Dienstag, 13. Dezember 2011

Neues aus Tripolis


Wieder ein bewegender Brief von „Astrid“ (Name geändert). Ihr Mann ist aus Deutschland nach Libyen zurückgekehrt, um vom Besitz der Familie zu retten, was zu retten ist:

Was ich von meinem Mann weiß ist, dass er all unser Hab- und Gut nach Hause schickt, im Januar soll es klappen. Er erwartet evtl. bald einen Bürgerkrieg und dann kann es sein, dass wirklich alles persönliche was wir noch unten haben verloren ist. Er selbst könnte schon wieder Arbeit anbieten, aber alles in den Ministerien ist durcheinander, jeder will nur privat ein Geschenk und beteuert seine guten Beziehungen, die Firmen investieren nichts und so läuft alles auf Sparflamme weiter.

Die Geschäfte würden aber auf sein und es würden mehr und mehr Waren wieder ins Land kommen. Fleisch ist Mangelware, die Tiere sind alle verendet, weil das Futter aus ging. Man ißt Kamel. Auseinandersetzungen soll es wenige in der Stadt geben, aber davon bekommt mein Mann gottlob bisher nichts direkt mit. Was er darüber weiss, liest er auch nur im Internet, das meist überlastet ist und nur abends gut funktioniert.

Es gibt auch keine Checkpoints in Tripolis wo man ausgeplündert wird sagt er, man sollte sich aber wohl nach der Dunkelheit draußen weniger aufhalten. Es gibt wieder viel Gemüse - sehr günstig wie eh und je - und ab und zu bekommt man von der Telefongesellschaft, wer immer dafür zuständig ist Geld geschenkt zum telefonieren (vermutlich damit einem nichts entgeht, wenn man mithört)

Die Libyer fahren plötzlich alle mit heißen Motorrädern durch die Gegend, vielen Expats wurden dieselbigen gestohlen, lassen sich wie Bin-Laden lange Bärte wachsen, schaffen sich große Hofhunde an, aber ansonsten scheint alles friedlich in der Stadt.

Die LuftHansa soll Anfang Dezember wieder fliegen und so sehne ich den Augenblick herbei wo mir mein Mann sagt - ich hab ein Ticket und komm heim. Über Tunesien will er es nicht mehr versuchen - zu umständlich, zu vage, zu unsicher das Reisen über Land.

Ich sehe es als Gottes Fingerzeig, dass Saif al-Islam Gaddafi noch lebt. Er wäre für meine Begriffe der einzige, der das Land wieder auf die Beine bringen kann mit den ideologischen Vorgaben des Vaters. Aber das ist eine vermutete Aussage, ich weiß gar nicht mehr, wem man trauen kann oder wem man glauben kann. Ich weiß nur, was ich erlebt habe und dass dieser ganze Krieg eine einzige große Lüge war und der Tod von Gaddafi hat mich zutiefst betroffen gemacht. Dieser einfach gestrickte Mann hat sein Volk geliebt, diese vielen Irren unter einen Hut gebracht und leider im Westen gesagt was er denkt, etwas was wir hier nie erleben werden von unseren Führern und was ihn wohl den Kopf gekostet hat.

Wie dem auch sei, ich lebe und habe wohl nach allen Anstrengungen feststellen müssen, dass ich die Welt nicht retten kann, weil es einfach niemanden hier wirklich interessiert, weil es ihnen  noch zu gut geht und die ganze Sache ist so komplex mit EZB, Banken, Forschung, Konzernen und Machenschaften von reichen, sektengleichen Fundamentalisten, Kapitalisten, Politikern verstrickt, daß man wirklich resignieren kann  :)“ 


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