Frankreich
plant seine nächste Intervention auf dem schwarzen Kontinent
Diesmal erwischt es die Zentralafrikanische Republik
29.11.2013.
Im
März diesen Jahres wurde der Präsident der Zentralafrikanischen Republik (ZAR),
Francois Bozize, durch die Rebellenallianz „Seleka“ gestürzt. Bozize hatte sich
2003 selbst an die Macht geputscht – wohl auch mit dem Wohlwollen Frankreichs –
war aber bei der alten Kolonialmacht später in Ungnade gefallen, da er
beträchtlichen Eigensinn entwickelte. So baute er die Kontakte zu China und
Südafrika aus und privatisierte den staatlichen Erdölkonzern, was den
uneingeschränkten Einfluß des französischen Öl-Multis „Total“ zunichte machte.
Man muß wissen, daß seit der Unabhängigkeit 1960 alle Herrscher in der ZAR mehr
oder weniger von Paris an der kurzen Leine gehalten wurden und man sieht es in
der französischen Hauptstadt nicht gern, wenn sich die Machthaber in Bangui
eine eigenständige Meinung erlauben. Deswegen griffen auch die französischen
Truppen nicht ein, als Bozize sie im März um Hilfe gegen die Rebellen rief –
genauso wenig wie die USA. Sie evakuierten sogar ihre Botschaft. Auch der
tschadische Präsident Idriss Déby ließ seinen Verbündeten Bozize im Stich. 2003
hatten tschadische Truppen erst den Putschisten die nötige Schlagkraft gegeben,
um die Macht zu übernehmen und sprangen Bozize in den letzten Jahren mehrfach
bei. Auch jetzt stoppten sie die erste Angriffswelle der Seleka, doch nach
einem mißglückten Friedensabkommen, stellte sich auch Déby einer Machtübernahme
der Seleka nicht länger in den Weg. Entweder hatte ihn Paris zurückgepfiffen,
denn auch im Tschad hat die Neo-Kolonialmacht großen Einfluß oder aber der als
genialer Stratege und skrupelloser Taktiker bekannte Déby hatte einfach
erkannt, daß der zentralafrikanische Präsident und seine zerfallende Armee
nicht mehr zu halten sind. Zum Schluß kämpften nur noch 200 südafrikanische
Soldaten heldenhaft für Bozize, doch sie reichten nicht aus, um dem Verbündeten
zu helfen.
Die Seleka ist ein loses Zweckbündnis von vier
Rebellengruppen. Ihr Führer Michel Djotodia rief sich selbst zum Präsidenten
aus, doch verlor er bald die Kontrolle über seine Truppe. Der gemeinsame Wunsch
nach dem Sturz Bozizes hatte die Truppe zusammengehalten. Nachdem der
Machtwechsel vollzogen war, fiel sie wieder auseinander. Hinzu kamen zahlreiche
marodierende Milizionäre und allerlei zwielichtiges Gesindel, welches sich der
Seleka auf ihrem Marsch in die Hauptstadt angeschlossen hatte, um dort
„abzukassieren“. Die Kämpfer der neuen Machthaber plünderten, stahlen,
vergewaltigten und ermordeten. Der hilflose Djotodia – offenbar hatte Déby mit
ihm auf das falsche Pferd gesetzt – und sein Kabinett hatten keinerlei Einfluß
auf die Truppe und lebten selbst in Angst vor den Marodeuren. Es war eine Situation,
die an die Meutereien der Force Publique im Kongo kurz nach der Unabhängigkeit
1960 erinnerte.
M23-Rebellen
aus dem Kongo sollen zentralafrikanische Regierung beraten
Mittlerweile hatte sich Djotodia Unterstützung von
ungeahnter Seite geholt. Offiziere der im November 2013 besiegten Rebellenarmee
Bewegung des 23. März (M23) aus der
benachbarten Demokratischen Republik Kongo, sollten die ZAR-Regierung beraten,
wie man aus dem Seleka-Haufen eine disziplinierte Truppe macht. Die M23 galt
als kampferprobt, effektiv und diszipliniert und konnte der verlotterten
kongolesischen Regierungsarmee FARDC lange stand halten, wurde aber letztlich
mit Hilfe von UNO-Truppen und High-Tech-Waffen besiegt.
Zur gewalttätigen Situation in der ZAR kommt noch eine religiöse
Komponente: während die Seleka-Kämpfer aus dem Norden des Landes stammen und
hauptsächlich Muslime sind, stammen die Anhänger Bozizes aus dem Landessüden
und sind Christen. Viele von ihnen haben jetzt eigene
Selbstverteidigungsmilizen gegründet und setzen sich mit primitiven Waffen
gegen die vermeintlichen „Regierungstruppen“ zu Wehr.
Nun will Frankreich rund 1.000 Soldaten – zusätzlich zu den
450 die bereits schon im Land sind und bisher nichts gemacht haben – in die ZAR
entsenden, um „die Ordnung wieder herzustellen“. Wenn dem nur so wäre, könnte
man ja halbwegs zufrieden sein. Es stimmt aber nachdenklich, daß sich der
Westen immer stärker militärisch in Afrika festsetzten will und den gewachsenen
chinesischen Einfluß in Afrika zurückdrängen will. Das erklärt auch, warum sich
Frankreich um die „Ordnung“ keine Sorgen machte, als Bozize gestürzt wurde,
aber nun plötzlich doch, als es darum geht die Regierung Djotodia zu retten.
Diese ist offenbar pro-französischer eingestellt und Djotodia hat laut TAZ die
Franzosen selbst um Hilfe gebeten. Erinnern wir uns an das Jahr 2011, als in
der Elfenbeinküste der (knapp) wiedergewählte unbequeme sozialistische
Präsident Laurent Gbagbo mit Hilfe von internationalen Truppen und dem
pro-französischen Warlord Alessane Ouattara (ein Duz-Freund von Sarkozy)
gestürzt wurde oder an Libyen, wo Revolutionsführer Muammar al-Ghaddafi
ermordet und das ganze Land durch die NATO zerbombt wurde. Auch hier war Paris
an vorderster Front tätig. Nach und nach schalten die westlichen Nationen
afrikanische Herrscher aus, die nicht nach der Pfeife des transatlantischen
Machtkartells tanzen. Tschads Präsident Idriss Déby hat dies bereits erkannt
und versucht als afrikanischer Feldherr für die Franzosen unentbehrlich zu
werden, während er allerdings im eigenen Land durch sein Militär die
islamistischen Fußtruppen des Westens kleinhalten läßt.
Derzeit werden in unseren Medien namenlose, anonyme
„Beobachter“ zitiert, die einen „Genozid“ in der ZAR herbeifabulieren. Auch die
US-amerikanische „Nichtregierungsorganisation“ Human Rights Watch (HRW), welche
Gelder von der US-Regierung erhält, schlägt Alarm. Aufgrund der
propagandistischen Reklame, die HRW für den Libyen-Krieg mit Lügen oder
Übertreibungen machte, ist die Glaubwürdigkeit dieser Gruppe in Zweifel zu
ziehen. Der französische Außenminister Laurent Fabius bezeichnet die ZAR als
„staatenloses Gebiet“ und spinnt die „gefährlichsten Milizen Afrikas“ herbei.
So sollen sich nicht nur die sudanesischen Reitermilizen der „Djanjawid“ und die
christlich-fundamentalistische „Widerstandsarmee des Herren“ (LRA) aus Uganda,
sondern auch islamistische Kämpfer aus Libyen, Mali und Nigeria in der ZAR
tummeln. Alles was man braucht, um eine Intervention zu rechtfertigen – welch
ein Zufall!
K. Hanisch
November 2013
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