Dienstag, 24. Juni 2025

 

Premierminister der Tripolis-‚Regierung‘ will Krieg

22. Juni 2025 / gelanews 

Aus Tripolis wird berichtet, dass der Premierminister der Tripolis-‚Regierung‘, Abdulhamid Dabaiba, bereits am kommenden Dienstag einen Angriff auf die Deterrence Force/Rada (Kommando: Abdul Rauf Kara) plant.

Abdulhamid Dabaibas Pläne

Dabaibas Hauptstreitmacht sei die Joint Operations Force aus Misrata. Zunächst sei die Ausschaltung der Rada-Miliz, die ihren Hauptstützpunkt auf dem Mitiga-Flughafengelände hat, geplant, danach wolle man westlich nach az-Zawiya vordringen, um – unter Beteiligung des 55. Bataillons (Kommando Muammar ad-Dawi) – auch die dortigen Milizen auszuschalten.

Dabaiba beabsichtige damit, die Kontrolle über ganz Westlibyen zu erlangen. Anschließend werde der Dabaiba-Clan über die westliche Region herrschen und der Haftar-Clan über die östliche. Die Öleinnahmen würden durch das Arkano-Unternehmen zwischen den beiden Clans aufgeteilt, ebenso wie die Macht in Libyen.

Der Präsidialrat als Gegenspieler

Der Präsidialrat begrüßte die Ergebnisse der am Freitag zu Ende gegangenen 3. Berliner Libyen-Konferenz, die im Abschlusskommuniqué einen Artikel enthält, in dem die bewaffneten Zusammenstöße in Tripolis verurteilt werden. Der Präsidialrat stellt sich damit gegen die kriegerischen Pläne, den Krieg in die Hauptstadt Tripolis zu tragen.

Der Vorsitzende des Präsidialrats al-Menfi ernannte am 22. Juni Hassan Abu Zriba, den Bruder von Essam Abu Zriba (Innenminister in der Hamad-‚Regierung‘/Bengasi) zum Kommandanten des Stability Support Apparatus (SSA) und damit zum Nachfolger des ermordeten Ghanewa al-Kikli. Nach der Ermordung al-Kiklis durch die Dabaiba nahestehende 444. Kampfbrigade hatte Dabaiba die SSA als aufgelöst erklärt.

Die Präsidialratsmitglieder al-Lafi und al-Koni bekräftigten bei einem Treffen mit dem Überwachungsausschusses für die Umsetzung des Waffenstillstands ihre Unterstützung für den von der UN-Mission eingesetzten Beratungsausschuss und betonten, dass alle militärischen Formationen den erteilten Befehlen und Anweisungen des Präsidialrats Folge leisten müssten, um die Sicherheit und Stabilität in Tripolis aufrechtzuerhalten.
Der militärische Oberbefehl im westlichen Libyen liegt beim Präsidialrat und nicht bei Dabaiba.

Hinter den Kulissen

Der Journalist Khalil al-Hassi deckte die Hintergründe auf, die in Tripolis hinter den Kämpfen der  Dabaiba-Milizen gegen die Deterrence Force (Rada) von Abdul Rauf Kara stecken.

Nach wie vor werde die Deterrence Force von Dabaiba und seinen verbündeten Milizen bedroht. Dabaiba könne davon ausgehen, dass sowohl international als auch vor Ort großer Druck auf ihn ausgeübt wird, zugunsten einer einheitlichen Regierung sein Amt als Premierminister aufzugeben. Die einzige Option, die ihm bliebe, um weiterhin die wichtigste politische Rolle spielen zu können, sei die vollständige militärische Kontrolle über die Hauptstadt Tripolis zu erlangen.

Zu diesem Zweck habe er eine neue Kriegskoalition geschmiedet, die von Mustafa as-Samo, Unterstaatssekretär im Industrieministerium, angeführt wird. As Samo sei ehemaliger Kommandant einer kampferprobten Brigade. Unterstützung erfahre as-Samo von Ali asch-Schtewi (alias as-Saria), heute stellvertretender Justizminister, vormals an der Erstürmung der Libyschen Zentralbank beteiligt. Am 22. Juni wurde asch-Schtewi von Dabaiba auch zum Leiter der Kriminalpolizei ernannt

Zuständig für die militärische Versorgung der Dabaiba-Milizen beim bevorstehenden Krieg, der mit Panzern und schweren Waffen ausgetragen werden dürfte, ist Fauzi al-Muhaischi, der für die Waffen- und Munitionslager des Luftwaffenstützpunkts in Misrata, dem Misrata Air College, die Verantwortung trägt. Derzeit sei Fauzi al-Muhaischi an Operationen im Westen Tripolis beteiligt, die vor Kurzem von Abdulhamid Dabaiba ins Leben gerufen wurden und von Ibrahim Dabaiba finanziert werden.

Wenn einem Dabaiba-Bataillon  die Munition ausgehe, werde der Vorrat normalerweise vom Misrata Air College aufgefüllt. Mit gewaltigen Munitionsreserven sollte jedem möglichen Militärputsch in der westlichen Region entgegengetreten werden. Diese Reserven kämen nun in der Hauptstadt Tripolis zum Einsatz.

Seit einiger Zeit sei Dabaiba dabei, die meisten oder sogar alle bewaffneten Brigaden und Milizen wiederzubeleben, die sich aufgrund fehlender finanzieller Mittel und Ausrüstung in Auflösung befanden. Dies beweise, wie falsch Dabaibas Aussagen über seine angeblichen Bemühungen sind, die Milizen aufzulösen.

Augenblicklich stünde jede Bewegung der Deterrence Force und ihr Maitiga-Hauptquartier unter der Beobachtung von Dabaiba.

Das gespaltene Misrata

Khalil al-Hassi erklärte auch, dass in Misrata eine nicht-offizielle Allianz aus Mohammed al-Haddad, Abdul Salam Zubi, Mohammed al-Hassan und al-Halbus den Krieg von Dabaiba gegen die Deterrence Force ablehne, da sie dem Präsidialratsvorsitzenden al-Lafi näherstünde.

Diese große Allianz der Stadt Misrata sei nicht mit der anderen Misrata-Allianz kompatibel, die Dabaibas Krieg unterstützt. Vertreter von al-Halbus seien beauftragt worden, auf dem Mitiga-Militärstützpunkt mit Rada Gespräche zu führen, um die Lage zu beruhigen und während des Eid-Festes einen Waffenstillstand auszuhandeln. Dem habe Rada zugestimmt.
Als Dabaiba über diese Vereinbarung informiert wurde, soll er sie rundheraus abgelehnt haben. Er sagte: „Ich habe nichts außer Krieg.“

Nun werde auf allen Seiten Verrat befürchtet. Auf Dabaibas Seite bestehe die Angst, von Dabaiba mit in den Abgrund gerissen zu werden, auch nachdem wichtige Unterstützer von ihm, wie bestimmte Misrata-Milizen, beschlossen haben, nicht gegen Rada in den Krieg zu ziehen.

Am 21. Juni hätten die Dabaiba-Milizen einige Bataillone von der Notwendigkeit eines Krieges und einer Konfrontation mit Rada mittels enormer Geldsummen „überzeugt“.

Mittlerweile sollen mehr als 220 mit Mittelstreckenwaffen bestückte Fahrzeuge, einzeln und ohne aufzufallen, in Tripolis eingedrungen sein und sich dort in Stellung gebracht haben.

Die Türkei sei über diese Schritte beunruhigt, denn für sie habe die Stabilisierung der Sicherheitslage in der westlichen Region Priorität. Die Türkei habe sich eindeutig gegen einen Krieg positioniert.

Omar Boghdada, Milizenführer aus Misrata, sei der enthusiastischste Befürworter des Krieges gegen die Deterence Force/Rada, nachdem Dabaiba ihm erklärte, dass es der Präsidialrat war, der verhinderte, dass ihm die Leitung der Geheimdienste übertragen wurde. Wenn dies immer noch Boghdadas Ziel sei, müsse er dies mit der „Waffe“ vom Präsidialrat erzwingen. Daher könnte es sein, dass Boghdada im Falle eines Kriegsausbruchs den Sitz des Präsidialrats stürmen könnte.

Khalil al-Hassi: „Dieser wahnsinnige Krieg muss sofort beendet werden!“

 A. Gutsche

Dienstag, 17. Juni 2025

 

Gaza-Solidaritätskonvoi „Sumud“ in Libyen gestoppt

16. Juni 2025 / gelanews 

Im Rahmen einer internationalen Protestkampagne gegen das Aushungern der Bevölkerung in Gaza und die jahrzehntelange Blockade des Küstenstreifens startete am 9. Juni 2025 in Tunesien der „Konvoi der Standhaftigkeit“ oder „Sumud-Konvoi“ (Soumoud Convoy). In Libyen fand die Solidaritätsfahrt ihr jähes Ende.

Die anfangs etwa 1.500 Teilnehmer stammten aus Tunesien, Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko, aber auch aus europäischen Ländern. Die geplante Route sollte von Tunis über Libyen nach Ägypten führen, dort über Kairo nach Rafah, dem Grenzübergang nach Gaza, um den verhungernden Palästinensern humanitäre Hilfe zu leisten – ein symbolischer Akt. Geplant war, sich mit dem Globalen Marsch nach Gaza, der mit mehreren tausend Teilnehmern am 15. Juni in Kairo starten sollte, zu vereinen.

Allerdings waren die Aktivisten des „Globalen Marsches“, die sich bereits in Ägypten eingefunden hatten und aus über achtzig Ländern stammten, entweder direkt in Kairo verhaftet oder in Ismailia bei Suez festgehalten worden. Die Behörden beschlagnahmten Reisepässe, schoben die Teilnehmer in ihre Herkunftsländer ab oder verhafteten sie.

Der maghrebinische as-Sumud-Solidaritätskonvoi

Nichtsdestotrotz traf am 10. Juni frühmorgens der maghrebinische as-Sumud Solidaritätskonvoi für Gaza, bestehend aus Bussen und Autos, am tunesisch-libyschen Grenzübergang Ras Adschdir ein. Immer mehr Menschen, es sollen teilweise bis zu 7.500 gewesen sein, schlossen sich dem Sumud-Konvoi an und begleiteten ihn. Im westlichen Libyen führte die Route durch die Städte Zuwara, Ziltan, Sabratha und Zawiya, bevor der Konvoi über Tripolis und Misrata weiter nach Sirte fuhr. Von hier aus sollte die Route über Bengasi zum libysch-ägyptischen Grenzübergang Salum führen, und weiter über Kairo nach Rafah, dem Grenzübergang nach Gaza.

Militärmachthaber Khalifa Haftar stoppt Solidaritätskonvoi

Soweit sollte es nicht kommen. Der Konvoi der Standhaften wurde am 13. Juni in Sirte von den Streitkräften des dortigen Militärmachthabers Khalifa Haftar gestoppt, das Lager der Teilnehmer von Militärkräften umstellt. Wer sich vom Konvoi wegbewegte, um seine Familie zu kontaktieren oder Wasser oder Medikamente zu kaufen, durfte nicht mehr zurückkehren. Die Aktivisten wurden von Kontakten zur Außenwelt abgeschnitten, das Internet war gestört, Wasser und Lebensmittel wurden knapp. Doch es kam noch schlimmer.

Der tunesische Teilnehmer Amin Abu Azizi erklärte, dass die Mitglieder des Konvois provoziert, mit vorgehaltener Waffe bedroht und verhaftet wurden. Der offizielle Sprecher des Konvois, Wael Nawar: „Ich wurde von Sicherheitskräften der ostlibyschen Regierung am Stadtrand von Sirte entführt, brutal angegriffen und es wurde mein Geld gestohlen.“

Als die Teilnehmer beschlossen, dass der Sumud-Konvoi umkehren sollte, reagierten die Militärkräfte von Khalifa Hafter mit Schikanen und Übergriffen, drangen in Familienzelte ein. Anschließend wurden Pässe und Telefone vermisst.

Die Koordinierungsstelle der Aktion für Palästina gab die Namen von drei der verhafteten Begleiter des Sumud-Konvois durch ostlibyschen Behörden bekannt:  Bilal Wartani (Algerien), Zaidan (Algerien), Alaa Ben Amara (Tunesien), Abdelrazak Hammad (Libyen).

Die Weiterfahrt des Konvois hänge laut den Machthabern in Sirte von der Zustimmung der ägyptischen Behörden ab und deren Bereitschaft, den Sumud-Konvoi  nach Ägypten einreisen zu lassen. Diese Zustimmung wurde verweigert.

Die Organisatoren gaben bekannt, dass sich der Gaza-Solidaritätskonvoi am 15. Juni in die Gegend von Misrata im westlichen Libyen zurückgezogen hat. Nun erstelle man Listen der noch vermissten Konvoi-Teilnehmer und suche das Gespräch mit den zuständigen Behörden.

Aktuell erklärte die Palästina-Koordinationsstelle, dass die Tour des Sumud-Konvois nicht fortgesetzt werde. Laut dem Sprecher des Konvois, Wael Nawar werden die Aktivisten vorerst aber im westlich von Sirte gelegenem Gebiet von Buwairat al-Hassun bleiben. „Wir werden nicht nach Tunesien zurückkehren, bis 15 weitere libysche, tunesische und algerische Aktivisten, die von ostlibyschen Streitkräften noch immer festgehalten werden, freikommen.“

Reaktionen in Libyen

Bei der Durchquerung Libyens wurde der Sumud-Konvoi in den Städten und Regionen von den Bewohnern über alle politischen Lager hinweg freudig und solidarisch empfangen. Das Vorgehen der ostlibyschen Behörden werde dagegen als Schande wahrgenommen und zeige den Einfluss ausländischer Mächte, dem Libyen unterworfen ist.

Das Nationale Institut für Menschenrechte in Libyen verurteilte die Behinderung des Sumud-Konvois. Das „schändliche Vorgehen der Sicherheits- und Militärkräfte“ im Osten des Landes stehe nicht im Einklang mit dem libyschen Volk und seiner unerschütterlichen nationalen und öffentlichen Haltung zur palästinensischen Sache. Die Unterstützung der Bevölkerung für den Gaza-Solidaritätskonvoi sei ein Ausdruck des Willens des gesamten libyschen Volkes.

Khalifa Haftar und die im östlichen Libyen regierende Hammad-Regierung wurden von Libya Crime Monitor aufgefordert, die festgenommenen Aktivisten des Sumud-Konvois unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Man stehe solidarisch an der Seite des Konvois.
Weitere libysche Bewegungen schlossen sich dieser Forderung an.

Israel voll des Lobes für Khalifa Haftar

Die israelische Zeitung The Jerusalem Post berichtete lobend über das Vorgehen von Khalifa Haftar gegen die Teilnehmer des Sumud-Konvois. Khalifa Haftar habe sich gegen den Terrorismus gestellt. Den Konvoi-Teilnehmern wurde unterstellt, sie wären bewaffnet und hätten anstatt Hilfsgütern militärische Ausrüstung und Waffen nach Gaza transportieren wollen. Laut einem israelischen Beamten brauche eine libysche Regierung genau diese Art von „Führung“.

 A. Gutsche 

 

Menschen in Libyen am Ende ihrer Geduld

11. Juni 2025 / gelanews 

Angespannte militärische Lage in Tripolis / Weitere Freitagsdemonstrationen angekündigt / Premier Dabaibas Situation prekär / UN-Mission in Bedrängnis / Ausländische Mächte kämpfen um Einfluss

Die Bevölkerung in Tripolis begehrt nach Milizenkämpfen auf

Nach der Ermordung des Milizenführers al-Kikli und der Auflösung seines Stability Support Apparatus durch eine mit dem Premierminister Abdulhamid Dabaiba verbündete Miliz, fanden zum dritten Mal in Folge in Tripolis Großdemonstrationen am Märtyrerplatz gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ statt, bei denen der sofortige Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘ gefordert wurde. Besonders aktiv im Kampf gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ zeigt sich dabei die Bewegung Söhne des Suk al-Dschamaa, ein bedeutender Stadtteil in Tripolis, in dem der ermordete al-Kikli viele Unterstützer hatte. Das französische Blatt LeMonde stellte fest, dass die  Milizenkämpfe in Tripolis, von denen auch Zivilisten und zivile Einrichtungen massiv betroffen waren, den Volkszorn entfachten.

Für kommenden Freitag, den 14. Juni 2025, ist die nächste Großkundgebung im Zentrum der Hauptstadt geplant. Die Bewegung des Suk al-Dschamaa hat dafür Losungen ausgegeben wie: „Nein zur Milizenherrschaft! Nein zur Herrschaft der Korruption! Nein zu Dabaiba und seinem Clan! Nein zu allen politischen Gremien!“.

Die Partei Stimme der Volkes rief zu einem friedlichen Sit-in vor dem Hauptquartier der UN-Mission auf, das so lange andauern soll, bis die UN-Mission  ihre Versprechen einlöst, und endlich die seit Jahren geforderten, aber immer wieder verzögerten Wahlen in Libyen abgehalten werden. Auch die UN-Sondergesandte für Libyen, Hannah Tetteh, scheint erkannt zu haben, dass die Libyer das Vertrauen in die derzeitige politische Klasse verloren haben. Es wird brenzlig.

Abdulhamid Dabaibas Plan zur Auflösung missliebiger Milizen

Premierminister Dabaiba behauptet immer wieder, er wolle die Eliminierung aller Milizen, die die libysche Hauptstadt beherrschen. Dabei verschweigt er, dass gerade in seiner Regierungszeit der Machtzuwachs dieser Milizen durch Geld- und Postenzuweisungen enorm anstieg. Der ermordete Milizenführer al-Kikli scheint dabei etwas zu mächtig und für Dabaiba gefährlich geworden zu sein.

Kiklis Ermordung führte allerdings nicht zum gewünschten Erfolg, sondern zu weiteren Kämpfen in den Straßen von Tripolis, zu anhaltendem Chaos und zur Mobilisierung weiter Teile der westlibyschen Bevölkerung. Dabaiba scheiterte bisher mit seinem Versuch, in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des Präsidialrats, Mohammed al-Menfi, auch die mächtige Deterrence Force von Abdel Rauf Kara auszuschalten.

Milizen, die die Dabaiba-‚Regierung‘ unterstützen, sind die 444. Kampfbrigade unter dem Kommando von Machmud Hamza, sowie der berüchtigte Allgemeine Sicherheitsdienst unter Abdullah at-Trabelsi, ein Bruder des Innenministers der Dabaiba-‚Regierung‘. Nach Angriffen auf die Deterrence Force und schweren Kämpfen schloss die 444. Kampfbrigade mit der Deterrence Force einen Waffenstillstand, der aber in der Nacht auf den 9. Juni vom Allgemeinen Sicherheitsdienst unter at-Trabelsi gebrochen wurde. Die Kämpfe mit der Deterrence Force von Kara flackerten erneut auf.

Augenblicklich soll Dabaiba versuchen, Milizen aus der Stadt Misrata, die bisher nur in den Vorstädten Aufstellung genommen haben, zu seiner Unterstützung in die Kämpfe zu involvieren. Dazu wurde am 10. Juni ein gemeinsamer militärischer Operationsraum gebildet. Misrata-Milizen sind in Tripolis verhasst, da sie sich 2016 bei Protesten in Tripolis, als 45 Menschen getötet wurden, besonders brutal zeigten.

Laut dem Journalisten Khalil al-Hassi sei Machmud Hamza, der die 444. Kampfbrigade kommandiert, von der Rada-Miliz zu Dabaiba übergelaufen, weil ihm ausländische Mächte die Ernennung zum Oberbefehlshaber der Armee in der Westregion versprochen hätten. Dabaibas Bewegungsfreiheit in der Hauptstadt Tripolis sei extrem eingeschränkt; so sei es ihm aus Sicherheitsgründen nicht möglich, sich länger als zehn Minuten am Kabinettssitz aufzuhalten.

Sich auf ein militärisches Kräftemessen mit der Deterrence Force einzulassen, birgt für Dabaiba ein enormes Risiko, denn es schließen sich immer mehr Kämpfer der Miliz von Abdul Rauf Kara an, darunter viele Überläufer aus der 444. Kampfbrigade, insbesondere solche, die aus dem Bezirk Suk al-Dschumaa stammen. Auch ist die Zivilbevölkerung von Tripolis alles andere als begeistert, wenn ihre Stadt zum Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen wird.

Inzwischen wimmelt es auf den Straßen von Tripolis von militärischen Fahrzeugen aller Art, und in manchen Gegenden ist der Verkehr zum Erliegen gekommen.

Die UN-Mission und ihr Beratungsausschuss

Vor kurzem stellte die UN-Mission die Ergebnisse eines von ihr ins Leben gerufenen politischen Beratungsausschusses vor. Dieser sollte Vorschläge erarbeiten, wie Libyen zu Wahlen geführt werden könne.

Inzwischen gibt es zwei UN-Sonderbeauftragte für Libyen, die neu ernannte Hannah Tetteh und die alte, nun als Tettehs Stellvertreterin fungierende US-Amerikanerin Stephanie Khoury. Beide tingeln durch die Lande, um für die Vorschläge des Beratungsausschusses zu werben, wovon ein auch vom östlichen Parlament favorisierter Plan vorsieht, eine neue, vereinheitlichte Übergangsregierung unter Ausschaltung der bisherigen beiden rivalisierenden Regierungen zu schaffen. Die USA und ihre westlichen Verbündeten dürften eine solche Lösung augenblicklich favorisieren unter der Voraussetzung, die Kontrolle über alle Entwicklungen zu behalten.

Für die UN-Mission scheint Eile geboten, will sie weiterhin die Entwicklungen in Libyen steuern und nicht von den Ereignissen überrollt werden, da inzwischen die Forderung nach einer innerlibyschen Lösung immer lauter wird.

Hannah Tettehs Plan sieht dagegen vor, Mitte Juni mit den Botschaftern der Länder der Berliner Konferenz zusammentreffen, um einen kurzfristigen politischen Fahrplan zu ertellen.

Die innerlibysche Lösung

Der Sozialrat der Warfalla-Stämme schlägt vor, alle bestehenden politischen Gremien aufzulösen und die Macht für eine Übergangszeit an den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs zu übertragen.
Libyen sei zu einem besetzten Land geworden, in dem ausländische Geheimdienste bestimmen und die libyschen Machthaber als Befehlsempfänger ausländischer Mächte fungieren.

Die Partei Stimme des Volkes stellte einen detaillierten Fahrplan auf, der zu Präsidentschafts- und Parlamentswahlen führen soll. Das Volk sei die Quelle der Gesetzgebung und der Gang des Volkes auf die Straße beende jede Einmischung von außen oder innen. Wer die Umsetzung dieses Plans bedrohe oder behindere, mache sich des Landesverrats schuldig.

Die UN-Mission wurde aufgefordert, innerhalb von 72 Stunden das Land zu verlassen, da sie bei der Lösung der libyschen Probleme kläglich versagt habe.

Die Besatzungsmächte

Das Nato-Mitglied Türkei ist immer noch Unterstützer der Dabaiba-‚Regierung‘ und der türkische Geheimdienstchef besuchte Anfang Juni unter großen Sicherheitsvorkehrungen Tripolis.

Von der Neuausrichtung der US-Außenpolitik unter Trump dürften viele Libyer enttäuscht sein, insbesondere durch den Versuch der Trump-Regierung, straffällige Migranten aus den USA nach Libyen abzuschieben oder aus dem Gazastreifen vertriebene Palästinenser in Libyen anzusiedeln. Außerdem scheint Trump die US-Militärpräsenz in Libyen erhöhen zu wollen, um Russlands verstärktem militärischen Engagement im östlichen und südlichen Libyen entgegenzuwirken.

Russland intensivierte seine militärische Zusammenarbeit mit dem östlichen Libyen unter Khalifa Haftar, scheint sich aber durchaus bewusst zu sein, dass Haftar mit seinem us-amerikanischen Pass und als ehemaliger CIA-Mann ein doppeltes Spiel spielt, auch wenn er von Russland hochwertige Waffensysteme geliefert bekommt.

Haftars Macht im Osten erscheint durchaus nicht unangreifbar, trotz seines brutalen Vorgehens gegen politische Gegner. Haftar ist alt und gesundheitlich angeschlagen, und ob es seinen Söhnen gelingt, sich als seine Nachfolger zu etablieren, erscheint fraglich.

Augenblicklich ließ Haftar Streitkräfte näher ans westliche Libyen, nach Sirte, verlegen, um – sollte die Situation günstig erscheinen – vom Chaos in Tripolis militärisch zu profitieren.

Die Bevölkerung ist mit ihrer Geduld am Ende

Die militärische Lage ist fragil, die beiden konkurrierenden Regierungen in Ost und West haben abgewirtschaftet, alle derzeitigen  Machthaber sind hoch korrupt, gehen skrupellos gegen politische Gegner vor und scheuen auch vor militärischer Gewalt nicht zurück, um den eigenen Machterhalt im Auftrag und im Sinne ausländischer Mächte zu erhalten. Derweil taumelt das inzwischen hoch verschuldete Libyen dem wirtschaftlichen Zusammenbruch entgegen.

Die Menschen in Libyen sind mit ihrer Geduld am Ende.

 A. Gutsche