Dienstag, 27. Mai 2025

 

Kurznachrichten Libyen vom 17. bis 20. Mai 2025

In eigener Sache: Urlaubsbedingt werden in den kommenden Wochen die Veröffentlichungen auf diesem Blog nur in eingeschränkter Form erscheinen.
Leider gibt es seit einigen Tagen immer wieder Probleme mit dem Zugang von GelaNews auf X.

Im westlichen Libyen und von den südlichen Gemeinden verstärkt Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘ gefordert / Am 17./18./19. Mai immer noch Demonstrationen auf zentralem Platz in Tripolis und vor Melitta-Erdölkomplex / Teilweise Straßensperren / Banken und Bildungseinrichtungen kündigen Schließungen und zivilen Ungehorsam an / Dabaibas öffentliche Rechtfertigungsversuche gelten als gescheitert /Für Freitag, 23. Mai zu Großkundgebungen aufgerufen / Beratungskommission stellt Abschlussbericht vor

 

Unruhen in Tripolis

+ Die Einheits-, Mittelstands-, Handels- und Entwicklungsbanken kündigten an, dass sie ab dem 17. Mai aufgrund der Unsicherheit in der Hauptstadt Tripolis ihre Arbeit aussetzen und teilweise zivilen Ungehorsam leisten werden.

+ Vor dem Hintergrund der Demonstrationen in Tripolis kündigten die Schulaufsichtsbehörden in Ain Zara, Zentral-Tripolis, Abu Salem und Suk al-Dschumaa die Aussetzung des Unterrichts und der Prüfungen ab dem 18. Mai an.

+ Die Bürgermeister aller südlichen Gemeindenforderten in einer gemeinsamen Erklärung den Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘. Die UN-Mission, das Parlament und der Staatsrat müssten ihre Verantwortung wahrnehmen. Das Volk habe die Dabaiba-‚Regierung‘ bereits abgesetzt. Gezeichnet von den Bürgermeistern der Gemeinden und Räte von Sebha, Dschufra, Schuwarif, Mursuk, Gatrun, Ubari, Taraghan, Zwaila, Scharqiya, Wadi_Ataba, Albuwanis, Barak_asch-Schati, Garda, Barqan, Edri, Zala, Wadi_Eastern, Bent-Beh, Dscharma, Gharifa, Raqiba, Awinat, Gara, Ghat, Tahaleh, Barkat, Tadscharhi.

+ Der Gemeinderat von Zentral-Tripolisrief am 17. Mai die Dabaiba-‚Regierung‘ dazu auf, den Willen der Bürger zu respektieren und ihnen auf zivilisierte Weise zu antworten. Unterstützt werde das Recht auf friedliche Demonstrationen. DiePlätze der Hauptstadt müssten für alle offen bleiben. Verurteilt wurden die Kämpfe, die unschuldige Opfer forderten und schwere Schäden an der Infrastruktur und am Eigentum von Bürgern verursachten.

+ Am 17. Mai trafen gegen 22 Uhr immer noch mehr Demonstranten auf dem Märtyrerplatz in Tripolis ein. Auch die Demonstrationen vor dem Stadtrat von Aschilat gehen weiter. Gefordert wird der Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘.
Demonstrationszüge bewegen sich auch von Bab Tadschura und Suk al-Dschumaa zum Märtyrerplatz.
Die Demonstranten erklärten, sich gegen jede Spaltung zu stellen. Die Bevölkerung habe das Vertrauen in die inkompetente Regierung verloren. Auch die Hammad-Parallelregierung im östlichen Libyen werde abgelehnt. Die Demonstrationen würden bis zur Erfüllung der Forderungen fortgesetzt.

+ Itamil meldete, dass angesichts der Unruhen in Tripolis die Nato verstärkt Drohnen und Flugzeuge zur Überwachung der libyschen Küste und des Luftraums einsetzt.

18. Mai 2025

+ Dabaiba schob in einer Fernsehansprache alle Schuld auf die Milizen und rechtfertigte die Ermordung von al-Kikli. Peinlich wurde es, als Dabaiba den Internationalen Gerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof miteinander verwechselte und bestritt, dass seine ‚Regierung‘ Italien um die Ausreisegenehmigung von Osama Nadschim gebeten habe. Er beschuldigte Agila Saleh (Parlament), Khaled al-Mischri (Staatsrat) und ar-Radschma (Sicherheitsdienst Bengasi), den Untergang von Tripolis herbeizuführen, erwähnte aber bemerkenswerter Weise nicht Khalifa Haftar.

+ Als Zeichen ihrer Verachtung warfen die Demonstranten auf die in der Öffentlichkeit aufgestellten BildschirmeSchuhe, wenn dort Dabaibas Gesicht erschien.

+ Beobachter erklärten die Rede von Dabaiba als „selektiv und politisierend“, da sie das Ausmaß der Krise ignorierte und den Gegnern die Schuld gab, ohne auf die Verantwortung seiner Regierung oder die internen Korruptionsprobleme einzugehen, was die Wutnochverschlimmerte.

+ Nach der Rede von Dabaiba gingen die Demonstrationen weiter. Am 18. Mai waren im Osten von Tripolisalle Straßen blockiert und das tägliche Leben komplett lahmgelegt, während im Westen der Hauptstadt relative Ruhe herrscht und die Bürger auf den Straßen unterwegs sein.

+ Am 18. Mai schlossen sichStudenten der Universität in Tripolisdemzivilen Ungehorsaman und weigerten sich entgegen der Anweisung der Dabaiba-‚Regierung‘, den Unterricht wieder aufzunehmen.
Die Studentenvereinigung von Zawiya verkündete ebenfalls die Aussetzung der Studien.

+ Die at-Tahadi Medical Universität verurteilte die Erstürmung des Universitätsgeländes durch Milizen und die Aufstellung von Militärfahrzeugen. Es wird deren sofortiger Abzug gefordert.

+ Honoratioren und der Sozialrat von Suk al-Dschumaadistanzierensichvon Ali Kaddurund dessen geplanten Besuch bei Machmud Hamza, Kommandant der 444. Brigade.

+ Die Volksbewegung Suk al-Dschumaa rief für den kommenden Freitag, den 23. Mai, zu neuen Großdemonstrationen gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ auf allen libyschen Plätzen auf.

+ Dschamal Salem Schaaban (Unterstaatssekretär im Arbeitsministerium) tratvon seinem Rücktritt zurück und kehre an seinen Arbeitsplatz zurück.
Auch MabrukaTugui, (Kultusministerin) nahm ihren Rücktritt zurück.

+ Videoszeigen, wie der Hafen von Tripoli von Mitgliedern des Allgemeinen Sicherheitsdienstes unter dem Kommando von Abdullah at-Tarabelsi, Bruder des Innenminister Imad at-Trabelsi, geplündert wird.

+ Die 444. Kampfbrigade (Machmud Hamza) gab die Verhaftung von Personen bekannt, die mit dem Sohn von Ghaniwa al-Kikli, Belqasim, in Verbindung stehen. Außerdem sei in Abu Salem ein Massengrab entdeckt worden.

+  Der parlamentarische Ausschuss für Verteidigung und nationale Sicherheit zog eine Bilanz der Ereignisse in Tripolis.  Bei dem Angriff auf die Stability Support Agency von al-Kikli im Militärlager at-Takbaliseienal-Kikli und neun seiner Leibwächten getötet worden.
Die Zusammenstöße zwischen Milizen und Demonstranten erforderten 70 Opfer. Während der Unruhen gelang es Gefangenen, aus dem al-Dschadida-Gefängnis zu fliehen.
Die Dabaiba-‚Regierung‘ seipolitische isoliert.

+ Die Revolutionären Brigaden von Misrata kündigten an, jede Regierung abzulehnen, die unter dem Druck von Milizen gebildet wird. Es werde an der Notwendigkeit eines radikalen und umfassenden Wandels aller bestehenden politischen Organe festgehalten, vom Parlament über den Staatsrat bis zur Tripolis-‚Regierung‘. Kategorisch abgelehnt werde diese Art von Rotation, bei der eine ‚Regierung‘ fällt, um eine neue zu ernenne, während alle anderen gescheiterten Organe unberührt bleiben.

+ Der UN-Sicherheitsratrief alle Parteien dazu auf, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Verantwortlichen für Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen.

+ Die Afrikanische Unionrief alle Beteiligten auf, die im Februar in AddisAbeba unterzeichnete Charta für Frieden und nationale Aussöhnung einzuhalten.

+ Laut dem Libyenkenner Dschalal Harchaui wird die Schwäche der Dabaiba-‚Regierung‘ im In- und Ausland wahrgenommen. Deshalb bereite man sich auf die nächste Phase vor. In der westlichen Region werde befürchtet, dass Haftar dabei eine Rolle zukommen könnte.

19. Mai 2025

+ Vor dem Präsidialamt bezogen Demonstranten Stellung und forderten die sofortige Absetzung der Dabaiba-‚Regierung‘. Sie würden vor Ort ausharren bis ihre Forderung erfüllt ist. Die Fortsetzung der Regierung, die keine Legalität mehr habe, sei eine Schande und eine Katastrophe. Die Dabaiba-‚Regierung‘ sei für jeden vergossenen Blutstropfen verantwortlich.

+ Die Studentenvereinigung der az-Zawiya Universität kündigte in Solidarität mit dem Willen des libyschen Volkes die Aussetzung des Studiums in allen Fakultäten an.

+ Die Jugendbewegung von Adschilat, Sabratha und Zlitan erklärte ihre volle Unterstützung für die Bewegung zum Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘.

+ Abends trafenDemonstranten aus der westlichen Region,  aus Zawiya, Adschilat, Sabratha, Zlitan, Sayan, Zuwara und Raqdalinam Mellitah-Erdölkomplex ein, um den Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘ und aller politischen Gremien zu fordern.
Es müsse sichergestellt werden, dass die nationalen Ressourcen und der ReichtumLibyens dem öffentlichen Interesse dienen und nicht der Ausbeutung und Korruption zum Opfer fallen.
Die italienische Regierung wird darauf hingewiesen, dass ihre Interessen in den Händen des libyschen Volkes liegen undnicht in den Händen korrupter Regierungen.

20. Mai 2025

+ In der Nacht vom 19. Auf den 20. Mai wurden Straßenkreuzungen in Sarman aus Protestgegen die Dabaiba-‚Regierung‘ von Jugendlichen blockiert. Auf Transparenten forderten sie den Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘.

+ Nach Meinung von Abdul HafeezGhogha(ehemals Übergangsrat) wäre eine Schande, wenn Dabaiba nach dem Morden und der Zerstörung in Tripolis auch nur einen Taglängerim Amt bliebe.

+ In einer gemeinsamen Erklärung fordern 67 Parteien den Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘ und aller derzeitigen politischen Organe. Man unterstütze die legitimen Forderungen der Demonstranten und rufe dazu auf, diese zu schützen.
Die Absicht des Präsidialrates, das Forum des politischen Dialogs einzuberufen werde abgelehnt. Die UN-Mission wird aufgerufen, die Bestrebungen der Libyer nach einem umfassenden Wandel zu unterstützen und sich an der nationalen Lösung zu beteiligen, anstatt ein Partner der Krisenparteien zu sein.
Wir rufen alle Libyer auf, sich an den Demonstrationen am kommenden Freitag zu beteiligen, um alle politischen Organe zu stürzen.“

+ Das Parlamentverurteilte die Erstürmung des Allgemeinen Nachrichtendienstes in der Hauptstadt Tripolis. Entscheidungen würden dort nur noch mit Waffengewalt durchgesetzt. Das Schweigen des Präsidialrats und der scheidenden Dabaiba-‚Regierung‘ komme einer Komplizenschaft und einer Preisgabe der libyschen Souveränität gleich und gefährdet die nationale Sicherheit. Der Allgemeine Nachrichtendienst müsse frei von Manipulationen und politischer Beschäftigung bleiben.

+ In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Stämme und Bürgermeister der Westregion den Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘, ihren sofortigen Rückzug von der Macht und die Beendigung der Einmischung in das Schicksal des libyschen Volkes.
Die Dabaiba-‚Regierung‘ versuche, sich militärisch an der Macht zu halten. Der Aufbau von Sicherheits- und Militäreinrichtungen könne nicht unter einer geteilten Regierung erfolgen, der es an nationalem Konsens mangelt, sondern erfordere eine einheitliche Regierung.

+ Die Jugend von Zintanforderte einen Wechsel bei allen derzeitigen politischen Gremien und den Übergang zu einer neuen Phase durch Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Sie appellierten an die internationale Gemeinschaft, nichtmit der Dabaiba-‚Regierung‘ zu verhandeln, da diese Regierung die Spaltung des Landes vorantreibt und ihren Willen mit Gewalt, Geld und Waffen gegen den Willen der Libyer durchsetze. Bei dem Streit zwischen der Dabaiba-‚Regierung‘ und den Milizen gehe es nicht um den Staat, sondern um die Aufteilung der Beute. Sie versuche auch, sich international durch den Akt der Normalisierung der Beziehungen mit der zionistischen Besatzung zu profilieren.

+ Die Stammesräte von Zintandistanzierten sich von einer Delegation, die sich mit Dabaiba getroffen hat. Diese Delegation spreche nur für sich selbst, nicht für die Stämme von Zintan. Die UN-Mission wurde aufgefordert, sich für Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und zur Bildung einer Einheitsregierung einzusetzen.

+ Das Nationale Friedensforumfordertedie Dabaiba-‚Regierung‘ zum sofortigen Rücktritt auf. Das Schicksal der Libyer dürfe nicht länger für engstirnige Interessen aufs Spiel gesetzt werden.

+ Der Sozialrat von Suk al-Dschumaa und den vier Vorstädtenkündigte die Fortsetzung der Demonstrationen gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ an, um die Forderungen des Volkes durchzusetzen und Druck auf die UN-Mission auszuüben, die den politischen Prozess beschleunigen soll. Der Zustand des politischen Stillstands müsse beendet werden.

+ In Misrataforderten Unterstützer der Volksbewegung von Tripolis denSturz der Dabaiba-‚Regierung‘,da diese für Korruption und die Unterwanderung der staatlichen Institutionen durch Milizen verantwortlich ist.
Die Dabaiba-‚Regierung‘ sei ein Komplize bei den von Milizen begangenen Verbrechen. Dabaibas Vorschlag, Milizen durch Milizen zu ersetzen, müsse abgelehnt werden.
Einige Personen in Misrata profitierten von der Dabaiba-‚Regierung‘ und behaupteten, Misrata unterstütze Dabaiba. Dies werde zurückgewiesen.

+ Die Revolutionären Brigaden von Misratariefen die Bevölkerung von Suk al-Dschumaa auf, den vom IStGH per Haftbefehl gesuchtenOsama Nadschim und die von Abdul Rauf Kara befehligte Deterrence Force nicht länger zu unterstützen.

+ Laut dem Sprecher der Suk al-Dschumaa-Bewegung, Abu Bakr Marwan, werden am kommenden Freitag Millionen von wütenden Menschen in allen Städten Libyens auf die Straße gehen, um den Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘ zu fordern.
Auf einer Versammlung von mehr als 30 Gemeinden der westlichen Region wurde betont, dass diese ‚Regierung‘ überholt und unhaltbar ist.Auch die Stadt Misrata habe sich auf die Seite der Straße und gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ gestellt, die sich jetzt mit Waffengewalt verteidigt.
Die Minister von Dabaiba befänden sich entweder im Gefängnis, würden der Korruption beschuldigt, stünden vorGericht oder seien zurückgetreten. Dabaiba selbst habe im Fernsehen die Ermordung eines Milizenführers gestanden. Selbst wenn dieser ein Verbrecher war, hätte er vor Gericht gestellt werden müssen.

Milizen/Militär/Gewalt

+ Ali Salem(politischer Analyst) beschuldigtedie Interne Sicherheit von Haftar, das Haus seines Vaters gestürmt, ihn und zwei seiner Brüder verschleppt zu haben. Sie hätten das Haus durchsucht, die Pässe der Kinder und Frauen an sich genommen und zwei Autos gestohlen.

+ Der Haftar-Clan habe sich mit der Familie des ehemaligenVerteidigungsministers Mahdi Barghathiin Verbindung gesetzt und ihr eine hohe Geldsumme angeboten. Im Gegenzug sollte sie davon absehen, ein Verfahren wegen der Ermordung von Barghathi einzuleiten. Al-Barghathi war nach der Zusage von Sicherheitsgarantien am 6. Oktober 2023 nach Bengasi gereist, wurde dort aber verhaftet. Seine Familie wurde von seinem Tod im Gefängnis unterrichtet.

+ Der Journalist Khalil al-Hassienthüllte den Inhalt eines Abkommens zwischen dem der Deterrence Force und der Dabaiba-‚Regierung‘, das vom stellvertretenden türkischen Geheimdienstchef vermittelt und garantiert wurde. Es sollte Osama Nadschim an die Dabaiba-‚Regierung‘ übergeben werden, um ihn an den IStGH zu überstellen. Dafür sollte das Verhältnis zwischen dem Dabaiba-Clan und der Deterrence Force bereinigt sein.

+ Die Nationale Institution für Menschenrechte in Libyen warnte davor, Inhaftierte, die in den Gefängnissen der Kriminalpolizei unter dem Kommando von Osama Nadschim einsitzen, für den Einsatz bei Kämpfen zwangszurekrutieren. Dies stelle ein Kriegsverbrechen dar.

+ Neun nicht identifizierte Leichen wurden am 17. Mai in einem Kühlschrank im al-Khadra-Krankenhaus in Tripolis gefunden. In Folge des Stromausfalls waren die Körper in Verwesung übergegangen.

+ Die Dabaiba-‚Regierung‘ gab den Fund von 58 nicht identifizierte Leichen in einem der Kühlschränke des Abu Salim Trauma Hospital bekannt.

Parlament

+ 26 Parlamentarierlehnten die Einsetzung einer neuen Einheitsregierung ab.

+ Der Parlamentarier Dschibril Ohaida erklärte, mit den Forderungen nach einer Einheitsregierung und Wahlen komme man nicht weiter, denn es fehlten die Voraussetzungen, um eine Einheitsregierung zu wählen. Keine Regierung werde in der Lage sein, das Land von Tripolis aus zu regieren, solange die Milizen die Stadt beherrschen.

+ Der Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte während einer parlamentarischen Sitzung, dass jeder Einsatz von übermäßiger Gewalt gegen Menschen, die ihr Recht zu demonstrieren einforderten, abgelehnt werde.

+ Ali Musbah Abu Sabiha, Vorsitzender des Obersten Rates der Stämme und Städte des Fessan,beschimpfte Agila Saleh als „die Wurzel der Krankheit und die Quelle der Geißel. Die Massen werden nicht eher ruhen, bis du und deine korrupte Clique zu Fall kommen.“

Innerlibysche Nachrichten

+ Der Journalist Khalil al-Hassi erklärte, dass der von der Staatsanwaltschaft gesuchte Kommandeur der 222. Brigade aus Misrata,Hussein Schawat, von Dabaiba als neuer Chef der Libyschen Auslandsbank eingesetzt wird. „Dabaiba ersetzt Kriminelle durch andere Kriminelle.“

+ Ahmed Hamza(Nationales Menschenrechtskomitee) zur Ernennung von Abu Bakr al-Dschafal, der 2020 wegen Korruption und Machtmissbrauchs inhaftiert war, zum Unterstaatssekretär des Finanzministeriums: „Das Recyclen der in Korruptionsdelikte verwickelten Personen“.

+ Schakschak beschloss am 19. Mai, die Bankkonten desStability Support Apparatus(SSA) von al-Kikli und der Inneren Sicherheit einzufrieren. 

+ Am 18. Mai veröffentlichte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) neue Details zu zwölf Anklagepunkten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Osama Nadschim, einen ehemaligen libyschen Gefängniskommandanten und leitenden Beamten der Justizpolizei.Nadschim wird beschuldigt, Mord, Vergewaltigung, Folter, unrechtmäßige Inhaftierung, Verfolgung und sexuelle Gewalt angeordnet oder begangen zu haben, insbesondere im berüchtigten Mitiga-Gefängnis in Tripolis.

+ Der Vorsitzende des Präsidialrats, Mohammed al-Menfi, will das Forum für den politischen Dialogeinberufen, um den politischen Stillstand zu überwinden.

+ 13 Kandidaten haben sich für das Amt eines neuen Premierministersbeworben. Deren Dossiers werden nun von der Generalstaatsanwaltschaft überprüft. Die Kandidaten sollen vom Parlament eingeladen werden, um ihr Wahlprogramm vorzustellen.
Danach soll in eine Sitzung der Premier gewählt werden, der dann die Aufgabe hat, seine Regierung zu bilden und sie dem Parlament zur Vertrauensabstimmung vorzulegen.
Zur Anhörung und Auswahl des Premierministers sollen UN-Mission, die EU-Mission, die Afrikanische Union, die Arabische Liga und die Botschafter ausländischer und arabischer Länder eingeladen werden.
Die neue Regierung wird mit der Durchführung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen beauftragt.

+ Die Libysche Zentralbank und ihr katarisches Pendant haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, die vorsieht,Finanzinformationen auszutauschen und die Bemühungen zur Bekämpfung der Geldwäsche zu verstärken.

+ Der tunesische Schriftsteller Yassine Farhati äußerte sich in einer Londoner Zeitung über Muammar al-Gaddafi: „ Angesichts des arabischen Gipfels in Bagdad sehnen sich viele Araber nach der Zeit von Oberst Muammar Gaddafi zurück. Deshalb gingen die Libyer in Tripolis auf die Straße und forderten, dass sein Sohn Saif al-Islam die Präsidentschaft des Landes übernimmt.
Gaddafi sagte „Nein“: „Er hat den USA nicht den Golf von Sirte überlassen, er hat Israel nicht anerkannt, er hat nicht zugelassen, dass die Araber das Verbrechen Hitlers tragen müssen und er hat die Araber gegen das westliche und zionistische Projekt verteidigt.“
In seinen öffentlichen Reden und im Grünen Buchdes libyschen Führers werden seine Ansichten zu Sozialismus, Volkskomitees und Nationalismus zum Ausdruck gebracht.
Gaddafi war sich bewusst, dass der Traum von der arabischen Einheit nicht allein der Traum von Libyen ist, sondern der Traum aller arabischen Völker.
„Oberst Gaddafi war intellektuell wagemutig […]. Gaddafi, der die UN-Charta zerriss und den irakischen Präsidenten Saddam Hussein verteidigte, ist in der arabischen Welt noch immer unvergessen.

Erdöl/Erdgas

+ Laut AgenziaNova ist die von Haftar kontrollierte Arkano-Erdölgesellschaft bisher nichtvon UN- und EU-Sanktionen betroffen und arbeitet weiter. Die ArabianGulf Oil Company (AGOC) in Bengasi habe die Zuteilung von 600.000 Barrel für das Haftar-nahe Arkano beantragt, dies entspräche der Hälfte der Gesamtproduktion des Feldes für den Monat Mai.Die Erlöse von Arkanolandeten nicht auf Konten der Libyschen Auslandsbank, sondern auf von Haftars Netzwerk kontrollierte Auslandskonten.

Libyen und das Ausland

+ USA. „Der Sender NBC News berichtete über ein Vorhaben der Regierung von US-Präsident Trump, wonach Palästinenser nach Libyen umgesiedelt werden sollen. Die USA dementierten, Libyen kommentierte den möglichen US-Plan nicht.“

+ Türkei. Der türkische Außenminister Hakan Fidan hat die Forderung der Türkei an die rivalisierenden Fraktionen Libyens erneuert, sich auf die Bildung einer einheitlichen Regierung zu einigen und gleichzeitig Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten.

+ Arabische Liga. ImAbschlusskommuniqué des Arabischen Gipfelsam 17. Mai in Bagdad wurde das libysche Parlamentund derStaatsrat aufgefordert, die Verabschiedung von Wahlgesetzen zu beschleunigen.

Aus den Nachbarländern

+ Niger/Burkina Faso. „Während der ägyptische Oberst Saif al-Adel, der derzeitige Anführer von al-Kaida, im Iran Zuflucht gefunden haben soll, haben die afghanischen Taliban Beziehungen zu Burkina Faso und Niger geknüpft, zwei Staaten, die mit einem dschihadistischen Aufstand konfrontiert sind. Berichten zufolge haben die Gespräche in Teheran begonnen.“
Voltaire, internationale Nachrichten - N°133 - 16. Mai 2025

 

 A. Gutsche

 

Dienstag, 20. Mai 2025

 

Libyen: Ende der Dabaiba-‚Regierung‘ in Tripolis eingeläutet

16. Mai 2025 / gelanews 

Nachdem die Milizenkämpfe in Tripolis eskalierten, ist eine brüchige Waffenruhe in Kraft. Auch nach den Schüssen auf Demonstranten halten Proteste gegen die Dabaiba-‚Regierung‘ an. Das Ausland zeigt sich besorgt.

Nach der Ermordung von Ghaniwa al-Kikli in Tripolis und der Übernahme des Hauptquartiers seiner Miliz Stability Support Aparatus SSA durch mit dem Premierminister Abdulhamid Dabaiba verbündete Milizen am 12. Mai, ließ die Dabaiba-Regierung zunächst vermelden, sie habe die Kontrolle über den umkämpften Stadtteil Abu Salim vollständig wiederhergestellt.

Davon, dass dies bei weiten nicht den Tatsachen entsprach, zeugten heftige Gefechte der rivalisierenden Milizen in den Straßen von Tripolis, die auch am nächsten Tag noch anhielten. Von einer Sicherung des riesigen Abu-Salim-Gebiets mit ihren Ministerien, Unternehmenszentralen und wichtigen Institutionen konnte keine Rede sei.

Trotzdem bereiteten sich Dabaibas Streitkräfte darauf vor, die mächtige Special Deterrnce Force (SDF), ehemals Rada-Miliz, deren Hauptstützpunkt die Mitiga-Militärbasis ist, anzugreifen. Auf dem Mitiga-Gelände befindet sich auch ein großes Gefängnis, in dem viele al-Kaida- und IS-Kämpfer gefangen gehalten werden. Die SDF, in der viele Mitglieder einstmals der alten Gaddafi-Armee angehörten, steht unter dem Kommando von Abderauf Kara. Eine zweite mächtige Armee, die Dabaibas Milizen ausschalten möchte, ist die Miliz vom Suk al-Dschumaa. Es misslang gründlich.

Milizen der Dabaiba-‚Regierung‘ erleiden Rückschlag

Schon bald wurde gemeldet, dass die Suk-al-Dschumaa-Miliz die vom Tripolis-Premier Abdulhamid Dabaiba in Gang gesetzten Milizen zurückschlagen konnte. Dabaibas dortige Besitztümer, inklusive sein Wohnhaus, sollen Bränden zum Opfer gefallen sein. Es hieß sogar, Dabaiba sei aus Tripolis geflohen.

In der libyschen Hauptstadt formierten sich am 14. Mai massive Proteste gegen das Vorgehen der Dabaiba-Milizen. Insbesondere im Suk al-Dschumaa protestierten Einwohner gegen eine Vorbereitung der 444. Kampfbrigade unter dem Kommando von Machmud Hamza  für den Angriff auf die Special Deterrence Force von Abdulrauf Kara auf dem Mitiga-Militärstützpunkt.  

Auch nach schweren Kämpfen gelang es der 444. Kampfbrigade nicht, Karas Special Deterrence Force zu bezwingen. Obwohl am Vormittag des 14. Mai von Dabaiba ein Waffenstillstand verkündet worden war, verweigerte Machmud Hamza Verhandlungen mit Abdulrauf Kara aufzunehmen. Aus etlichen Stadtteilen wurde gemeldet, dass weiter gekämpft wird.

Eine Schule gab den Tod ihres ehemaligen Direktors Suad as-Suwaih infolge der Kampfhandlungen bekannt. In Geschäften und Häusern verschiedener Stadtviertel brachen durch Granaten verursachte Brände aus. Insbesondere das Video des in Brand gesetzten That al-Emad Towers verschreckte die Bewohner von Tripolis. Der libysche Rote Halbmond forderte, sichere Passagen für die Zivilbevölkerung zu schaffen, damit diese aus den Kampfgebieten evakuiert werden können.

Die UN-Mission verurteilte die Gewalteskalation und die Mobilisierung von Streitkräften auch in anderen Landesteilen. Der Präsidialrat forderte in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte im westlichen Libyen eine sofortige und bedingungslose Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen und einen vollständigen Verzicht auf den Einsatz von Waffen in zivilen Gebieten.

Dabaiba-‚Regierung‘ und Präsidialrat für Gewaltausbruch verantwortlich

Nach dem Abflauen der schlimmsten Kämpfe, die Libyen seit langem erleben musste, mehren sich die Stimmen, die den Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘ fordern. So verlangte die Stadt az-Zawiya ein Ende der Kämpfe und die Bildung einer neuen Regierung, die das Land in Parlaments- und Präsidentschaftswahlen führt.

Einwohner von Dschanzur verurteilten die Kämpfe, denen die Bevölkerung von Tripolis durch Militärkräfte ausgesetzt war. Dabaiba und der Präsidialrat als Oberbefehlshaber seien hierfür verantwortlich.

Das Staatsratsmitglied Khaled al-Mischri hielt die blutigen Kämpfe für das „Ergebnis einer absurden Entscheidung der Tripolis-Regierung“, die die katastrophalen Folgen, die sie auf die Sicherheit der Bewohner sowie auf öffentliches und privates Eigentum hatte, nicht berücksichtigte. Laut dem Parlamentspräsidenten Agila Saleh habe die Dabaiba-‚Regierung‘ das Land in brudermörderische Konflikte gestürzt. Verantwortlich seien hierfür auch die internationale Gemeinschaft und die UN-Mission, die keinerlei Druck auf die Dabaiba-‚Regierung‘ ausgeübt hätten.

Am Nachmittag des 14. Mai fielen rund um den internationalen Flughafen von Tripolis immer noch Schüsse. Der Gesundheitsdirektor der Stadt, Mohammed Abdel Wahab, gab bekannt, dass die Kämpfe bisher sechs Todesopfer gefordert hatten, darunter fünf Militärangehörige. Verletzt wurden etwa 70 Menschen. Durch Granateneinschläge wurden die Intensivstation des al-Dschalaa-Kinderkrankenhauses, der Unterhaltungskomplex Downtown und der Touristenkomplex Costa in der Nähe der Insel al-Ghiran beschädigt.

Der Stadtrat von Tripolis machte die Dabaiba-‚Regierung‘ und den Präsidialrat für die Sicherheit der Bürger und für ihr Eigentum verantwortlich

Auch der Journalisten Khalil al-Hassi hält Abdulhamid Dabaiba für die Kampfhandlungen verantwortlich, zusammen mit seinem Bruder Ibrahim Dabaiba und dem Vorsitzenden des Präsidialrats, Walid al-Lafi. Dabaiba habe sicherstellen wollen, bei neuen politischen Weichenstellungen nicht übergangen zu werden.

Der Präsidialrat sah sich dazu gezwungen, bis auf Weiteres alle Beschlüsse der Dabaiba-‚Regierung‘ zur Neustrukturierung der Sicherheitsinstitutionen einzufrieren. Alle militärischen Einheiten wurden aufgefordert, unverzüglich und bedingungslos in ihre Hauptquartiere zurückzukehren.

Unruhen greifen um sich – Schüsse auf Demonstranten

Gegen Abend des 14. Mai trieb es immer mehr Einwohner der Stadt, insbesondere im Bezirk Suk al-Dschumaa, auf die Straße, um für ein Ende der Dabaiba-‚Regierung‘ zu demonstrieren. Auf Transparenten forderten sie die Einstellung der Kampfhandlungen, das Ende der Clanherrschaft und von Bereicherung auf Kosten der Bürger. Einwohner von Faschlum solidarisierten sich. Es wurde zu friedlichem, zivilem Ungehorsam aufgerufen. Auch vor dem Sitz der Dabaiba-‚Regierung‘ in Tariq as-Sikka marschierten Demonstranten auf.

Eine immer mehr anschwellende Menschenmenge bewegte sich im Laufe der Nacht in Richtung Märtyrerplatz im Zentrum von Tripolis. Als die Protestierer dort den Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘ forderten, eröffnete die Miliz al-Faraula, die dem Sicherheitsdienst von Abdullah at-Trabelsi angeschlossen ist, das Feuer. Trotz der Schüsse und den Versuchen, sie vom Platz zu vertreiben, strömten die Demonstranten immer zahlreicher in Richtung Märtyrerplatz. Skandiert wurde: „Unsere Friedfertigkeit ist stärker als eure Kugeln!“

In Tadschura solidarisierten sich Demonstranten mit der Deterrence Forse von Abdelrauf Kara und den Protestierenden von Suk al-Dschumaa. Straßen, einschließlich der Küstenstraße, wurden blockiert.

Für Tripolis war es eine lange Nacht des Aufruhrs. Demonstranten, die den Sturz der Dabaiba-Regierung forderten, bewegten sich auch in Richtung des Wohnhauses von Ibrahim Dabaiba im Viertel al-Andalus. Auf jugendliche Demonstranten, die vor dem Sitz des Präsidialrats den Rücktritt der Dabaiba-‚Regierung‘ forderten, wurde geschossen.

In Abu Salim gelang es Demonstranten sogar, das ehemalige Hauptquartier von al-Kiklis SSA-Miliz zu stürmen, das von der 444. Kampfbrigade unter dem Kommando von Machmud Hamza eingenommen worden war, und mehrere gepanzerte Fahrzeuge in Brand zu setzen.

Die Nationale Institution für Menschenrechte in Libyen sieht die Verantwortung für die Verbrechen und schweren Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte sowie für das Versagen beim Schutz der Zivilbevölkerung und der Gewährleistung ihrer Sicherheit und ihres Lebens bei der Dabaiba-‚Regierung‘ und deren Innenminister Imad at-Trabelsi.

Das Innenministerium rief seinerseits am Morgen des 15. Mai alle Bürger dazu auf, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren und zur Wiederherstellung des Alltags beizutragen.

Die Demonstrationen auf dem Märtyrerplatz in Tripolis hielten auch am 16. Mai noch an. Ebenso wurde auf Kundgebungen in Suk al-Dschumaa und Ain Zar weiterhin der Sturz der Dabaiba-‚Regierung‘ gefordert, unterstützt von Einwohnern aus az-Zawiya.

Die Geister, die Dabaiba rief…

Das Ausland ist besorgt

Die Nato intensivierte ihre Flüge zur Überwachung der libyschen Küste und des libyschen Luftraums angesichts der anhaltenden Spannungen und diplomatische Vertretungen in Tripolis sorgen sich um die Sicherheit ihrer Staatsbürger. Die Türkei erwägt gar, einen Turkish Airlines Flug von Misrata nach Istanbul zu organisieren, um ihre Staatsangehörigen zu evakuieren. Und Italien zählte etwa neunzig Staatsangehörige, die in Tripolis festsitzen.

UN-Generalsekretär Guterres ließ verlauten, dass er die schnelle Eskalation, die auch die Beteiligung von Milizen von außerhalb der Stadt und den Einsatz schweren Artilleriefeuers in dicht besiedelten Vierteln einschloss, für äußerst besorgniserregend hält. Es seien mindestens acht Zivilisten zu Tode gekommen. Guterres forderte zu einem ernsthaften und ehrlichen Dialog auf, um die Ursachen des Konflikts zu beseitigen.

 A. Gutsche

 

 

Botschaft von Ibrahim Traoré an Papst Leo XIV.

16. Mai 2025 / gelanews 

Mit kühnen Worten wendet sich der Präsident von Burkina Faso, Captain Ibrahim Traoré, in einer Videobotschaft an den neu gewählten Papst Leo XIV.

An Seine Heiligkeit Papst Robert Francis

Ich schreibe Ihnen nicht aus einem Palast oder aus dem Komfort einer ausländischen Botschaft, sondern aus meiner Heimat, dem Land Burkina Faso, wo sich Staub mit dem Blut unserer Märtyrer vermischt und die Echos der Revolution lauter sind als das Summen ausländischer Drohnen am Himmel.

Ich schreibe Ihnen nicht als jemand, der um Zustimmung bittet, noch als jemand, der sich in diplomatische Höflichkeiten verstrickt. Ich schreibe Ihnen als Sohn Afrikas, mutig, unbeugsam, ungebrochen.

Sie sind nun der geistige Vater von mehr als einer Milliarde Seelen, darunter Millionen hier in Afrika. Sie übernehmen nicht nur eine Kirche, sondern ein Vermächtnis. Und in diesem Moment des Übergangs, während noch weißer Rauch über den Dächern des Vatikans schwebt, muss ich diesen Brief über Meere und Wüsten hinweg, vorbei an Wachen und Mauern, direkt an Ihr Herz senden, weil es die Geschichte verlangt, weil es die Wahrheit gebietet, weil Afrika, das verwundete und aufstrebende Afrika, zuschaut.

Eure Heiligkeit, wir Afrikaner kennen die Kraft des Kreuzes. Wir kennen die Hymnen, die Gebete, die Litaneien. Wir haben mit schwieligen Händen Kirchen gebaut und unseren Glauben mit unserem Blut verteidigt.

Aber wir kennen auch eine andere Wahrheit, eine, die zu viele lieber begraben möchten. Die Wahrheit, dass die Kirche manchmal an der Seite der Kolonisatoren stand, dass, während Missionare für unsere Seelen beteten, Soldaten unser Land verwüsteten, dass, während Ihre Vorgänger über den Himmel sprachen, unsere Vorfahren auf Erden in Ketten lagen.

Und selbst jetzt, in diesem sogenannten modernen Zeitalter, spüren wir die Ketten, nicht aus Eisen, sondern aus Schweigen. Aus Gleichgültigkeit gegenüber geopolitischen Spielen, die im Schatten der Heiligkeit gespielt werden.

Deshalb frage ich im Namen der Mütter, die auf schmutzigen Böden beten, und der Kinder, die mit leeren Mägen zum Katechismus gehen: Wird Ihr Pontifikat ein anderes sein?

Werden Sie der Papst sein, der Afrika nicht als Randgebiet betrachtet, sondern für den es ein prophetisches Zentrum ist? Werden Sie der Papst sein, der Slums nicht nur für Fototermine besucht, sondern der es wagt, das zornige Wort gegen die Kräfte zu erheben, die diese Slums zum Dauerzustand machen?

Sehen Sie, Eure Heiligkeit, ich bin ein Mann, den der Krieg geprägt hat, nicht der Reichtum. Ich wurde nicht von westlichen Institutionen für die Politik verdorben. Diplomatie wurde mir nicht in Paris beigebracht. Ich habe Führung in den Schützengräben unter den Menschen gelernt, wo Schmerz der Lehrer ist und Hoffnung Widerstand bedeutet.

Ich führe eine Nation, die von der Welt so lange beiseite geschoben wurde, bis sie sich weigerte, länger zu schweigen. Man sagte uns, wir seien zu arm, um unabhängig zu sein, zu schwach, um souverän zu sein, zu instabil, um Widerstand zu leisten. Aber ich sage Ihnen dies im Namen meiner Vorfahren: Wir werden nicht länger um die Erlaubnis bitten, existieren zu dürfen.

Wir haben es satt, bei Mächten, die unsere Bodenschätze ausbeuten und gleichzeitig Moral predigen, um Anerkennung zu betteln. Und wir haben es satt, absolut satt, zuzusehen, wie die geistigen Führer der Welt ihre Ohren vor Afrikas Schreien verschließen, weil Hinzuhören eine unbequem Politik wäre.

Eure Heiligkeit, ich spreche jetzt nur für Burkina Faso, ein Land in einem Kontinent, der zu lange bevormundet wurde. Afrika ist kein bemitleidenswerter Kontinent, sondern ein Kontinent der Propheten. Propheten, die ins Gefängnis geworfen, verbannt und ermordet wurden, weil sie es wagten, das Imperium herauszufordern.  Und Sie, jetzt, da Sie den Ring des Heiligen Petrus tragen, werden Sie den Weg der Propheten gehen? Oder werden auch Sie ein Gefangener der Politik sein?

Wir brauchen keine weiteren Plattitüden. Wir brauchen keine weiteren Gedanken und Gebete, während westliche Firmen unter bewaffneter Bewachung Uran im Niger und Gold im Kongo fördern.

Wir brauchen keine diplomatische Neutralität, während afrikanische Jugendliche auf der Flucht vor Kriegen im Mittelmeer ertrinken. Sie haben diese Kriege nicht angefangen, die mit Waffen gekämpft werden, die sie nicht hergestellt haben.

Wir brauchen keine zuckersüßen Erklärungen, während die Souveränität Afrikas hinter verschlossenen Türen in Brüssel, Washington und Genf versteigert wird.

Was wir brauchen, ist ein Papst, der den modernen Herodes benennt, der gegen die Wirtschaftsimperien genauso kühn vorgeht, wie die Kirche einst gegen den Kommunismus vorging.

Der ohne Pardon sagen wird, dass es eine Sünde ist, wenn Nationen von der Zerstörung Afrikas profitieren.

Sie kennen die Lehre Christi. Sie wissen, dass er die Tische der Geldwechsler umgeworfen hat. Sie wissen, dass er gesagt hat: Selig sind die Friedfertigen, aber er hat nie gesagt: Selig sind die Beschwichtiger.

Deshalb frage ich Sie persönlich: Werden Sie sich gegen das Schweigen Frankreichs und seine verdeckten Operationen in der Sahelzone aussprechen?

Werden Sie die Waffengeschäfte verurteilen, die die Stellvertreterkriege in unseren Wüsten und Wäldern schüren? Werden Sie die Gier benennen, die sich in Nächstenliebe hüllt?

Wir erleben Diplomatie, bei der sich der Imperialismus mit Friedensgesprächen tarnt.

Eure Heiligkeit, ich bitte Sie nicht, Afrikaner zu sein. Ich bitte Sie, menschlich zu sein, moralisch zu sein, mutig zu sein. Denn Mut, wahrer Mut, bedeutet nicht, die Mächtigen zu segnen. Es bedeutet, die Machtlosen zu verteidigen, auch wenn es seinen Preis hat.

Lassen Sie es mich klar sagen: Der Vatikan verfügt über unvorstellbaren Reichtum, über Kunstschätze von unglaublichem Wert.

Aber wahre Macht misst sich nicht an Schätzen hinter Mauern aus Marmor, sondern am Mut, sich der Ungerechtigkeit zu stellen.

Eure Heiligkeit, auch wenn die Welt in einem maßgeschneiderten Anzug daherkommt, diplomatische Beglaubigungsschreiben mit sich führt und über all ihre Sünden hinweglächelt: Die Welt steht am Abgrund, und Afrika, dieser ebenso geschundene und wie wunderschöne Kontinent, wird nicht weiter nur von unten zuschauen, sondern den Aufstieg wagen.

Wir bluten, wir erheben uns, und wir wagen es, Fragen zu stellen, die lauter hallen als das kanonische Recht.

Wo war die Kirche, als unsere Präsidenten von ausländisch unterstützten Söldnern gestürzt wurden?

Wo war die Kirche, als unsere Jugendlichen entführt und indoktriniert wurden, um Kriege zu führen, die von Nationen finanziert wurden, die sich als Friedenswächter ausgaben?

Wo war die Kirche, als unsere Währungen zusammenbrachen? Als der IWF unsere Volkswirtschaften strangulierte?

Als unsere Führer dafür bestraft wurden, dass sie Souveränität über Unterwerfung stellten?

Sagt uns nicht, wir sollen vergeben, solange die Peitsche noch in der Hand des Täters ist.

Sagt uns nicht, wir sollen beten, während unsere Gebete mit Drohnenangriffen beantwortet werden. Sprecht nicht von Frieden, ohne die Profiteure des Krieges beim Namen zu nennen.

Denn Schweigen, Eure Heiligkeit, ist nicht länger heilig, und Neutralität ist nicht länger edel.

Wenn Ihr der Hirte dieser globalen Herde sein wollt, dann hört diesen Schrei aus dem Staub von Ouagadougou.

Auch wir sind Ihre Schafe. Aber wir weiden nicht friedlich auf Wiesen, wir marschieren auf Straßen, wir sterben an der Front.

Wir erheben uns aus der Asche mit Feuer in unseren Knochen und der Heiligen Schrift auf den Lippen.

Wir bitten nicht um Almosen, wir fordern Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit muss mit der Wahrheit beginnen.

Die Wahrheit des Christentums in Afrika war sowohl Balsam als auch Schwert. Die Wahrheit war, dass die Kirche unseren Geist genährt hat, während sie es versäumte, unseren Körper zu schützen.

Die Wahrheit ist, dass Erlösung ohne Aufarbeitung nur eine Halbwahrheit ist und Halbwahrheiten noch nie Nationen geheilt haben.

Eure Heiligkeit, Ihr sitzt jetzt auf dem Stuhl des Heiligen Petrus.

Aber denkt daran, Petrus hat Christus dreimal verleugnet, bevor der Hahn krähte. Lasst die Geschichte nicht sagen, dass die Kirche Afrika erneut verleugnet.

Lasst den Hahn im Vatikan laut und deutlich krähen. Lasst ihn das Gewissen der Kardinäle und Könige wecken.

Lassen Sie sein Krähen durch die Korridore der Macht hallen, wo Männer in Roben und Männer in Uniform ihren Einfluss mit Schweigen erkaufen.

Lassen Sie ihn eine neue Morgendämmerung verkünden, nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Welt.

Denn hier in Afrika fürchten wir die Morgendämmerung nicht, wir gestalten sie.

Wir sind die Söhne und Töchter von Sankara, Lumumba, Nkrumah und Biko.

Wir tragen die Heilige Schrift in der einen Hand und die Erinnerung an die Revolutionäre in der anderen.

Wir haben gelernt, mit dem gleichen Atemzug zu beten und zu protestieren.

Und wir fragen: Wird Ihr Papsttum mit uns gehen? Werden Sie uns in unserem Schmerz begegnen, nicht nur in unseren Kirchenbänken? Werden Sie Gott in unserem Hunger erkennen? Christus in unserem Chaos? Den Heiligen Geist in unseren Kämpfen?

Wann, wenn nicht jetzt, wenn nicht in Jehuda? An welches Evangelium können wir noch glauben, wenn die Kirche weiterhin Frieden predigt und dabei die Unterdrückungsmechanismen ignoriert? Ich sage dies nicht aus Wut, sondern in frommer Bedrängnis.

Wir sind ein Volk am Kreuzungspunkt zwischen Verheissung und Politik. Afrikas Zeit ist nicht mehr fern. Sie ist da.

Wir schreiben die Geschichte neu, gestalten die Zukunft neu, fordern die Würde zurück, die uns durch Jahrhunderte fremder Herrschaft und spiritueller Manipulation vorenthalten wurde.

Und die Kirche muss sich entscheiden, wo sie steht: auf der Seite der Mächtigen oder auf der Seite der Menschen, die ihr Blut vergießen.

Ich schreibe diesen Brief nicht, um zu verurteilen. Ich schreibe ihn, um Sie, Eure Heiligkeit, zu einer tieferen Solidarität einzuladen, zu einer Solidarität, die barfuß mit den Armen geht, die es wagt, in Rom ebenso mutig die Wahrheit zu sagen wie in Ruanda, die die Heiligen nicht nur nach ihren Wundern benennt, sondern nach ihrem Engagement für Gerechtigkeit.

Wir warten darauf, dass sie Ihre Stimme erheben, nicht von Balkonen herab, sondern aus Schützengräben und Favelas. Aus Flüchtlingslagern und aus politischen Gefängnissen, wo die Wahrheit hinter Gittern gesperrt wurde.

Denn nur diese Stimme, Ihre Stimme, kann das Schweigen befreien. Und wenn Sie es wagen, sie zu erheben, wird nicht nur Afrika Sie hören, sondern die ganze Welt.

Captain Ibrahim Traoré, Statthalter des Übergangs

Burkina Faso, Sohn Afrikas, im Dienste der Souveränität