Kurznachrichten Libyen – 16.10. bis 22.10.2023
22. Oktober 2023 / gelanews
USA will türkische Militärpräsenz, während Wagner das Land verlassen soll / Solidaritätsdemonstrationen mit Palästina / UN-Sicherheitsrat und Libyen / Hilfe für Opfer der Flutkatastrophe
Besatzungsmächte
+ 20.10.: USA/Türkei. Laut
dem französischen Onlineportal Africa Intelligence akzeptieren die USA,
dass ihr Nato-Partner Türkei weiterhin im Westen Libyens militärisch präsent
bleibt. Über die türkische Luftwaffe sollen weiterhin Soldaten und Ausrüstung
in den von ihr kontrollierten Luftwaffenstützpunkt al-Watiya geliefert werden.
Im Osten versuchen die USA, den Oberbefehlshaber der Libyschen Nationalarmee
(LNA), Khalifa Haftar, dazu zu bringen, die Wagner-Kräfte aus dem Osten und
Süden Libyens hinauszudrängen. AFRICOM-Kommandeur Michael Langley versuchte bei
seinem Besuch in Libyen, Haftar davon zu überzeugen, dass die Wagner-Kräfte
Libyen verlassen sollten, während die Türkei weiterhin militärisch vor Ort ist.
Auch CIA-Direktor Williams Burns erhob bei seinem Besuch in Libyen diese
Forderungen.
Die USA haben den Plan, die libyschen Streitkräfte unter der Leitung des
sogenannten 5+5-Komitees zu vereinen. Mitglieder des Komitees sind hohe
libysche Militärs aus dem Osten und dem Westen unter der Führung von Muhammad
al-Haddad und Abdelrazzaq an-Nadhuri. Ausgebildet werden sollen diese
Militärkräfte von den USA, Großbritannien und Frankreich, die damit auch die
Kontrolle über das libysche Militär hätten. In diesem Sinne soll dann auch das
derzeitige, vom UN-Sicherheitsrat gegen Libyen verhängte Waffenembargo
aufgehoben werden.
https://www.africaintelligence.com/north-africa/2023/10/20/washington-accepts-continuing-turkish-military-presence-in-libya,110078869-art
Man darf davon ausgehen, dass Russland von diesen Plänen nicht begeistert
ist, das immer einen schrittweisen, gegenseitigen Abzug der ausländischen
Militärkräfte gefordert hat.
Es braucht eine starke und effektive libysche Regierung wie sie Saif al-Islam
Gaddafi bieten würde, die einen Beitrag zur internationalen Stabilität leisten
kann.
+ 18.10.: Misrata/Italien.
Der Milizenführer Salah Badi forderte die italienischen Streitkräfte in Misrata
ultimativ auf, Libyen innerhalb von 48 Stunden friedlich zu verlassen,
ansonsten würden sie gewaltsam vertrieben.
Seit mehreren Jahren ist eine italienische Militärmission mit über 300 Soldaten
auf dem Luftwaffenstützpunkt Misrata präsent, zunächst unter dem
Deckmäntelchen, ein Feldhospital zu bewachen.
Badi bezeichnete die Anwesenheit des italienischen Militärs als „ausländische
Besatzung, eine Verletzung der Souveränität des Staates und eine Schande für
das libysche Volk“ und warnte jeden, sie zu schützen. Damit waren Milizen der
Dabaiba-‚Regierung‘ gemeint.
https://libyareview.com/38568/libyan-militia-leader-threatens-to-kick-italian-forces-out-of-misrata/
+ 20.10.: Dabaiba/Türkei. Der
‚Premierminister‘ von Tripolis, Dabaiba, traf sich in Istanbul mit dem
türkischen Präsidenten Erdogan.
https://en.alwasat.ly/news/libya/416422
Palästina/Gaza-Krieg
+ 20.10.: Reaktionen. Der vom
Parlament ernannte ‚Premierminister‘ Hamada erklärte in Anwesenheit
seines Außenministers Abdulahdi al-Hawaidsch und des palästinensischen
Generalkonsuls Emad al-Atily, dass zur Unterstützung der palästinensischen
Sache den in Libyen lebenden Palästinensern die gleichen Rechte wie libyschen
Staatsbürgern zuerkannt werden. Die Palästinenser in Libyen haben nun Anspruch
auf Berufslizenzen, Zugang zu Bildung und kostenloser Gesundheitsversorgung.
Außerdem werden sie von der Zahlung bestimmter Verwaltungsgebühren befreit.
Libyen wolle auch humanitäre Hilfe nach Gaza schicken. Verurteilt werden die
Bombenangriffe auf den Gazastreifen, die bisher schon zu tausenden Toten
geführt haben.
Das Parlament drückte seine Verachtung für die westliche Doppelmoral
aus. Auch das palästinensische Volk habe das Recht, sich zu verteidigen. Die
unveräußerlichen Rechte der Palästinenser müssten gestärkt werden, damit
sie „sich gegen die eklatanten und wiederkehrenden Angriffe des zionistischen
Gebildes schützen“ können.
Der Präsidialratsvorsitzende Mohamed al-Menfi brandmarkte auch den
brutalen israelischen Angriff auf das al-Mamdani-Krankenhaus im Gazastreifen
und bezeichnete ihn als „Kriegsverbrechen und Völkermord“. Dies sei eine
„erneute Vertreibung des palästinensischen Volkes durch Hunger, Belagerung und
direktes Zielen auf Zivilisten und öffentliche Einrichtungen“. Er forderte die
internationale Gemeinschaft auf, „ihre Verantwortung gegenüber Zivilisten zu
übernehmen und das ungerechtfertigte Blutvergießen zu stoppen“.
Präsidialratsmitglied Musa al-Koni bezeichnete den israelischen
Bombenanschlag auf das Krankenhaus als „alle vorangegangenen Kriegsverbrechen
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit übertreffend“.
Auch der ‚Premierminister‘ von Tripolis, Abdelhamid Dabaiba verurteilte
das israelische Bombardement und forderte humanitäre Hilfe für den
Gaza-Streifen.
https://libyareview.com/38574/libya-grants-full-citizenship-rights-to-palestinians-residing-in-the-country/
+ 19.10.: Gaza. Der
Abgeordnete Hassan al-Bargouthi erklärte, die Bereitschaft libyscher Kämpfer
für einen Einsatz in Gaza zur Unterstützung der Palästinenser.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1714983818136830252
+ 20.10.: Palästina/Arabische
Union. In einer Dringlichkeitssitzung der Arabischen Union forderte Youssef
al-Agouri, Leiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des libyschen
Parlaments, eine rasche arabische Intervention, um die eskalierende Aggression
in Gaza zu stoppen.
Bloße politische Erklärungen seien unzureichend. Er plädierte für eine
einheitliche Stimme arabischer, afrikanischer und islamischer Fraktionen, um
diese zentrale Forderung zu verstärken.
https://libyareview.com/38582/libyan-parliament-calls-for-joint-arab-action-to-halt-gaza-assault/
Flutkatastrophe von Derna
+ 16.10.: Saleh.
Parlamentspräsident Saleh besprach mit dem Vorsitzenden des Ältesten- und
Notablenrats von Derna, Saleh Ghaidhan, verschiedene Fragen im Zusammenhang mit
Hilfen für die Opfer der Flutkatastrophe.
https://libyareview.com/38455/ageela-saleh-discusses-support-for-flood-victims-with-tribal-leader/
+ 16.10.: Hilfen. Rund eine
Viertelmillion Libyer sind bis Ende des Jahres aufgrund der Flutkatastrophe
dringend auf Hilfsleistungen angewiesen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bis Mitte Oktober 42.000 Menschen
durch die Katastrophe vertrieben und befinden sich in einer schwierigen Lage.
Laut jüngsten Berichten wurden bisher über 4.000 Leichen geborgen. Etwa 10.000
Menschen werden immer noch vermisst.
Die US-Aid will Hilfe in Höhe von 71,4 Millionen USD zur Verfügung stellen.
https://libyareview.com/38468/250000-libyans-in-desperate-need-of-aid/
UN-Sicherheitsrat
+ 16.11.: Bathily. Zunächst
erklärte Bathily sein Mitgefühl für die Opfer der Derna Flutkatastrohe und
informierte über den Stand der Hilfeleistungen. Er sagte: „Die
Derna-Katastrophe hat die spontane und bewundernswerte Einheit, Solidarität und
Mitgefühl der gewöhnlichen Libyer im ganzen Land gezeigt.“ Es habe sich eine
nationale Dynamik der Einheit, die von der Katastrophe inspiriert war,
entwickelt. Weiter sagte er: „Die Derna-Katastrophe hat schwere
Regierungsdefizite aufgedeckt, wie fehlendes Wartungsanwesen der Staudammsysteme,
mangelhaftes Management von Ressourcen sowie das Fehlen eines wirksamen
Katastrophenmanagemenst und -prävention. Hinzu kommt das Fehlen einer
einheitlichen politischen Entscheidungsfindung.“ Auf politischer Ebene komme es
schon wieder zu einer Spaltung zwischen den rivalisierenden Regierungen und
ihren Aufbauprogrammen.
Der UNSMIL lobte die Bemühungen des 6+6-Komitees und begrüße die erzielten
Fortschritte. Es blieben aber noch strittige Fragen zu klären.
Bathily nahm Stellung zu den Spannungen in Tripolis und den Zusammenstößen in
Bengasi. Er lobte die Stammesführer für ihre Vermittlerrolle bei Konflikten und
fordert sie auf, ihre Rolle als Akteure des Friedens und der nationalen
Aussöhnung zu stärken.
Wortlaut: https://libyaherald.com/2023/10/passing-election-laws-no-guarantee-to-electoral-success-elections-need-genuine-commitment-and-buy-in-by-all-power-centres-bathily/
+ 16.10.: Bathily/Wahlgesetze.
Der UN-Sondergesandte Bathily lobte die Bemühungen des 6+6-Komitees, bestehend
aus Mitgliedern des Parlaments und des Staatsrats, und begrüße die vom Komitee
erzielten Fortschritte. Einige Ergebnisse seien aber umstritten, so dass die
beiden bei Präsidentschaftswahlen führenden Kandidaten in jedem Fall in eine
Stichwahl sollten, unabhängig von ihrem Stimmanteil. Uneinigkeit herrsche auch
bei dem Artikel, der festlegt, dass Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am
gleichen Tag stattfinden sollen. Höchst umstritten sei laut Bathily auch der
Artikel, dass noch einmal eine neue Regierung eingesetzt werden soll, die
Libyen in die Wahlen führt. Daneben werde auch bemängelt, dass zu wenige Sitze
für Frauen vorgesehen sind.
https://gela-news.de/libyen-ringen-um-wahlgesetze
+ 17.10.: Westen. In einer
gemeinsamen Erklärung haben Frankreich, Deutschland, Italien, USA und GB den
UN-Gesandten für Libyen, Abdoulaye Bathily, und seine Aufforderung an die
libysche Führung, gemeinsam auf eine verbindliche politische Lösung
hinzuarbeiten, nachdrücklich unterstützt.
https://libyareview.com/38499/western-states-express-support-for-un-efforts-in-libya/
+ 17.10.: Aischa al-Gaddafi.
Der UN-Sicherheitsrat hob das Reiseverbot für Muammar al-Gaddafis Tochter
Aischa auf. Die Vorgaben zum Einfrieren von Vermögenswerten bleiben jedoch in
Kraft.
Die Familie Gaddafi erhielt im Oman Asyl.
https://libyareview.com/38505/un-security-council-lifts-travel-ban-on-gaddafis-daughter/
+ 20.10.: Expertengremium.
Der UN-Sicherheitsrat stimmte einstimmig dafür, die Arbeit des Expertengremiums
des Sanktionsausschusses für Libyen um ein weiteres Jahr zu verlängern.
https://libyareview.com/38585/un-security-council-unanimously-extends-mandate-of-libyan-sanctions-expert-panel/
+ 21.10.: Resolution 2701.
Der UN-Sicherheitsrat verlängerte die Resolution 2701 zum Verbot der illegalen
Ausfuhr von Erdöl, einschließlich raffinierter Erdölerzeugnissen, bis zum 1.
Februar 2025. Er fordert die vollständige Einhaltung aller gegen Libyen
verhängter Sanktionen wie das Waffenembargo, Reiseverbote und das Einfrieren
von Vermögenswerten. Alle Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, nicht in den
libyschen Konflikt einzugreifen oder diesen zu verschärfen.
Innerhalb Libyens sollen alle Parteien das Waffenstillstandsabkommen vom 23.
Oktober 2020 vollständig umzusetzen. Die UN-Mitgliedstaaten sollen dies
unterstützen, inklusive des unverzüglichen Abzugs aller ausländischen
Streitkräfte und Söldner.
https://libyareview.com/38624/unsc-extends-ban-on-illicit-oil-export-from-libya/
Weitere Nachrichten aus Libyen
+ 17.10.: Berber (Amazigh).
Während eines Treffens des Leiters der Wahlkommission mit einer
Berber-Delegation forderte diese mehr Sitze bei den bevorstehenden Wahlen.
https://libyareview.com/38493/libyan-amazigh-demand-more-seats-in-upcoming-elections/
+ 22.10.: LNA/Südlibyen.
Einheiten der Tariq-bin-Ziyad-Brigade führten eine Sicherheitsoperation in und
um die Stadt Sebha durch. Dabei sollten Sicherheitsbedrohungen aufgedeckt
werden.
https://libyareview.com/38630/security-campaign-targets-violations-in-south-libya/
+ 20.10.: Seezone. Dabaiba
gab bekannt, die libysche Seezone von 12 auf 24 Seemeilen ausweiten zu wollen.
https://libyaherald.com/2023/10/libya-establishes-new-maritime-zone-and-extends-its-maritime-border-from-12-to-24-nautical-miles/
+ 16.10.: Rechnungshof. Der
Leiter des Rechnungshofs, Khaled Schakschak, empfahl bei einem Treffen mit
Dabaiba, keine neuen Verträge für Entwicklungsprojekte zu abzuschließen.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1713690106597368074
+ 17.10.: Finanzausschuss.
Die Hammad-‚Regierung‘ (Parlament) forderte die Auflösung des vom
Präsidialratsvorsitzenden Mohamed al-Menfi gebildeten Obersten
Finanzausschusses. Der Ausschuss habe es versäumt, Verfahren für die
Ausgabemechanismen des Staates festzulegend und die tatsächlichen Ressourcen
und Einnahmen zu ermitteln, die zur Deckung dieser Ausgaben erforderlich seien.
https://libyareview.com/38510/libyan-government-calls-for-dissolution-of-supreme-financial-committee/
+ 18.10.: Ausgaben
Justizministerium. Die Nationale Kommission für Menschenrechte in Libyen
(NCHRL) kritisierte die hohen Ausgaben des Justizministeriums der
Dabaiba-‚Regierung‘, die sich auf 1,267 Milliarden libysche Dinar (100 LD = 20
EUR) von Januar bis September 2023 belaufen.
https://libyareview.com/38561/libyas-nchrl-concerned-over-excessive-justice-ministry-spending/
+ 18.10.: Bengasi. Das Haus
des Bruders des Islamistenführers al-Barghadhi wurde von der LNA abgerissen.
https://twitter.com/LYNEWSLY1/status/1714854007854768376
+ 18.10.: Betrug. Ein
Krankenhausdirektor im Südwesten Libyens wurde wegen Betrugs in Höhe von sieben
Millionen LD (100 LD = 20 EUR) festgenommen.
https://libyaherald.com/2023/10/hospital-director-detained-pending-further-investigation-for-ld-7-million-fraud/
+ 21.10.: Türkei/Pressefreiheit.
Der bekannte türkische Journalist Barış Pehlivan bleibt in Istanbul in Haft,
nachdem das Hohe Strafgericht Silivri in Istanbul einen Antrag auf Freilassung
abgelehnt hat.
Pehlivans Verhaftung gehen auf eine Reportage aus dem Jahr 2020 zurück, als er
zusammen mit Kollegen Details über den Tod eines Mitglieds des türkischen
Geheimdienstes MIT in Libyen aufdeckte. Die türkischen Behörden bestritten
nicht die Einzelheiten über den Tod des Agenten, warfen den Journalisten jedoch
Geheimnisverrat vor.
https://libyareview.com/38614/turkish-court-denies-release-of-journalist-detained-over-libya-coverage/
A. Gutsche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen