Dienstag, 29. August 2017



Die Zerstörung Libyens im Spiegel der sich ändernden geopolitischen Machtverhältnisse

Libyen. Ohne Rücksicht auf die betroffenen Völker und deren Menschen werden rücksichtslose und gefährliche Weltmachtspielchen ausgetragen.

Wie bekannt, standen Gaddafis Bemühungen um die Schaffung einer afrikanischen Währungsunion und der Einführung eines goldgedeckten afrikanischen Dinars bei seinem Sturz 2011 kurz vor der Vollendung. Afrika sollte aus seiner finanziellen Abhängigkeit gegenüber dem Westen mit Hilfe der Schaffung dreier Institutionen befreit werden: der African Investment Bank im libyschen Sirte, den African Monetary Fund (Afrikanischer Währungsfonds/AFM) mit 42 Milliarden US-Dollar Einlagen in Yaoundé (Kamerun) und mit der Afrikanische Zentralbank im nigerianischen Abuja. Die Guthaben der libyschen Zentralbank in Höhe von rund 30 Milliarden US-Dollar standen zu diesem Zweck zur Verfügung. Daneben besaß Libyen Gold im Wert von sechs Milliarden US-Dollar und ebenso viel Silber, die seit dem Sturz Gaddafis verschwunden sind und in den USA vermutet werden.

Frankreich wollte den Sturz Gaddafis

Diese für 2011 geplanten Vorhaben hätten voraussichtlich das Ende des westafrikanischen CFA-Franc bedeutet, mit dem Frankreich seine dreizehn ehemaligen afrikanischen Kolonien eng an sich bindet. Der von der französischen Zentralbank kontrollierte CFA-Franc (Franc de la Communauté Financière d’Afrique) war das Ergebnis der Verhandlungen von Bretton Woods, bei denen 1944 das Weltwährungssystem neu geordnet wurde. „Dieses System sichert Frankreich einen ungehinderten Zugang zu den afrikanischen Märkten und die Versorgung mit billigen und strategisch wichtigen Rohstoffen (Öl, Uran, Diamanten, Gold). Der freie Kapitalverkehr sorgt für die ungehinderte Repatriierung von Profiten und Korruptionsgeldern.“[1] Und weiter: „Das Regime des CFA ist die Grundlage für das Fortbestehen jenes ‚Francafrique‘ genannten Systems der Ausplünderung Afrikas und der kriminellen Praktiken französischer Konzerne, die, flankiert von der Politik, von Korruption bis zu Waffenschmuggel und Mord reichen. Abgesichert wird die Dominanz Frankreichs durch Militärbasen in zahlreichen seiner ehemaligen Kolonien.“ Die Abkommen, die diesbezüglich mit den aus den Kolonien hervorgegangenen Staaten getroffen wurden, sind größtenteils immer noch geheim.
Nur zwei Monate, nachdem die afrikanischen Länder eine Beteiligung Frankreichs am AFM abgelehnt hatten, begannen die Aufstände gegen Gaddafi in Libyen. Am Ende des Krieges stand das Einfrieren von 30 Milliarden Dollar auf westlichen Konten, die dem libyschen Staat gehört hatten und zur Finanzierung eben dieser drei Projekte gedacht waren.
Rückblickend frage man sich, was geworden wäre, hätte Gaddafi seine Politik verwirklichen können. Hätte dann nicht der heute so viel beschworene wirtschaftliche Aufschwung und damit einhergehend die verbesserten Lebensgrundgrundlagen der afrikanischen Bevölkerung dafür gesorgt, dass nicht mehr unzählige Migranten den Weg nach Europa suchen? Hat nicht der Sturz Gaddafis genau die Lösung, die heute händeringend gesucht wird, verhindert, nämlich eine allgemeine Anhebung der Lebensverhältnisse in weiten Teilen Afrikas?
Von Anfang an setzten die USA, Frankreich und Großbritannien auf Krieg und den Sturz Gaddafis. Um erst gar nicht die Möglichkeit für Verhandlungen aufkommen zu lassen, wurden unverzüglich die Botschafter aus Tripolis abgezogen. Vermittlungsangebote, unter anderem von der Türkei und der Afrikanischen Union, wurden abgelehnt. Joschka Fischer erklärte, die südliche Gegenseite des Mittelmeers gehöre zur unmittelbaren Sicherheitszone der EU.[2]
Am 1. Mai 2011 sagte Moussa Ibrahim in der BBC: „Wir haben immer wieder unsere Verhandlungsbereitschaft erklärt. Wir sind bereit für einen Friedensplan, für eine politische Übergangszeit, bereit für Wahlen, bereit für ein Referendum“.
Doch daran hatten Frankreich, Großbritannien und die USA natürlich kein Interesse. Es galt, die postkolonialen Einflusszonen zu schützen und Libyen zu zerschlagen.

Der arabische Frühling: Moslembrüder an die Macht

Die Vorarbeit dazu war bereits in Tunesien und Ägypten geleistet worden. Dort war die Moslembruderschaft als der neue Verbündete der amerikanischen Außenministerin Clinton mit massiver Unterstützung der USA an die Macht gekommen und die alten Regierungen, die sich geweigert hatten als Aufmarschgebiet gegen Libyen zu dienen, gestürzt. Die Moslembrüder erfreuten sich auch der uneingeschränkten Unterstützung der Türkei und Katars. In Libyen wurden die aufständischen Islamisten finanziert, ausgebildet und mit Waffen versorgt, so dass die Proteste sofort in Gewaltexzesse umschlugen.
Allerdings bestanden nicht nur zwischen den westlichen Regierungen, sondern auch innerhalb von Regierungen Meinungsverschiedenheiten über das Vorgehen in Libyen. So war Verteidigungsminister Robert Gates strikt gegen die militärische Intervention, die Hillary Clinton gegen seinen Willen bei Barak Obama durchsetzte. Auch die NATO-Länder waren gespalten: Nur 14 der insgesamt 28 NATO-Staaten beteiligten sich am Krieg gegen Libyen und die Befehlsgewalt konnte erst am 31. März, also zwei Wochen nach Beginn der Bombardierungen, an die NATO übergeben werden. Deutschland mit Außenminister Guido Westerwelle enthielt sich im UN-Sicherheitsrat sogar der Stimme als es um die Einrichtung der Flugverbotszone ging.
Hillary Clinton fand ihren Plan sicher genial: Mit Hilfe von arabischen Staaten die Regierungen anderer arabischer, nämlich der arabisch-sozialistischen Staaten zu stürzen und Vertreter des politischen Islams, sprich Moslembrüder und al-Kaida, an die Macht zu bringen. Deren Interessen deckten sich, zumindest vordergründig, mit denen des Westens: alle sozialistischen Ideen ausmerzen, neoliberale Wirtschaftsvorstellungen durchsetzen und die Bevölkerung in Dummheit und Armut halten. Vorwärts in den Frühkapitalismus.
Nachdem in Tunesien und Ägypten die Moslembrüder an die Macht gebracht waren und Libyen zerstört, konnten die Waffen aus den libyschen Militärbeständen den islamistischen Kräften in Syrien weitergereicht werden, um den nächsten Brocken zu schlucken: Die Regierung des ebenfalls säkular-arabisch-sozialistischen Syriens, die noch dazu ein Verbündeter Russlands war, musste weg. An dschihadistischen Kämpfern fehlte es dank guter Bezahlung nicht. Die arabische Welt ist voll von armen Schluckern, die bereit sind, für wenig Geld in den heiligen Krieg zu ziehen.
Soweit der Plan. Die Realität entwickelte sich allerdings etwas anders. Libyen war zwar zerstört, doch bisher gelang es weder, eine Marionettenregierung zu installieren, noch Libyen in drei Teile zu spalten. In Syrien hält sich die Regierung Assad bis heute und ist dabei den Krieg zu gewinnen.
Die Zerschlagung des Staates Libyens hatte die Destabilisierung der gesamten Sahelzone zur Folge. Die Sahara ist Kriegsgebiet und Deutschland wird nun auch in Mali verteidigt.
Libyen dient auch nicht mehr als Pufferzone für Migranten auf ihrem Weg über das Mittelmeer nach Europa. Libyen ist nicht mehr das gelobte Land, das Schwarzafrikanern Arbeit verspricht, sondern es wurde über Nacht zu einem für Leib und Leben höchst gefährlichem Land, das ein Migrant schnellst möglich durchqueren sollte. Hunderttausende Schwarzafrikaner nehmen nun die Chance wahr, über die libysche Küste nach Italien zu gelangen.

Alles läuft aus dem Ruder

Bereits mit der Ermordung von US-Botschafter Stevens in Bengasi im Jahr 2012 war abzusehen, dass sich Clintons Pläne nicht nur in Libyen zu einem Desaster entwickeln werden, sondern ihr später sogar die Präsidentschaft kosteten.
Auch die Unterstützung aus den Nachbarländern brach weg. Der Moslembruder Mursi, im Juni 2012 zum ägyptischen Präsidenten gewählt, wurde schon im Juli 2013 nach tagelangen Massenprotesten durch einen Militärputsch abgesetzt. Besonders übel war ihm angerechnet worden, dass er den Suez-Kanal an Katar verscherbeln wollte. Der säkular ausgerichtete Militär al-Sisi und Feind aller Moslembrüder trat im Juni 2014 sein Amt als ägyptischer Präsident an.
Auch in Tunesien wendete sich das Blatt. Gegen die mit massiver US-Unterstützung nach dem Sturz Ben Alis an die Macht gekommene islamistische Ennahda-Bewegung kam es im Juli 2013 nach der Ermordung oppositioneller Politiker zu Massendemonstrationen und die Islamisten mussten 2014 einer sogenannten ‚Technokraten-Regierung‘ Platz machen.
In Libyen verloren die islamistischen Kräfte 2014 krachend die Wahlen. Als sie sich weigerten, die Macht an das neu gewählte Parlament und deren Regierung abzutreten, kam es zum Bürgerkrieg, in dessen Verlauf das gewählte Parlament und die Regierung aus Tripolis in den Osten des Landes flüchten mussten. Islamistische Milizen wie Libya Dawn und die Libyan Islamic Fighting Group LIFG errichteten unter Führung des al-Kaida-Mannes Abdelhakim Belhadsch in der Hauptstadt eine Schreckensherrschaft. Allein schon die weitere Unterstützung dieser islamistischen Tripolis-Regierung durch den Westen, insbesondere durch den UN-Sonderbevollmächtigen Martin Kobler, führt die Behauptungen des Westens, in Libyen Demokratie und Menschrechte verankern zu wollen, ad absurdum. Auf die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch sei an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da es sich dabei von vornherein um eine Totgeburt handelte.
Die al-Sisi-Regierung Ägyptens, die nichts mehr fürchtete als einen islamistischen Staat an ihrer östlichen Grenze, unterstützte nun massiv – ebenso wie die VAE, die in Gegnerschaft zu Katar standen – das nun in Tobruk tagende Parlament und die Übergangsregierung im Osten des Landes. Das Parlament ernannte General Heftar, der mit seinen Milizen im Osten, insbesondere in Bengasi, die Dschihadisten und al-Kaida bekämpfte, zur offiziellen Libyschen Nationalarmee. Dabei bekam er mit Duldung der USA Unterstützung von Frankreich, das – anders als Italien – nicht die Islamisten in Tripolis und deren Hochburg Misrata, sondern Heftar unterstützte. Heftar, ein Mann der CIA, der 2011 aus den USA herbeieilte, um Gaddafi stürzen zu helfen, begann nun, auch die Kontakte nach Russland zu intensivieren. Daneben werden Heftar Kontakte nach Israel nachgesagt, von wo er auch mit militärischer Unterstützung rechnen konnte.[3] Aufgrund der militärischen Hilfe von all diesen Mächten konnte Heftar die Islamisten zurückdrängen und größere militärische Erfolge erringen.
Einen Beitrag dazu leisteten auch die libyschen Stämme, die im Süden das Sagen haben und ohne deren Unterstützung sich keine Regierung wird behaupten können. Muamar al-Gaddafis Sohn Saif al-Islam Gaddafi ist dabei der große, rosarote Elefant, der in jedem Bild steht, von dem aber jeder so tut, als ob er ihn nicht sähe und es ihn nicht gebe.

Russland greift militärisch in Syrien ein

Das nächste Fiasko für die US-Strategie und den Westen kündigte sich im September 2015 an, als Russland mit Kampfeinsätzen auf Seiten der syrischen Regierung in den von außen gesteuerten Bürgerkrieg eingriff. Es zeigte sich, dass die von den USA gesponserten sogenannten gemäßigten Islamisten keine gemäßigten Islamisten waren, sondern nach Erhalt von Waffen und Geldern zu al-Kaida überliefen. Es waren ganz echte Islamisten, die Andersgläubige verachteten und bekämpften. Der Westen hatte sich Nattern am eigenen Busen gezüchtet. Die alten Verbündeten entwickelten sich immer mehr zu den neuen Feinden, so wie man das ja schon aus Afghanistan kennt. Syrien ist aber nicht Afghanistan und die Russen hatten auch nicht mehr so viel mit der alten geschlagenen Sowjetmacht gemein, sondern führten ihre neuen militärischen Muskeln vor. Und so ist der syrische Präsident Assad mit Unterstützung Russlands, des Irans und auch Chinas auf dem besten Weg, den Krieg gegen die Islamisten zu gewinnen. Nebenbei: Diese erfreuen sich in der Bevölkerung keinerlei Beliebtheit, weder in Syrien noch in Libyen, was sicher auch zu ihrem Untergang beiträgt.

Die Rolle der Türkei

Auch die Türkei, einer der wichtigsten Unterstützer der islamistischen Milizen in Libyen und Syrien, hat inzwischen gemerkt, dass sich der Wind gedreht hat. Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen musste die Türkei die Annäherung an Russland suchen, was dem Westen und Europa überhaupt nicht gefällt. Erdogan verspricht sich auch in der Kurdenfrage mehr Entgegenkommen von Russland und Syrien als von Europa und den USA. Wenn Erdogan aus Menschenrechtsgründen und sonstigen vorgeschobenen edlen Motiven von Europa kritisiert wird, kann man das getrost unter ‚Heuchelei‘ abhaken. Wenn die türkischen Menschenrechtsverletzungen im Sinne des Westens begangen werden, schweigt man sie schön tot, wenn Erdogan allerdings versucht, sich mit Russland und Syrien zu verständigen, ist es ein ganz schlimmer Finger, aber natürlich nicht deswegen, sondern weil er  Regierungskritiker wegsperrt. Friedensbemühungen stehen nur dem guten Westen zu und Menschenrechtsverletzungen begehen immer nur die bösen anderen, und zwar gerade dann, wenn es ins politische Kalkül passt.

Trump wird US-Präsident

Das gesamte Projekt „Neuer Naher Osten“ schien also bereits aus der Spur zu laufen als mit der Wahl Trumps zum neuen US-Präsidenten im November 2016 der totale GAU eintrat. Trump vertrat jene Sicht der Militärs und Geheimdienste, die sich von vornherein gegen den Sturz Gaddafis und den Plan, al-Kaida als Proxi-Kämpfer in arabischen Ländern anzuheuern, ausgesprochen hatten.
Diese Ablehnung geschah bestimmt nicht aus edlen Motiven, sondern in der nicht unbegründeten Angst, dass diese Kriege die USA in den finanziellen Ruin treiben und auf lange Sicht den Einfluss und das Prestige Russlands in der Welt nachhaltig fördern könnten. 

Makron lässt Frankreichs koloniale Afrika-Ambitionen wieder aufleben

Da Frankreich schon seit längerem General Heftar und seine LNA beim Kampf gegen die Islamisten unterstützt, fuhr Trump kurz nach dem G20-Gipfel in Hamburg, wo er sich mit Putin getroffen hatte, zu Gesprächen mit dem neugewählten, smarten französischen Präsidenten Macron nach Paris. Dieser lud daraufhin nicht nur den Einheits-Sarradsch aus Tripolis, sondern auch den LNA-General Heftar nach Paris zu sogenannten Friedensgesprächen ein. Nach dem Treffen gab es zwar ein Bla-Bla-Zehn-Punkte-Papier, das aber niemand unterzeichnen mochte.
Allerdings war nun klargestellt, dass in Sachen Libyen innerhalb Europas ab jetzt Frankreich das Sagen hatte. Macron konnte sich als Friedensstifter – allerdings ohne Frieden – präsentieren, und seine Möchtegern-Bedeutung in Afrika zur Schau stellen. Anstatt wie früher mit Katar arbeitet Frankreich nun eng mit Ägyptens al-Sisi zusammen, dem es 2015 noch unter Hollande 24 Rafale-Kampfflugzeuge, zwei Mistral-Hubschrauberträger, eine Fregatte und Raketen, alles im Wert von 5,2 Milliarden Dollar, lieferte. Damit darf Ägypten auch mal Islamisten in Libyen bombardieren.[4] Frankreichs Wunschvorstellung dürfte es sein, General Heftar als Chef einer neuen Militärregierung à là Ägyptens al-Sisi zu installieren. Da sei Saif al-Islam Gaddafi vor!
Es ist ziemlich eindeutig, dass Frankreich an seine koloniale Vergangenheit anknüpfen will und eine Afrika-Politik fährt, die seinen Macht- und Wirtschaftsinteressen dient. Allerdings kam diese Politik Frankreich im letzten Jahrhundert am Ende der Kolonialzeit schon einmal ziemlich teuer zu stehen.

Saudi-Arabien, Katar und die Türkei

Saudi Arabien wurde von Trump dank Waffengeschäften und Verbalattacken gegen den Iran auf Linie gebracht, Katar, das weiterhin auf die Moslembrüder setzte, von den arabischen Bruder-Ländern isoliert. Die Moslembrüder waren Saudi-Arabien schon immer ein Dorn im Auge und von den Dschihadisten in Tripolis und Misrata auf Heftar im Osten umzuschwenken, war deshalb leicht. Nur die Türkei muss Katar wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit im Moment noch die Treue halten, wobei ihm dies aus ideologischer Sicht nicht schwer fallen dürfte.
Die IS-Kämpfer haben sich immer mehr in den Süden Libyens zurückgezogen und machen nun in der Sahara und den Sahelgebieten die Grenzgebiete zu Tschad, Niger und Algerien unsicher.

Der Tschad

In den letzten Jahren unterstützt Frankreich auch den südlich von Libyen gelegenen, bitterarmen Tschad und seinen Präsident Déby immer stärker. Déby war gegen den Sturz Gaddafis und gegen den Libyen-Krieg. Heute stellt der Tschad, der wirtschaftlich komplett von Frankreich abhängig ist, Kämpfer zur Unterstützung von Heftars LNA. Dafür operieren mit Unterstützung libyscher Islamisten, vor allem Misrata-Milizen und al-Kaida-Kämpfern aus Bengasi, oppositionelle tschadische Gruppen von Libyen aus gegen Déby. Da diese Gruppen von Katar unterstützt werden, hat der Tschad am 23. August die Schließung der Botschaft von Katar in seiner Hauptstadt Dschamena angeordnet.

Die Rolle Israels

Die Träume Israels scheinen ein geteiltes Libyen zu sein, zwar mit einer Armee unter Heftar, aber zwei Regierungen, eine im Osten und eine im Westen: die beiden Landeshälften durch eine Grenze getrennt, kontrolliert durch die Nachbarländer und mit der Stationierung einer multinationalen Truppe unter UN-Mandat.[5] Israels Träume und libysche Albträume!

Und Russland

Russland wird wohl von allen Mitspielern eine kleine Rolle im zukünftigen Libyen eingeräumt, weitere Waffengeschäfte mit Libyen – im Moment scheinen die Deals über Algerien zu laufen, das neunzig Prozent seiner Waffen von Russland bezieht – und vielleicht ein Marinestützpunkt in der Kyrenaika? Russland ist sich durchaus bewusst, dass Heftar ein schillernder CIA-Mann ist und trauert bestimmt den guten alten Gaddafi-Zeiten nach. Der Kontakt zu den libyschen Stämmen scheint nach wie vor zu stehen.

Italien – der große Verlierer

Ein großer Verlierer bei dem ganzen Spiel ist Italien. Nach der grauseligen Kolonialgeschichte, die Italien mit Libyen verbindet, entstanden eigentlich recht gute und für beide Länder fruchtbare Beziehungen, die nun restlos dahin sind. Seit Italien den Franzosen, Briten und der USA seine Militärbasen für Flüge zur Bombardierung Libyens trotz des zwischen beiden Ländern geschlossenen Freundschaftsvertrags zur Verfügung stellte, offen die islamistischen Kräfte in Tripolis und Misrata unterstützte und seine Kriegsmarine wieder in Tripolis einläuft, dürfte sich Italien alle libyschen Sympathien verscherzt haben. Dafür hat jetzt bei Verhandlungen Frankreich das Sagen und Italien stattdessen ein riesiges Flüchtlingsproblem, das vermutlich bei den nächsten Wahlen das Land zerreißen wird.
Alle Versuche Italiens und der EU, die Flüchtlingswelle aus Schwarzafrika einzudämmen, werden nicht wirklich erfolgreich sein, auch nicht durch den Einsatz der italienischen Marine, dem Aufbau einer dubios-mafiös-kriminellen libyschen Küstenwache oder den lachhaften Versuch, Grenzzäune durch die libysche Sahara zu ziehen. Italien hat beim Libyen-Abenteuer einfach die Arschkarte gezogen.
Der Nahe Osten sollte wieder einmal in guter alter Kolonialmanier von den Globalplayern aufgeteilt werden. Doch könnte das Projekt „Neuer Naher Osten“ noch ganz anders enden als in der von den Strippenziehern gedachten Weise.
Die große Frage bleibt: Wie sind nachhaltig die rücksichtslosen Machtspiele zu stoppen, die so viel Leid und Schmerz über die davon betroffenen Völker bringen?

Angelika Gutsche
27.08.2017






[1] https://www.jungewelt.de/artikel/316520.westliche-politik-der-zerst%C3%B6rung.html
[2] SZ vom 22.3.2011
[3] https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/7/24/libyas-haftar-provided-with-israeli-weaponry-following-uae-mediated-meetings
[4] https://deutsch.rt.com/afrika/56259-frankreich-afrika-macron-libyen-kolonialismus-vormacht-mali-krieg/
[5] http://www.israeldefense.co.il/en/node/28458

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