Wie die USA eine Woche zu früh in Libyen intervenieren wollten…
von Angelika Gutsche
Wie der englische Guardian und libysche Zeitungen berichten,
sind letzten Montag, also am 14. Dezember, zwanzig bewaffnete und mit
kugelsicheren Schutzwesten bekleidete Amerikaner in einer militärischen
Geheimmission auf dem nahe Sabratha gelegenen, libyschen Militärstützpunkt
al-Wattija gelandet. Belegt wird dies durch Fotos, die die kampfbereite
US-Einheit beim Verlassen eines blau-weiß gestreiften Passagierflugzeuges
zeigt. Ein Augenzeuge berichtete, die Kennung der Maschine habe es als ein
Flugzeug der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ausgewiesen. Ein anderes Foto
zeigt die Männer in einem Wüstenbuggy.
http://www.theguardian.com/us-news/2015/dec/17/secret-us-mission-in-libya-revealed-after-air-force-posted-pictures
http://www.theguardian.com/us-news/2015/dec/17/secret-us-mission-in-libya-revealed-after-air-force-posted-pictures
Da die Amerikaner keine persönlichen Erkennungszeichen
trugen, wird vermutet, dass es sich um eine Spezialeinheit handelte.
Allerdings mussten sie den Stützpunkt auf Weisung des
örtlichen Kommandanten bald wieder verlassen, da für den Aufenthalt keine
Genehmigung bestand. Die amerikanischen Soldaten hatten wohl Angst, sie
könnten in Gefangenschaft geraten, wie das bereits im März 2011 geschehen ist,
als sechs britische SAS-Kämpfer nahe Bengasi landeten und sofort in Haft
genommen wurden.
Es war unklar, ob jemand innerhalb des libyschen Militärs
die Erlaubnis für die Intervention der US-Militärs gegeben hatte. Ein
Augenzeuge beschreibt die Situation wie folgt: „Sie waren da, der örtliche
Kommandant sagte, dies wäre eine Übung. Niemand weiß Genaueres. Jetzt sind sie
wieder weg.“
Das Pentagon schwieg offiziell zu dem Vorfall, allerdings
wurde bekannt, es hätte sich bei der Spezialeinheit um den Teil einer Mission
gehandelt. Man ließ offen, ob die Männer Libyen wieder verlassen haben.
Wer hatte die Amerikaner noch vor Abschluss des umstrittenen
Friedensvertrags eingeladen, nach Libyen zu kommen? War diese Einladung
erfolgt, um mit Hilfe der amerikanischen Sondereinheit gegen das
IS-Ausbildungslager nahe Sabratha vorzugehen? Oder wurden die Amerikaner
schlichtweg gefoppt? War vielleicht sogar ihre Inhaftierung geplant? Vorgeführt
wurden sie in jedem Fall. Und für die Zukunft auch vorgewarnt: In Libyen werden
viele Sprengfallen und Dolche aus dem Hinterhalt Interventionsmächte erwarten.
Al-Wattija ist einer der größten Luftwaffenstützpunkte
Libyens und fest in der Hand des libyschen Militärs, das der Regierung von
Tobruk untersteht. Von hier werden die Angriffe gegen die islamistische
libysche Fadschr (Morgendämmerung) geflogen, die Tripolis unter ihre Kontrolle
gebracht hat.
Ebenfalls heute gemeldet wurde, dass Großbritannien
erwartet, nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens endlich Truppen nach
Libyen entsenden zu können. Deren Aufgabe soll in der Stabilisierung des Landes
bestehen und dem Vormarsch des IS Einhalt gebieten. Gedacht ist an eine tausend
Mann starke Truppe, die die libysche Armee ausbilden und beraten soll. David
Cameron äußerte sich wie folgt: „Diese Übereinkunft bedeutet, dass sich die
internationale Gemeinschaft nun zusammen mit der repräsentativen
Einheitsregierung im Kampf gegen den IS und gegen Menschenschmuggler engagieren
kann.“
Diese Aussage mutet mehr als gewagt an, angesichts der
Tatsache, dass wichtige Akteure in Libyen das Friedensabkommen nicht
anerkennen. So sind sich die Präsidenten des Tobruk-Parlaments, Aguila Saleh,
und sein Kontrahent, Nuri Abu Sahmain nur in einem wirklich einig: das
Friedensabkommen als Einmischung ausländischer Kräfte in innerlibysche
Angelegenheiten abzulehnen. Auch der Sprecher des Tripolis-Parlaments geht
davon aus, dass jene, die das Abkommen unterschrieben, nicht im Namen des
Tripolis-Parlaments handelten, sondern Marionetten der internationalen
Gemeinschaft seien. Seine Auslassung entbehren nicht einer gewissen Logik:
„Wenn nicht-autorisierte Personen ein Papier unterzeichnen, ist dies eine
Fälschung. Wenn sie ein demokratisches Land wollen, müssen sie es auf eine
demokratische Art zustande bringen. Aber wenn sie eine Kolonie möchten, dann
sollen sie es auch Kolonie nennen, aber sie sollen nicht so tun, als wenn es
ein Geschenk der UN wäre.“
Unterschrieben wurde das Friedensabkommen mit einem Tag
Verspätung am Donnerstag in Marokko. Am Mittwoch noch traf der
UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Martin Kobler, mit dem Oberkommandierenden der
libyschen Streitkräfte, General Khalifa Hefter, zusammen. Nach dem
halbstündigen Treffen stellten sich die beiden einer Pressekonferenz den Fragen
der Journalisten. Kobler betonte, die Rolle des libyschen Militärs und der
Polizei müsse im Kampf gegen die Milizen gestärkt werden. Auf die Frage, auf
welche Weise Russland die libysche Nationalarmee unterstütze, lobte der General
Russland für seine ernsthafte Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus.
Diese sei von allen Ländern willkommen. Auf die Frage, wann endlich das 2011
verhängte Waffenembargo gegen Libyen aufgehoben wird, entgegnete Kobler, diese Frage
könne nur die neue Einheitsregierung – und ausschließlich die neue
Einheitsregierung – an die Vereinten Nationen stellen. Natürlich würde eine
Einheitsarmee auch Waffen zum Kampf gegen den IS benötigen.
Die neue Regierung soll übrigens ihren Sitz in Tripolis
haben, das bis jetzt immer noch vom libyschen Fadschr beherrscht wird. Man darf
gespannt sein, mit welchen Betonmauern innerhalb einer „Green Zone“ sie sich
gegen Angriffe schützen wird. Fraglich ist bisher, ob sich die neu installierte
Regierung überhaupt in Libyen wird treffen können.
Schon vorige Woche meldete sich die Volks-Dschamahirija in
einer Stellungnahme zu den römischen Verhandlungen zu Wort. Sie unterstütze in
vollem Umfange die Bemühungen des UN-Beauftragten Martin Kobler und würdige die
UN-Mission in Libyen. Allerdings betont sie auch, dass die strikte Einhaltung
der Souveränität, der territorialen Integrität und der soziale Zusammenhalt
Libyens gewährleistet bleiben müssen und jede ausländische Einmischung
abgelehnt wird.
Ein Libyen-Spezialist des Europäischen Rates äußerte sich
dazu: „Ich würde mich sehr wundern, wenn jemand, der an der neuen Regierung
beteiligt ist, eine ausländische Intervention gegen den IS billigt.“
Nichtsdestotrotz will Großbritannien zusammen mit Italien
schon mal eine kleine militärische Einheit von zwölf Mann nach Libyen schicken.
Ob der Empfang ähnlich sein wird wie jener letzten Montag am Militärstützpunkt
al-Wattija?
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