Dienstag, 10. Oktober 2017



Strategisch wichtiger Sieg über Dschihadisten


Libyen: Nach dem Sieg in Sabrata bereitet sich die Libysche National Armee unter General Heftar auf den Marsch nach Tripolis vor.

Der Anti-IS-Operations-Room (AIOR; auch Sabratha’s Counter-Daesh Operations Room CDOR) hat am Morgen des 6. Oktobers die vollständige Einnahme von Sabrata bekanntgegeben. Die 48. Brigade (Amu-Brigade) unter dem Befehl von Ahmed Dabaschi ist geschlagen und wurde aus Sabrata vertrieben. Dabaschi soll mit den Resten seiner Kämpfer auf das Gelände des Millita-Öl-und Gaskomplexes geflohen sein, Reste der bewaffneten Fahrzeuge der 48. Brigade sollen sich in der Hoffnung auf Asyl in Richtung Zinten bewegen.

Die Kämpfe zwischen dem AIOR und der 48. Brigade begannen bereits am 17. September.
Nach dem Eingreifen der Libysche Nationalarmee (LNA) unter General Heftar in die Kämpfe auf Seiten des AIOR am letzten Donnerstag, konnte am Samstag der AIOR den Sieg über die radikalen Dabaschi-Islamisten verkünden. Die Luftwaffe der LNA soll auch vom al-Watia-Luftwaffenstützpunkt (90 km südwestlich von Sabrata) Angriffe gegen die Amu-Miliz geflogen sein, oder zumindest mit der Bombardierung gedroht haben, als die Amu-Miliz versuchte, zusammen mit einer Miliz aus Zawia in Sabrata einen Gegenangriff zu starten. Doch auch die Bewohner von Sabrata hatten die Stadttore bewacht und die mit der 48. Brigade verbündeten Milizen nicht eingelassen. 

Der Stadtrat von Sabrata hat dem AIOR zu seinem Sieg gratuliert. Der Bürgermeister der Stadt sagte, er sowie die große Mehrheit der Bevölkerung unterstütze den AIOR. Bereits am 5. Oktober hatten Stadtbewohner gegen die ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch protestiert, weil diese einen Waffenstillstand einforderte: „Wir verurteilen den Befehl des Generalstabs, die Einkesselung dieser terroristischen Miliz, die den IS und den sogenannten Revolutionären Schura-Rat von Bengasi unterstützt, aufzuheben, wenn der Sieg kurz bevorsteht.“ Auch General Heftar hatte die Gewalttätigkeiten in Sabrata als „legitimen Krieg von LNA-Offizieren gegen kriminelle Banden“ bezeichnet. [1]

Die Bewohner von Sabrata, die den Sieg der AIOR und der LNA auf den Straßen feierten, wurden aufgerufen, keine Racheakte gegen Familien, die zu den Unterstützern von Dabaschi zählten, zu begehen. Die zu mehreren tausend aus dem Kampfgebiet geflohenen Bewohner sollten noch nicht in ihre Häuser zurückkehren, da Gefahren durch gelegte Sprengfallen bestehen können.
Sabrata ist eines der Hauptzentren für Migranten- und Ölschmuggel. Bei der nun besiegten 48. Brigade und ihrem Anführer Ahmed Omar al-Dabaschi handelt es sich um Moslembrüder, die zur LIFG (Libyan Islamic Fighting Group, jetzt Gathering for Islamic Reform) gehören. Sie ist verlinkt mit den berüchtigten Verteidigungsbrigaden von Bengasi, über die Verbindungen zu al-Kaida und zum IS bestehen.

Als Teil der bewaffneten Kräfte des ‚Präsidialrats‘ in Tripolis sollte die 48. Brigade zunächst den Ölschmuggel bekämpfen. Seit neuestem wurde sie auch dazu eingesetzt, Migranten an der Abfahrt von der Küste Libyens nach Italien zu hindern. Dabaschi kontrolliert etliche Flüchtlingslager und bekam sein Geld von der ‚Regierung‘ in Tripolis, die jetzt überraschender Weise dessen Feinden, dem AIOR, zu ihrem Sieg über Dabaschi gratulierte.
Pikanterweise hat die dschihadistische 48. Brigade seit 2015 einen Vertrag mit der italienischen Erdölgesellschaft ENI über die Bewachung des Mellita-Öl- und Gaskomplexes nahe Sabrata, der über einen kleinen Hafen verfügt. Außerdem scheint Italien auf inoffiziellen Wegen fünf Millionen Dollar an Dabaschi und seine 48. Brigade bezahlt zu haben, damit dieser sein Geschäftsmodell umdreht und nun nicht mehr Geld mit dem Migrantenschmuggel verdient, sondern die Migranten vom Verlassen Libyens abhält.

Aber auch der in Sabrata auf der ganzen Linie siegreiche AIOR unter dem Kommando von Omar Abdul Dschalil gehört offiziell zu den bewaffneten Kräften des ‚Verteidigungsministeriums‘ in Tripolis und wird von dort finanziert. Der AIOR ist mit der al-Wadi-Miliz liiert, die zu den sogenannten quietistischen, d.h. unpolitischen Salafisten zählen. Auch die AIOR war bis vor Kurzen im Schmuggelgeschäft tätig.
General Heftar und seine LNA unterhalten wohl nicht nur enge Verbindungen zur al-Wadi-Miliz, sondern auch zu Omar Abdul Dschalil, dem Oberkommandieren der AIOR-Miliz.

Sarradsch hat nun seine „tiefe Befriedigung“ über den Sieg der AIOR über die 48. Brigade ausgedrückt. Da beide sich bekämpfenden Milizen offiziell dem ‚Verteidigungsministerium‘ in Tripolis unterstehen, steht Sarradsch in jedem Fall sowohl auf der Sieger- als auch auf der Verliererseite.
Der AIOR-Kommandant Omar Abdul Dschalil scheint sich dagegen eindeutig mit der LNA zu identifizieren. Er war zu sehen, wie er vor seinem Hauptquartier zusammen mit der feiernden Bevölkerung Pro-Heftar-Parolen rief.

Das nächste Ziel der LNA ist Zawia. Danach soll, laut Ankündigung des militärischen Stabschefs des Parlaments in Tobruk, Abdelrazik al-Nadori, der Marsch auf Tripolis beginnen. Nun müsse die Hauptstadt von islamistischen Milizen befreit werden. Al-Nadori zeigte sich davon überzeugt, dass auch im Westen des Landes die LNA von der Bevölkerung herzlich begrüßt werden würde.
Die politische Karte Libyens hat sich durch die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Sabrata substantiell zu Gunsten des Parlaments in Tobruk und der LNA verschoben. Von Sabrata aus sind militärische Vorstöße nach Zawia, Tripolis und bis zur tunesischen Grenze möglich.
Für Italien und Europa dürfte das den GAU der bisherigen Libyen-Politik bedeuten und eine hundertachtzig Graddrehung nötig machen, will man Libyen nicht ganz aufgeben und weiterhin an einer Begrenzung der Flüchtlingsströme festhalten. Alle bisher an Dschihadisten bezahlten Millionen scheinen in den Sand gesetzt. Der Libyenkrieg ist genauso verloren wie der Krieg in Syrien. Wieviel Leid und sinnlose Zerstörung!





Angelika Gutsche, 10.10.2017


[1] www.libyatimes.net/news/49-sabratha-falls-to-pro-lna-forces-after-19-days-of-heavy-fighting

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