Dienstag, 14. Mai 2019



Kampf um Tripolis: 08. bis 09. Mai 2019

Libyen. Tote bei IS-Angriff in Südlibyen / Luftangriffe der LNA auf Munitionslager der ‚Einheitsregierung‘ / Sarradsch in Berlin, Paris und London / ‚Einheitsregierung‘ kündigt Wirtschaftsverträge / Hafter in Kairo

+ 08.05. Die Anzahl der Todesopfer ist bei den Kämpfen um Tripolis auf 443 gestiegen, die der Verletzten beträgt etwa 2110. Laut der UN-Organisation für Migration sollen etwa 60.000 Zivilisten vor den Kämpfen um Tripolis geflohen sein.
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+ 08.05. Am 7. Mai hatte die libysche Armee (LNA) eine Mirage-F1 aus Misrata abgeschossen. Der verletzte Pilot gab nach seiner Gefangennahme an, er sei portugiesischer Staatsbürger, d.h. es handelt sich um einen für die ‚Einheitsregierung‘ kämpfenden Söldner.
Inzwischen hat sich auch die Identität seines Kommandanten geklärt: Er heißt Alhadi Ali Maklouf, ist Einsatzleiter für die Mirage-F1 und Kommandant für technische Angelegenheiten.
Es existiert ein Vertrag, den Alhadi mit einer Gruppe von Ingenieuren aus Ecuador als Vertreter des Air College unterzeichnete. Die Ingenieure aus Ecuador waren von dem Unternehmen Gateway to MENA for Logistics Services vermittelt worden, das ihrerseits mit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis zusammenarbeitete. Am 2. Juni 2016 wurde diese Zusammenarbeit durch einen Flugzeugabsturz aufgedeckt. Die Piloten erhielten ein monatliches Salär in Höhe von bis zu 20.000 Euro.
Die Frage, in wessen Diensten der portugiesische Pilot stand und von wem er bezahlt wurde, dürfte somit geklärt sein. Die Verbindungen zur ‚Einheitsregierung‘ sind eindeutig. Dennoch bestreitet die ‚Einheitsregierung‘, etwas mit dem Kampfjet oder dem portugiesischen Piloten zu tun zu haben.
Laut dem portugiesischen Verteidigungsministerium wird kein Pilot der portugiesischen Luftwaffe vermisst. Es werden auch keine Einsätze in Libyen geflogen und die Luftwaffe habe keine Mirage F1-Flugzeuge.
Das Parlamentsmitglied Tariq al-Jeroushi forderte, Sarradsch und den Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ vor Gericht zu stellen, da es ein Kriegsverbrechen sei, ausländische Söldner zu rekrutieren, um libysche Bürger zu töten und Städte zu bombardieren. Auch der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit des libyschen Parlaments verurteilte aufs Schärfste, dass die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis ausländische Piloten als Söldner angeheuert hat. Die internationale Gemeinschaft müsse die Anerkennung der ‚Einheitsregierung‘ aufheben.
+ 08.05. Die UN-Sondermission für Libyen äußerte ihre Besorgnis über die zunehmenden Fälle von Verhaftungen und Entführungen von Beamten und Journalisten in Libyen.
08.05. Nachdem Fayez al-Sarradsch, ‚Premierminister‘ der ‚Einheitsregierung‘ Italien und Deutschland besuchte, fand auch ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Macron in Paris statt. Macron forderte einen bedingungslosen Waffenstillstand unter internationaler Aufsicht, da es keine militärische Lösung geben könne.
+ 08.05. Es hat sich eine Pro-Sarradsch-Gruppe des libyschen Parlaments vom Parlament in Bengasi abgespalten und zum zweiten Mal mit 45 Abgeordneten in Tripolis getagt. Für die nächsten eineinhalb Monate wurde als Übergangspräsident Al-Sadiq Al-Kehili (Tadschura) und Hamouda Sayala (Tripolis) als Mediensprecher mit den Stimmen von 27 Mitgliedern gewählt.
+ 08.05. Der Dschihadist Ibrahim al-Mudani, bekannt als Ibrahim Nakouza, wurde bei einem Luftschlag der Armee (LNA) getötet. Er stand mit dem dschihadistischen Schura-Rat von Bengasi in Verbindung.
+ 09.05. Bei Luftangriffen der libyschen Armee (LNA) wurden ein Munitionsdepot der ‚Einheitsregierung‘ getroffen. Weitere Angriffe erfolgten auf das Hauptquartier einer Miliz im Gebiet von Dschanzur im Westen von Tripolis.
+ 09.05. Der ägyptische Präsident al-Sisi hat gemeinsam mit dem obersten General des Geheimdienstes Feldmarschall Khalifa Hafter in Kairo empfangen.
+ 09.05. Der IS hat sich zu einem Angriff auf die Stadt Ghudwa (südlich von Sebha) bekannt, bei dem drei Zivilisten getötet und ein vierter entführt wurden. Es sollen damit die Streitkräfte der libyschen Armee unter Hafter getroffen werden.
+ 09.05. Nachdem der Versuch von Sarradsch, auf seiner Europa-Tour Deutschland und Frankreich zur Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ einzuschwören, als gescheitert angesehen werden muss, hat der ‚Wirtschaftsminister‘ der ‚Einheitsregierung‘ in einem Erlass erklärt, dass der Handel mit mehreren internationaler Unternehmen, insbesondere mit französischen wie der Ölgesellschaft TOTAL, eingestellt werden soll. Betroffen sind auch Alcatel, Thales und Bruges sowie Siemens, das für die meisten Energieprojekte in Libyen zuständig ist. Auch das italienische Unternehmen Bocelli war betroffen, was als Warnung an Italien verstanden werden kann, dass auch der italienische Erdölkonzern ENI, der in Westlibyen tätig ist, in Zukunft betroffen sein könnte.
Die offizielle Begründung lautet, es wären Genehmigungen abgelaufen.
+ 09.05. Sarradsch ist in London mit Theresa May und dem britischen Außenminister Jeremy Hunt zusammengetroffen.
+ 09.05. Die UN untersuchen, ob die libysche Armee oder einer ihrer Verbündeten trotz des Waffenembargos in Tripolis bewaffnete Drohnen einsetzen.


Die Hauptstadt Tripolis ist seit dem 4. April umkämpft. Auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ stehen die Tripolis- und Misrata-Milizen, die die vom Ausland eingesetzte 'Einheitsregierung' stützen, und auf der anderen Seite die libysche Armee (LNA) unter General Hafter, die vom gewählten libyschen Parlament in Bengasi und einer Übergangsregierung aufgestellt wurde und den Auftrag erhielt, gegen die dschihadistisch-terroristischen Milizen, die die Hauptstadt Tripolis im Würgegriff halten, vorzugehen.
Es sollten vom 14. bis 16. April in der Stadt Ghadames Gespräche aller in Libyen aktiven politischen Parteien stattfinden, und ein Wahltermin festgelegt werden. Diese Konferenz wurde nach dem Ausbruch der Kämpfe um Tripolis von den Vereinten Nationen abgesagt. Wahlen werden seit Jahren immer wieder verschoben.
Formell sind die Tripolis-Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gegenüber loyal. Allerdings haben die Milizen kriminelle Netzwerke gebildet, kontrollieren sowohl die ‚Einheitsregierung‘ als auch die Wirtschaft und saugen den Staat finanziell aus. Ihren Lohn erhalten sie von Ministerien oder staatseigenen Firmen. Die libysche Bevölkerung ist der Willkür dieser Milizen ausgeliefert.
Tatsächlich ist Libyen Schauplatz eines internationalen Konflikts. Katar, die Türkei und Italien stehen gegen Saudi-Arabien, die VAE, Ägypten und Frankreich. Wichtige Akteure sind die Golfstaaten, die EU, aber auch die USA und Russland mischen mit. Damit endlich wieder die libysche Bevölkerung Gehör findet und über die Politik im eigenen Land bestimmen kann, müssen so schnell wie möglich Wahlen abgehalten werden.
Seit dem Nato-Krieg gegen Libyen und der brutalen Ermordung von Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht in Libyen Chaos.

 A. Gutsche

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