Neue Entwicklungen in Libyen
Libyen. Militärische
Auseinandersetzungen halten an/AFRICOM bombt im Süden/Libyen bei der
UN-Generalversammlung/Verlässt Wintershall Libyen?
Fortführung
der Luftangriffe durch die LNA
Wie auch die
‚Einheitsregierung‘ bestätigten musste, hat die LNA Luftangriffe auf bestimmte
Gebiete in Tripolis intensiviert. Unter anderem wurde das Hauptquartier der
Nawasi-Miliz an der Küstenstraße getroffen, wo sich zu diesem Zeitpunkt auch
der Kommandant der Tripolis Protection Force, Mohammed al-Fund,
aufhielt. Die Nawasi-Miliz ist dem Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘
angegliedert.
Von der LNA
wurden ebenfalls Luftangriffe auf Positionen von Misrata-Milizen in der Region
von Abu Salim geflogen. Ziel war auch ein vom Mitiga-Flughafen bei Tripolis
kommender Waffen- und Munitionstransport.
Daneben wird
von Luftangriffen auf Gharian südlich von Tripolis und auf ein ländliches
Anwesen am Stadtrand von Sebha im Süden Libyens berichtet.
Während der
Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, as-Sarradsch, bei seiner
Rede vor der 74. UN-Generalversammlung sowohl Ägypten als auch der VAE und
Frankreich vorwarf, die LNA unter Feldmarschall Haftar zu unterstützen, sagte
die LNA, es seien der ‚internationalen Gemeinschaft‘ etliche Beweise für die
Einmischung der Türkei und Katars in den innerlibyschen Konflikt vorgelegt
worden. Der türkische Präsident Erdogan hatte dies persönlich vor einiger Zeit
bestätigt. Zu den Vorwürfen, es seien sogar türkische Truppen vor Ort, schwieg
die Türkei bisher.
Auf die
Behauptung von Milizen der ‚Einheitsregierung‘, es seien auch russische Söldner
in Libyen auf Seiten der LNA im Einsatz, wurde entgegnet, Videos und Fotos, die
dies beweisen sollten, stammten nicht aus Libyen, sondern aus Syrien. Auch
Russland bestritt derartige Vorwürfe.
AFRICOM
fliegt Bombenangriff auf IS-Kämpfer
Zum dritten
Mal innerhalb nur einer Woche flogen die USA einen Luftangriff gegen
islamistische Kämpfer in Südlibyen. Wie Africom erklärte, versuchten die
Terroristen, den Bürgerkrieg in Libyen auszunutzen, um Kämpfer zu rekrutieren.
Das Pentagon
gab bekannt, dass der Einsatz von einer Luftwaffenbasis im benachbarten Niger
aus geflogen worden waren und 17 IS-Kämpfer getötet wurden.
Laut Africom
waren bereits am 19. September acht IS-Kämpfer bei einem Luftangriff nahe der
libyschen Stadt Mursuk getötet worden und nur fünf Tage später elf weitere
Kämpfer bei einem Luftangriff in der gleichen Gegend.
Viele
IS-Kämpfer waren nach ihrer Niederlage in der Stadt Sirte in die südlichen
Saharagebiete geflohen, um dort den Wiederaufbau von Kampftruppen zu betreiben.
In den unübersichtlichen Gegenden sind die Grenzen zwischen Militanten,
Terroristen und Milizen fließend. So bestehe die Gefahr, dass Luftschläge auch
ethnische Spannungen oder Konflikte zwischen Stämmen erzeugen könnten.
Frederic
Wehrey, Mitarbeiter eines US-amerikanischen Think Tanks warnte, dass in der
abgelegenen und politisch zersplitterten Landschaft Südlibyens die Grenzen
zwischen Militanten, Terroristen und Milizsoldaten häufig verwischt seien und
dass diese Luftschläge möglicherweise ethnische und Stammesspannungen auslösen
könnten: „Es hat in der Vergangenheit auch Kollateralschäden gegeben“.
Flucht von
Ahmed Maitiq
Wie bekannt
wurde, ist die komplette Familie von Ahmed Maitiq, stellvertretender
Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, vor wenigen Tagen in die Schweiz
übersiedelt. Maitiq selbst verließ ebenfalls Libyen. Maitiq gehört der
Moslembruderschaft an und war Mitglied der berüchtigten islamistischen Libyan
Islamic Fighting Group (LIFG).
Sudan
schließt Grenzen zu Libyen
Während
eines Treffens in Niyala, der Hauptstadt von Süd-Darfur, befahl der Sudan die
Schließung der Grenzen zu Libyen und der Zentralafrikanischen Republik. Grund
sei die anwachsende Sorge um die nationale Sicherheit. Zunehmend strömen
Kämpfer aus Darfur nach Südlibyen, um sich Milizen anzuschließen, die auch
kriminellen Aktivitäten nachgehen.
Libyen-Gespräche
am Rande der UN-Generalversammlung
Ein Treffen
am Rande der UN-Generalsammlung in New York wird als Auftakt zur bevorstehenden
internationalen Libyen-Konferenz in Berlin gesehen. Neben den Außenministern
der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, USA, Russland, China,
Frankreich und Großbritannien, erhoben auch Italien, Deutschland, Ägypten und die
VAE die Forderung, die militärischen Auseinandersetzungen in Libyen zu beenden.
Die auf
Initiative Italiens und Frankreichs zustande gekommenen Gespräche wurden vom
Sprecher der Libyschen Nationalarmee (LNA) al-Mismari begrüßt. Mismari betonte,
dass das Generalkommando der Armee bei mehreren Sitzungen und internationalen
Konferenzen immer wieder für die Abhaltung von Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen plädiert habe.
Nachdem sich
die LNA seit des Beginns der Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis am 4. April
geweigert hatte, in Gespräche mit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis
einzutreten, signalisiert sie nun erstmals Gesprächsbereitschaft und ließ durch
ihren Sprecher erklären: „Der politische Prozess muss seinen Platz haben,
ebenso wie ein globaler und nationaler Dialog, der die nationale Einheit
Libyens bewahrt.“
Hochrangiger
Moslembruder trifft Erdogan
Esam Omeish
ist ein libysch-stämmiger US-Amerikaner, der eine führende Rolle im globalen
Netzwerk der Muslimbruderschaft spielt. Auf seiner Facebook-Seite gab Omeish
bekannt, dass er während eines Treffens der Führer der Moslembruderschaft am
Rande der UN-Generalversammlung mit der türkischen Delegation darüber
gesprochen habe, dem US-amerikanischen Präsidenten Trump und anderen in die
libysche Krise involvierte Regierungen die unmissverständliche Botschaft
zukommen zu lassen, dass sie ihre Unterstützung für Feldmarschall Haftar und
die LNA aufgeben müssten. Zu der türkischen Delegation zählten auch der
türkische Außenminister und der Sonderberater von Präsident Erdogan. Omeish
forderte die Türkei auf, den Tripolis- und Misrata-Milizen die notwendige
Unterstützung zukommen zu lassen. Es sollte auch ein Verteidigungsabkommen
geschlossen werden.
Der
Kommentar des Sprechers der LNA, al-Mesmari, hierzu: Wir beobachten gerade die
Umwandlung des Milizenterrors in Staatsterrorismus.
Misstrauensvotum
gegen die ‚Einheitsregierung‘?
Am 26.
September tagte in Tripolis der Hohe Staatsrat, ein vom Politischen Abkommen in
Skhirat eingesetztes Gremien mit beratender Funktion. Der derzeitige
Vorsitzende und Mitglied der Partei der Moslembruderschaft, Khaled al-Mishri,
sagte in seiner Eröffnungsrede, dass der Staatsrat das Recht habe, ein
Misstrauensvotum gegen die Regierung durchzuführen sowie über die Befugnisse
des militärischen Befehlshabers und anderer Autoritäten zu entscheiden. Der
Staatsrat könne auch Referenden zur Verfassung annehmen oder ablehnen.
Einzig dem
Staatsrat sei es benommen, mit dem Parlament und dem Präsidialrat Gespräche zu
führen. Diese beiden Organe verweigerten allerdings die Zusammenarbeit mit dem
Staatsrat.
Wintershall
will raus aus Libyen
Der deutsche
Öl- und Gaskonzern Wintershall will sich aus Libyen zurückziehen, denn
das dortige Engagement sei wirtschaftlich kaum noch zu vertreten. Der Konzern betreibt
in Libyen acht Ölfelder. An den Aktivitäten von Wintershall ist auch die
russische Gazprom mit 49 Prozent beteiligt.
Wintershall forderte von der Bundesregierung
die Auszahlung einer Hermes-Bürgschaft in „beträchtlicher Höhe“, mit der die
Bundesregierung die Aktivitäten von Wintershall in Libyen abgesichert
hatte. Begründet wird der ins Auge gefasste Rückzug mit Sicherheitsrisiken und
entsprechenden Produktionsausfällen wegen politischer Unruhen. Daneben kam es
zu größeren Uneinigkeiten zwischen Wintershall und der libyschen
Ölgesellschaft National Oil Corporation (NOC), die rechtliche und
finanzielle Rahmenbedingungen der Tätigkeiten des Konzerns in Libyen betreffen.
Es sei ein
Treffen führender Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums mit Wintershall-DEA-Chef
und dem BASF Vizechef geplant. Weitere Einzelheiten sind nicht bekannt.
Wintershall ist eine Tochter von BASF in
Kassel, das eine Mehrheit der Anteile hält. Im Mai ging Wintershall mit DEA-Hamburg
zusammen. An dem Gemeinschaftsunternehmen hält die Investorengruppe LetterOne
um den russischen früheren DEA-Eigner Michail Fridman 33 Prozent.
Wintershall
war ab 1958 in Libyen aktiv. Bis 2011 und der Ermordung von Oberst Gaddafi war
der deutsche Konzern der zweitgrößte in Libyen tätige Ölkonzern. Schwer
vorstellbar also, dass sich Wintershall tatsächlich völlig aus Libyen
zurückziehen wird. Spätestens wenn die Ölquellen wieder sprudeln und sich die
Lage im Land stabilisiert, wird der Konzern seine Fühler in Richtung der neuen
Regierung ausstrecken.
Ebenfalls in
der vergangenen Woche nahmen Vertreter der ‚Einheitsregierung‘ aus Tripolis am
Libyschen Wirtschaftsforum teil, das in Berlin stattfand. Überprüft wurde dabei
der Inhalt eines Handelsabkommens zwischen Libyen und Deutschland, das im
letzten Jahr in Tunesien geschlossen worden war. Die deutsche Regierung möche
die Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Energie und technologische
Innovation intensivieren. Wie dies mit dem Rückzug und der Stellungnahme von
Wintershall zusammenpasst, bleibt Regierungsgeheimnis.
A. Gutsche
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