Dienstag, 16. April 2013



„Niemand hört mein Schreien. Gefangen im Palast Gaddafis“ – kranke Propagandaschwarte soll Angriffskrieg legitimieren

Die vom Westen versprochene Demokratie in Libyen ist bisher ausgeblieben. Milizen ziehen mordend und plündernd durch das Land und verhaften willkürlich, wen sie für eine „Bedrohung der Revolution“ (damit ist der NATO-Überfall auf Libyen gemeint) halten. Die Menschenrechtslage ist schlimmer als unter dem langjährigen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Die Zahl der Gefängnisse hat sich verdoppelt und die der politischen Häftlinge auch. Schöne Demokratie! Die Sicherheitslage hat sich auch verschlechtert, denn die Diktatur Gaddafis wurde durch die Diktatur der rund eintausend Milizen abgelöst, die sich nehmen, was sie wollen. Dunkelhäutige Minderheiten sind grausamen Verteibungen ausgesetzt, sie gelten als Sympathisanten des afrikanophilen Gaddafis.
Der libysche Sozialstaat mit kostenlosem Bildungs- und Gesundheitssystem – am Boden zerstört. Die basisdemokratischen Volkskongresse – verboten.
Mit anderen Worten, selbst für ausgemachte Propagandasoldaten der NATO, wie den TAZ-Journalisten Mirco Keilberth gibt es wenig zu berichten, was man als Erfolgsmeldung über eine gelungene „Beferiung“ Libyens verwenden kann.
Im Gegenteil, immer öfter sind Graffitis an Hauswänden zu sehen, die Gaddafi hochleben lassen (obwohl darauf hohe Strafen stehen) und seine Anhänger führen unter der grünen Flagge der Revolution von 1969 in  letzter Zeit verstärkt Guerilla-Angriffe durch.

Immer mehr Libyer erkennen nun, daß sie durch den NATO-Krieg viel verloren, aber nichts gewonnen haben und ihr schrulliger Despot das kleinere Übel war.
Auch im Westen setzt sich nun allmählich die Ansicht durch, daß der Krieg überhaupt nichts mit der Menschenrechtslage in Libyen zu tun hatte, sondern, dass es nur ums Erdöl und die Rückeroberung Afrikas ging. Wären Menschenrechte eine wirkliche Komponente westlicher Außenpolitik, würde man ja kaum brutale Tyrannen wie in Katar und Saudi-Arabien unterstützen.

Um nun nachträglich zu legitimieren, warum man Libyen überhaupt angegriffen hat und Gaddafi ermorden ließ, bedarf es Gründen, die so abscheulich sind, dass sich niemand traut, sie zu hinterfragen. Einen dieser Gründe liefert die französische Journalistin Annick Cojean, die sich eigentlich mit Libyen wenig auskennt, dafür aber mehr mit deutschen Holocaust an den Juden befaßt hat, mit ihrem Buch: „Niemand hört mein Schreien. Gefangen im Palast Gaddafis“.
In diesem Machwerk interviewt Cojean ein angebliches Sex-Opfer von Gaddafi. Sie wurde Cojean zufolge als 15-jährige von Gaddafis Leibwächterinnen verschleppt und angeblich jahrelang in einem finsteren Kellerloch von Gaddafis „Palast“ gehalten – zusammen mit anderen jungen Mädchen, die ebenfalls vom libyschen „Revolutionsführer“ vergewaltigt worden seien.

Da fängt es schon an: wie wir von den US-Botschaftsdepeschen - von Wikileaks veröffentlicht – wissen, haßte Gaddafi den Luxus und lebte entweder in einem Beduinenzelt oder in einem „einfachen Haus, in dem der Fußboden knarrt“.  Von einem Palast ist niemals die  Rede, genauso wie die zahlreichen, von den NATO-Rebellen eroberten „Gaddafi-Paläste“ libyscher Staatsbesitz waren. Diese Gebäude wurden auf Geheiß Gaddafis nach 1969 vom gestürzten König Idris I. enteignet und z.T. öffentlich zugänglich gemacht.

Cojean zeichnet ein Bild von Gaddafi als sadistisches Sexmonster und „Viagra-Diktator“, der angeblich nicht nur Mädchen, sondern auch Männer vergewaltigte oder vergewaltigen ließ. Sex sei eine Waffe gewesen in der Gaddafi-Ära, so das Fazit von Cojean.
Dabei entblödet sich die französische Schreibtischtäterin nicht, als Beispiel die bekannte „Viagra-Lüge“ von 2011 anzuführen: ein Propagandastück aus der Giftküche der NATO-Nazis, die mit derlei Scheußlichkeiten ihre völkerrechtswidrigen Massaker am libyschen Volk legitimieren wollten. Die westliche Presse und US-Außenministerin Hillary Clinton behaupteten nämlich damals, der böse Gaddafi läßt seine Regierungstruppen mit Viagra ausrüsten, um planmäßige Vergewaltigungen an den Familien von „Oppositionellen“ durchführen zu lassen. Als Beweis diente eine (!) Großpackung Viagra, die – fast unversehrt – in einem völlig ausgebrannten Panzer der Regierungstruppen gelegen hatte. Schon damals konnte nur Schwachsinnige diese Propagandalüge glauben und mittlerweile ist den Mainstream-Medien ihre Berichterstattung von damals so peinlich, dass sie zu diesem Thema lieber komplett schweigen.

Die inzwischen 22-jährige Soraya, wie das vorgebliche Opfer heißen soll, welches Cojean für das Buch interviewt hat, ist aber offenbar die einzige Zeugin, welche die französische Journalistin ausfindig machen konnte. Warum wohl?
Echte Beweise für die Aussagen Sorayas präsentiert Cojean nicht, lediglich vage Indizien. Ähnlich erging es der RTL-Klatschbase Antonia Radas, die sich letztes Jahr an einem ähnlichen Thema erfolglos abarbeitete. Hinzu kommt, daß im Nachkriegslibyen für ein paar hundert US-Dollar oder ein Visum in die EU nahezu jeder bereit ist, irgendetwas in die Kamera zu erzählen. Dies nur am Rande.

Betrachten wir uns die Journalistin Cojean einmal genauer. Sie ist laut Wikipedia „Mitglied der Fondation franco-américaine zur Pflege der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich“ und gehört damit selbst zum NATO-Klüngel, der ein Interesse daran hat, die Zeit vor 2011 in einem möglichst dunklen Licht erscheinen zu lassen. Cojean hat den NATO-Kriegern damit einen großen Propaganda-Dienst erwiesen und man sollte die Karriere dieser Frau genau beobachten – möglicherweise taucht sie bald in einer transatlantischen Denkfabrik („Think Tank“) o.ä. als neue Mitarbeiterin in einem hochdotierten Posten oder als externe Beraterin auf.

Einen wichtigen Punkt läßt Cojean völlig außen vor: dass mit Vergewaltigungen von jungen Frauen in muslimischen Ländern die Ehre der ganzen Familie beschmutzt wird und dass diese nur durch Blutrache wiederhergestellt werden kann. Die Väter, Brüder oder Cousins der Opfer hätten Gaddafi, der oftmals nur mit einem kleinen Stab von Begleitern in Tripolis umherlief und selbst zur Zeit der Bombenangriffe im offenen Wagen durch die Hauptstadt fuhr, längst ermordet, wenn Sorayas Geschichte stimmen würde.

Die Persönlichkeit des libyschen „Führers“ Gaddafi ist schwer zu definieren. Während ihn Cojean als diabolischen Sex-Diktator darstellt, gibt Gaddafis früherer Leibkoch, ein Serbe, in einem langem Video-Interview ein ganz anderes Bild von seinem früheren Chef – nämlich das von einem völlig stinknormalen, relativ bescheidenen Familienvater.

Fest steht, daß Gaddafi in seinen jüngeren Jahren trotz dessen, daß er verheiratet war, wohl die eine oder andere Affäre gehabt haben soll –u.a. mit Imelda Marcos, der First Lady der Philippinen. Damals war er ein äußert attraktiver Mann und viele Frauen – auch aus anderen Teilen der Welt – schwärmten für ihn. Mit dem Alter veränderte und deformierte sich sein Aussehen auf eine recht rätselhafte Weise, so dass er wohl weniger anziehend auf die Damenwelt wirkte.

Im Alter soll er sich aber eher als „Sugar Daddy“ gegeben haben, wie eine seiner Leibwächterinnen 2011 in der Sächsischen Zeitung berichtete. Seine Leibwächterinnen sollten ihn „Papi“ nennen und er genoß es, von den jüngeren Frauen umgeben zu sein.

Ein sehr persönliches Porträt – wohl das beste, weil es aus erster Hand stammt – zeichnet die österreichische Reporterin Renate Poßarnig in ihrem Buch „Gaddafi – Entfant terrible der Weltpolitik“. Nachdem ihr Ende der 70iger Jahre ein Interview mit Gaddafi verwehrt worden war, konvertiert die Katholikin zum Islam und erregt damit Gaddafis Aufmerksamkeit. Er lädt sie ein und sie lebt mehrere Wochen bei ihm. Als er sich in sie verliebt, wird es ihr unheimlich und sie verläßt das Land. Gaddafi ist gekränkt, aber weder hetzt ihr der Verschmähte ein Todeskommando nach, noch hat er sie vergewaltigt.
Poßarnig beschreibt Gaddafi als gläubigen Muslim, als religiösen Menschen, der sehr impulsiv sein kann.

Also wenn jemand ein lesenswertes Buch über die Person des früheren libyschen Staatschefs sucht, dann kann ich ihm dieses nur empfehlen:
Renate Poßarnig: „Gaddafi – Entfant terrible der Weltpolitik“.
Gibt es noch gebraucht bei Amazon u.ä..

Wer etwas über den NATO-Krieg und die wirklichen Kriegsgründe gegen Libyen erfahren möchte, dem sei Paolo Sensinis Buch „Es war einmal Libyen“ zur Lektüre anempfohlen.

Eine Frage bleibt noch! Wenn Cojean wirklich an das glaubt, was ihr „Soraya“ erzählt hat, warum verweist sie dann nicht auf einen historischen Zusammenhang, nämlich dass bereits der von Gaddafi 1969 gestürzte König Idris I. ein Pädophiler war, der sich einen Knabenharem hielt, was sogar aktenkundig belegt ist? Ach, ich vergas: der darf das. Er überlies das libysche Erdöl den westlichen Ölkonzernen fast zum Nulltarif.

Christin Seibt
15.4.2013

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