Der Krieg gegen Libyen befeuerte Terrorismus in Afrika und Europa
Libyen. Libyen war
seit dem Nato-Krieg 2011 und dem Sturz der Dschamahirija der ideale Nährboden
für Terrorismus, al-Kaida und den Islamischen Staat.
Unter dem Titel „Wie der Krieg des Westens gegen Libyen in
14 Ländern den Terrorismus verbreitete“ schreibt Mark Curtis auf MiddleEastEye über die schrecklichen Konsequenzen,
die der Nato-Krieg vor acht Jahren gegen Libyen nach sich zog.
Sowohl bei Europäern als auch bei Afrikanern mache sich das
Erbe von David Cameron, Nicolas Sarkozy und Barack Obama, die den libyschen
Führer Muammar Gaddafi stürzten, grausam bemerkbar. Allerdings sei man immer
noch weit davon entfernt, diese Politiker für ihre Kriegsentscheidung zur
Rechenschaft zu ziehen.
Unregierbarer Raum
In dem Konflikt von 2011 arbeitete die Nato mit
islamistischen Kräften vor Ort zusammen, um Gaddafi zu stürzen. Dies hatte zur
Folge, dass in Libyen ein rechtsfreier Raum, überflutet mit Waffen, entstand,
der einen idealen Nährboden für terroristische Gruppierungen bot.
Syrien war das erste leidtragende Land
Syrien war das erste leidtragende Land
Als es in Syrien Anfang 2011 – also etwa zur gleichen Zeit wie
in Libyen – zum Ausbruch des Bürgerkriegs kam, wurden in Libyen rund 3.000
Kämpfer, die auf dem Weg nach Syrien waren, gefördert und ausgebildet. Viele
von ihnen gehörten al-Kaida, Dschabhat
al-Nusra und dem Katibat al-Battar
al-Libi (KBL) an. KBL war von libyschen Kämpfern gegründet worden und mit
dem IS verbündet.
In der Stadt Derna, im Nordosten von Libyen, wurden Mitte 2014
al-Kaida-Gruppierungen, die sich umbenannt hatten, zum ersten offiziellen
Ableger des IS im Land. Zu deren Mitgliedern zählte auch der KBL.
2015 verübte der IS in Libyen Autobombenanschläge und enthauptete Menschen. Er konnte sich im Osten in Derna und Bengasi sowie im Westen in Sabrata etablieren. Die Stadt Sirte wurde von bis zu 5.000 IS-Kämpfern besetzt. Ende 2016 wurde der IS vor allem durch US-Luftangriffe aus diesen Gebieten vertrieben, zog sich jedoch in die Wüstengebiete südlich von Sirte zurück und setzte von dort die Angriffe fort.
2015 verübte der IS in Libyen Autobombenanschläge und enthauptete Menschen. Er konnte sich im Osten in Derna und Bengasi sowie im Westen in Sabrata etablieren. Die Stadt Sirte wurde von bis zu 5.000 IS-Kämpfern besetzt. Ende 2016 wurde der IS vor allem durch US-Luftangriffe aus diesen Gebieten vertrieben, zog sich jedoch in die Wüstengebiete südlich von Sirte zurück und setzte von dort die Angriffe fort.
In den letzten zwei Jahren konnte der IS wieder zu einer
beachtlichen Größe aufsteigen. Erneut führt er regelmäßig gefährliche
Überraschungsangriffe auf staatliche Institutionen in der südwestlichen Sahara aus,
nach denen er sich schnell zurückzieht.
Der UN-Sonderbeauftragte für Libyen Ghassan Salamé sagte im September vor dem UN-Sicherheitsrat, dass sich der IS in Libyen wieder ausbreite und verstärkt Operationen durchführe.
Der UN-Sonderbeauftragte für Libyen Ghassan Salamé sagte im September vor dem UN-Sicherheitsrat, dass sich der IS in Libyen wieder ausbreite und verstärkt Operationen durchführe.
Terror in Europa
Nach dem Sturz Gaddafis richtete der IS in der Nähe der
Stadt Sabrata Trainingslager ein, die mit einer Reihe von Terroranschlägen in
Verbindung stehen.
Cameron Colquhoun, ein ehemaliger Anti-Terror-Analyst der
britischen Regierung, sagte der New York
Times, dass in Europa die schlimmsten Anschläge mit Waffen und Bomben zu
der Zeit begannen, als Katibat al-Battar nach Libyen zurückgekehrt war.
„Von dort begann die Bedrohung nach Europa überzugreifen – genau dann, als
diese Männer nach Libyen zurückkehrten und ausreichend Bewegungsmöglichkeiten
hatten.“
Salman Abedi, der 2017 bei einem Popkonzert in Manchester 22
Menschen in die Luft jagte, war mehrmals mit Mitgliedern des Katibat al-Battar al-Libi, einer
Fraktion des IS, in Sabrata zusammengetroffen, wo er wahrscheinlich auch ausgebildet
worden war.
Weitere Mitglieder des KBL waren Abdelhamid Abaaoud, der
Rädelsführer der Pariser Angriffe 2015 auf den Nachtclub Bataclan und ein Sportstadion. Bei dem Angriff wurden 130 Menschen
getötet. Ebenso gehörten Kämpfer, die 2015 in Belgien an dem Angriff von
Verviers beteiligt waren, zum KBL.
Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, wo im Jahre 2016 zwölf Menschen getötet wurden, hatte Kontakte zu Libyern, die mit dem IS in Verbindung standen.
Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, wo im Jahre 2016 zwölf Menschen getötet wurden, hatte Kontakte zu Libyern, die mit dem IS in Verbindung standen.
Libyens Nachbarn
Als in Tunesien 2015 ein Anschlag auf das Bardo-Museum mit
22 Toten verübt wurde, hatten die Attentäter Verbindungen zum IS in Libyen.
Ebenfalls 2015 fand in Tunesien ein Anschlag am Strand eines
Hotels im Ferienort Port El Kantaoui statt, ausgeführt von einem 23-jährigen
Tunesier mit einem Maschinengewehr. 38 Touristen, hauptsächlich Briten, wurden
erschossen. Der Täter war Berichten zufolge ein Anhänger des IS und war wie
Salman Abedi im IS-Lager von Sabrata ausgebildet worden.
Der östliche Nachbar Libyens, Ägypten, wurde vom Terrorismus
heimgesucht. IS-Funktionäre in Libyen standen mit Terroristengruppen in
Verbindung, die möglicherweise mehrere tödliche Angriffe in Ägypten
durchgeführt haben. Nach dem Sturz Gaddafis war die westliche Sahara zu einem Schmuggelkorridor
für Waffen und Kämpfer geworden, die auf dem Weg in den Sinai waren. Ägypten
führte 2015, 2016 und 2017 Luftangriffe gegen Terroristenlager in Libyen durch,
zuletzt nachdem 29 koptische Christen ermordet worden waren.
Die Sahelzone
Libyen hat sich auch zu einem Knotenpunkt für dschihadistische
Netzwerke der südlichen Sahelzone entwickelt. Im Jahr 2011 kamen durch die
Aufstände große Mengen an Waffen nach Nordmali, die ethnische Stammeskonflikte,
die seit den 1960er Jahren schwelten, wieder aufflammen ließen.
Bis 2012 konnten lokale Verbündete von al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM) die Kontrolle über die im
Norden Malis gelegenen Städte Gao, Kidal und Timbuktu erlangen. Nachdem Frankreich
in Mali eingegriffen hatte, führte der Mangel an staatlicher Kontrolle in
Libyen dazu, dass verschiedene Gruppen ihre operativen Einsatzzentralen nach
Libyen verlegten, darunter AQIM und dessen Ableger al-Mourabitoun. In Libyen war es für diese Gruppierungen ein
leichtes, sich mit Waffen zu versorgen.
Von ihrer Basis in Libyen aus agierend konnte die
Gruppierung al-Mourabitoun mit ihrem
Anführer Moktar Belmoktar im Januar 2013 die Kohlenwasserstoffanlage Amenas im Osten
Algeriens überfallen, wobei 40 ausländische Arbeiter getötet wurden. Sie
zeichnen auch verantwortlich für den Angriff auf das Radisson Blu Hotel in Bamako, Mali, im November 2015 mit 22 Toten
und für den Angriff auf das Hotel
Splendid in Ouagadougou, Burkina Faso, bei dem im Januar 2016 zwanzig
Menschen getötet wurden. Außerdem griff al-Mourabitoun
auch eine Militärakademie und eine französische Uranmine im Niger an.
Katastrophale
Außenpolitik
Der Zusammenbruch Libyens zieht aber noch weitere Kreise. Bis
2016 soll laut US-Berichten einiges darauf hingedeutet haben, dass die
nigerianische Dschihadisten-Gruppe Boko Haram,
die für zahlreiche grausame Angriffe und Entführungen verantwortlich zeichnet, ihre
Mitglieder zum IS in Libyen schickte, um die Zusammenarbeit zwischen den beiden
Gruppen zu intensivieren.
Die International
Crisis Group stellte fest, dass es erst die aus Libyen und der Sahelzone zur
Verfügung gestellten Waffen und Kenntnisse waren, die es Boko Haram ermöglichten, im Nordwesten Nigerias aktiv zu werden. Es
wird sogar behauptet, dass Boko Haram seine Befehle vom IS in Libyen erhielt.
Neben Kämpfern aus 14 Ländern haben sich in den letzten
Jahren Kämpfer aus mehreren anderen Staaten dem IS in Libyen angeschlossen. Es
wird geschätzt, dass fast 80 Prozent der IS-Mitglieder in Libyen keine Libyer sind,
sondern aus Ländern wie Kenia, Tschad, Senegal und Sudan stammen. Es besteht
die Gefahr, dass diese Kämpfer nach ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer
zurückkehren.
Das wahre Ausmaß der Folgen des Libyen-Krieges ist unübersehbar: Es hat den Terrorismus in Europa, Syrien, Nordafrika und in Subsahara-Afrika befeuert. Der islamische Staat ist zwar in Syrien und im Irak fast geschlagen, aber er ist noch lange nicht tot.
Das wahre Ausmaß der Folgen des Libyen-Krieges ist unübersehbar: Es hat den Terrorismus in Europa, Syrien, Nordafrika und in Subsahara-Afrika befeuert. Der islamische Staat ist zwar in Syrien und im Irak fast geschlagen, aber er ist noch lange nicht tot.
A. Gutsche
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