Addis Abeba: Unterzeichnung der libyschen Friedens- und Versöhnungs-Charta
Am 14. Februar wurde am Hauptsitz der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba, unter AU-Schirmherrschaft und in Anwesenheit des kongolesischen Präsidenten Sassou Nguesso sowie des Vorsitzenden der AU-Kommission, Moussa Faki, die Charta für Frieden und nationale Versöhnung in Libyen unterzeichnet.
Zu den Unterzeichnern der Friedens – und Versöhnungs-Charta gehörten das Team des Präsidentschaftskandidaten Saif al-Islam Gaddafi, das Team des Präsidialratsvorsitzenden Mohammed al-Menfi, das Team des Parlaments (Repräsentantenhaus) und das Team des Hohen Staatsrats. Zeitlich verzögert fügte auch das Präsidialratsmitglied Musa al-Koni seine Unterschrift hinzu.
Zur Delegation von Saif al-Islam gehörten deren Leiter Ali Musbah Abu Sabiha, Scheich Faradsch Balag, Scheich Mohammed Dabub, Scheich Thaib ad-Dagali und Musa Ibrahim, ehemaliger Sprecher des Allgemeinen Volkskomitees.
Haftar und Dabaiba fehlen
Weder ein Team des Tripolis-‚Premierministers‘, Abdulhamid Dabaiba, noch ein Team des militärischen Führers im östlichen Libyen, Khalifa Haftar, waren in Addis Abeba anwesend. Deren Fernbleiben wird die Wiedervereinigung Libyens und die Abhaltung von Wahlen weiter verzögern und erschweren.
Die Gründe für die Nichtteilnahme von Khalifa Haftar könnten in einer Formulierung in Kapitel 5/Art. 3 der Charta liegen. Dort heißt es: „Die Erreichung der nationalen Sicherheit Libyens erfordert die Vereinigung der militärischen Institutionen unter einer zivilen Autorität, um die Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu fördern.“ Dieser Artikel bedeutet, dass es keine Anerkennung der von Haftar proklamierten Libyschen Nationalarmee (LNA), die unter seinem Oberbefehl steht, gibt, und dass die oberste Befehlsgewalt einer kommenden libyschen Armee der Präsidialrat ausüben wird – so wie es im Genfer Abkommen vorgesehen ist.
Der Grund für die Nichtteilnahme des Dabaiba-Teams liegt vermutlich an einer Formulierung im Kapitel 1/Art. 7 der Charta, wo es heißt, dass die Vorbereitungen für allgemeine Wahlen auf politischer, rechtlicher, sicherheitspolitischer und logistischer Ebene beschleunigt werden sollen, „wobei alle Maßnahmen zu unterlassen sind, die eine politische Ausgrenzung oder einen Ausschluss von der Teilnahme an den Wahlen in einer Weise darstellen, die für das libysche Volk nicht akzeptabel sind“. Auch der Satz in Kapitel 10/Art. 5 kann nicht in Dabaibas Interesse sein: „Es besteht die Notwendigkeit, die Übergangsphasen zu beenden und das Land durch die gleichzeitige Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in einen Zustand der Stabilität zu versetzen.“ Dies bedeutet, die jetzigen beiden ‚Premierminister‘ haben die Macht zugunsten einer Einheitsregierung, die zu Wahlen führt, abzugeben.
Musa al-Koni zögert
Fast zum Scheitern der Versammlung
führte das Verhalten von Präsidialratsmitglied Musa al-Koni, der im Gegensatz
zum Präsidialratsvorsitzenden Mohammed al-Menfi die Unterzeichnung der Charta
am 14. Februar zunächst verweigerte, angeblich weil wichtige Parteien der
Charta – Haftar und Dabaiba – noch nicht zum Beitritt bereit seien. Al-Koni und
die ihn begleitende Delegation hatten sich auf Anweisung von Mabruka
asch-Scharif, Mitglied des Ältestenrats der Tuareg-Stämme, eine Viertelstunde
vor der Unterzeichnung zurückgezogen. Asch-Scharif gilt als loyal gegenüber
Khalifa Haftar. Musa al-Koni selbst befürwortete die Unterzeichnung der Charta.
Bemerkenswert ist, dass Haftar durch seinen Sohn ein eigenes Versöhnungsprojekt
gestartet hat.
Zu guter Letzt trat auch Musa al-Konis Team der Charta für Frieden und nationale Versöhnung bei, worauf hin ihm Ali Musbah Abu Sabiha, Leiter des Versöhnungsteams des Präsidentschaftskandidaten Saif al-Islam Gaddafi, seinen Dank aussprach.
Musa Ibrahim erklärte als Mitglied des Versöhnungsteams von Saif al-Islam Gaddafi, er hoffe, „dass die noch fehlenden Brüder der Charta beitreten werden“. Denn wenn sie dies nicht täten, diene das ausländischen Interesse, also jenen, die Libyen schwach sehen und sein Öl kontrollieren wollen.
Stimmen des Versöhnungsteams von Saif al-Islam Gaddafi zur Charta von Addis Abeba
Präsidentschaftskandidat Saif
al-Islam Gaddafi selbst
äußerte sich gegenüber libyschen Medien: „Die Charta für Frieden und
nationale Versöhnung in Libyen wurde Realität und in ihrer endgültigen Form
in Addis Abeba unterzeichnet.“
Den Parteien, die die Charta noch nicht unterzeichnet haben, bliebe keine
andere Wahl, als sich anzuschließen, um nicht das Hindernis auf dem Weg zur
nationalen Versöhnung zu sein.
Musa Ibrahim erklärte in Addis
Abeba: „Die Charta für Frieden und nationale Versöhnung ist ein
wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung zwischen den politischen Strömungen in
Libyen.
Die Charta schafft eine neue Positionierung in der politischen Szene Libyens
zugunsten derjenigen, die an den Weg der Versöhnung glauben, hält für
diejenigen, die nicht teilgenommen haben, den Weg offen, sich noch
anzuschließen. Und sie straft jene Lügen, die behaupten, dass sich die
libyschen Parteien nicht einigen können.
Die Charta entlarvt jene, die sich der Unterzeichnung verweigern, als
diejenigen, die finanziell und machtpolitisch vom Chaos und den Konflikten im
Land profitieren, sowie als diejenigen, die den libyschen Konsens fürchten.
Die Charta ist Ausdruck der positiven Rolle der Afrikanischen Union, die die
dominante Rolle der westlichen Mächte ausgleicht.“
Laut Musa Ibrahim profitieren die Nicht-Anwesenden finanziell und machtpolitisch von dem gegenwärtigen Zustand des Unfriedens und der Zersplitterung, sowie von den politischen und militärischen Konflikten. Sie unterhielten Beziehungen zu regionalen und internationalen Mächten, die ihnen ihre Auffassungen aufzwingen, und die nicht wollen, dass die Afrikanische Union bei den Versöhnungsbemühungen die Oberhand gewinnt.
Die Versöhnungs-Charta könne für die UN-Mission zur Gründungscharta eines politischen Systems in Libyen werden. Sie könne von internationalen Gremien akzeptiert werden. Die Charta garantiere die Souveränität, Freiheit und Einheit Libyens und den Fortschritt auf dem Weg zu einem integrativen politischen System für alle Libyer.
Die Versöhnungs-Charta sei das Ergebnis jahrelanger Bemühungen; verschiedene libysche Parteien hätten zu ihrer Ausarbeitung beigetragen, einschließlich derer, die sie in Addis Abeba nicht unterzeichneten.
Musa betonte, dass Saif al-Islam Gaddafi sein nationales Versöhnungsprojekt bereits seit 2015 vorantreibt. Der Präsidentschaftskandidat habe umfassende politische und strategische Vorstellungen für ganz Libyen.
Scheich Faradsch Balak äußerte sich wie folgt zur
Unterzeichnung der Versöhnungs-Charta: „Wir sind von der Wichtigkeit der
Versöhnung der politischen Parteien überzeugt. Nur so kann Libyen wieder
politische Stabilität erringen und nur so kann ein moderner libyscher Staat
aufgebaut werden. Dazu sind freie und faire Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen notwendig, ohne dass ein Teil des libyschen Volkes
ausgeschlossen wird.
Unser Land ist von der NATO und dem gesamten Westen besetzt. Die Rückkehr
ausländischer Stützpunkte nach Libyen ist die Rückkehr der britischen,
französischen, amerikanischen, türkischen und italienischen Kolonisatoren. Wir
sind gegen diese ausländischen Streitkräfte und Söldner. Wir stehen für die
Unabhängigkeit der Justiz, die Rückkehr der Vertriebenen, die Freilassung der
politischen Gefangenen, die Suche nach vermissten Libyern sowie die Übergabe
der sterblichen Überreste von Toten an ihre Familien.“
Scheich Thaib ad-Dagali erklärte: „Diejenigen, die die
Friedens- und Versöhnungs-Charta nicht unterzeichnet haben, sind diejenigen,
die den Status quo beibehalten wollen.
Die Charta für Frieden und Versöhnung steht für Aussöhnung zwischen den
libyschen Parteien. Die Artikel der Charta wurden am 28. Januar 2025 in der
Stadt Zintan vereinbart und dann von allen dortigen Teilnehmern abgesegnet.
Beim Zintan-Treffen wurde auch vereinbart, dass die Charta in Addis Abeba unter
Federführung der Afrikanischen Union, die die libysche Versöhnung vorantrieb,
unterzeichnet und ratifiziert werden soll.“
Weitere Stellungnahmen zur Unterzeichnung der Addis-Abeba-Vesöhnungs-Charta
Mohammed al-Menfi, Vorsitzender des Präsidialrats,
erklärte auf der 38. Sitzung der AU-Versammlung, dass Libyen eine große Dynamik
bei der Stärkung von Sicherheit und Stabilität, bei der nationalen Versöhnung,
der Entwicklung und des Wiederaufbaus sowie bei der Vereinigung der
Institutionen erlebe. Man wisse die Unterstützung der Afrikanischen Union für
die nationale Versöhnung zu schätzen. Alle am politischen Prozess beteiligten
Parteien müssten einseitige Schritte unterlassen, die eine Abweichung von der
politischen Vereinbarung darstellen.
Der Terrorismus in Libyen sei seit 2017 vollständig ausgerottet. Es gebe in
Libyen keine Terrorgruppen mehr, Libyen erlebe eine Phase der Entwicklung und
des Wiederaufbaus.
Mohammed al-Mubascher, Präsident des Ältestenrates von Libyen, begrüßte die Unterzeichnung der libyschen Versöhnungs-Charta in Addis Abeba und rief zu ihrer Unterstützung auf: „Versöhnung ist nicht nur ein Schlagwort, sondern ein Prozess, der einen aufrichtigen Willen voraussetzt und Zugeständnisse von allen Parteien erfordert.“
Der Sozialrat des Gaddafi-Stammes
erklärte, er werde die Versöhnungs-Charta nachdrücklich unterstützen. Sie sei
ein wichtigen Schritt auf dem Weg zu Versöhnung, Frieden und Harmonie. Diese
Unterzeichnung der Charta sei eine Geste des guten Willens der Unterzeichner
und drücke das Bekenntnis der meisten libyschen Parteien zur nationalen
Versöhnung aus. Die Afrikanische Union habe dabei eine effektive Rolle
gespielt, ebenso wie der Präsident der Republik Kongo, Denis Sassou Nguesso.
Man wolle sich wie bisher weiterhin mit Nachdruck für die Stabilisierung,
Einigung und Unabhängigkeit sowie für die Kontrolle der Ressourcen Libyens
einsetzen.
Der Oberste Rat der libyschen Stämme und Städte in der Westregion erklärte seine Unterstützung der Friedens- und Versöhnungscharta. Dieses historische Dokument stelle einen Fahrplan für das libysche Volk und künftige Generationen dar, der zum Aufbau eines souveränen Rechtsstaats führe, in dem die Sicherheits- und Verwaltungsinstitutionen geeint sind.
Der US-Gesandte in Libyen, Richard Norland, lobte die Unterzeichnung der Charta und hob ihre Bedeutung für Frieden und nationale Versöhnung hervor. Sie sei der Schlüssel für einen dauerhaften Erfolg des politischen Prozesses.
Das nächste Treffen des Versöhnungskomitees ist in Libyen geplant.
Text der Charta: https://t.me/libyapress/20493
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