Montag, 30. Juni 2014



Warum die USA die irakische Regierung von Nuri al-Maliki stürzen wollen


30.6.2014. Seit einigen Wochen befinden sich die radikal-islamistischen Kämpfer der Al-Qaida-nahen Terrorgruppe ISIS („Islamischer Staat in Irak und Syrien“, auch als ISIL, „Islamischer Staat im Irak und in der Levante“ bezeichnet) auf dem Vormarsch im Irak und haben mehrere Städte erobert, ohne auf nennenswerten Widerstand der irakischen Armee zu stoßen – darunter auch die Millionenstadt Mossul, die zweitgrößte Metropole des Landes.

Viele fragen sich nun, warum die USA nicht eingreifen und die radikalen Islamisten stoppen, sind sie doch mit der irakischen Regierung des Premierministers Nuri al-Maliki verbündet und auch sonst offiziell immer dabei, wenn es darum geht, islamischen Terroristen ein paar Raketen und Drohnen hinterherzuschicken.
Doch in diesem Falle ist die Sache komplizierter, denn die USA unterstützen die ISIS-Kämpfer, weil diese im benachbarten Syrien ebenfalls Gebiete kontrollieren und dort gegen die Regierung des gewählten, arabisch-nationalistischen Präsidenten Bashar al-Assad kämpfen, den die USA entmachten wollen.

Wie im Krieg gegen Libyen 2011, bei dem der libysche Revolutionsführer (= de facto Staatsoberhaupt) Muammar al-Ghaddafi gestürzt und brutal ermordet wurde, da er mit seiner „Beschützerhaltung“ für Afrika ein Hindernis der westlichen Geopolitik darstellte, so setzt die NATO auch in Syrien Banden von bewaffneten Islamisten ein, die als „nützliche Idioten“ gegen die unliebsamen Regime kämpfen. ISIS ist eine dieser Terrorgruppen, die in Syrien offiziell im Auftrag Allahs, inoffiziell im Auftrag des Westens Krieg gegen Assad führen.

ISIS ist also ein taktischer Verbündeter des Westens in Syrien und aktuell sogar die erfolgreichste Terrorgruppe, die gegen die Regierung in Damaskus kämpft. Daher können die USA ISIS im Irak nicht angreifen, wenn sie dessen Kämpfer in Syrien wieder brauchen.

Der seit 2006 amtierende Premierminister Nuri al-Maliki, der zunächst wie alle anderen Nachkriegspremiers ab 2003 als Marionette der USA galt, hält sich so lange wie kein anderer vor ihm im Schleudersitz des Bagdader Regierungschefs und hat seine Macht Schritt für Schritt ausgebaut. Maliki hat den USA gleich mehrfach in die Suppe gespuckt und Dinge getan, die sie ihm nicht verzeihen:

1.)    Der Schiit al-Maliki hat die Beziehungen zum ebenfalls schiitischen Iran – einem Erzfeind Washingtons – verbessert und ausgebaut

2.)    Er hat wichtige US-Verbündete, wie seinen früheren Koalitionspartner, den ehemaligen CIA-Agenten und Ex-Premier Ilyad Alawi ausgebootet und kaltgestellt

3.)    Er hat – wie von den USA gewünscht – das Erdölgeschäft den internationalen Konzernen geöffnet, aber dabei fette Geschäfte mit den verhassten Chinesen abgeschlossen.

4.)    Er unterstützt die syrische Regierung bei ihrem Kampf gegen den NATO-gesteuerten Islamistenterror und irakische Truppen haben im Grenzgebiet hin und wieder syrische „Rebellen“ angegriffen. Desweiteren hält al-Maliki in der Arabischen Liga Syrien den Rücken frei

5.)    Er erklärte, im Falle eines Angriffs auf den Iran den irakischen Luftraum für Flugzeuge aus den angreifenden Staaten sperren zu lassen.

Alles in allem erweist sich Nuri al-Maliki als ein Verbündeter, der sich den Interessen der USA nicht völlig unterwirft und wurde damit zum Abschuß freigegeben.
Deshalb zögern die USA mit einem Militäreinsatz zugunsten der irakischen Regierung und haben als Alibi-Veranstaltung 300 „Militärberater“ in den Irak geschickt.
Aktuell bekommt die bedrängte Regierung al-Maliki mehr Hilfe aus dem Iran, der Waffen liefert und Drohnen zur Aufklärung einsetzt und aus Syrien, dessen Regierung ja selbst schwer beschäftigt ist mit dem Kampf gegen westlich-islamistische Terrorsöldner, aber seine Luftwaffe auch kürzlich in den Irak geschickt hat, um ISIS-Stützpunkte anzugreifen.

Maliki greift derweil zur Selbsthilfe. Nachdem die USA 2003 die starke irakische Luftwaffe fast komplett zerstört hatten, hielten sie ihren neuen Verbündeten anschließend immer ausgesprochen kurz und verzögerten die Lieferung von 36 versprochenen F-16-Kampfjets um Jahre. Nun hat sich die irakische Regierung dieser Tage fünf gebrauchte Kampfjets (angeblich Suchoi Su-30K) aus Rußland kommen lassen, damit sie die ISIS-Kämpfer aus der Luft angreifen kann.

Auch geostrategisch ist die schiitisch dominierte Regierung al-Malikis, der in der Tat ein kompromißloser Betonkopf zu sein scheint, den USA ein Dorn im Auge. Sie bildet nämlich einen wichtigen Teil einer schiitischen „Brücke“ – vom Iran über den Irak nach Syrien und dann in den Libanon zur hochgerüsteten Schiitenmiliz Hisbollah, die Israel bedroht und gleichzeitig an der libanesischen Regierung beteiligt ist.

Fazit: Wer Washington zum Verbündeten hat, braucht keinen Feind mehr!


Kay Hanisch
Juni 2014

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