Erdöl und Wirtschaftskrieg
von Angelika Gutsche
Erdölkrieg.
Der Westen bringt nicht nur Ölquellen in seine Gewalt, sondern nutzt die
Kontrolle von Erdöltransportwegen zur Führung von Wirtschaftskriegen.
Die Welt
verbraucht immer mehr Öl, etwa 90 Mio. Fass (ein Fass/Barrel entspricht knapp
160 Litern) täglich, das heißt ohne die fossilen Energieträger ist das
Funktionieren eines Industrielandes in der jetzigen Form nicht denkbar.
Gleichzeitig rückt die Angst vor dem sogenannten Peak-Oil immer mehr in den
Vordergrund. Peak-Oil das heißt, es ist das Maximum an Ölausbeute erreicht, ab
jetzt sinkt die weltweite Fördermenge. Der Zeitpunkt des Peak-Oil wurde zwar
dank neuer Ölfördertechniken wie Tiefseebohrungen oder Fracking immer weiter
nach hinten geschoben, im Moment wird der Peak-Oil-Zeitpunkt 2020 oder 2030
erwartet. Doch wie lange der Peak-Oil auch hinausgeschoben werden kann, Erdöl
ist unbestreitbar ein endlicher Rohstoff, um dessen Reserven ein
erbarmungsloser Wettlauf entbrannt ist.
Es ist daher
kein Zufall, dass zu den heftig bekämpften Feinden des Westens die wichtigen
Erdölförderländer Irak, Iran und Libyen gehören, deren – im Gegensatz zu
Saudi-Arabien – nicht pro-westliche Regierungen zum Teil schon entsorgt wurden.
Denn wie schon Henry Kissinger meinte: „Erdöl ist zu wichtig, um es den
arabischen Ländern zu überlassen.“
Es geht aber
nicht nur darum, die Ölquellen für den eigenen Bedarf durch Erdölbeutezüge[1] unter die
Kontrolle zu bekommen, da wäre es in manchen Fällen einfacher, das Öl den
Förderländern abzukaufen, so wie es bisher geschah. Sondern es geht darum, dass
der Westen mit der Verfügungsgewalt über die Förderstätten und Transportwege
des Erdöls ein Druckmittel gegen konkurrierende Staaten wie China oder Russland
in die Hand bekommt. Würde es der Westen schaffen, China den Ölhahn zuzudrehen,
hätte dies für die chinesische Wirtschaft und somit die chinesische
Gesellschaft verheerende Folgen. Mit der Waffe Erdöl können also
Wirtschaftskriege geführt werden, um Konkurrenten auf dem Weltmarkt klein zu
halten, auszuschalten oder gar zu vernichten.
Im Falle
Libyens hatten sich sowohl China als auch Russland stark im Land engagiert. Für
afrikanische Länder sind diese beiden Staaten auch deshalb als Handelspartner
interessant, weil sie keine koloniale Vergangenheit auf dem afrikanischen
Kontinent verbindet. China hat im Niger, den im Süden gelegenen Nachbarstaat
von Libyen, große Claims in der saharischen Ténéré erworben und für sich
abstecken lassen. In dieser „Wüste der Wüsten“ befinden sich riesige
Erdölvorkommen, die der Erschließung harren. Das dort einmal geförderte Erdöl
müsste mittels Pipelines durch die Sahara bis ans Mittelmeer transportiert und
in libyschen Häfen nach China verschifft werden. Wer also Libyen und seine
Häfen kontrolliert, kontrolliert auch den Erdölfluss aus der Sahara nach China.
Allerdings können westliche Politiker ihren Wählern nur schwerlich vermitteln,
dass man mal locker zehntausende Tote und den Zusammenbruch ganzer Länder in
Kauf nimmt, um einen in der Zukunft erwarteten Öltransport nach China
blockieren zu können. Man erinnere sich, Bundespräsident Horst Köhler musste
zurücktreten, nachdem er bei einem Rückflug aus Afghanistan öffentlich zum Besten
gegeben hatte, man würde wegen Wirtschaftsinteressen Kriege führen.
In diesem
Zusammenhang ist auch der aktuelle Krieg, den Saudi Arabien und einige
arabische Länder mit logistischer Unterstützung der USA seit März 2015 im Jemen
führen, zu sehen. Der Jemen ist eines der ärmsten Länder der Welt. Wie gerade
die Nachrichtenagenturen berichten, sind durch den aktuellen Krieg laut UNICEF
eine halbe Million jemenitische Kinder vom Hungertod bedroht,[2] bis November
2015 mussten 7.000 Menschen ihr Leben lassen. Als Kriegsgrund wird ein Konflikt
von Sunniten und Schiiten vorgeschoben, tatsächlich geht es jedoch darum, wer
die Meerenge im Golf von Aden, das Bab al-Mandab (Tor der Tränen) kontrolliert,
die Saudis im Verbund mit den USA oder eine Iran-freundliche Regierung in
Sanaa. Jedes Schiff, das von Europa in den Indischen Ozean oder von dort zurück
will, muss den Golf von Aden passieren, auch jedes Schiff, das aus dem Iran
oder asiatischen Ländern wie China kommt und nach Europa will. Indirekt ist
auch Deutschland an diesem Krieg beteiligt, das Waffen an Saudi Arabien liefert
und erst 2015 ein großes Rüstungsgeschäft abgeschlossen hat. Obwohl inzwischen
wirklich jeder weiß, dass Saudi Arabien auch den IS mit Waffen versorgt,
schlossen die USA mit Saudi Arabien Waffengeschäfte im Wert von 1,29 Mrd.
US-Dollar ab, unter anderem werden 22.000 selbststeuernde Raketen und 5.000
Umbaukits, mit denen sich alte Raketen mit Hilfe von GPS-Signalen in
präzisionsgelenkte Waffen umbauen lassen, an Saudi Arabien geliefert.
Ich zitiere
aus einer ARD-Nachricht von16.8.2013: Der Suez-Kanal „verbindet das Rote Meer mit dem Mittelmeer und ist der
entscheidende Korridor für Rohöl und Importwaren nach Europa. Der Wasserweg
gilt als eines von sieben Nadelöhren des weltweiten Seehandels, deren Blockade
nach Einschätzung der US-Energiebehörde EIA eine drastische Erhöhung der
Ölpreise auslösen kann. Die anderen neuralgischen Punkte sind der Panama-Kanal,
die Straßen von Hormus und Malakka, der Bosporus, die Meerenge zwischen Ost-
und Nordsee sowie das Bab al Mandab
an der Einfahrt vom Golf von Aden ins Rote Meer.“
Zu Zeiten
der ägyptischen Mursi-Regierung waren Überlegungen bekannt geworden, dass der
einst von Nasser verstaatlichte Suez-Kanal mittels einer zweiten Fahrrinne
ausgebaut werden soll und Katar, das ja die Muslimbrüder unterstützt hatte, die
alleinige, vor allem finanzielle Federführung für dieses Projekt bekommen soll.
Das hätte bedeutet, der Kanal gehört Katar. Dies rief riesige Proteste bei der
Bevölkerung hervor und dürfte auch zum Sturz der Regierung Mursi nicht
unerheblich beigetragen haben. Der Suez-Kanal bringt den Ägyptern im Jahr
immerhin fünf Milliarden Dollar an Einnahmen. Ägyptens jetziger Präsident
Al-Sisi konnte die Finanzierung des Kanalbaus ausschließlich durch ägyptische
Gelder sicherstellen, im August 2015 wurde der Kanal, der mit breiter deutscher
Firmenbeteiligung in Rekordzeit erstellt worden war, eröffnet.
Doch damit
man überhaupt zum Suez-Kanal kommt, muss man das Bab al-Mandab durchfahren, das
heißt alle Schiffe aus Asien und zum Beispiel dem Iran müssen durch die
Meerenge Bab al-Mandab und anschließend durch den Suez-Kanal, um über das Rote
Meer in das Mittelmeer und somit nach Europa zu gelangen.
Auf
westlicher Seite wird das Bab al-Mandab von Dschibuti kontrolliert, ebenfalls
eines der ärmsten Länder der Welt, dessen ehemalige Kolonialmacht Frankreich
war und das noch heute die französische „Armee de Terre“ dort stationiert hat.
Ebenso sind die USA dort und Deutschland unterhält in Dschibuti einen ständigen
Stützpunkt.
Der östliche
Teil der Meerenge steht unter der Kontrolle des Jemen.
Das amerikanische
Imperium steht unter Druck. Wie kann eine Nation mit einer Bevölkerung,
die nur etwa 314 Millionen Menschen zählt, die beherrschende Weltmacht bleiben,
wenn ihnen Milliarden Chinesen, Inder, Russen, Südamerikaner gegenüberstehen?
Kriege gegen gefährliche Gegner bleiben wegen der atomaren Bewaffnungen
praktisch ausgeschlossen, also wird ein Wirtschaftskrieg mit Erdöl als Waffe
geführt. Wer die Wasserstraßen kontrolliert, kontrolliert den Welthandel und
das Erdöl.
Trotz ihrer
militärischen Überlegenheit sehen sich die USA besonders durch eine Achse
Europa – Russland wirtschaftlich gefährdet. Europa verfügt über das Know-how,
Russland über die Bodenschätze, in den östlichen Raum erstrecken sich fast
unendliche Märkte, auch China könnte mit ins Boot genommen werden. Als Anfang
der 2000-Jahre der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Schulterschluss
mit Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac die Nähe zu Russland suchte und sich
auch noch 2003 der Teilnahme an der „Allianz der Willigen“ im Irak-Krieg
verweigerte, löste dies in Deutschland eine gewaltige Medienhetze gegen
Schröder aus, die zu seiner Abwahl im Jahr 2005 führte. Das Imperium hatte
seine medialen Muskeln spielen lassen. Mit der Wahl von Angela Merkel zur
Bundeskanzlerin war zumindest die Sache mit Russland vom Tisch, dafür steht
seither TTIP auf der europäischen Agenda, das die wirtschaftliche Abhängigkeit
Europas von den US-amerikanischen Firmenimperien zementieren soll.
Auch Libyen
und andere nordafrikanische Länder hätten als Geschäftspartner mit ihrem Erdöl
und Erdgas eine wichtige Rolle bei einer wirtschaftlichen Abkoppelung Europas
von den USA spielen können. Frankreichs Sarkozy hatte Vorschläge zur Gründung
einer Mittelmeer-Union gemacht, was pflichtschuldigst von der deutschen
Regierung umgehend abgelehnt wurde.
Und die
arabische Welt? Sie weiß um all diese Vorgänge. Sie sieht die Bomben fallen und
die Verheerungen, die ihre Länder überziehen. Und sie hasst uns dafür, sie
hasst uns für unseren Eigennutz, unsere Brutalität und unseren Rassismus.
[2] http://www.welt.de/newsticker/news2/article148969556/Unicef-500-000-Kindern-im-Jemen-droht-ernsthafte-Unterernaehrung.html
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