12.12.2016
Trump siegte und die Börsen jubeln
Reset in den USA. Wird ExxonMobil Präsident Rex Tillerson
Außenministers der USA? Tillerson ist bekannt für seine guten Beziehungen zu
Moskau. - Das Scheitern der Außenpolitik Clintons.
Ein Grund für den Anstieg der Börsenkurse nach Trumps
Wahlsieg dürfte die Möglichkeit eines kompletten Neustarts der USA in den
internationalen Beziehungen sein. Dieser wird dringend benötigt, um
weltwirtschaftlich im Geschäft zu bleiben. Nach dem kompletten Scheitern der
US-Außenpolitik einer Hillary Clinton geht es nach dem Sieg der syrischen
Regierung mit Hilfe vor allem Russlands, dem voraussichtlichen Erstarken einer
souveränen libyschen Regierung und der Hinwendung des NATO-Partners Türkei nach
Asien darum, den Schaden für die Wirtschaftsmacht USA möglichst zu begrenzen.
In den genannten Ländern wäre es für die USA unter einer
Präsidentin Clinton kaum mehr möglich, ins Geschäft zu kommen. Clinton trug als
Außenministerin die Verantwortung, den Regime-Change in Libyen und Syrien
mittels dschihadistischer Söldnermilizen in Gang gesetzt, die Länder zerbombt
und zerstört zu haben. Das wäre aus Sicht der USA vielleicht das kleinere
Problem, das größere ist, dass das Kalkül nicht aufgegangen ist, dass es nicht
gelungen ist, Marionettenregierungen in diesen Ländern zu installieren. Den
Stellvertreterkrieg in Syrien hat Russland gewonnen und in Libyen wird wieder
ein souveräner Nationalstaat erstarken, auch wenn es dort noch eine sogenannte
‚Einheitsregierung‘ gibt, die im Grunde völlig bedeutungslos ist, da sie von
niemanden im Land unterstützt wird. Russland hat durch den Sieg aller Hetze zum
Trotz international enorm an Prestige gewonnen, die russische Wirtschaft konnte
trotz aller Sanktionen nicht in die Knie gezwungen werden, Putin ist im eigenen
Land beliebt wie nie und hat einen neuen Freund gewonnen, den türkischen
Präsidenten Erdogan.
Die Wahl Donald Trumps ist somit die Notbremse für eine
US-amerikanische Außenpolitik, die den USA nichts als hohe Kosten, ein
bestürzendes Image nicht nur in den arabischen Ländern, und nach dem
gescheiterten Putschversuch in der Türkei sogar den Verlust der Kontrolle über
den NATO-Partner gebracht hat. Die USA haben sich selbst aus den Geschäften mit
wichtigen erdölfördernden Ländern katapultiert. Diese Geschäfte müssen
wiederbelebt werden, Exxon-Boss Tillerson steht für den Reset.
Im verlorenen Syrienkrieg kommt der Türkei eine
Schlüsselrolle zu. Der Architekt, der im Verlauf des arabischen Frühlings in
Absprache mit den USA und der NATO übernommenen türkischen Rolle, war der
damalige Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu. Er wollte die Türkei in Anlehnung
an alte osmanische Großmachtträume unter der Vorherrschaft sunnitischer
Islamisten zur wichtigsten Regionalmacht im Nahen Osten und Nordafrika machen.
Es fielen die alten
Regime in Tunesien und Ägypten. Auch in Libyen schienen die Pläne zunächst
aufzugehen. Russland verhielt sich neutral, ihm lag nicht viel an Gaddafi mit
seiner sozialistischen Dschamahirija und seinem ungebrochenen Unabhängigkeitsstreben
von jeglicher Großmacht. Die NATO
hatte zwar nicht so leichtes Spiel wie gedacht, doch nach fast einem
Vierteljahr Bombardements und dem Einsatz dschihadistischer Söldnertruppen,
geführt von US-amerikanischen, britischen und französischen Sondereinsatzkommandos,
war nicht nur Gaddafi ermordet, sondern das ganze Land ins Chaos gestürzt.
Doch als sich abzeichnete, dass Libyen nur das
Appetithäppchen für Syrien gewesen war, sah Russland plötzlich seine
ureigensten Interessen massiv bedroht. Der syrische Präsident Assad war
Russlands Verbündeter. In Syrien befindet sich der einzige mediterrane
Militärstützpunkt Moskaus, Tartus, den Russland zum Auftanken braucht. Russland
sah eine rote Linie überschritten. Es würde nicht zulassen, dass seine
militärischen Stützpunkte von der Nato übernommen werden. Dieser Versuch des
Westens war schon auf der Krim, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert
ist, gescheitert.
Assad hatte auch die Unterstützung Irans. Der syrische
Präsident hatte Katar nicht erlaubt, eine Ölpipeline durch Syrien zu bauen, um
dessen Mittelmeerhäfen für die Verschiffung ihres Öls auf die europäischen
Märkte zu nutzen, dies aber sehr wohl dem Iran gestattet.
Doch von dieser politischen Großgemengelage ließ sich
Clinton in ihrer Hybris nicht beirren. Sie schickte wieder ihre
dschihadistischen Hilfstruppen los, von al-Kaida, über al-Nusra bis zum IS,
getarnt als ‚gemäßigte Opposition‘, schelmisch auch als ‚Rebellen‘ bezeichnet.
Libyen lieferte die Blaupause, nun sollte es Assad an den Kragen gehen und eine
islamistische Marionettenregierung, gesponsert von Katar und Saudi-Arabien und
durchgedrückt von einer sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘, die Macht
in Syrien übernehmen. Wie auch schon in Libyen wurden Waffen und Kämpfer über
die Türkei ins Land geschleust, erfolgte die logistische Unterstützung durch
geheime Sonderkommandos der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Als sich
der IS immer mehr in Syrien ausbreitete, durften verschiedene NATO-Mitglieder
auch mal ein paar Bomben über dem Land abschmeißen. Der Kampf gegen den IS
rechtfertigte jeden Völkerrechtsbruch. Nur sollte der IS nicht wirklich
vernichtet werden, denn er wurde aus zweierlei Gründen gebraucht: zum einen, um
die Bombardierungen zu rechtfertigen, die versehentlich auch mal die syrische
Armee trafen, zum anderen, um nützliche Idioten gegen die syrische Armee
kämpfen zu lassen.
Zunächst schien alles nach Wunsch zu laufen. Doch dann griff
plötzlich auf Wunsch Syriens ganz völkerrechtskonform die russische Luftwaffe
ein. Nun wurden nicht mehr Sanddünen gebombt, sondern der IS tatsächlich
angegriffen, ebenso wie dschihadistische Gruppierungen, beispielsweise die
al-Nusra-Front. Auch Iran und Hisbollah unterstützten die Assad-Regierung. Der
Krieg wurde immer verbissener und blutiger, der Preis für den Sieg immer höher.
Als die Türkei auf syrischem Gebiet ein russisches Flugzeug
abschoss und die Piloten ermordet wurden, war für Russland Schluss mit lustig.
Es verhängte schmerzende Sanktionen gegen die Türkei. Keine russischen Touristen
mehr an Antalyas Stränden, keine türkischen Tomaten in Moskauer Supermärkten,
die geplante Öl-Pipeline auf Eis gelegt. Die wirtschaftliche Situation der
Türkei verdüsterte sich zusehends. Dazu kam internationale Kritik an der
Türkei: Sie wurde als Dschihadisten-Pate gebrandmarkt – die Durchlässigkeit der
syrisch-türkischen Grenze für Kämpfer und Waffen ließ sich nicht länger
vertuschen.
Vielleicht hätte die Türkei dies alles noch hingenommen,
doch dann tat sich für die Türkei die Ungeheuerlichkeit eines kurdischen
Staates an ihrer Grenze auf. Die USA unterstützten die Kurden, dafür kämpften
die Kurden gegen die syrische Armee. Für die Türkei war eine rote Linie
überschritten: An der türkischen Grenze durfte es keinen Kurdenstaat geben.
Die Kurden wollten den USA erlauben, drei Militärbasen auf
kurdischem Gebiet zu errichten, eine davon war bereits in Betrieb. Dass dies in
diesem geostrategisch wichtigen Gebiet nicht wünschenswert war, darüber dürften
sich Türken, Syrer, Iraner, Iraker und Russen einig gewesen sein.
Die Türkei riss das Ruder herum, sie war in zu schwere
Wasser geraten. Die Unterstützung der Dschihadisten wurde eingestellt,
Davutoğlu zum Bedauern der Europäer im Mai 2016 entmachtet.
Im Juni 2016 besuchte Erdogan Putin, entschuldigte sich
für den Flugzeugabschuss und traf Absprachen über das weitere Vorgehen in
Syrien. Es hieß, türkische Generäle reisten nach Damaskus, um sich mit den
dortigen syrischen, russischen und iranischen Kollegen zu beraten.
Welche Ungeheuerlichkeit für die USA und die westlichen
Staaten! Ein NATO-Mitglied, einst Bollwerk im Nahen Osten und im Besitz des
größten Soldatenkontingents, hatte praktisch die Seiten gewechselt. Vermutet
hatte man schon lange, dass Erdogan ein unsicherer Kantonist war. Deshalb hatte
man vorsorglich einen Staat im Staat aufgebaut: Das Gülen-Netzwerk überzog
nicht nur das ganze Land, sondern vor allem auch die Armee. Die Zeit für einen
Militärputsch war gekommen. Auch Erdogan musste weg.
Wie bekannt, misslang Mitte Juli 2016 der Militärputsch,
auch weil das Volk auf die Straßen strömte und die Demokratie und seinen
gewählten Präsidenten verteidigte.
Für die USA, die EU und die NATO war das der Supergau.
Erdogan war erbost, auch weil der türkische NATO-Stützpunkt Ircelik bei dem
Putsch eine wichtige Rolle spielte: Von hier starteten die Flugzeuge, die die
Bomber auftanken sollten, die gleich anfangs das türkische Parlament
bombardiert hatten. Die New York Times hatte noch des nachts
fälschlicher Weise berichtet, Erdogan sei nach Deutschland geflohen. Und die europäischen
Regierungen waren in der Verurteilung des Militärputsches zunächst äußerst
zurückhaltend. Erdogan machte zwar nur den im US-amerikanischen Exil sitzenden
Gülen für den Putsch verantwortlich, doch wer hinter Gülen stand, war ein
offenes Geheimnis.
In der Türkei setzte eine Säuberungswelle ein, die gnadenlos
jede Opposition verfolgte, nicht nur das Gülen-Netzwerk, sondern vor allem auch
kurdische Politiker. Als in NATO-Ländern wie Griechenland und Deutschland
türkische Generäle um Asyl baten, war die Absurdität perfekt. Erdogan wandte
sich vom Westen ab und dem Osten und Asien zu. Es hieß, Moskau hätte an
Erdogan iranische Geheimdienst-Erkenntnisse weitergegeben und ihn so vor dem
Putsch gewarnt.
Als Kolateralschäden der Kriege in Libyen und Syrien steht
das Kurdenproblem wieder ganz oben auf der internationalen Krisenagenda und die
Europäer kämpfen verzweifelt mit dem Flüchtlingsproblem. Für die Türkei sind
die syrischen Flüchtlinge ein Faustpfand, die das Stillhalten der Europäischen
Union beim türkischen Krieg gegen die Kurden garantiert.
Um die aus Libyen über das Mittelmeer kommenden
afrikanischen Flüchtlinge zu stoppen, haben die Europäer bisher noch keine
Lösung. Dazu bedürfte es einer stabilen Regierung in Libyen. Hier hat man mit
der islamistisch gestützten, sogenannten ‚Einheitsregierung‘ eindeutig auf die
falsche Karte gesetzt.
Die desaströse US-Außenpolitik unter Außenministerin Clinton
ist krachend gegen die Wand gefahren. Im Moment versucht der jetzige
US-Außenminister John Kerry, mit nicht allzu großem Gesichtsverlust aus der
syrischen Katastrophe herauszukommen. Aber bei so etwas erweisen sich die
Russen ja meist als Gentlemen, ein Charakterzug, der den US-amerikanischen
Politikern komplett fehlt.
Den USA bleiben nur noch übrig, die Scherben irgendwie zu
kitten, die sie beim Zerbrechen von Staaten angerichtet haben. Wäre dies mit
einer Präsidentin Clinton und deren Administration und CIA-Freunden, mit denen
sie das Schlamassel zu verantworten hat, denkbar? Wohl kaum. Ein ‚weiter so‘ hätte
auf einen großen Krieg mit Russland zugesteuert. Da wären wahrscheinlich sogar
die sonst USA-hörigen Europäer ausgestiegen. Das ‚fuck the EU‘ gab auch ihnen
zu denken.
Libyen und Syrien liegen nicht am Hindukusch, sondern am
Mittelmeer, nur wenige Kilometer von der europäischen Küste entfernt, ein Teil
der Türkei gehört zum europäischen Kontinent. Die Bevölkerung dieser Länder
wollte keinen Regime-Change, ausgeführt von durchgeknallten
Hardcore-Islamisten, und auch keine US-gesteuerten Marionettenregierungen.
Die sogenannte syrische Opposition sitzt derweil in Europa
in den Kaffeehäusern und sieht zu, wie sich die einfältigen Islamisten in einem
Spielchen verheizen lassen, das sie nicht durchschauen.
Auch die Menschen in den westlichen Ländern sind nicht mehr
bereit, über jedes Stöckchen zu springen, dass ihr die Politik und die Medien
ihnen vorhalten: Der Kampf der Guten für Freiheit, Demokratie und
Menschenrechte gegen die Bösen, Diktatoren, Regime und Tyrannen. So einfach ist
nicht einmal mehr das Weltbild von Lieschen Müller gestrickt.
Was bedeutet das für die USA?
Ein Reset musste her, um die Welt wieder ins Gleichgewicht
zu bringen. Denn der Preis ist inzwischen auch für die USA zu hoch. Horrende
Militärausgaben, immer mehr Verbündete, die von den Fahnen gehen, Rechtsruck
und Erstarken der nationalen Idee in Europa, Abwahl von treuen Gefolgsleuten
(Ausnahme: Angela Merkel), scheitern von als wichtig angesehener
Handelsabkommen.
Trump musste her, um zum Beispiel die von Clinton
geschassten CIA-Leute wieder einzusetzen, die unter anderem wegen des
gemeinsamen Kampfes gegen Islamisten gute Beziehungen zu den Geheimdiensten des
alten Libyens hatten und gegen den NATO-Krieg in Libyen waren. Damit das Öl
fließt und die US-amerikanischen Konzerne auch in Nordafrika wieder einen Fuß
auf den Boden bekommen. Trump wird vermutlich einen Exxon-Mann mit guten
Beziehungen zu Moskau zum Außenminister machen. Ein Versuch, Russland von
seinen neuen Verbündeten zu lösen. Denn der Schulterschluss Russlands mit China
und dem Iran ist für die USA in vielerlei Hinsicht gefährlich: Zusammen sind
sie stark.
Und wieder einmal hat Giuseppe Tomasi di Lampedusa recht,
wenn er in „Der Leopard“ feststellt: Alles muss sich ändern, damit es so
bleibt, wie es ist.
Die Börsen jubeln.
Angelika Gutsche
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