, der Akt der Vergewaltigung, hat sich auf den Fluchtrouten mittlerweile als eine Art Währung entwickelt. Wer die Menschenschmuggler nicht mit Geld bezahlen kann, muss dies eben anders tun.“[7]
15.08.  Islamistische Milizen halten in dem von ihnen immer noch besetzten Ganfuda-Viertel in Bengasi 200 sudanesischen Arbeiter als menschliche Schutzschilde gefangen. Fünf seien bereits bei Luftschlägen ums Leben gekommen.
16.08. JamahiriyaNewsAgency: Es gibt eine neue Entwicklung im Fall des nach seiner Entführung in Syrien im Libanon seit Dezember 2015 gefangen gesetzten Hannibal Gaddafi: Nachdem es zuerst hieß, er solle in Kürze freikommen, da die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht haltbar seien, musste er erneut vor dem Appelationsgericht erscheinen, wo neue Anschuldigen wegen des Verschwindens von Musa Sadr im Jahre 1978 gegen ihn erhoben wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Hannibal Gaddafi zwei Jahre alt.
Die libanesische Regierung konnte gegen Hannibal, der im Gefängnis schwer gefoltert worden war, keine stichhaltige Anklage vorbringen. Das wirft die Fragen auf: Warum werden vom Libanon internationale Gesetze und Normen außer Kraft gesetzt? Warum kommt der Libanon den Aufforderungen Syriens nicht nach, ihren Bürger wieder nach Damaskus ausreisen zu lassen? Warum stimmten die Libanesen zu, Hannibal an die al-Kaida-Kräfte in Tripolis gegen eine Zahlung von 200.000 US-$ auszuliefern und sich damit zu deren Handlagern zu machen? Um welchen Verrat geht es hier eigentlich, wenn der Libanon sogar bereit ist, politischen Suizid zu begehen und seine internationale Reputation aufs Spiel zu setzen? An alle Menschenrechtsorganisationen ergeht die Aufforderung, sich für die unverzügliche Freilassung Hannibal Gaddafis einzusetzen!
16.08.  In einem Stadtteil von Bengasi, der noch immer vom Revolutionären Schura-Rat Bengasi gehalten wird, mussten Spezialeinheiten der libyschen Armee schwere Verluste durch Sprengvorrichtungen und Minen erleiden. Zehn Soldaten wurden getötet, 35 weitere verletzt. Es stellt sich nach wie vor die Frage, wieso die dschihadistischen Milizen trotz Umzingelung immer noch über genug Waffen, Munition und Sprengsätze verfügen.
16.08.  Beim Vormarsch gegen den IS in Sirte haben IS-Dschihadisten zwei Autobomben gezündet, die fünf Soldaten der Bunjan-Marsous-Force tötete und 25 verletzte. Der Kommandant gab an, der weitere Vormarsch könne nur äußerst langsam vonstattengehen.
JamahiriyaNewsAgency merkt dazu an: Verfolgt man die Vorgänge um Sirte, stellt sich einem die Frage, wieso der IS immer noch nicht endgültig besiegt werden konnte. Während der letzten Monate wurde er bereits mehrmals aus Sirte vertrieben, kehrte dann aber immer wieder in die Stadt zurück. Es scheint sich hierbei um ein strategisches Vorgehen zu handeln, dass zwischen ausländischen Kräften und den Truppen der ‚Einheitsregierung‘ koordiniert wird.
17.08.  Die mit der Libyschen Nationalarmee liierten Zinten-Milizen geben bekannt, dass sie neben 20 anderen IS-Kämpfern auch den von Tunesien gesuchten Top-Terroristen Abu Nassim, oder Moes Ben Abdulgader Ben Achmed al-Fessani, gefasst hätten. Die IS Kämpfer waren aus Sirte geflohen und auf den Weg nach Tunesien.
Nassim wird beschuldigt, maßgeblich im März an dem IS Versuch beteiligt gewesen zu sein, die tunesische Grenzstadt Ben Guerdane unter ihre Kontrolle zu bringen. Es gab 58 Tote.
18.08.  Bei zwei Autobombenanschlägen wurden in Sirte 10 Soldaten der Bunjan Marsous Miliz getötet und 65 verletzt.
In die befreiten Stadtgebiete werden Hilfsgüter geliefert.
18.08.  Das US-African-Command berichtet, es hätte seit 1. August insgesamt 62 Luftangriffe im Rahmen der ’Operation Odyssey Lightning‘ gegen den IS in Sirte geflogen.
18.08.  Der Machtkampf verschiedener Milizen in Tripolis tobt weiter. Diesmal ist die Miliz von Abdul Ghani al-Kikli (oder Ghneiwa) gegen die Salah al-Burki-Miliz aufmarschiert. Die al-Burki-Miliz kommt aus Misrata, während die Kikli-Miliz in den Nafusa-Bergen beheimatet ist.
18.08.  Bewaffnete griffen die Hauptzentrale des Hatif-Libya-Telekommunationszentrums in Tripolis an und unterbrachen die Kommunikation in weiten Teilen des Landes.
19.08.  Die neuesten Erhebungen ergaben, dass in Libyen 348.372 Personen aus ihren Heimatorten vertrieben sind, 310.265 dahin zurückkehren konnten und sich 275.860 Migranten im Land aufhalten. Vor allem nach Bengasi konnten viele Flüchtlinge zurückkehren. Die Zahl der Migranten ist seit der letzten Erhebung um fünf Prozent gestiegen, zwei Prozent von ihnen befinden sich in Gefangenenlagern. Ihre Hauptherkunftsländer sind Niger, Ägypten und Tschad.
In dieser Statistik finden die vielen ins benachbarte Ausland oder nach Europa geflohenen Dschamahirija-Leute ebenso wenig eine Erwähnung, wie die vielen entführten oder noch in Gefängnissen Festgehaltenen.
19.08.  In Bengasi finden Demonstrationen gegen den Präsidialrat und die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ statt, an denen auch Premierminister Abdullah al-Theinni teilnimmt.
19.08.  JamahiriyaNewsAgency: Der IS und al-Kaida attackieren die Hauptstadt Tripolis und die westlichen Landesteile. In Tarhuna wurden IS-Lager entdeckt.
20.08.  Die Libysche Nationalarmee gibt bekannt, dass Bereiche der noch immer teilweise vom IS besetzten Stadtteile in Bengasi befreit werden konnten. Es wird weiterhin heftig gekämpft. Ein Problem stellen die vielen vom IS platzierten Minen beim weiteren Vorrücken dar. Einige gefangene Soldaten konnten sich aus der IS-Gefangenschaft befreien und sind sicher bei Armeestützpunkten angekommen.
20.08.  RussiaToday erklärt General Hefter zur unbekannten Variablen im libyschen Machtkampf.[8] Die Aussage eines ehemaligen libyschen Botschafters lautete: „Die Amerikaner kennen ihn sehr, sehr gut.“
Russia Today verweist auf folgende Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=Vc0--pCkz1w
https://www.youtube.com/watch?v=gZHHi6kzV-I
21.08.  Verwirrung um die seit Monaten andauernde Sperrung der Küstenstraße zwischen Tripolis und Zawia (nicht weit westlich von Tripolis gelegen) durch Wirschefana-Milizen. Der Wirschefana-Stamm ist verbündet mit dem Tobruk-Parlament und der Libyschen Nationalarmee. Dagegen ist Zawia unter Kontrolle islamistischer Milizen (Mohamed-Kilani-Brigade), die vom sogenannten ‚Revolutionary Operations Room‘ (aus Bengasi geflohene Islamisten) unterstützt werden. Die islamistischen Zawia-Milizen fordern die Öffnung der Küstenstraße.
Beide Seiten haben mobilisiert, es kam zu vereinzelten Zusammenstößen, Verhandlungen wurden erfolglos abgebrochen.
Es wird befürchtet, die islamistischen Milizen könnten nach Tripolis einmarschieren, um dort die Macht an sich zu reißen. Misrata-Kräfte sollen deshalb in Verhandlungen mit dem Wirschefana-Stamm getreten sein, damit diese die Straßenblockade aufrechterhalten.
Es kann also keinesfalls davon gesprochen werden, dass Libyen in einen Ost- und einen Westteil gespalten ist. Bedeutende Stämme im Westen unterstützen die im Osten befindliche Regierung unter al-Theinni und deren Libysche Nationalarmee.
21.08.  Es sieht schlecht aus für die Abu-Sita-Einheitsregierung: Die Ältesten des Obeidat-Stammes haben eine Vereinbarung abgelehnt, das die Abu-Sita-Einheitsregierung anerkennen sollte und zum Ende der Kämpfe in Bengasi und Derna aufrief. Stattdessen bezeichneten die Stammesältesten die Abu-Sita-Einheitsregierung als „Besatzungsregierung“ und erneuerten ihre Unterstützung für die al-Theinni-Regierung, das Tobruk-Parlament und die Libysche Nationalarmee.
Das Abkommen wurde einen Tag vorher in Tunis mit Misrata-Leuten ausgehandelt. Allerdings soll das verhandelnde Obeidat-Mitglied zum dschihadistischen Derna-Mudschaheddin-Schura-Rat gehören, der mit al-Kaida verlinkt ist, und in keiner Weise den Obeidat-Stamm repräsentiert.
21.08.  In Tripolis drohen die Arbeiter des Energieversorgers GECOL mit unbefristetem Streit, wenn ihre seit März ausstehenden Gehälter nicht bezahlt werden. Ein Streit könnte die dürftige Energieversorgung völlig zum Erliegen bringen.
Auch wenn Gehälter überwiesen werden, sind die Banken mangels Bargeld nicht in der Lage, Gelder auszuzahlen. Auch für die Wartung der Kraftwerke ist kein Geld vorhanden.
22.08.  Das Tobruk-Parlament stimmt gegen die Annahme des ‚Libyschen Polit-Abkommens‘ von Skhirat und somit gegen die UN-gestützte Einheitsregierung in Tripolis.
Eine Ohrfeige für die sogenannte ‚internationale Gemeinschaft‘ und den UN-Vertreter Martin Kobler.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/tobruk-parlament-stimmt-gg-einheitsregierung
22.08.  JamahiriyaNewsAgency: Im Südosten der Stadt Bani Walid wurden Luftangriffe geflogen, vermutlich von den USA. , Sarradsch, soll sich in Tunesien mit dem Chef von AFRICOM getroffen haben, um über die Ausweitung von Luftangriffen in Libyen zu beraten.
22.08.  Abdul Rassak al-Nahuri, Generalmajor der Libyschen Nationalarmee, flog nach Zinten zu Gesprächen mit örtlichen Milizen und Offiziellen. Er signalisierte damit seine Unterstützung für die Zintanis und die Wirschefanis.
23.08.  JamahiriyaNewsAgency: Fajes al-Sarradsch verließ über den Mitiga-Flugplatz bei Tripolis Libyen in Richtung Italien.
23.08.  Generalmajor Abdul Rassak al-Naschuri, Militärgouverneur des Tobruk-Parlaments, zuständig für die nördliche Kyrenaika, hat die Absetzung des Bürgermeisters von Ajdabija, Salem Dschedhren, angeordnet. Salem Dschedhren ist der Bruder von Ibrahim Dschedhren, Kommandant der Petroleum Facilities Guard.
Ajdabija mit seinen Ölfeldern und Ölterminals ist das einzige Gebiet im Osten Libyens, das noch nicht die Libysche Nationalarmee unterstützt. Die Libysche Nationalarmee ist zwar in die Stadt eingerückt, die Erdölanlagen sind aber immer noch unter Kontrolle der Petroleum Facilities Guard.
Naschuri hat auch schon den Bürgermeister von Bengasi durch einen Armee-Obersten ersetzt.
Vor zwei Tagen hat der Ältestenrat des Magharba-Stammes die Unterstützung der Libyschen Nationalarmee erklärt.
24.08.  Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, hat in einem Brief den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon aufgefordert, sowohl den Präsidialrat als auch die ‚Einheitsregierung‘ nach deren Ablehnung durch das Tobruk-Parlament nicht länger als Ansprechpartner zu betrachten. Sollte Ban Ki-Moon sich weigern, würde gegen die Vereinten Nationen eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erfolgen.
Der Präsidialrat hat verlauten lassen, er akzeptiere die Ablehnung der gegenwärtigen ‚Einheitsregierung‘ und werde eine neue Ministerliste vorlegen. Allerdings sollten die alten Minister im Amt bleiben bis eine neue Regierung gewählt sei. Dies würde bedeuten, dass sich praktisch trotz der Parlamentsentscheidung erst einmal gar nichts ändert.
Agila Saleh steht weiterhin auf der UN-Sanktionsliste, da er die ‚Einheitsregierung‘ nicht anerkannt hat. Logischerweise müssten aber wohl die UN, die USA und die EU selbst auf einer roten Liste stehen, da sie eine nicht legal im Amt befindliche Regierung gegen ein legal gewähltes und international anerkanntes Parlament unterstützen.
Wie erwartet, stellen sich die USA und die EU ebenso wie Martin Kobler weiterhin hinter die ‚Einheitsregierung‘ und den Präsidialrat. Es ist offensichtlich, wer in Libyen Regierungen und Minister einsetzt.
Das ‚Libysche Polit-Abkommen‘ von Skhirat sah ursprünglich eine Trennung von Exekutive und Legislative vor, erstere sollte vom Präsidialrat und der ‚Einheitsregierung‘ ausgeübt werden, für die Legislative wäre das Tobruk-Parlament zuständig. Dieses Konstrukt ist gescheitert.
24.08.  Der Kommandant der libyschen Küstenwache unterschreibt in Rom im Namen der ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ (die gar nicht mehr im Amt sein dürfte) eine Vereinbarung über die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die EU. Anwesend ist auch der italienische Admiral Credendino, Chef des europäischen Anti-Schmuggler-Einsatzes ‚Sophia‘. Nahezu gleichzeitig sagt in Libyen der Sprecher der libyschen Marine über die ‚Operation Sophia‘: „Offensichtlich braucht Italien mehr Zeit, um noch länger Libyens Ressourcen stehlen und sein Öl schmuggeln zu können.“[9] Er bezichtigt Italien der illegalen Fischerei vor Libyens Küste.
24.08. Die libysche Marine beschoss ein Schiff von ‚Ärzte ohne Grenzen‘, das angeblich die Überprüfung der Personalien von den an Bord befindlichen Personen verweigerte. Kurioserweise hat die dafür verantwortliche libysche Marineeinheit in der gleichen Marinebasis ‚Abu Sita‘ ihren Stützpunkt, in dem sich auch Sarradsch und sein Präsidialrat verstecken.[10]
24.08.  JamahiriyaNewsAgency: Es gab ein Treffen zwischen den Bürgermeistern und Beamten von Jansur (im Westen gelegener Vorort von Tripolis) und denen von Zinten mit dem Ziel, die Beziehung zwischen beiden wieder zu verbessern. Verhandelt wurden die Rückkehr von Bürgern, die aus Jansur nach Zinten geflohen waren, die Sperrung der Küstenstraße zwischen Zawia und Tripolis durch Zinten-Milizen und das Verhältnis zwischen Jansur und den benachbarten Wirschefana-Stamm. Zinten und Wirschefanis sind Verbündete des Tobruk-Parlaments und der Libyschen Nationalarmee, während der Stadtrat von Jansur ehemals die Allianz des islamistischen Libyschen Fadschr (Morgendämmerung) unterstützte.
24.08.  JamahiriyaNewsAgency: Die Libyschen Stammesführer sprechen der Libyschen Nationalarmee ihre Unterstützung aus, ebenso wie dem Tobruk-Parlament. Die libysche Jugend wird aufgerufen, Ibrahim Dschedhren und seine Petrol Facilities Guard, die sich der Einheitsregierung und der aus LIFG (Libyan Islamic Fighting Group) bestehenden Nationalgarde angeschlossen haben, zu verlassen.
25.08.  Die medizinische Fachzeitschrift The Lancet gab bekannt, dass laut einer Studie die Lebenserwartung seit dem Beginn des sogenannten „arabischen Frühlings“ in 22 Ländern, unter anderem Libyen, Syrien, Tunesien und Ägypten, zum Teil beträchtlich gesunken ist und sich auch die Säuglingssterblichkeit erhöht hat, während sich in diesen Ländern bis 2010 diese Zahlen deutlich verbessert hatten. Zurückgeführt wird dies auf einen Mangel an medizinischer Ausstattung, Personal und Medikamenten. Aufgrund einer schlechteren Versorgung mit Wasser und Strom seien auch die Hygienestandards abgesackt.[11]
26.08.  JamahiryaNewsAgency: Die im März begonnen Verhandlungen im Rahmen des innerlibyschen Gefängnisdialogs, der sogenannten „Vergesst September (1969) und Februar (2011)“-Initiative, werden beendet.
Siehe meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/gefaengnisdialog-in-tripolis
Niemand wird sich für die ‚September-1969-Revolution‘ entschuldigen, denn diese Revolution war nicht nur ein Sieg für Libyen, sondern für die Humanität.
Die brutalen Morde an Offizieren der Libyschen Nationalarmee in Tripolis im März, an der ehemaligen Sekretärin für Frauenangelegenheiten des Tawerga Volkskongresses im Mai und an 15 Gegangenen des Al-Hadba-Gefängnisses vor ihrer Freilassung im Juni hätten jegliches Vertrauen in eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite zerstört. Deren Verhandlungsführer ist Khaled al-Sharif, Kommandant der Libyan Islamic Fighting Group.
Der „Gefängnisdialog“ solle nur dazu genutzt werden, die US-UN-installierte ‚Einheitsregierung‘ und die sie unterstützende Moslembruderschaft an der Macht zu halten, die die Zerschlagung des gewählten Tobruk-Parlaments und der Libyschen Nationalarmee verfolgten. Erneut werde die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert inklusive des Gefangenen Abdullah Senussi (Schwager und enger Vertrauter Muammar al-Gaddafis), damit er ohne Drohungen, die sich gegen ihn oder seine Familie richten, seine Ansichten äußern könne.[12]
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/die-rolle-katars-in-libyen
26.08.  Die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ bezeichnet sich nach ihrer Ablehnung durch das Tobruk-Parlament als ‚geschäftsführende Einheitsregierung‘ (caretaker Government of National Accord). Da sie nach der Ablehnung durch das Tobruk-Parlament eigentlich gar nicht mehr im Amt sein dürfte, hat sie sich einfach ‚geschäftsführend‘ wieder ins Amt gesetzt. Der sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘ ist kein Trick zu billig.
In dieser ‚geschäftsführenden‘ Funktion hat sie den schon dreimal abgesetzten libyschen UN-Botschafter Ibrahim Dabbaschi durch Elmahdi S. Elmadscherbi ersetzt. Dabbaschi hatte sich dahingehend geäußert, dass er die ‚Einheitsregierung‘ mit ihrem Präsidialrat als gescheitert betrachtet.
26.08.  In Ganfuda wurden durch einen Selbstmordanschlag drei Soldaten getötet und zehn verletzt.
27.08.  Einer Landmine fielen in Gawarsha sechs Soldaten der Libyschen Nationalarmee zum Opfer.
28.08.  Beim Vorrücken von Misrata-Kämpfern auf Stellungen des IS in Sirte wurden bei fünf Autobombenanschlägen 35 Soldaten getötet und 180 verletzt.
Seit Mai wurden insgesamt 400 Kämpfer getötet und mehr als 2000 verwundet, die meisten davon aus Misrata.
Die Misrata-Brigaden gehen seit einiger Zeit mit Nachdruck gegen den IS in Sirte vor, während sie ihn vormals eher tolerierten. Dies scheint auch mit der veränderten Politik der Türkei dem IS gegenüber in Zusammenhang zu stehen. Die Türkei war und ist ein enger Verbündeter der islamistischen Misrata-Milizen, hat in die Stadt zu Wasser und zu Luft während der ganzen Jahre trotz Waffenembargos unvermindert Waffen, Munition und Kämpfer geliefert und die Stadt mit allem Nötigen versorgt. In Misrata hält sich der türkische Botschafter auf und die Türkei hielt die ganze Zeit über den regulären Flugverkehr zwischen der Türkei und Libyen über Misrata aufrecht, auch als alle anderen Airlines Libyen nicht mehr anflogen. Doch seitdem Syrien verloren scheint und sich dort ein Kurden-Staat mit drei US-Stützpunkten (von denen einer bereits in Betrieb ist) anbahnt, scheint die Türkei ihre Taktik dem IS gegenüber geändert zu haben.
28.08.  Die Libysche Nationalarmee dehnt ihren Einflussbereich massiv in Richtung Zentrallibyen aus. In der südlichen Oasenstadt Kufra wurde der Bürgermeister durch einen Armeeoberst ersetzt.
28.08.  Die libysche Botschaft im Tschad wurde auf Anordnung der tschadischen Regierung geschlossen. Offizieller Grund ist der Aufenthalt einer zu großen Anzahl libyscher Diplomaten in der Botschaft in Dschamena. Der inoffizielle Grund könnte jedoch in der Forderung Sarradschs liegen, dass die Europäer mehr Druck auf die südlichen Nachbarn Libyens, Tschad und Niger, auszuüben sollten, damit diese ihre Grenzen besser kontrollieren, um den Flüchtlingsstrom in Richtung Libyen zu begrenzen. Dies äußerte Sarradsch letzte Woche gegenüber dem ‚Spiegel‘.
Besorgt reagierte die Regierung des Tschads auch auf die Weigerung Libyens, nach dem Umsturz von 2011 weiterhin die Angehörigen des Tibu-Stammes, die im Aozou-Streifen (nördliches Tibesti-Gebirge, an der Grenze Libyen – Tschad) leben, die libysche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen. Libyen hatte den Tibu dies im Jahre 1972 zugesagt. Der Grund für die Verweigerung könnte darin liegen, dass sich die Tibu-Verbände 2014 dem Tobruk-Parlament und seiner Regierung angeschlossen haben.
Der Aozou-Streifen gehörte gemäß eines – allerdings nicht ratifizierten Vertrags aus der Kolonialzeit – zu Libyen. 1994 sprach der Internationale Gerichtshof den umkämpften Aozou-Streifen, der auch reich an Bodenschätzen ist, dem Tschad zu.
28.08.  Armeesprecher Oberst Achmed Mismari erklärte, der Gawarsha-Bezirk von Bengasi sei vollständig unter Kontrolle der Libyschen Nationalarmee und würde nun von Landminen geräumt. Extremisten von al-Kaida, Ansar al-Scharia und dem IS seien in jetzt nur noch zwei Bezirke abgedrängt worden.
Die Luftwaffe hätte vor der Küste ein Boot mit Waffen, Munition und Sprengstoff versenkt und die Marine würde jetzt alle Fluchtwege über die See abschneiden.
Mismari weiter: „Wir nehmen keine der von dieser [Einheits]Regierung getroffenen Entscheidungen zur Kenntnis, das gilt auch für die neu geschaffene Präsidialgarde, die ausländischen Intervention in [Sirte] und die Schlacht um Sirte.“ Es würden auch die „ungesetzlichen Milizen und Gangs bekämpft, die zu [Premierminister] Sarrdsch gehören“.[13]
28.08.  Bereits am 26. Juli veröffentlichte der Generalinspekteur des Pentagons einen Bericht, wonach die Armee der USA im Jahr 2015 nicht angemessen belegte … „adjustments“ (Anpassungen, in diesem Zusammenhang wohl Ausgaben) in Höhe von 6,5 Billionen Dollar vorgenommen hat.[14] Es verschwanden eine Unmenge Belege aus dem Abrechnungssystem, wofür es keine Erklärung gibt.[15] Laut radio-utopie.de interessierte sich öffentlich niemand dafür, bis Counterpunch[16] diesen Sachverhalt aufgriff.
Wie radio-utopie.de[17] ausführt, bedeutet dies de facto die Aussetzung der Gewaltenteilung. Der unkontrollierte Militärapparat sei eine Gefahr für die Demokratie. Man kann nur vermuten, wohin diese Gelder flossen, ob damit Milizen im Nahen Osten finanziert und ausgestattet oder Geheimoperationen zum Sturz unliebsamer Regierungen durchgeführt wurden und werden.
28.08.  Aus neu aufgetauchten E-Mails Hillary Clintons geht hervor, dass genaue Reise- und Aufenthaltsdaten des später in Bengasi ermordeten amerikanischen Botschafters Stevens über den privaten und unzureichend gesicherten Account von Clinton ausgetauscht wurden.[18]
29.08.  An der Präsidialratssitzung zur Erstellung einer neuen, auf acht Posten gekürzten Ministerliste für das Parlament nahmen einschließlich Sarradsch ganze vier von neun Mitgliedern des Präsidialrates teil. Von den fünf anderen fehlte nur einer entschuldigt. Der Präsidialrat hat bis Mittwoch Zeit, diese Liste vorzulegen. Diese neue Liste wäre eine Voraussetzung für die Zustimmung des Tobruk-Parlaments zur ‚Einheitsregierung‘.
29.08.  Mustafa Senella, Direktor der National Oil Corperation in Tripolis, gab dem Präsidialrat die Schuld daran, dass Libyen täglich 10 Millionen US-$ an Einnahmen entgehen. Der Grund dafür sei, dass die National Oil Corperation kein Geld erhalte, um ihre Arbeit ausführen zu können. Senella forderte vom Präsidialrat eine Erklärung für die ausbleibenden Zahlungen. Die Öleinnahmen gehen an die Libysche Zentralbank, die mittlerweile zu 49 Prozent Katar gehört.
Vielleicht liegt die Erklärung darin, dass Libyen im Sinne der USA gar nicht mehr Öl auf den Markt pumpen soll, denn dies würde den Ölpreis noch stärker drücken.
29.08.  JamahiriyaNewsAgency: Im Gegensatz zu den Behauptungen, ist Katar nicht nur Gastgeber für die Doha-Treffen, sondern die von der Türkei, Katar, den USA und den UN unterstützen Moslembrüder hätten dort über den Vorsitz von Khaled al-Scharif von der Libyan Islamic Fighting Group großen Einfluss. Bei dem letzten Doha-Treffen gab der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, bekannt, er hätte sich vorab mit dem katarischen Außenminister Scheich Mohammed bin Abdul Rachman getroffen und ihn über die ermutigenden Entwicklungen in Libyen unterrichtet.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/die-rolle-katars-in-libyen
31.08.  Der Flughafen von Mitiga (noch funktionsfähiger Militärflughafen nahe Tripolis) scheint nicht mehr unter Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch zu stehen. Zunächst machten die ‚islamistischen Revolutionsbrigaden von Tripoli‘ unter der Leitung von Haithem Tadschuri einen Airbus der Afrikija Airways flugunfähig, indem sie seine Reifen zerstachen. Das Flugzeug sollte verwundete Soldaten der Misrata-Milizen nach Tunis ausfliegen. Daraufhin drangen Misrata-Milizen in das Flughafenkontrollzentrum ein und erzwangen die Umleitung von Flügen vom Mitiga-Flughafen nach Misrata. Einige Fluglinien stellten ihre Flüge nach Mitiga inzwischen ein.
Die Kontrolle über den Mitiga-Flughafen hatte bisher die Rada-Miliz unter Abdel Rauf Kara, die der ‚Einheitsregierung‘ ihre Loyalität zugesagt hatte.
31.08.  Und das Beste kommt zum Schluss: Libyaherald meldet, dass einige politische Aktivisten doch tatsächlich ihren König wieder haben wollen! Sie möchten Libyen wieder zur Monarchie machen, König sollte der in London lebende Prinz Mohamed al-Rida al-Senussi werden.
Wenn dies der Libyaherald schreibt, ist erstens die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch völlig am Ende und fällt zweitens dem Westen wirklich nichts Neues mehr ein.
Hat es sich noch nicht rumgesprochen, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden und Monarchien höchstens abgeschafft, aber bestimmt nicht mehr eingesetzt werden können? Wurde der Krieg gegen Libyen nicht unter dem Vorwand geführt, das Land mit Demokratie nach westlichem Vorbild beglücken zu wollen?



Quellen (soweit nicht anders vermerkt): jamahiriyanewsagency.wordpress.com / libyaherald.com / http://parstoday.com / jungewelt.de / welt-im-blick.de / http://vivalibya.wordpress.com / https://deutsch.rt/com / nnz.ch / heise.de / radio-utopie.de / derstandard.at

 A. Gutsche




[1] http://www.thecanary.co/2016/07/29/paris-strikes-astonishing-partnership-secret-isis-sponsor-ties-hillary-clinton/
[2] http://www.marinecorpstimes.com/story/military/2016/06/25/wasp-deployment-middle-east/86373458/
[3] http://www.dw.com/de/libyen-braucht-einen-starken-staat/a-19396285
[5] https://deutsch.rt.com/meinung/40048-bericht-legt-offen-us-militarspitze/
[6] http://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/krieg-und-terrorismus-die-libyer-brauchen-eine-vision-ld.110510
[7] http://www.nachdenkseiten.de/?p=34663#more-34663
[8] https://deutsch.rt.com/afrika/40082-libyen-general-haftar-bleibt-unekannte/
[9] www.libyaherald.com/2016/08/24/eu-to-train-libyan-seamen-to-tackle-people-smugglers/
[10] www.heise.de/tp/news/Libysche-Kuestenwache-schiesst-erneut-auf-Rettungsschiff-3307760.html
[11] www.inews.co.uk/essentials/news/health/arab-spring-shortened-life-expectancy-22-countries/
[12] https://vivalibya.wordpress.com/2016/08/26/damn-the-forget-september-and-february-conspiracy-release-all-political-prisoners-now/
[13] http://en.libyaschannel.com/2016/08/26/army-claims-new-victories-in-benghazi-renews-rejection-of-unity-government/
[14] http://www.dodig.mil/pubs/documents/DODIG-2016-113.pdf
[15] http://www.williamengdahl.com/englishNEO22Aug2016.php
[16] http://www.counterpunch.org/2016/08/11/pentagon-money-pit/
[17] www.radio-utopie.de/2016/08/28/u-s-armee-keine-belege-ueber-65-billionen-dollar-ausgaben/
[18] http://nesaranews.blogspot.gr/2016/08/bombshell-hillary-clintons-benghazi.html?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed:+NesaraForumsAndNewsSources+(NESARA+FORUMS+AND+NEWS+SOURCES)