10.3.2013
Nachruf auf einen
Helden: Hugo Chavez
Adios, Comandante
„Heute ist kein Mensch gestorben, sondern eine Legende wurde
geboren.“ So drückte es ein venezuelanischer TV-Moderator aus, als er von der
traurigen Nachricht über den Tod von Hugo Chavez, dem geschätzten und beliebten
Präsidenten Venezuelas sprach, der nicht nur sein Land, sondern auch ganz
Lateinamerika zum Positiven verändert hat und sich anschickte, für Millionen
von Menschen weltweit zum Hoffnungsträger zu werden.
1992 trat der Offizier Chavez erstmals politisch in
Erscheinung, als er mit einem Putschversuch seines Fallschirmjägerbataillons
scheiterte und zur Kapitulation gezwungen wurde. Er machte es zur
Kapitulationsbedingung, daß er live im Fernsehen seine Motive für den Umsturzversuch
darlegen konnte und so erfuhr die Mehrheit der Venezuelaner von ihm. Nicht nur
die weitverbreitete Armut der Bevölkerung trotz des Ölreichtum des Landes, die
Korruption des Regimes von abwechselnd regierenden Christ- und
Sozialdemokraten, sondern auch der brutale Einsatz des Militärs durch den
sozialdemokratischen Machthaber Carlos Andres Perez 1989 gegen friedliche
Demonstranten waren einer der Gründe für den Putschversuch der progressiven
Militärs um Chavez.
Nachdem Putschversuch verschwand Chavez im Gefängnis, doch
stattdessen tauchten überall Graffitis auf, die seine Freilassung forderten und
seine Popularität im Volk nahm stetig zu. Der ehemalige christdemokratische
Präsident Rafael Caldera (1969-74), der sich vom korrupten Parteiensystem losgesagt
hatte und im Alter von 77 Jahren 1993 als Unabhängiger – unterstützt von einem
Bündnis linker Splittergruppen – noch einmal als Präsident bewarb, wußte das zu
nutzen. Er gewann die Wahl u.a. wegen des Versprechens, die Putschisten zu
amnestieren und in Freiheit zu entlassen, was er dann auch tat.
Chavez machte sich nun daran, seine Bewegung für die
Fünfte Republik (MVR) aufzubauen, mit der er 1998 den Wahlsieg holte und
Caldera im Amt ablöste. Seit 1998 gewann Hugo Chavez alle Wahlen und zahlreiche
Referenden. Seine Regierung legte ein
beachtliches revolutionäres Tempo vor.
Eine neue Verfassung mit direktdemokratischen Elementen, die
eine Mitbestimmung des Volkes ermöglicht, wurde verabschiedet, die
Erdölindustrie und andere Schlüsselindustrien verstaatlicht. Kostenlose
Gesundheitsversorgung, die Bekämpfung der Armut und des Analphabetentums waren
– teilweise dank kubanischer Hilfe – erfolgreich. Den USA trat Venezuela von
nun an selbstbewußt gegenüber und kritisierte deren Politik in Lateinamerika.
Das US-Regime versuchte Chavez 2002 bei einem initiierten
Putschversuch ermorden zu lassen und setzte den Chef des Unternehmerverbandes
als „Übergangspräsidenten“ von Washingtons Gnaden ein. Chavez, von rechten
Teilen des Militärs gefangen und entführt, war nur noch am Leben, weil er sich
bisher geweigert hatte, eine Rücktrittserklärung zu unterschreiben. Doch
plötzlich kamen die Armen von Hügeln der Hauptstadt Caracas und aus den
Elendsvierteln auf die Straßen und vertrieben die Putschisten aus dem Präsidentenpalast
Miraflores. Chavez kam frei, die US-freundlichen Putschisten gaben auf.
2004 und 2006 kamen mit dem Indio Evo Morales und dem
linksnationalen Ökonom Rafael Correa in Bolivien bzw. in Ecuador zwei
Staatschefs an die Macht, die ähnlich dachten wie Chavez und die – neben Kuba –
fortan zu dessen treuesten Alliierten gehörten und ähnliche Projekte in ihren
Ländern starteten. Ein linker, regionaler Machtblock war geboren wurden und
widersetzte sich diverser Putschversuche, welche die USA zu inszenieren
versuchten.
In ganz Lateinamerika kamen plötzlich mehr oder weniger
linke Regierungen in Mode – ob nun eher
gemäßigt wie in Brasilien, Chile, Uruguay, Guatemala, Paraguay, El
Salvador oder populistisch wie in Argentinien und Panama. Nicaragua wählte wieder
Daniel Ortega, den früheren sandinistischen Guerillaführer und Staatschef der
80iger Jahre zum neuen Präsidenten und selbst Manuel Zelaya, der Staatschef von
Honduras, der als Mitglied der konservativen Liberalen Partei (PLH)
gewählt wurde, fabulierte nun von einem „sozialen oder sozialistischen
Liberalismus“, den er einzuführen gedachte.
Der Einfluß der USA,
die Lateinamerika seit Jahrzehnten als ihren Hinterhof betrachteten und mit
Bürgerkrieg überzogen, verschwand zusehends.
Chavez war der Motor einer tieferen Kooperation und
Integration der amerikanischen Staaten, welche sich nun in verschiedenen
Bündnissen wie UNASUR oder ALBA organisierten.
Hugo Chavez hatte nicht nur sein Land, sondern auch einen
ganzen Kontinent verändert.
Er versuchte ebenfalls die Zusammenarbeit mit Afrika
auszubauen (sogenannte Süd-Süd-Kooperation), knüpfte enge Beziehungen zu
Ghaddafis Libyen, zum Iran oder Weißrußland – Staaten, die im Westen wegen
ihrer Aufmüpfigkeit gemieden und verunglimpft worden.
Gegen die Angriffskriege des NATO-Staaten bezog Chavez klar
Stellung und versuchte diese mit Friedensinitiativen zu stoppen – wie z.B. beim
NATO-Überfall auf Libyen, wo er selbst den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy
Carter auf seiner Seite wußte.
Hugo Chavez hatte erst im Oktober 2012 mit Bravour eine
weitere Wahl gewonnen, doch die neue Amtszeit konnte er nicht mehr antreten.
Der Krebs, an dem er seit knapp zwei Jahren litt, hatte sich wieder stärker
ausgebreitet – hinzu kam noch eine Erkrankung der Atemwege, die er sich bei einer
OP zugezogen hatte. Am 5. März 2013 starb Hugo Chavez im Alter von nur 58
Jahren in der Hauptstadt Caracas.
Kurz vor seiner Operation hatte er seinen Vizepräsidenten
und langjährigen Außenminister Nicolas Maduro zum Wunschnachfolger ausgerufen,
falls er nicht mehr die Amtsgeschäfte übernehmen könne. Maduro, einst linker
Gewerkschafter, gehörte seit dem mißglückten Putsch von 1992 zu den engsten
Unterstützern des Präsidenten und gilt als ehrliche Haut, auch wenn er nicht
über Chavez´ Charisma verfügt.
Bereits zwei Millionen Venezuelaner haben in den vergangenen
Tagen von dem aufgebahrten Revolutionshelden Abschied genommen. Wie sehr Chavez
auch international geschätzt wurde, zeigt die Tatsache, das mindestens 15
Länder eine mehrtägige Staatstrauer ausgerufen haben, darunter China, Iran,
Nigeria, Weißrußland und zahlreiche Länder Lateinamerikas. Selbst die neutrale
Schweiz, die mit der venezuelanischen Revolution wahrlich nicht viel am Hut
hatte, ließ die Flaggen auf Halbmast herunter.
Hugo Chavez hat mit seinem politischen Wirken, seinem Kampf
für soziale Gerechtigkeit, echte Demokratie, für Frieden, Unabhängigkeit und
Menschenwürde nicht nur Lateinamerika verändert, sondern auch Millionen
Menschen auf anderen Kontinenten inspiriert.
Die First Lady Nicaraguas, Rosario Murillo, brachte es bei
einer Trauerfeier für den Gestorbenen auf den Punkt: „Wir alle sind Chavez!“
K. Hanisch
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