Eine Intervention des Westens steht in Libyen kurz bevor
Libyen. Die Anzeichen dafür,
dass der Westen schon wieder in Libyen intervenieren will, sind unübersehbar.
Am 5. Dezember einigten sich in
Tunis völlig überraschend Delegierte der beiden Parlamente und Regierungen von
Tobruk und Tripolis auf eine Regierung der Nationalen Einheit und eine
vorübergehende Rückkehr zur Verfassung von 1951, die den Provinzen autonome
Rechte zugesteht.
Diese Einigung hat mitnichten
etwas zu tun mit dem unter UN-Führung ausgehandelten Friedensabkommen und der
Einsetzung einer Einheitsregierung unter Federführung des UN-Sonderbeauftragten
Martin Kobler, übrigens ein ehemaliger Büroleiter von Joschka Fischer. Ganz im
Gegenteil soll ebendiese eigene Einigung die UN-Léon-Kobler-„Friedens“-einigung
überflüssig machen.
Die bisher verfeindeten Parteien
wollen damit die Souveränität von Libyen erhalten. Denn als sicher gilt: Die
unter Federführung der UN eingesetzte Einheitsregierung wird einer westlichen
Intervention gegen den IS zustimmen, auch in Form einer Militärmission. Und
sind die Libyer untereinander auch noch so verfeindet, was keiner will, sind
ausländische Bodentruppen im Land. Sollte dies auch noch, wie zu vermuten ist,
unter der Federführung Italiens geschehen, lebten die alten Kolonialzeiten
wieder auf.
Die westlichen
„Friedensvermittler“ haben nun beschlossen, den geschickten Coup der schnellen
innerlibyschen Bildung einer Einheitsregierung einfach zu ignorieren.
Unverdrossen beharren sie auf der Abhaltung der Libyen-Konferenz am 13.
Dezember in Rom, wo ihre „Einheitsregierung“, bestehend aus ölgeldgeilen
Machteliten nach Gusto des Westens, eingesetzt wird. Anschließend wird es in
Libyen anstatt der zwei Parlamente und Regierungen wohl zwei sich bekämpfende
„Einheitsregierungen“ geben, eine von den Libyern initiierte und eine westliche
Wunsch-Einheitsregierung, die umgehend nach ausländischer Hilfe beim Kampf
gegen den IS rufen wird. Mit der Führung der Militärmission wird
voraussichtlich Italien betraut, das dann auch den Schutz der von ihr
eingesetzten „Einheitsregierung“ übernehmen soll mit der Begründung, der Westen
müsse intervenieren, damit die Zerrüttung des Landes und der Vorstoß der
IS-Kämpfer gestoppt werden. Das wirkliche Endziel dürfte die Aufspaltung des Landes
in drei Teile sein.
Hat man deshalb das
Waffenembargo gegen Libyen aufrechterhalten, damit sich das Land nicht selbst
gegen den IS verteidigen kann? Wurden deshalb beide Seiten, mal Tobruk mit
Generalmajor Hefter, mal Tripolis mit den ehemaligen al-Kaida-Kämpfern
unterstützt, damit das Gleichgewicht des Schreckens auch erhalten bleibt? War
das alles ein abgekartetes Spiel, um ein von langer Hand geplantes
militärisches Eingreifen des Westens zu rechtfertigen?
Die Libyer werden sich das nicht
gefallen lassen. Das wissen auch die Westmächte. Deshalb bereiten britische
Militärexperten gerade in Tunis eine Art Grüne Zone für Tripolis vor, ähnlich
jener in Bagdad, in der Großbritannien gedenkt, nach einer erfolgreichen
Intervention in Libyen wieder eine Botschaft beziehen zu können. Die neuen
Kolonialisten müssen schließlich vor Ort Flagge zeigen und so kreisen auch die
Franzosen schon mal mit Aufklärungsjets über Bengasi. Und was Wunder, an
Deutschland wurde heute von den USA bereits der Wunsch herangetragen, dass der
Einsatz in Syrien und Mali nicht ausreichend sei beim Kampf gegen den
Islamischen Staat. Wie praktisch, dass es einen Islamischen Staat im Sinne
eines Nationalstaates überhaupt nicht gibt, daher muss man auch keine
Rücksichten nehmen auf Völkerrecht oder ähnliches Gedöns.
Wenn es den IS nicht gäbe, man
müsste ihn erfinden! Oder hat man das vielleicht sogar? Die Bevölkerung in den
westlichen Ländern wird auf die Notwendigkeit eines Eingreifens des Westens
gerade massiv vorbereitet: So meldete die Tagesschau am 10.12. „Von Libyen planen die Terroristen nach einem
Bericht der BBC [!!!] nun offenbar systematische Angriffe auf Europa, indem sie
glatt rasierte Kämpfer als Migranten getarnt auf Flüchtlingsbooten
einschleusen. „Wir werden Rom erobern“, hatte bereits im Februar […] IS-Kämpfer
deklamiert.“ Kleiner geht’s wohl nicht mehr! Oder am 7. Dezember die
Meldung des Todes des IS-Führers Abu Nabil in Libyen durch US-amerikanische
Luftangriffe. Damit auch der Dümmste versteht, welch gefährliche Leute sich in
Libyen tummeln und weshalb ein militärisches Eingreifen des Westens unabdingbar
ist.
Der Westen braucht seine eigene,
handverlesene „Einheitsregierung“, die ihn zum Eingreifen auffordert. Denn nur
so ist es möglich, den Schein der Wahrung des Völkerrechts bei einer
militärischen Intervention aufrechtzuhalten. Und er Westen braucht Ruhe an
anderen Fronten wie Ukraine oder Syrien. Gehen deshalb plötzlich die Einigungen
mit Russland voran und werden plötzlich Friedensvereinbarungen denkbar, damit
man freie Hand für Libyen hat? Könnte da ein Deal gelaufen sein?
Die Frage ist nur: Geht es
wirklich gegen den IS in Libyen oder geht es auch gegen ein Erstarken des
innerlibyschen Widerstands in der gesamten Bevölkerung, die sich nichts
sehnlicher wünscht als eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen vor dem Krieg
von 2011.
Gerade Italien ging während
der Kolonialzeit in Libyen äußerst brutal gegen die Bevölkerung vor, so wurden
zum Beispiel Stammesführer in großer Höhe aus Flugzeugen geworfen und
Libyerinnen als Sexsklavinnen für die Kolonialtruppen gehalten. Jede
Unterstützung der Aufständischen wurde mit dem Tode bestraft, auch Frauen und
Kinder wurden ermordet. In den Jahren 1927/28 wurde nachgewiesener Weise von
den Italienern Giftgas eingesetzt und die libysche Bevölkerung wurde in eigens
errichteten Konzentrationslagern in der westlichen libyschen Wüste interniert,
um sie davon abzuhalten, die Aufständischen zu unterstützen. Der italienische
General Graziani selbst gab an, dass er 139.192 Menschen einsperren ließ, etwa
80.000 davon Beduinen. Wie viele Menschen dabei zu Tode kamen, ist nicht in
Zahlen bekannt. Aber es müssen allein zehntausende an Hunger gestorben sein.
Für seinen Widerstand gegen die italienische Kolonialmacht wird Omar al-Muchtar
heute noch in ganz Libyen als großer Volksheld verehrt. Man kann sich
vorstellen, warum sich Libyen mit Händen und Füßen gegen eine Intervention
wehren wird.
Zu befürchten bleibt, dass Bagdad nicht nur als
Blaupause für eine Grüne Zone dient, sondern der Verfall des Landes mit allen
schrecklichen Folgen für Jahrzehnte festgeschrieben wird. Diese militärische
Intervention wird in einem Blutbad enden, genannt asymmetrischer Krieg!
Angelika Gutsche, 13.12.2015
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