Die USA und das Erdöl
Ressourcenkrieg: Der
Verteilungskampf hat weltweit begonnen. Er wird von den USA auch mit
militärischen Mitteln und ohne pardon geführt.
Erdöl ist ein endlicher, nur beschränkt zur Verfügung
stehender Stoff, egal ob es sich um konventionell oder unkonventionell
gefördertes Erdöl handelt. Unter konventionellem Erdöl versteht man Erdöl, das
leicht und zu einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis aus der Erde geholt
werden kann. Die Förderung und Verarbeitung von unkonventionellem Erdöl dagegen
ist teuer und schwierig, da es zum Beispiel in mehr als 500 Meter Meerestiefe
angebohrt werden muss oder am sogenannten Ölsand haftet, von dem es erst
aufwendig zu lösen ist. Der Leiter des ‚Swiss Instituts for Peace and Energy
Research‘ SIPER in Basel, Dr. Daniele Ganser, weist darauf hin, dass der ‚Peak
Oil‘, das heißt der Scheitelpunkt für die Höchstfördermenge, bei
konventionellem Erdöl bereits 2006 erreicht war. Seitdem nimmt die jährliche
Fördermenge aufgrund der Erschöpfung der Ressourcen beständig ab.[1]
Ganser ist der Meinung, dass unkonventionelles Erdöl das konventionelle beim
anhaltenden Ölhunger der Industriestaaten nur für eine gewisse Zeit ersetzten
kann, bevor die konventionellen Fördermöglichkeiten schneller einbrechen, als
dies die unkonventionelle Förderung auffangen kann. Man kann sich vorstellen,
welche Auswirkungen dies auf unsere Industrienationen haben wird, deren ganzes
Erfolgsrezept auf dem immer umfassenderen Einsatz von Energie und auf
unbeschränktes Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist. „Dramatische
Verteilungskämpfe zeichnen sich ab, getrieben von der Begrenztheit der
Ressourcen“, so Alexander Jung vom ‚Spiegel‘.[2]
Der breiten Öffentlichkeit ist diese Problematik allerdings
nicht bewusst und sie wird von Politik und Medien auch nicht thematisiert. Der
Umbau der Energiewirtschaft in Richtung weg von fossilen Energieträgern und hin
zu immer mehr erneuerbaren Energie wie Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse
wird allein mit dem Klimawandel begründet. Würde das mögliche Ende des Erdölzeitalters
offen diskutiert, wären die neuen Kolonialkriege, die sich vor allem gegen die
erdölfördernden OPEC-Staaten richten, wohl nicht mehr als Einsatz für
Demokratie und Menschenrechte zu rechtfertigen, sondern die Menschen würden sie
als das begreifen, was sie sind: moderne Raubzüge zur Beschaffung von
Ressourcen.
Anders als weite Bevölkerungsteile ist die Politik,
insbesondere die amerikanische, bestens über den Peak Oil informiert. Als
Mitglied eines amerikanischen Think-Tanks namens ‚Project for the New American
Century‘ (PNAC) verfasste Dick Cheney schon 1998 gemeinsam mit Donald Rumsfeld
und Paul Wolfowitz einen Brief an den damaligen amerikanischen Präsidenten
Clinton, in dem ein Regimewechsel im Irak und eine offensivere Politik der USA
in den Erdölländern des Nahen Ostens gefordert wurde. Angestrebt wurde nichts
weniger, als dass die USA die Welt dominieren sollten, auch mittels der
Kontrolle über die Erdölfelder.[3]
Der amerikanische Präsident George Bush (2001 – 2008) war
aufgrund seiner vorherigen Tätigkeiten (Arbusto Oil) ein Ölfachmann, ebenso wie
sein Vize Dick Cheney (Halliburton) und seine spätere Außenministerin
Condolezza Rice, die dem Direktorium von Chevron angehört hatte. Wie Ganser
schreibt, reagierte die Bush-Administration „mit militärischer Gewalt, dem
Schüren von Angst und Hass, im Abbau von Bürgerrechten und der Täuschung der
Öffentlichkeit“ auf die Herausforderung des Peak Oil. Dick Cheney war klar:
„[es] … wird die globale Nachfrage nach Erdöl in den nächsten Jahren um zwei Prozent
wachsen, während gleichzeitig in den Erdölfeldern ein natürlicher Rückgang der
Produktion von mindestens drei Prozent erwartet werden muss.“ Und zu diesem
Schlamassel kommt, dass sich zwei Drittel der konventionellen Erdölreserven
ausgerechnet im Nahen Osten befinden. Cheney: „Erdölfirmen hätten gern besseren
Zugang zu dieser Region.“[4]
Mit den Anschlägen von 9/11 eröffnete sich den USA die
Möglichkeit, den Zugang zu dieser Region zu erkämpfen. Ob 9/11 ein
Terroranschlag von dschihadistischen Terroristen war, von der
Bush-Administration geduldet oder sogar selbst inszeniert wurde, ist bis heute
umstritten. Sicher ist dagegen, dass unter dem Vorwand des ‚Krieges gegen den
Terror‘ der Krieg in Afghanistan und im Irak vom Zaun gebrochen, der Islamische
Staat ins Leben gerufen und die Bürgerrechte in den USA ausgehebelt wurden.
Nachdem die USA 9/11 zum ersten Bündnisfall der NATO erklärt
hatten, blieb den Mitgliedsstaaten nichts anderes übrig, als sich am
Afghanistan-Feldzug zu beteiligen. Afghanistans Taliban-Regierung war
beschuldigt worden, Osama bin Laden als dem Drahtzieher von 9/11 Unterschlupf
gewährt zu haben. Das Land wurde besetzt, und schon plante man den Bau der
TAPI-Pipeline durch das an wichtige erdölfördernde Länder angrenzende
Afghanistan. Dieses Vorhaben konnte allerdings aus Sicherheitsgründen bis heute
nicht in Angriff genommen werden.
Im Jahr 2003 folgte der nächste ‚Krieg gegen den Terror‘,
nun gegen den Irak. Allerdings sagte der ehemalige US-Finanzminister, Paul
O’Neill, dass dieser Angriff schon seit Januar 2001 geplant gewesen sei, also
bereits Monate vor den Anschlägen auf das World Trade Center: „Schon im Februar
ging es um die logistische Unterstützung“ des Irakfeldzugs, „nicht mehr um das
warum, sondern um das wie und wie schnell.“[5]
Und als es 2003 ernst wurde, meinte Wolfowitz auf einer Konferenz über
Sicherheitspolitik in Singapur bezüglich des Irak-Kriegs, dass es aus
wirtschaftlicher Sicht keine andere Wahl gegeben hätte, denn: „Das Land
schwimmt auf einem See aus Erdöl.“[6]
Da der Krieg gegen den Irak nicht die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats
erhalten hatte und vom UNO-Generalsekretär Kofi Annan als illegal und dem
internationalen Völkerrecht wiedersprechend eingestuft wurde, konnten die USA
diesmal nicht mit der NATO, sondern nur mit einer ‚Koalition der Willigen‘ in
den ‚Krieg gegen den Terror‘ ziehen, dem sich Deutschland unter Kanzler Gerhard
Schröder verweigerte. Im Gegensatz zu Großbritannien, das sich unter Toni Blair
gerne an der Plünderung der Erdölressourcen des Irans beteiligte.
Großbritannien hatte schon immer Interesse an Afghanistan gehabt. Öl gegen
Blut: Der Krieg kostete mindestens 150.000 Irakern das Leben, aber nur etwa
4.400 Amerikanern. Die großen westlichen Erdölmultis haben seitdem dank eines
neuen Ölgesetzes des damaligen USA-gestützten Premierministers Nouri al-Maliki
Zugriff auf das irakische Erdöl, das vorher der staatlichen irakischen National
Oil Company gehört hatte. Das zerstörte Land selbst versinkt im Chaos.
Der nächste Staat auf der US-amerikanischen Öl-Agenda war
Libyen, das die größten konventionellen Erdölreserven Afrikas besitzt und
dessen Erdöl von erstklassiger Qualität ist. Daneben war Gaddafi ein unbequemer
Zeitgenosse, der etliche Vorhaben, die dem Dominanzstreben der USA und auch
französischen Interessen in Afrika – wie der Einführung einer goldgedeckten
afrikanischen Währung – zuwider liefen, in Angriff genommen hatte. Unter dem
Vorwand, die Bevölkerung vor Gaddafi schützen zu müssen, wurde das Land
bombardiert und Gaddafi ermordet. Deutschland beteiligte sich unter seinem
damaligen Außenminister Guido Westerwelle nicht an diesem Militäreinsatz.
Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der
Universität Hamburg erklärte, dieser Krieg sei völkerrechtswidrig, denn das Völkerrecht
enthalte „ein striktes Verbot des militärischen Eingreifens in Bürgerkriegen
auf fremden Territorium. [… ] Der demokratische Interventionismus, propagiert
2003, als sich die irakischen Massenvernichtungswaffen als Lüge erwiesen, und
jetzt in der euphemistischen Maske einer Pflicht zur kriegerischen Hilfe im
Freiheitskampf wiedererstanden, ist politisch, ethisch und völkerrechtlich eine
Missgeburt.“[7]
Bekanntlich sahen das Barack Obama, Nicolas Sarkozy und David Cameron ganz
anders und schickten laut New York Times „eine westliche Schattenarmee“ aus
CIA-Einheiten, MI6-Agenten und sonstigen Spezialeinheiten nach Libyen. Katar
lieferte Waffen an die ‚Rebellen‘, dem schloss sich auch die Türkei an.
Für die Beschuldigungen gegen Gaddafi, er hätte 6.000 Tote
zu verantworten, geäußert von Sliman Bouchuiguir, dem Generalsekretär der
libyschen Menschenrechtsliga bei einer Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats am
25. Februar 2011 in Genf, konnten bis heute keinerlei Beweise vorgelegt werden,
ganz im Gegenteil gelten seine Aussagen inzwischen als schlichtweg falsch. Nach
dem Sieg der ‚Aufständischen‘ in Libyen wurde Bouchuiguir zum libyschen
Botschafter in der Schweiz ernannt – ein kleines Dankeschön.
Inzwischen gibt es in Libyen nicht nur drei konkurrierende
Regierungen, sondern auch zwei konkurrierende nationale Öl-Kooperativen – eine
in Tripolis und eine in Bengasi – die sich gegenseitig blockieren. Bei der von
der ‚internationalen Gemeinschaft‘ neu eingesetzten ‚Einheitsregierung‘ geht es
vor allem darum, wer die nationale libysche Erdöl-Kooperative und somit den
Zugriff auf die libyschen Ölfelder kontrolliert. Am 16. Mai 2016 sind die
beiden Kooperativen bei den Wiener Libyen-Verhandlungen übereingekommen,
zusammenzuarbeiten, um die Ausfuhr von Erdöl aus dem Land zu ermöglichen.
Allerdings ist mehr als fraglich, ob dieses Abkommen auch eingehalten wird. Im Moment kann keine der beiden
Öl-Kooperativen Öl exportieren: Im Westen des Landes wurden die Pipelines von
Zintan-Milizen geschlossen, im Osten wird der einzige Exporthafen, der sich
noch in Betrieb befindet, von beiden Öl-Kooperativen blockiert. Die
Tobruk-Regierung lässt keine Tanker der Tripolis-Öl-Kooperative beladen und die
‚Einheitsregierung‘ lässt mit westlicher Hilfe keine Schiffe auslaufen, die von
der Tobruk-Öl-Kooperative beladen wurden.
Die Tobruk-Regierung weigert sich weiterhin, mit der
‚Einheitsregierung‘ und deren Administration zusammenzuarbeiten. Ölfelder, die
mit anderen Öl-Terminals im Osten Libyens verbunden sind, stehen unter der
Kontrolle der libyschen Nationalarmee von Khalifa Hefter, ein erbitterter Feind
der islamistischen Tripolis-Kräfte. Er wird einem Ölexport kaum zustimmen, wenn
die Erträge an die Zentralbank in Tripolis gehen, die von der
‚Einheitsregierung‘ kontrolliert wird, die er als illegitim nicht anerkennt.
Es ist unklar, wen die in Wien ansässige OPEC als libyschen Vertreter akzeptieren wird: Eigentlich hat die OPEC die Öl-Kooperative von Bengasi als die legale Vertretung Libyens anerkannt, allerdings behauptet jetzt die UNO, dass nur mit der Öl-Kooperative von Tripolis verhandelt werden darf, da diese von der ‚Einheitsregierung‘ kontrolliert wird.
Es ist unklar, wen die in Wien ansässige OPEC als libyschen Vertreter akzeptieren wird: Eigentlich hat die OPEC die Öl-Kooperative von Bengasi als die legale Vertretung Libyens anerkannt, allerdings behauptet jetzt die UNO, dass nur mit der Öl-Kooperative von Tripolis verhandelt werden darf, da diese von der ‚Einheitsregierung‘ kontrolliert wird.
Komplizierte Verhältnisse also im Bürgerkriegsland Libyen.
Kein Wunder, dass sich schon wieder amerikanische, britische, französische und
italienische Sonderkommandos auf den Weg gemacht haben, um den Zugriff auf das
Erdöl ein für alle Mal zugunsten der neu installierten ‚Einheitsregierung‘ zu
klären, die schnellstmöglich die nationale Erdöl-Kooperative privatisieren und
den Zugriff der internationalen Ölmultis ermöglichen soll. Der neoliberalen
Weltanschauung zufolge gehört dort das Geld auch hin, und nicht in einen
libyschen Wohlfahrtsstaat investiert, oder noch schlimmer, die Afrikanische
Union damit unterstützt, die von Gaddafi gesponsert beispielsweise einen
eigenen Kommunikationssatelliten im All platziert hat, der Handyverbindungen
für Schwarzafrika günstig anbietet und damit dem Westen das Geschäft
vermasselt.
Die USA brüsteten sich vor wenigen Tagen auf CNN, in Libyen
wieder zu bombardieren und mit Spezialkräften auch an Land gegen den IS
vorzugehen.[8] Wirklich gegen den IS? Wie auch immer – auch
dieser Einsatz ist völkerrechtswidrig. Die ‚Einheitsregierung‘, die
eingebunkert auf einer Marinebasis in der Nähe von Tripolis campiert, müsste
erst vom Tobruk-Parlament anerkannt werden, um legalisiert zu sein. Das ist sie
aber nicht. Also hat sie auch nicht das Recht, fremde Truppen ins Land zu
holen. Was sie übrigens auch noch nicht getan hat. Werden diese Truppen nicht
von einer legalen Regierung ins Land gebeten und ist der Einsatz auch nicht vom
UN-Sicherheitsrat abgesegnet, ist er völkerrechtswidrig. Aber im ‚Krieg gegen
den Terror‘ sind eben alle Mittel recht. Gaddafi ‚musste weg‘, um dem IS
Platz zu machen, der dann mit westlichen Truppen bekämpft werden darf. Das ist
die Demokratie, die dem Land gebracht wurde.
Seit 9/11 ist es überhaupt mit beträchtlichen Risiken
verbunden, eines der zwölf Mitglieder der OPEC zu sein. So erlebt auch
Venezuela gerade wieder den Versuch, den linken Präsidenten Nicola Maduro, den
Nachfolger von Präsident Chavez, zu stürzen, so wie bereits 2002 – allerdings
erfolglos – versucht wurde, Chavez durch einen Putsch zu entmachten. Es muss
doch gelingen, auch die sich komplett im Staatsbesitz befindliche venezolanische
Erdölgesellschaft PDVSA, das größte Erdölunternehmen Lateinamerikas, zu
privatisieren und den internationalen Öl-Multis zu überschreiben. Gerade wird
gemeldet, dass sich die USA auf einer Militärbasis in Honduras zur Intervention
in Venezuela vorbereiten, um die Regierung Maduro zu stürzen.[9]
Und ob eine brasilianische Präsidentin die gleichen Probleme mit neoliberalen
Gegenspieler hätte, würde Brasilien Gurken züchten, anstatt täglich 1,5
Millionen Barrel Erdöl zu fördern, darf auch bezweifelt werden.
Dabei ergibt sich auch keine Hoffnung aus einer neuen
wissenschaftlichen Theorie, die besagt, Erdöl sei nicht biologischen Ursprungs,
sondern würde sich ständig im Erdmantel erneuern und an die Erdoberfläche
gedrückt werden und dies würde zur Wiederauffüllung bereits leer gepumpter
Erdölfelder führen. „Der Erdkern ist sozusagen ein riesiger nuklearer »Ofen«,
der unter den dort herrschenden Bedingungen extremen Drucks und außerordentlich
hoher Temperaturen ständig Kohlenwasserstoffe produziert und dies dann durch
Spalten, die auch als »Migrationskanäle« bezeichnet werden, in den Erdmantel
presst. Wenn sie dort durch bestimmte Mineralvorkommen wie etwa Ferrit wandern,
können sie sich in komplexere Kohlenwasserstoffketten wie etwa Petroleum
verwandeln.“[10]
Erdöl könne kein fossiler Brennstoff sein, der in urerdgeschichtlichen Zeiten
aus verrotteter Biomasse erzeugt wurde, denn zum einen hätte man Erdöl viel zu
tief im Erdinneren gefunden, und zum anderen kämen im Universum große Mengen
von Methangas, also abiotische Kohlenwasserstoffe, vor.
Diese Theorie hat durchaus Charme. Allerdings bleibt unklar,
in welchen Zeiträumen die Erzeugung von Erdöl im Erdinneren erfolgt und wie
schnell sich somit leere Speicher wieder auffüllen könnten. Ebenfalls ungeklärt
bleibt die Frage, wie umgehen mit dem bei der Verbrennung erzeugten CO2, da durch die Verwendung
von immer mehr Erdöl bekanntlich der Klimawandel ausgelöst und so die Umwelt
geschädigt wird.
Für die gegenwärtige Kriegspolitik ist diese
Außenseitertheorie ohnehin nicht von Bedeutung, da die Politstrategen der USA
vom Vorhandensein eines bereits 2006 eingetretenen Peak Oils für
konventionelles Erdöl ausgehen. Und selbst wenn es diesen nicht gäbe, wäre
unter militärstrategischen Gesichtspunkten die Kontrolle der Erdölfelder
sinnvoll, da so auch die Versorgung konkurrierender oder feindlicher Staaten
mit dem Lebenssaft, den jede Wirtschaft
so dringend benötigt, gekappt werden kann. So war es für die USA ein wichtiger
Nebeneffekt, die Chinesen aus Libyen zu vertreiben. Denn damit haben die USA
den Chinesen den Zugang zum Mittelmeer versperrt, wohin sie das Erdöl aus dem
Niger per Pipelines zur Verschiffung hätten leiten können. Im Niger haben die
Chinesen bereits große Erdöl-Claims abgesteckt. Und man stelle sich vor, das
politisch instabile Italien würde eine sehr linke Regierung wählen, dann
könnten die USA Italien, das stark vom libyschen Erdöl abhängig und deren
Erdölkonsortium ENI in dem Land umfangreich vertreten ist, einfach den
Erdölhahn zudrehen und somit Italien wirtschaftlich zu Boden zwingen. Dies
erklärt vielleicht auch, warum Italien bei der ungeliebten Invasion in Libyen
mitmacht, mitmachen muss, um die Kontrolle über das libysche Erdöl nicht
vollständig den USA zu überlassen. Ist der vorgeschobene Kampf gegen den
Islamischen Staat vielleicht auch ein verborgener Kampf zwischen Europa und den
USA um die Erdölressourcen in Nahost?
Der Westen braucht das Öl wie ein Junkie seinen Stoff.[11] Die
Abhängigkeit endet im moralischen Zerfall und in der Beschaffungskriminalität.
Es wird gelogen, betrogen und gemordet. Verbrechen werden begangen, Kriege
angezettelt und bis zur letzten Brutalität geführt. Ganze Gesellschaften werden
vernichtet, Staaten kaputt gebombt. Das Völkerrecht ist nichts mehr wert, die
Menschenrechte haben sich verabschiedet. Demokratie existiert nur noch zum
Schein, Gesetze werden ohne parlamentarische Mehrheit durchgeboxt, Regierungen
kaltblütig weggeputscht. Der Krieg um die Rohstoffe hat längst begonnen und
findet auf allen politischen, militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen,
sportlichen Ebenen statt. Europa steckt in diesem ganzen Schlamassel mitten
drin. Die Versuche des deutschen Außenministers Steinmeiers, deeskalierend auf
die USA einzuwirken – wie zum Beispiel in Libyen: Ausbildung der libyschen
Soldaten ja, aber entgegen der Meinung der USA nicht in Libyen, sondern in
Tunesien – wirken da eher rührend.
Angelika Gutsche, 22.5.2016
[1]
Daniele Ganser „Europa im Erdölrausch. Die Folgen einer gefährlichen
Abhängigkeit.“, 2012, Orell Füssle Verlag, Zürich
[2]
Alexander Jung, Erich Follath (Hrsg.): „Der neue kalte Krieg. Kampf um die
Rohstoffe.“, 2008, Goldmann Verlag München
[3] „A Report of the Project of the New
American Century“, 2000 Washington. Nach: D. Ganser „Europa im Erdölrausch“
[4] Dick Cheney zitiert in: „William
Clark: „Petrodollar Warfare“, 2005, New Society Publishers
[5] Zitiert in Ron Suskind: „The Price
of Loyalty, 2004 New York. Nach: D. Ganser „Europa im Erdölrausch“
[6] Paul Wolfowitz zitiert in : Iraq
War Was About Oil. In Guardian, 4. Juni 2003. Nach: D. Ganser „Europa im
Erdölrausch.“
[7]
Reinhard Merkel: „Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim.“ In:
FAZ, 22.3.2011
[8]
http://edition.cnn.com/2016/05/18/middleeast/libya-isis-us-special-forces/
[9]
http://www.jungewelt.de/2016/05-20/012.php
[10]
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/sinnlose-kriege-um-erdoel.html
[11]
Daniele Ganser „Europa im Erdölrasch. Die Folgen einer gefährlichen
Abhängigkeit.“, 2012, Orell Füssle Verlag, Zürich
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen