Das Ende des Skhirat-Abkommens (Libya Political Agreement)
Libyen. Die
de-facto-Auflösung des Präsidialrats in seiner jetzigen Form ist ein
Paukenschlag, die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch damit gescheitert.
Während der Präsident der ‚Einheitsregierung‘, Faiez
Sarradsch, auf einer Hochzeitsfeier in London weilt, nahm einer der
Stellvertreter im Präsidialrat, Fatih Madschrbi, Neubesetzungen der Posten des
Wirtschafts-, Justiz- und Finanzministers sowie des Stabschefs und des Chefs
des Geheimdienstes der ‚Einheitsregierung‘ vor.
Einer der Neuernannten, Hussein Saiti, gehört dem
Parlament in Tobruk an, wo er Vorsitzender des nationalen Sicherheits- und
Verteidigungskomitees ist. Nun übernimmt er den Posten des Geheimdienstchefs im
Präsidialrat. Ein weiterer Posten wurde an Abdul Kader al-Tuhami vergeben, der
im Außenministerium Gaddafis arbeitete und nun Chef für Operationen gegen
illegale Migration wird.
Diese Ernennungen dürften der Auslöser für den Rücktritt des
ebenfalls stellvertretenden Vorsitzenden des Präsidialrats, Musa Koni, am 2.
Januar gewesen sein. Als offiziellen Grund für seinen Rücktritt nannte Koni das
Versagen des Präsidialrats. Dieser wäre verantwortlich für das Morden, die
Entführungen und Vergewaltigungen, die im letzten Jahr stattgefunden haben.
Mit Koni traten auch der Innenminister Arif Khodschja und
der Planungsminister al-Hadi al-Dschuhaimi zurück. Erwartet wird noch der
Rücktritt der Präsidialratsmitglieder Ali Gatrani und Omar Aswad.
Da die Zurückgetretenen kaum ersetzt werden können, dürfte
dies die Auflösung des Libya Political
Agreements (Abkommen von Skhirat vom Dezember 2015) bedeuten. Das heißt,
dass die vom Westen gepushte Einheitsregierung komplett gescheitert ist.
Insgesamt bestand der Präsidialrat aus neun Mitgliedern, die
verschiedene Regionen und politische Strömungen in Libyen vertreten sollten. Im
Präsidialrat gab es bereits vorher unüberbrückbare Differenzen, häufig gaben
Mitglieder sich widersprechende Erklärungen ab.
Die vom Westen eingesetzte Einheitsregierung hatte nie die
Anerkennung durch das libyschen Parlament erfahren, obwohl dies eine
Vorbedingung für die Arbeitsaufnahme der ‚Einheitsregierung‘ gewesen wäre. Die
Verhandlungen für das Skhirat-Abkommen fanden unter Federführung von Martin
Kobler, den Sondergesandten der UN für Libyen statt. Kobler hat sich starker
Kritik ausgesetzt, da er ohne mit den Stammesgepflogenheiten in Libyen vertraut
zu sein eine ‚Hau-Drauf-Politik‘ zur Durchsetzung westlicher Interessen
verfolgte und islamistische Parteien wie Libya
Dawn und Libya Islamic Fighting Group
eindeutig bevorzugte. Dieses Kapitel dürfte sich damit erledigt haben.
Daneben konnte die dem libyschen Parlament (Tobruk)
unterstehende Libysche Nationalarmee (LNA) unter Generalfeldmarschall Khalifa
Hefter bedeutende militärische Erfolge vorweisen. Sie hat zwischenzeitlich den
gesamten östlichen ‚libyschen Öl-Halbmond‘ sowie die Ölfelder im Westen unter
ihre Kontrolle gebracht und sich im ganzen Land Verbündete geschaffen. Hefter,
der den islamistischen Kräften feindlich gegenübersteht, wurde an der
‚Einheitsregierung‘ nicht beteiligt.
Das libysche Parlament hat sich bemüht, ehemalige
Gaddafi-Leute wieder in Armee und Staat zu integrieren. Dies hatte den Zorn der
islamistischen Kräfte hervorgerufen. Eine wirkliche Aussöhnung im Land kann
aber nur gelingen, wenn wirklich alle politischen Kräfte beteiligt werden.
Von den Gaddafi-Leuten sind etwa eine Million allein nach Tunesien geflohen,
insgesamt dürfte sich fast die Hälfte der ehemals sechs Millionen Libyer im
Exil aufhalten. Viele ehemalige Gaddafi-Leute werden auch noch gefangen
gehalten, oftmals gefoltert. Unter diesen Bedingungen kann es keine Aussöhnung
geben.
Die libysche Bevölkerung leidet schwer unter den gegebenen
Bedingungen und wünscht sich nichts sehnlicher als Sicherheit und Frieden. Der
politische Islam hat im Land so gut wie keine Anhänger. Auch dem IS war es
nicht möglich, in Libyen Fuß zu fassen, da er keinerlei Unterstützung erfuhr.
Libyen könnte auf dem Weg sein, seine Souveränität
zurückzuerlangen und ohne westliche Einmischung einen Weg für Aussöhnung und
Frieden zu finden.
A. Gutsche
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