Dienstag, 24. September 2019



England, Libyen und die Friedensbewegung

London. Alles, was 2011 die britische Friedensbewegung und Jeremy Corbyn über die schlimmen Folgen des Libyen-Krieges voraussagten, traf ein. 


Der britische Morning Star veröffentlichte im April 2019 einen Beitrag von Kevin Ovenden, der 2011 für die britische Stop the War Coalition tätig war. Hier der leicht überarbeitete Artikel:
Vor acht Jahren, im März 2011, sagte der damalige britische Premierminister David Cameron auf der „Libyen-Konferenz“ in London: „Unsere Botschaft lautet: Libyen stehen bessere Tage bevor ... ein Neuanfang für Libyen ist in greifbarer Nähe und wir werden dabei helfen.“
Cameron verwies auf die Resolution des UN-Sicherheitsrats. Doch dessen eng begrenzte Einsatzvorgaben wurden bereits am ersten Tag der Bombardierung Libyens durch Frankreich, Großbritannien und die USA missachtet. Der offensichtlich angestrebte Regimewechsel stand ganz klar im Widerspruch zu internationalem Recht.

In Großbritannien störte dies außerhalb der Friedensbewegung kaum jemanden. Nur ein Dutzend Abgeordnete unter Führung von Jeremy Corbyn stimmte gegen den Kriegseinsatz. So gut wie jede britische Tageszeitung, mit Ausnahme des Morning Star, unterstützte begeistert diese „humanitäre Intervention“, die auch laut des damaligen französischen Außenministers Alain Juppe angeblich ein „Massaker in Bengasi“ verhindern sollte. Die Luftwaffe der großen Nato-Staaten beim Einsatz für eine fortschrittliche Revolution des Volkes. Ganz wunderbar!

Muammar Gaddafi wurde gestürzt und gelyncht und Cameron ließ sich mit handverlesenem Publikum in Bengasi werbewirksam fotografieren. Er sah aus, als wolle er die Rolle von Anthony Quinn im Film „Der Löwe der Wüste“ übernehmen.
Und wie es die Stop-the-War-Bewegung schon vorausgesagt hatte, richteten sich die Kameras nun auf Syrien, wo Cameron sich dafür einsetzte, dass sich Großbritannien im Namen der Humanität stärker in das Kriegsgeschehen um einen erneuten Regimechange einbringen sollte. Nach Libyen sollte auch Syrien „der Hölle entrissen“ werden.

Acht Jahre später: Im April 2019 wurden die US-Streitkräfte mit Schiffen aus Tripolis evakuiert. Die Libysche Nationalarmee unter Feldmarschall Haftar belagert Tripolis, um gegen die dort vorherrschenden Milizen zu kämpfen, die eine lachhafte ‚Einheitsregierung‘ bilden, die kaum mehr als die Innenstadt von Tripolis kontrolliert.
Der einzig funktionierende Flughafen der Hauptstadt Tripolis musste geschlossen werden, Ausländer sind evakuiert. Die Kämpfe um Tripolis dauern an.

Doch dies stellt wahrlich nicht den Tiefpunkt dar, den das Chaos in Libyen erreicht hat, soweit man diesen zerstörten Staat überhaupt noch als Libyen bezeichnen mag. Chaos und Kämpfe rivalisierender Milizen sind seit dem Sturz Gaddafis durch die westliche Intervention für das Land bezeichnend geworden.
Ohne Rückbesinnung auf das, was sie vor acht Jahren sagten, bringen heute BBC-Nachrichten Berichte von Warlords, die das Land, das in seine Bestandteile zerlegt wurde, beherrschen.
Dies genau hatte die Friedensbewegung vorausgesagt. Jegliche zivile Revolte gegen eine autoritäre Herrschaft wurde durch die Nato-Intervention und den herbeigeführten Regimewechsel gestoppt. Stattdessen arbeitete der Westen mit Reaktionären zusammen, deren Denkweise sie zwar nicht verstanden, aber glaubten, sie würden ihren Interessen dienen.

Ab dem Moment als Cameron und seine Kumpane zum Sturz Gaddafis aufgerufen hatten, gab es in Libyen keinen einzigen Tag, an dem Frieden herrschte. Dafür erreichten uns erschreckende Bilder von Migrantenlagern für Schwarzafrikaner, die unter der Kontrolle von Milizen standen. Die EU-Festung hatte ihre Verteidigung an Vergewaltiger, Folterer und Sklavenhändler ausgelagert, so jedenfalls beschreiben dies UN-Flüchtlingsorganisation und internationale Hilfsorganisationen.
Wie richtig 2011 die Friedensbewegung mit ihrer Einschätzung der Situation in Libyen lag, bestätigte im September 2016 ein Bericht, den ein von den britischen Torys dominierter Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten erarbeitet hatte, und in dem Camerons Krieg verurteilt wurde.[1] Dieser Bericht ist schon wieder in Vergessenheit geraten, was als Hinweis dafür gelten kann, dass die Führung der Labour-Partei durch Jeremy Corbyn vom britischen Establishment und seinen Medien in Frage gestellt wird.
In dem Bericht heißt es zum Ergebnis der französischen, britischen und US-amerikanischen Intervention in Libyen: „politischer und wirtschaftlicher Zusammenbruch, gewalttätige Zusammenstöße zwischen Milizen und Stämmen, humanitäre Krisen und Migrationskrisen, umfassende Menschenrechtsverletzungen sowie die Verbreitung von Waffen des Gaddafi-Regimes in der gesamten Region und die Ausbreitung des IS in Nordafrika.“

Welche Verbindungen zwischen Libyen und IS-Terroristen bestanden, zeigte sich auf tragische Weise 2017 beim Manchester-Attentat.[2]
Inzwischen hatten französische Journalisten aufgedeckt, dass die damalige Behauptung Juppes, die sich auf Aussagen von Bernard Henri-Levy stützte, nämlich dass in Bengasi ein Massaker an der Zivilbevölkerung kurz bevor stand, von den französischen Geheimdiensten nicht bestätigt werden konnte, ebenso wenig von den britischen. Dazu der Bericht des Ausschusses: „Wäre der Schutz der Zivilbevölkerung in Bengasi das Hauptziel der Intervention gewesen, wäre dieses Ziel im März 2011 in weniger als 24 Stunden erreicht worden.“ Dies heißt, „dass eine begrenzte Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung zu einer opportunistischen Politik des Regimewechsels mit militärischen Mitteln führte.“
Weit davon entfernt, humanistische Zwecke zu verfolgen, gab es laut dem Bericht keine Planung für einen zivilen und sozialen Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Der Krieg wurde tatsächlich bis heute nicht beendet. Stattdessen kam es zu einer nicht enden wollenden Abfolge von internationalen Konferenzen und diplomatischen Intrigen; ein Gleichgewicht der Barbarei zwischen den Dutzenden von Parteien sollte hergestellt werden.

Tatsächlich wurden bisher nur zwei Ziele wirklich verfolgt: Zum einen die Kontrolle über die libysche Ölindustrie so zu organisieren, dass sie Unternehmen wie der italienischen ENI zum Vorteil gereicht; zum anderen, mit barbarischen Methoden Migranten, deren Leben durch imperialistische Militär- und Wirtschaftspolitik zerstört wurde, davon abzuhalten, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen.
Die Rivalitäten zwischen den Großmächten und den Regionalmächten wurde auf diese Art weiter befeuert. Die ehemaligen nordafrikanischen Kolonialmächte Frankreich und Italien hielten in Paris und Palermo rivalisierende „Friedenskonferenzen“ ab und unterstützen rivalisierende Kriegsparteien.
Frankreich sah in Haftar den potenziell starken Mann, der zumindest auf dem Papier eine Integration des Landes (als „neuer Gaddafi“) erzwingen und vor allem die militärischen Anstrengungen Frankreichs in der Region unterstützen könnte, immer unter dem Vorwand, den islamistischen Extremismus zu bekämpfen. Ägypten und Saudi-Arabien unterstützen Haftar aus ähnlichen Gründen.
Frankreich hat in der Sahelzone südlich und westlich von Libyen 4.500 Soldaten stationiert, die von deutschen Truppen unterstützt werden. In Mali herrscht ein verdeckter Krieg, in dem neben französischen und deutschen sogar Spezialkräfte aus Irland im Einsatz sind. Da Irland kein Nato-Mitglied ist und angeblich eine friedliche Außenpolitik verfolgt, geschieht dies im Namen der europäischen Einheit. Dies zeigt, dass europäische Militäreinsätze keinen Deut besser als US-amerikanische sind.
Italien hat auf die instabilen Milizen im ölreichen Westen Libyens gesetzt. Sie sollen Flüchtlinge daran hindern, nach Europa zu kommen. Für ENI handelte Italien begünstigte Ölverträge aus.
Das Ergebnis des Libyenkrieges von 2011 ist ein gescheiterter Staat, in dem konkurrierende Kräfte in wechselnden Bündnissen mit reaktionären Milizen versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Wie Barack Obama betonte, verloren Großbritannien und Cameron schnell das Interesse an Libyen – auch wenn die britische Regierung versuchte, in Tripolis im Spiel zu bleiben.
Gerade stürzt das Kartenhaus ein.

In Großbritannien ist eine Aufarbeitung des Libyen-Krieges angebracht; als Anfang wäre eine von der Opposition geführte Debatte im Unterhaus denkbar. Wichtiger noch ist die Stärkung der Friedensbewegung und ihre Verankerung in der Arbeiterbewegung und der Gesellschaft.
Die heutigen echten Volksaufstände in Algerien und im Sudan zeigen, dass die Prozesse, die den „arabischen Frühling“ ausgelöst haben, andauern. Sie stehen für eine historische Periode jenseits des unmittelbaren Auf und Ab von Revolutionen und Gegenrevolutionen und den Bemühungen, diese nicht ausufern zu lassen.
Eine weitere politische Kontinuität zeigt sich in den vielfachen Interventionen, die mit dem „Krieg gegen den Terror“ eine neue Stufe erreicht haben. Auch hier müssen falsche Behauptungen als Begründung für „humanitäre“ Interventionen herhalten. Es kommt zu Sanktionen, Bombenangriffen, Kriegen, Unterstützung für bestimmte Regime oder Dämonisierung von Gegnern.

Die Linke war vor acht Jahren zu sehr der Idee aufgesessen, dass nur dieses eine Mal und nur in diesem speziellen Fall eine Intervention der Großmächte einem fortschrittlichem Wandel dienlich sei. Dieser Fehler sollte nicht wiederholt werden.

Die britische Friedensbewegung hatte Recht mit Libyen – sie hatte auch Recht mit dem Irak, mit Afghanistan, mit Syrien... Heute nun geht es um den Jemen und um die Aggressionspolitik gegen den Iran.
https://morningstaronline.co.uk/article/anti-war-movement-has-been-utterly-vindicated-over-libya
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[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/bericht-ueber-die-libyen-intervention-von-2011
[2] https://www.freitag.de/autoren/gela/gb-naeh

Donnerstag, 19. September 2019



Skandal um libysche Pässe für Tschader

Libyen/Tschad/Aouzou. Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Fatih Bashagh, verteilt unrechtmäßig libysche Pässe an Bürger des Tschad. 


Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ gewährt ohne Rücksprache mit den obersten libyschen Justiz- und Gesetzgebungsbehörden den im Aouzou-Streifen Geborenen libysche Staatsbürgerrechte. Diesen Personen ist es somit möglich, sich libysche Pässe ausstellen zu lassen.
Diese Anordnung Bashaghs wurde nicht über die offizielle Website des Innenministeriums bekanntgegeben, sondern sickerte bei Facebook durch und wurde vom Bürovorsteher des Innenministeriums bestätigt. Die Pass-, Staatsangehörigkeits- und Ausländerbehörden erhielten den Auftrag, die entsprechenden Maßnahmen zur Ausstellung der Dokumente zu ergreifen.
Die meisten Bewohner des Aouzou-Streifens sind Angehörige des Tibu-Stammes, Tibu-Raschada genannt. Sie waren im letzten Monat an den Kämpfen um Murzuk beteiligt, bei der viele Familien aus Mursuk vertrieben wurden.

Der Aouzou-Streifen
Der Aouzou-Streifen ist ein äußerst heikles Thema. Er erstreckt sich entlang der Grenze zwischen Libyen und dem Tschad und ist reich an Bodenschätzen wie Uran und Eisenerzen. Erst in jüngster Zeit wurden dort auch riesige Vorkommen an Gold und Edelsteinen entdeckt. Ursprünglich gehörte laut den von den Kolonialmächten mit dem Lineal gezogenen Grenzen der Aouzou-Streifen zu Libyen, allerdings hatte der 1960 unabhängig geworden Tschad seine Ansprüche daran nicht aufgegeben. Dahinter stand der Wunsch Frankreichs, weiterhin die Kontrolle über die Uranlagerstätten im Tschad zu behalten.
In den 1970er und 1980er Jahren kam es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen. Frankreich griff in die inneren Konflikte des Tschad ein und mit französischer und US-amerikanischer Unterstützung konnte die damalige tschadische Regierung unter Habré einen Sieg über Libyen erringen. 1981 zog sich Libyen aus dem Aouzou-Streifen zurück.
Doch erst 1994 konnte der Konflikt zwischen Libyen und dem Tschad endgültig beigelegt werden als der Internationale Gerichtshof den Aouzou-Streifen dem Tschad zusprach und Libyen dieses Urteil anerkannte. Seitdem wird der gesamte Aouzou-Streifen, das Gebiet und seine Bewohner, als integraler Bestandteil der Republik Tschad betrachtet. Beide Länder unterzeichneten einen Freundschaftsvertrag unter Anerkennung ihrer gemeinsamen Grenze.

Ab August 1996 wurden vom damaligen Allgemeinen Volkskomitee Maßnahmen ergriffen, die sicherstellten, dass die Bürger des Aouzou-Streifens, egal, ob sie sich im Aouzou-Streifen oder in Libyen aufhalten, ausländische Staatsbürger sind und keinen Anspruch auf libysche Staatsbürgerrechte haben, da sie zu einem anderen Land gehören. Das Allgemeine Volkskomitee bestätigte seine Entscheidung im Jahr 2006. Weder das Allgemeine Volkskomitee noch die Regierungen nach 2011 haben bisher anderslautende Beschlüsse gefasst.
Dies heißt, dass nach geltendem Recht keinem Bürger des Aouzou-Streifens die libysche Staatsbürgerschaft zugesprochen werden kann, genauso wenig wie er berechtigt ist, libysche Nationalidentifikationsnummern zu erhalten.

Es fragt sich, auf welcher Rechtsgrundlage der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ Bashagha entschied, libysche Pässe an Personen zu vergeben, die eine libysche Identifikationsnummer haben, die sie überhaupt nicht haben dürften, da sie nach internationalem Recht keine Libyer sind, sondern tschadische Staatsbürger.
Bezüglich der Klage über die Verweigerung der libyschen Staatsbürgerschaft für die Bewohner des Aouzou-Streifens hatte im August 2016 der Oberste Gerichtshof in Tripolis eine Entscheidung gefällt. Der Oberste Gerichtshof bestätigte, dass der Aouzou-Streifen aufgrund des Urteils des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und aufgrund der Zustimmung der Regierungen der beiden Länder zum Staatsgebiet des Tschad gehört und dass somit weder für den Aouzou-Streifen noch für seine Bewohner Bindungen mit dem libyschen Staat existieren. Dementsprechend existiert auch kein Recht auf libysche Ausweispapiere, einschließlich Führerscheine und Personalausweise.

Wie also kann ein Minister, dessen Regierung weder legal durch Wahlen an die Macht gekommen ist, noch dem je das Vertrauen des Parlaments ausgesprochen wurde, sich erdreisten, alle vorherigen Entscheidungen, die bezüglich des Aouzou-Streifens und seiner Bewohner getroffen wurden, außer Kraft zu setzen?
Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Bewohner des Aouzou-Streifens für ihr Unruhestiften im südlichen Libyen vom Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis mit libyschen Pässen belohnt werden.
https://almarsad.co/en/2019/09/13/bashagha-violates-the-supreme-court-and-icj-on-a-national-security-case/



Unhaltbare Zustände im Mitiga-Gefängnis

Libyen. Aus der Haftanstalt Entlassene berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und menschenunwürdigen Haftbedingungen. Sie fordern ein internationales Tribunal. 


Der Leidensweg von Kapitän Vladimir Tekuchev sowie einem weiteren russischen Staatsbürger, fünf Ukrainern und einem Griechen begann Ende Juni 2016, als ihr Schiff etwa 27 Kilometer von der libyschen Küste entfernt von der Tripolis-Küstenwache aufgebacht wurde und die Schiffsbesatzung in Gefangenschaft kam.

Während der Festnahme bedrohten die Kidnapper die Schiffsbesatzung mit vorgehaltener Waffe und forderten ein Lösegeld in Höhe von einer Million US-$. Laut dem Kapitän wurden den Seeleuten alle Wertsachen abgenommen, darunter Geld und Mobiltelefone. Am Vorabend der Verhaftung der Seeleute hatten russische Menschenrechtsaktivisten der ‚Einheitsregierung‘ Folter und Entführung vorgeworfen.
Die anschließend wegen Ölschmuggels zu fünf Jahren Gefängnis verurteilten Seeleute wurden nach drei Jahren aus der Haft entlassen.

Kapitän Tekuchev prangerte jetzt öffentlich die menschenunwürdigen Zustände in den Haftanstalten an. Schwere Menschenrechtsverletzungen, unter denen auch inhaftierte Ausländer zu leiden haben, seien dort an der Tagesordnung. Der Kapitän sagte, viele Menschen seien grundlos inhaftiert, in den überfüllten Gefängnissen werde gefoltert und es sei oft nicht möglich, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch die hygienischen Zustände seien schlimm, es gebe nicht einmal Bettwäsche.
Besonders unerträglich seien die Zustände im Mitiga-Gefängnis, das sich auf dem östlich von Tripolis gelegenen Mitiga-Flughafengelände befindet.

Kapitän Tekuchev sagte in einem Interview, dass sich seine Matrosen im Mitiga-Gefängnis eine Zelle, die nicht größer als zwölf Quadratmeter war, mit 27 und mehr Gefangenen teilen mussten. Die Größe von Einzelzellen habe nur eineinhalb Quadratmeter betragen, so dass sich der Gefangene nicht einmal ausstrecken konnte.
Im Mitiga-Gefängnis waren auch die beiden im Mai in Tripolis festgenommenen Soziologen Maxim Shugaley und Samer Hasan Ali von der Russischen Stiftung zum Schutz nationaler Werte untergebracht. Ihnen war vorgeworfen worden, die nächsten Wahlen in Libyen, deren Abhaltung noch völlig offen ist, beeinflussen zu wollen. Beide wurden im Mitiga-Gefängnis gefoltert.

Wie Kapitän Tekuchev erklärte, gibt es noch viele andere Ausländer, die sich in libyschen Gefängnissen in ähnlichen Situationen befinden. Bekannt ist der Fall eines französisch-italienischen Geschäftsmanns, eines potenziellen Investors. Er litt an Tuberkulose und wurde während seines Gefängnisaufenthaltes regelmäßig geschlagen.
Bei einigen Insassen waren die Gründe für die Festnahme völlig unverständlich. So wurden beispielsweise alle Passagiere eines internationalen Fluges, der in Tripolis notlanden musste, inhaftiert.
Wie die Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen berichten, werden derzeit in Libyen über 5.000 Ausländer, darunter auch Flüchtlinge und Migranten, in Haftanstalten festgehalten, für die die ‚Einheitsregierung‘ verantwortlich zeichnet. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, sagte erst kürzlich vor dem UN-Sicherheitsrat: „Ich fordere den Sicherheitsrat dringend dazu auf, an die Behörden in Tripolis zu appellieren, die lange verzögerte, doch dringend gebotene Entscheidung zu treffen, die in diesen Zentren inhaftierten Personen freizulassen.“
Darüber hinaus plädieren die ehemaligen Insassen für die Abhaltung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung der begangenen Verbrechen.

http://www.addresslibya.com/en/archives/50036

Montag, 16. September 2019





Misrata: Trojanisches Pferd der Türkei

Libyen/Türkei. Seit jeher versuchten die Bewohner von Misrata ebenso wie die anderen türkisch-stämmigen Libyer ihr eigenes politisches Süppchen zu kochen. 

Unter dem Titel „Sind die libyschen Türken Ankaras trojanisches Pferd?“ untersucht der türkische Autor Fehim Tastekin auf Al-Monitor die Rolle der türkisch-stämmigen Libyer. Tastekin kommt zu dem Schluss, dass in Libyen die Nachkommen der Osmanen wichtige Verbündete der Türkei sind, die aber kein einheitliches politisches oder militärisches Lager bilden. Allerdings geht aus dem Artikel klar hervor, dass sich die Nachkommen der Osmanen heute immer noch als Türken und nicht als Libyer verstehen, egal ob sie mit der Moslembruderschaft oder mit der säkular ausgerichteten Türkei sympathisieren.

Wie bekannt, unterstützt die Türkei militärisch die Milizen von Tripolis und Misrata, die gegen die LNA und Feldmarschall Haftar kämpfen.

Sowohl beim Kampf gegen Muammar al-Gaddafi als auch beim gegenwärtigen Kampf gegen die LNA unter Haftar spielten und spielen die Stadt Misrata mit ihren osmanischen Nachkommen eine tragende Rolle. Diese Nachkommen verstehen sich als die „Enkel von Mustafa Kemals Gefährten, die den Geist von 1911 lebendig halten“. Dies soll laut Tastekin ein Hinweis auf die Kämpfe gegen die italienische Invasion in Libyen sein, die allerdings bekanntlich mit dem kompletten Rückzug der Osmanen angesichts der militärischen Überlegenheit der Italiener endete. Es kann aber auch als Hinweis dafür verstanden werden, dass diese Nachkommen des Osmanischen Reiches immer noch für den Anspruch stehen, die
Dazu passt, dass der Autor Fehim Tastekin ganz offen die Frage stellt, ob die Existenz der türkisch-stämmigen Libyer die Intervention der Türkei in Libyen rechtfertige. Er verweist dann auf deren politische und militärische Fragmentierung. Doch egal, ob sich die türkisch-stämmigen Libyer der Moslembruderschaft oder sonst jemanden zugehörig fühlen, der starken Bindung an die Türkei tut dies keinen Abbruch.
Laut Tastekin haben türkisch-stämmige Libyer 2015 die Libya-Koroglu-Vereinigung gegründet. Jedoch habe sich Ankara leider für die Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft entschieden und jene türkisch-stämmigen Libyer, die islamistische Gruppen ablehnen, ignoriert.

Koroglu werden jene Nachkommen osmanischer Soldaten genannt, die mit nordafrikanischen Frauen Familien gründeten. Die Nachkommen der Osmanen, die Libyen von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1912 beherrschten, leben heute hauptsächlich in Misrata, Tripolis, Zawiya, Bengasi und Derna.
Laut einem Mitglied der Libya-Koroglu-Vereinigung soll es rund 1,4 Millionen türkisch-stämmige Menschen in Libyen geben. Diese Zahlen erscheinen selbst Tastekin stark übertrieben, denn viele Osmanen gingen nach ihrer Niederlage Anfang des 20. Jahrhunderts zurück in die Türkei. Jene Osmanen, die in Libyen blieben, dürften sich zwischenzeitlich mit der angestammten libyschen Bevölkerung vermischt haben. In Misrata sollen sie drei Viertel der Stadtbevölkerung bilden. Zu erwähnen bleibt, dass in Libyen kaum jemand Türkisch spricht.

Die Misrata-Bewohner sahen sich in der Gaddafi-Zeit stets in Opposition zur Dschamahirija-Regierung und waren deshalb recht unbeliebt. Sie waren in der Hauptsache als Händler, aber auch im Kleingewerbe tätig. Anfang 2011 war Misrata maßgeblich an den Kämpfen gegen die libysche Armee beteiligt. Die Stadt hatte sich sofort auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Geld, Waffen und dschihadistische Söldner strömten in die Stadt. Es waren auch Kämpfer aus Misrata, die für Gaddafis brutale Ermordung und Zurschaustellung seines Leichnams verantwortlich waren. Eine Nachbarstadt von Misrata ist Tawerga, die Heimat von meist dunkelhäutigen Libyern, die an der Seite Gaddafis standen. Misrata-Milizen gingen 2011 mit brutaler Gewalt gegen die Bewohner von Tawerga vor. Männer wurden ermordet, Frauen vergewaltigt, die übriggebliebenen Bewohner vertrieben, deren Häuser zerstört. Seither verhindert Misrata, dass die in Flüchtlingsunterkünften lebenden Bewohner in ihre angestammte Heimatgemeinde Tawerga zurückkehren können.
Einer der Kommandanten des dschihadistischen Libya Dawn, Wissam Bin Hamid, stammte aus Misrata. Er unterstützte die politische Agenda der Muslimbruderschaft und arbeitete mit dem al-Kaida-Ableger Ansar al-Scharia zusammen. Er wurde 2016 bei einem LNA-Luftangriff getötet.

Ein weiterer hochrangiger Milizenführer aus Misrata ist Salah Badi, welcher der al-Somoud-Miliz angehört. Badi, der zu Gaddafis-Zeiten in der Armee diente, wechselte 2011 die Seiten und kämpfte im Libya Dawn gegen die LNA, bevor er sich 2015 in die Türkei absetzte. Von dort kehrte er 2018 nach Tripolis zurück, kämpfte gegen die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch, wurde von der UN und den USA mit Sanktionen belegt, und zählt nach wie vor zu den Feinden der LNA.

Türkischer Abstammung sind auch Mukhtar al-Dschahawi, der gegen den IS in der Sirte-Region kämpfte und es nicht so eng mit Katar und der Türkei hält, ebenso wie Abdul Rauf Kara, Anführer der Special Deterrence Force (RADA), die den Mitiga-Flughafen bei Tripolis kontrolliert, und der zwar der Salafi-Madkhali-Bewegung angehört, bisher aber für die ‚Einheitsregierung‘ und gegen die LNA in Tripolis kämpft.
Auch der derzeitige Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Baschagha, stammt aus Misrata. Er gilt als der Mann der Moslembruderschaft mit engen Bindungen an Ankara. Ihm sind einige der Milizen (Mahdschoub und Halbous) direkt unterstellt.

Mohamed Sowan, Vorsitzender der Partei für Gerechtigkeit und Aufbau, dem politischen Flügel der Moslembruderschaft, ist ebenfalls türkischer Abstammung und gilt als „Erdogans Mann in Libyen“.
Hinter den Kulissen zieht der aus Misrata stammende Ali al-Sallabi die Strippen, der ebenfalls türkische Wurzeln hat. Er koordiniert die Waffenlieferungen und Geldzuwendungen aus Katar.

Abdel Rahman al-Suwayhili, der sich gut mit den Moslembrüdern versteht, gründete die Partei Union des Heimatlandes. Sein Neffe Ahmed Maitiq war 2014 kurzzeitig Ministerpräsident, bevor er 2016 stellvertretender Ministerpräsident der ‚Einheitspartei‘ wurde.
Die Vertreter der Libya-Koroglu-Vereinigung meinen laut Tastekin, sie seien in der ‚Einheitsregierung‘ nicht gut vertreten, obwohl as-Sarradsch selbst Türke wäre, aber leider zu schwach sei. Die Koroglu-Vereinigung ist gegen die Zusammenarbeit der Türkei mit den Moslembrüdern. Ihr großer Feind sei aber nicht die Moslembruderschaft, sondern nach wie vor die LNA und Haftar. Die Libya-Koroglu-Vereinigung sieht sich bei der „Verteidigung der Türkei“ an vorderster Linie.
Diese Aussage lässt aufhorchen. Besagt sie doch, dass sich die türkisch-stämmigen Libyer als Türken und nicht als Libyer sehen Und: Fajez as-Sarradsch, der jetzige Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, wird als „Türke“ bezeichnet. Wessen Interessen er in Libyen vertritt, steht somit außer Frage.
Und was erwartet die Libya-Koroglu-Vereinigung von der Türkei? Dass Ankara seine Allianzen in Libyen prüft. „Wir wollen natürlich nicht, dass die Türkei ihre militärische und logistische Unterstützung zurückzieht. Wir erwarten jedoch Unterstützung für unser Projekt.“ Die Vereinigung hat nämlich schon einen vollständigen Plan für Libyens Zukunft ausgearbeitet. Der „Plan“ umfasst die Legislative, Exekutive und Justiz sowie die Sicherheitsorgane und soll das osmanische Erbe in Nordafrika wieder aufleben lassen. Damit wäre die Herrschaft der Türken wieder perfekt. Und die Krönung: Libyen bekäme eine Nachbildung der Blauen Moschee von Istanbul.
Soweit die Träume in Misrata und Ankara, bei denen das restliche Libyen mit seinen arabischen, berberischen, Tuareg- und Tibu-Stämmen außen vor bliebe.
Der Artikel von Tastekin zeigt, dass die türkisch-stämmigen Libyer, die Nachkommen der osmanischen Besatzer, die Libyen fast 300 Jahre lang beherrschten, ihre Vertreibung aus Nordafrika vor mehr als hundert Jahren immer noch nicht verwunden haben und sich nach wie vor der angestammten Bevölkerung überlegen fühlen.
Die Nachkommen der Osmanen und die, die sich dafür halten, machen sich in Libyen durch solche Aussagen nicht beliebt. Dazu tragen auch andere Vorkommnisse seit 2011 bei, denn Misrata-Milizen taten sich nicht nur 2011 durch abscheulichste Grausamkeiten gegenüber Gaddafi-Leuten und dunkelhäutigen Libyern hervor, sondern verhielten sich auch 2014 besonders zerstörerisch bei den Kämpfen um die Hauptstadt Tripolis. So waren sie für die Verwüstung des Internationalen Flughafens und einer Umweltkatastrophe durch das Inbrandsetzen eines Ölcontainers verantwortlich. Nach 2014 tyrannisierten sie die Bewohner der Hauptstadt auf übelste Art und Weise, bis sie zum Verlassen der Stadt durch Tripolis-Milizen gezwungen wurden.
Und auch dies dürfte nicht vergessen sein: Am frühen Morgen des 18. Mai 2017 stürmten Kämpfer der Misrata-Miliz Third Force (auch 13. Bataillon), gemeinsam mit den inzwischen offiziell als terroristisch eingestuften Verteidigungsbrigaden von Bengasi (BDB) den LNA-Luftwaffenstützpunkt Brak-al-Schatti im nördlichen Fessan. Dabei wurden über 130 Personen massakriert, neben den Soldaten der LNA auch Köche und Reinigungspersonal. Die meisten Soldaten wurden durch Kopfschüsse getötet, andere habe man mit aufgeschlitzter Kehle gefunden. Es fanden auch Enthauptungen statt. Viele Leichen waren durch Schüsse in das Gesicht entsetzlich entstellt.
Die türkisch-stämmigen Libyer sind Ankaras trojanisches Pferd!
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https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/08/turkey-libya-are-libyan-turks-ankaras-trojan-horse.html
https://www.freitag.de/autoren/gela/die-rolle-der-tuerkei-im-libyen-konflikt
https://www.freitag.de/autoren/gela/osmanische-herrschaft-in-libyen
https://www.freitag.de/autoren/gela/tuerkei-dschihadisten-ziemlich-beste-freunde
https://www.freitag.de/autoren/gela/tawerga-stamm-erneut-opfer-von-milizen
https://www.freitag.de/autoren/gela/der-hilfeschrei-des-tawerga-stammes
https://www.freitag.de/autoren/gela/misrata-brigade-begeht-massaker-an-soldaten




Jahrestag - Gründung der Afrikanischen Union

Afrikanische Union. Zum 20. Jahrestag der Gründung der Afrikanischen Union trifft Gaddaf Addam eine AU-Delegation in Kairo. 


Am 9. September 1999 wurde in der libyschen Stadt Sirte auf Initiative von Muammar al-Gaddafi die Gründungsabsichtserklärung für eine Afrikanische Union (AU), die sogenannte Sirte-Deklaration, förmlich verabschiedet. Die Gründungsakte enthalten unter anderem Erklärungen zur Achtung der Menschenrechte und zur Souveränität der Mitgliedstaaten, die auf allen Gebieten miteinander kooperieren wollen. Die AU umfasst 55 Staaten und vertritt immerhin weit mehr als eine Milliarde Afrikaner. Unter Muammar al-Gaddafi war die Einführung einer einheitlichen, goldgedeckten Währung geplant.

Am Jahrestag der Gründung der AU, am 9. September, traf Ahmed Gaddaf Addam, ein Cousin von Muammar al-Gaddafi, in Kairo mit einer afrikanischen Delegation zusammen, die unter der Leitung von König Manda Bantu Masuka und Vertretern der fünf afrikanischen Regionen angereist war. Gaddaf Addam rühmte das loyale Festhalten an der Idee eines vereinigten Kontinents, für die Muammar al-Gaddafi stets gekämpft hatte.

Während des Treffens sollten die weitere Führung der Organisation sowie die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strategien festgelegt werden. Ahmed Gaddaf Addam hob noch einmal die auf Frieden ausgerichtete Natur der Organisation hervor, die darauf abziele, Beschränkungen im Personen- und Güterverkehr aufzuheben. Eine einheitliche afrikanische Regierung mit einen dauerhaften Sitz im UN-Sicherheitsrat werde angestrebt.

Die Delegation lud Ahmed Gaddaf Addam zur nächsten Konferenz ein und betonte, dass die Rolle Libyens bei der Gründung der Afrikanische Union nicht in Vergessenheit geraten werde.
https://specialelibia.it/2019/09/10/unione-africana-gaddaf-addam-incontra-delegazione-sultani-al-cairo/



Deutschland will Libyen-Konferenz ausrichten

Deutschland/Libyen. Im Herbst soll in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen erneut eine Libyen-Konferenz ausgerichtet werden. Voraussichtlich soll diese Konferenz in Berlin stattfinden.


Das kündigte der deutsche Botschafter für Libyen, Oliver Owcza, am Mittwoch auf Twitter an: „Deutschland hat bereits mit der Konsultation wichtiger internationaler Partnern begonnen. Bei ausreichenden Vorbereitungsarbeiten könnten diese Bemühungen im Herbst zu einem wichtigen Ergebnis führen.“
Auch bei der gestrigen Generaldebatte im deutschen Bundestag warnte Merkel in ihrer Rede vor der Entwicklung in Libyen, die ähnliche Ausmaße wie in Syrien mitsamt Stellvertreterkriegen annehmen könnte. Darum müsse die Staatlichkeit Libyens wiederhergestellt werden. Es müsse alles getan werden, um die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen und „Deutschland wird seinen Beitrag leisten“. Man müsse die Staatlichkeit in Libyen wieder herstellen, so schwierig dies auch sei. Laut Merkel könne durch die Lage in Libyen ganz Afrika destabilisiert werden.

Der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, hat bereits im vergangenen Monat Pläne für eine internationale Konferenz vorgestellt, auf der die ausländischen Staaten, die verschiedene gegeneinander kämpfende Gruppen unterstützen, zusammenkommen sollen. Das Ziel der Konferenz wäre es, ausländische Regierungen zur Durchsetzung eines bestehenden Waffenembargos und zu einem Waffenstillstand zu bewegen, damit erneut Gespräche über Machtverteilung und eventuelle Wahlen geführt werden könnten.
Es fand bereits im Mai 2018 in Paris eine Libyen-Konferenz statt, auf der man sich auf Wahlen geeinigt hatte, die niemals kamen, sowie eine zweite Libyen-Konferenz in Palermo im November 2019, bei der die Türkei protestierend vorzeitig die Verhandlungen verließ. Frankreich unterstützt die vom Osten aus agierende Libysche Nationalarmee (LNA) unter General Haftar, Italien die von Tripolis aus agierende ‚Einheitspartei‘ unter as-Sarradsch, die von Milizen und der Moslembruderschaft kontrolliert wird. Die LNA erhält hauptsächlich Unterstützung von Ägypten und den VAE, die ‚Einheitsregierung‘ von der Türkei und Katar.
Deutschland wird als neutraler Vermittler wohl für eine gute Idee gehalten, da sich Deutschland 2011 im UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit Russland und China bei der Abstimmung über eine „Flugverbotszone“ in Libyen der Stimme enthielt. Außerdem hat die deutsche Kanzlerin Merkel innerhalb der EU beträchtlichen Einfluss.

Allerdings hatte sich der deutsche UN-Sonderbotschafter für Libyen Martin Kobler, der diesen Posten von 2015 bis 2017 bekleidete, eindeutig auf Seiten der Moslembruderschaft und der Einheitsregierung positioniert. Kobler stolperte von einer Peinlichkeit in die andere und scheute auch nicht die enge Zusammenarbeit mit al-Kaida-Leuten wie Belhadsch oder Ali Salabi, und flog zu Treffen mit diesen LIFG-Kämpfern (Libyan Islamic Fighting Group) sogar nach Istanbul, wo neben der Machtergreifung durch die ‚Einheitsregierung‘ auch die Ermordung von ehemaligen Gaddafi-Offizieren in Tripolis nicht nur geplant, sondern anschließend auch ausgeführt wurde. Damals schrieb ich: „Gratulation! Libyen hat eine neue Regierung und deren Chef heißt Martin Kobler! Er regiert ab sofort das Land in altrömischer Prokonsul-Manier!“ 2017 war Kobler nicht länger haltbar.

Deutschland wird also das Vertrauen von Erdogan genießen, mit dem Merkel noch gestern telefonierte. Die Absprachen dürften getroffen sein. Und damit Merkel nur ja nicht aus der Spur gerät, hat die Türkei in den letzten Tage gleich einmal etliche tausend syrische Migranten vom türkischen Festland in Richtung auf die in Sichtweite gelegene griechische Insel Lesbos in See stechen lassen und damit gedroht, es könnten noch viele folgen, falls die EU die eingegangenen Verpflichtungen nicht einhält. Diese Verpflichtungen dürften sich nicht nur auf die von der EU an die Türkei zu zahlenden Gelder beziehen, sondern dürften auch Absprachen über die Unterstützung der Moslembruderschaft in Libyen miteinbezogen haben.

https://de.reuters.com/article/deutschland-libyen-idDEKCN1VW25H
https://www.freitag.de/autoren/gela/dschihadisten-sollen-in-libyen-an-die-macht
https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-im-maerz-1

Samstag, 14. September 2019



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.
Nun wird gegen Venezuela in der gleichen Strategie verfahren wie einst 2011 gegen Libyen.
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NATO-Krieg gegen Libyen brachte islamischen Terror in 14 weitere Länder!

14.9.2019. Der Überfall der NATO-Staaten und ihrer Handlanger in Saudi-Arabien, Israel usw. auf Libyen im Jahre 2011 und der Sturz der basisdemokratischen Räterepublik sowie die Ermordung des Staatsoberhauptes Muammar al-Ghaddafi haben nicht nur in Libyen die öffentliche Ordnung zusammenbrechen lassen, rund 1.000 große und kleine Milizen entstehen lassen, die sich untereinander bekämpfen und dem radikalen Islamismus Tür und Tor geöffent – nein, auch 14 weitere Staaten, darunter viele in Afrika, bekamen die Auswirkungen zu spüren, in dem sich der Islamismus bei ihnen ausbreitete. So rüsteten sich zahlreiche Islamisten aus den jetzt herrenlosen, reich gefüllten libyschen Waffenlagern aus und auch der Wegfall des mäßigenden Engagements Ghaddafis in verschiedenen Konflikten – wie z.B. im malischen Bürgerkrieg, wo er den Rebellen Geld gab, damit sie NICHT kämpfen – brachte Chaos über Afrika.

 

Kolumbien bereitet Krieg gegen Venezuela vor!

14.9.2019. Die USA und das rechte Regime in Kolumbien bereiten offenbar einen militärischen Angriff auf das demokratisch-sozialistische Venezuela vor, wobei ihnen die Tatsache, daß einige ehemalige Kämpfer der kolumbianischen Linksguerilla FARC wieder zu den Waffen gegriffen haben, sehr in den Kram paßt. Dabei scheut sich Kolumbien auch nicht, vermeintliche Beweise zu fälschen, wie das Beispiel eines gefälschten Schreibens mit dem gefakten Briefkopf des Geheimdienstes SEBIN (und dem alten Logo) zeigt, in dem behauptet wird, Venezuela würde künftig die FARC und die andere Links-Guerilla ELN unterstützen.


Syrische Armee stoppt türkischen Einmarsch!

26.8.2019. Der syrischen Luftwaffe ist es gelungen, mit der Bombardierung eines türkischen Truppen- und Panzertransportes den Einmarsch Ankaras in den kurdisch kontrollierten Teil Syriens vorerst zu verhindern. Mit dem Angriff auf die türkischen Truppen, die bereits in Syrien eingedrungen waren, zeigt die syrische Staats- und Armeeführung eine Entschlossenheit ihr Land zu verteidigen, von der man in Ankara offensichtlich überrascht war und mit der man nicht gerechnet hatte, da die syrische Armee als ausgezehrt und durch acht Jahre Krieg geschwächt galt.

 

Unruhen im Tschad: Déby setzt Armee in Marsch

268.2019. Nachdem sich ein Konflikt um Weideflächen zwischen seßhaften Bauern und nomadisch lebenden Viehhirten in Gewalt entladen hatte, hat der der tschadische Präsident Idriss Déby seine Armee in die osttschadische Krisenregion geschickt. Dort sind seit Anfang der Streitigkeiten bereits 50 Menschen getötet wurden.

 

 


Montag, 9. September 2019



Türkischer Einfluss - militärische Situation

Libyen. Während die LNA bemüht ist, bei ihrem Vorrücken die libysche Zivilbevölkerung so weit wie irgend möglich zu schonen, verfolgt die Türkei in Libyen ihre eigenen Ziele.


Aus Syrien geflohene IS-Kämpfer nun in Libyen
Wie Almarsad.com berichtet, erklärte der ehemalige stellvertretende libysche Premierminister Tayeb al-Safi in einem Interview mit Sputnik, dass ausländische Kämpfer aus der umkämpften syrischen Stadt Idlib in Libyen eingetroffen sind und derzeit in den Reihen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gegen die Libysche Nationalarmee (LNA) kämpfen. In vielen Ländern würden diese Gruppierungen als Terroristen gelistet, so auch in Russland.
In Bezug auf die Position Russlands gegenüber Libyen betonte al-Safi, dass Russland historisch gewachsene, freundschaftliche Beziehungen zu Libyen unterhalte und äußerte die Hoffnung auf weitreichenderen russischen Beistand.
Al-Safi dankte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Unterstützung des libyschen Volkes und dessen Parlament, seiner Übergangsregierung und der LNA, auch innerhalb des UN-Sicherheitsrates.

Al-Safi forderte die Stammesältesten, die militärischen Führer und alle patriotischen Kräfte in Tripolis auf, ihre Kämpfer aus dem Einsatz gegen die Libysche Nationalarmee (LNA) zurückzuziehen. Es widerspreche jeder Vernunft, dass die Jugend, die eine Zukunft als Ärzte und Ingenieure vor sich habe, in Kämpfe mit der Armee des eigenen Landes verstrickt ist.

Türkische Militärhilfe für die ‚Einheitsregierung‘
Neben al-Safi, der sagte, es sei allgemein bekannt und könne nicht geleugnet werden, dass in den militärischen Planungszentren der ‚Einheitsregierung‘ auch türkische Offiziere tätig seien, wies auch der libysche Abgeordnete Abu Bakr Baira darauf hin, dass die Türkei mittels militärischer Einflussnahme das Ziel verfolge, fest in Libyen Fuß zu fassen. Die Türkei versuche, die libysche Krise für die eigenen Zwecke zu nutzen.
Baira sagte: „Die Türkei betrachtet Libyen als ein sich für die Türkei wirtschaftlich ergiebiges Land - trotz der Probleme, die Ankara mit der EU hat, trotz seiner schwierigen Lage in Syrien, trotz des sich verschlechternden Ansehens in der eigenen türkischen Bevölkerung und trotz der Unstimmigkeiten mit den Vereinigten Staaten.“
Baira wies auf die wiederholten Waffenlieferungen an Milizen, die die ‚Einheitsregierung‘ unterstützen, hin. Als Beispiele nannte er ein von den griechischen Zollbehörden festgesetztes und ein im westlibyschen Hafen von al-Khoums beschlagnahmtes Frachtschiff. Für diese Waffenlieferungen gebe es keine Rechtfertigungen.
Für den Konflikt zwischen dem Präsidialrat und dem libyschen Parlament gebe es laut Baira viele Verantwortliche, einschließlich der ehemaligen Gesandten der UN-Sondermission für Libyen, Bernardino Léon und Martin Kobler. Es sei verwunderlich, wie wenig der UN-Sicherheitsrat darauf reagiere, dass die Türkei Waffen in ein Land liefert, dass von der UN mit einem Waffenembargo belegt ist, ganz so, als ob er das anhaltende Blutvergießen auf libyschem Boden gutheiße.

Weitere verdeckte türkische Hilfen für die ‚Einheitsregierung‘
Auch der LNA-Brigadegeneral Khalid al-Mahdschoub vertrat gegenüber dem ägyptischen Sender TEN die Auffassung, dass die türkische Agenda in Libyen darauf abzielt, das soziale Gefüge des Landes aufzulösen und die libyschen Stämme zu marginalisieren. Es gebe nicht nur eine militärische, sondern auch eine indirekte Unterstützung der Türkei für die bewaffneten Milizen. Dazu zählten die Ausgabe von Kreditkarten sowie der Devisenhandel, mit dem der Wechselkurs der türkischen Währung gestärkt werden soll.
Al-Mahdschoub sieht für Libyen nur zwei Wege: entweder ein libyscher Staat mit einer Libysche Nationalarmee oder eine Herrschaft der Milizen und das Versinken des Landes in Anarchie.

Die militärische Lage
Zur militärischen Lage in Libyen sagte al-Mahdschoub, dass die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in den Kampfgebieten um Gharyan schwere Verluste erlitten haben und dass die LNA an ihrem Plan festhalte, die Milizen in einen anhaltenden Zermürbungskrieg zu verwickeln, um sie so zu schwächen. Die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ stünden vor dem organisatorischen und moralischen Zusammenbruch, insbesondere durch den Einsatz der LNA-Luftwaffe gegen Milizenstandorte.
Bezüglich der Kämpfe in Mursuk im Süden des Landes erklärte al-Mahdschoub, dass die Angriffe auf Mursuk von terroristischen Milizen ausgeführt worden sind. Sowohl Fotos von den Kämpfern als auch deren Namen deuteten auf ihre Zusammenarbeit mit dem IS hin.

https://almarsad.co/en/2019/08/31/abu-bakr-baira-turkey-supports-the-gna-to-establish-a-foothold-in-libya/
https://almarsad.co/en/2019/08/31/al-mahjoub-the-lna-is-on-a-daily-war-of-attrition-against-the-militias/
https://almarsad.co/en/2019/09/01/al-safi-militants-from-idlib-fighting-alongside-islamist-terrorists-in-libya/



Tripolis nur über Misrata-Airport erreichbar

Libyen. Tripolis/Misrata. Der Mitiga-Flughafen als einziger bisher funktionierender Flughafen der libyschen Hauptstadt ist nach Beschuss seit Sonntag geschlossen. 


Auf dem von der zivilen Luftfahrt genutzten Teil des Mitiga-Flughafens haben vier Raketen eingeschlagen. Auch eine Landebahn wurde beschossen, als auf ihr gerade eine Passagiermaschine der Libyan Airlines mit Dutzenden von Hadsch-Pilgern landete. Wie das Gesundheitsministerium der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis inzwischen bekanntgab, wurden vier Zivilisten verletzt, weitere Fluggäste erlitten Panikzustände.
Das Verkehrsministerium der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis bestätigte, dass alle Flüge – ausschließlich Rettungsflüge – am Mitiga-Flughafen ausgesetzt und die Flugzeuge nach Misrata umgeleitet werden.
Die Libysche Nationalarmee (LNA) hat mittlerweile die Misrata-Milizen und ihre Verbündeten beschuldigt, gezielt den zivilen Teil des Mitiga-Flughafens beschossen zu haben, um diese Umleitung des Flugverkehrs nach Misrata zu erzwingen. Denn damit haben die Misrata-Milizen nicht nur den gesamten Flugverkehr der Hauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht, sondern der Flughafen von Misrata hat nun den Charakter eines Zivilflughafen und ist vor Angriffen durch die LNA geschützt. So sei es der Türkei möglich, dort weiter ihre militärischen Aktivitäten zu entfalten.
Die LNA hatte in den vergangenen Wochen wiederholt Angriffe auf den Militärflughafen von Misrata geflogen, da von dort Kampfeinsätze gegen die LNA gestartet und türkische Drohnen zum Einsatz gebracht wurden.
Die LNA erklärte, dass die Identität der für den Beschuss des Mitiga-Hauptstadtflughafen Verantwortlichen der Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ bekannt sei. Es handle sich um die im Osten von Tripolis stationierte Rahba-Miliz unter der Führung von Bashir Khalafallah, der auch den Spitznamen al-Buqra (Kuh) trägt. Diese Miliz, die mit der Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ verbündet ist, habe den Mitiga-Flughafen bereits mehrmals unter Feuer genommen, auch schon vor dem April diesen Jahres, als der Marsch der LNA auf Tripolis noch gar nicht begonnen hatte.
Die Angriffe der Rahba-Miliz zielten vor allem auf die Freilassung von „terroristischen Gefangenen“, die in einem Gefängnis auf dem Gelände des Mitiga-Flughafens von der ebenfalls mit der ‚Einheitsregierung‘ verbündeten Deterrence-Force-Miliz festgehalten werden. Die Gefangenen würden zur Verstärkung der eigenen Milizen für die Abwehr des LNA-Vormarsches benötigt.
Die Muslimbruderschaft beschuldigte ihrerseits die LNA, für den Beschuss des zivilen Teils des Mitiga-Flughafens verantwortlich zu sein, was diese strikt von sich wies.
Die UN-Sondermission für Libyen (UN-SMIL) hat in einer Erklärung den Angriff auf den Mitiga-Flughafen in Tripolis „auf das Schärfste“ verurteilt und eine Untersuchungskommission auf das Flughafengelände entsandt. Sie fordert die sofortige Einstellung der Angriffe auf diesen wichtigen Flughafen sowie auf die gesamte zivile Infrastruktur und auf Privatgebäude. Laut UN-SMIL wird der Vorfall durch den UN-Sicherheitsrat dokumentiert und dem Internationalen Strafgerichtshof zur Kenntnis gebracht. Die Hintermänner der Angriffe müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Bereits 2014, nachdem die Moslembrüder und Dschihadisten eine vernichtende Wahlniederlage erlitten hatten und daraufhin die Macht mit Gewalt an sich rissen, erfolgte ein Angriff des dschihadistischen Libya Dawn [militärischer Zusammenschluss aller islamistischen Gruppen in Libyen] auf den Internationalen Flughafen von Tripolis. Auch damals mussten nach dessen Zerstörung alle Flüge von Tripolis nach Misrata verlegt werden. Der internationale Flughafen ist immer noch nicht in Betrieb, als Ersatz für die zivile Luftfahrt diente etwas später der Mitiga-Militärflughafen bei Tripolis, der nun auch verwüstet ist.

https://uk.reuters.com/article/uk-libya-security/artillery-fire-shuts-airport-in-libyan-capital-idUKKCN1VM18V
https://almarsad.co/en/2019/09/02/tripoli-is-again-without-an-airport-since-salah-badis-2014-attack/
https://www.addresslibya.com/en/archives/50077

Dienstag, 3. September 2019



Unterstützt AFRICOM Moslembrüder?

Libyen/Misrata. Am 28. August berichtete Global Research in einem Artikel von Alaeddin Saleh über die Rückkehr von AFRICOM nach Libyen. 


Der Sprecher der Al-Bunyan-Al-Marsous-Koalition aus Misrata, Mohammed Al-Ghasri, bestätigte in einem Interview, dass am 22. Juli ein US-AFRCICOM Team auf dem Luftwaffenstützpunkt Air Defense College in der libyschen Stadt Misurata eingetroffen ist.
Al-Ghasri sagte, dass ein Flugzeug mit US-amerikanischen Militärs im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der ‚Einheitsregierung‘ in Libyen angekommen sei, um bei der Bekämpfung des IS in Libyen zu helfen. Al-Ghasri: „Auf diesem Gebiet begrüßen wir jede Art von Zusammenarbeit.“
Der Bericht gibt genaue Angaben über den Flug des militärischen Transportflugzeugs USAF C17-A Globemaster III, (10-0222), das mit der Flug-Nr. RCH157 von Jordanien aus (Aqaba-Airport) mit Zielort Misrata gestartet sei.

Das Al-Bunyan-Al-Marsous-Bündnis setzt sich im Wesentlichen aus Milizen und islamistischen Gruppierungen aus Misrata zusammen. Es wurde 2016 ins Leben gerufen und war in Zusammenarbeit mit den USA maßgeblich an der Vertreibung des IS aus der Stadt Sirte beteiligt.
Nachdem AFRICOM im April den Rückzug aller Sicherheitskräfte aus Libyen verkündet hatte, ist dies die erste Erklärung von offiziellen Stellen, die die Rückkehr der US-Truppen nach Libyen thematisieren. Als Begründung wurde die „Zunahme der Unruhen“ in Libyen seit der Militäroperation der LNA unter Generalfeldmarschall Haftar genannt.

Im April hatte es beim Rückzug von AFRICOM geheißen: „Der Befehl zur Personalanpassung erfolgte als Reaktion auf die sich ändernde Sicherheitslage. US-AFRICOM wird die Bedingungen vor Ort in Libyen weiterhin beobachten und gegebenenfalls die Machbarkeit einer erneuten US-Militärpräsenz prüfen.“
Angesichts dieser Aussage, die besagt, dass eine militärische Präsenz in Libyen jederzeit wiederhergestellt werden kann, ist der aktuelle Bericht über die Ankunft des amerikanischen Militärs zwar keine Überraschung, widerspricht aber der Aussage der AFRICOM-Sprecherin Becky Farmer, die am 25. Juli einer in London ansässigen Zeitung sagte, dass keine Truppen nach Misrata geschickt worden seien.
Die offizielle AFRICOM-Version steht also im Widerspruch zur Aussage von Mohammed al-Ghasri. Die Leugnung einer erneuten Stationierung US-amerikanischer Truppen in Libyen von offizieller Seite scheint der Versuch der US-Regierung zu sein, in Libyen den Schein von Neutralität zu wahren und die Auseinandersetzungen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der LNA unter Haftar nur zögerlich eskalieren zu lassen.

Viele Analysten sind der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten keinen klaren und einheitlichen Ansatz zur Lösung des langjährigen Konflikts in Nordafrika haben und weiterhin mit dem Dilemma konfrontiert sind, welche der beiden Kriegsparteien sie unterstützen sollen.
Wenn die USA nun gerade Misrata zu ihrem neuen Stützpunkt für AFRICOM in Libyen gemacht haben, könnte dies auf eine Verschiebung ihrer Politik in Richtung Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis hindeuten, da Misrata die Hauptbastion der islamistischen Anti-Haftar-Streitkräfte ist und auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ kämpft, die auch von den ausländischen Playern Katar und der Türkei unterstützt wird.
AFRICOM war immer stark darum bemüht, keine Fehlinterpretationen ihrer Libyen-Mission aufkommen zu lassen. Nun wirkt sich deren Schweigen eher gegenteilig aus. Das noch nicht bestätigte Eingreifen der USA in den libyschen Konflikt rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und gefährdet den US-amerikanischen Ruf, ein neutraler und „einzigartig qualifizierter externer Akteur“ zu sein, der Einfluss auf die rivalisierenden Parteien ausüben und bei Friedensverhandlungen vermitteln kann.

Darüber hinaus ist jede Beteiligung an unheilvollen Aktivitäten in einem der wichtigsten Länder Nordafrikas keine gute Werbung für die AFRICOM und ihren neu ernannten Befehlshaber Stephen Townsend. Zwar könnte die erneute Militärpräsenz in Libyen einen Karriereschub für Townsend bedeuten, der sich für eine proaktivere Rolle der USA in der Region ausgesprochen hat, andererseits verlieren die USA die neutrale Rolle eines internationalen Vermittlers.
https://www.globalresearch.ca/u-s-africa-command-return-libya/5687406

Anmerkung:Tatsächlich haben die USA noch nie eine neutrale Rolle in Nahost oder Nordafrika gehabt. Sie waren die Hauptverantwortlichen für die Zerstörung Libyens.
Seit Tagen erreichen keine Nachrichten mehr die Öffentlichkeit über den Fortgang der Kämpfe um das strategisch wichtige Gharyan. Von den Frontlinien im Süden von Tripolis wird über eine gespannte Ruhe berichtet, die dort überraschend eingekehrt sei.
Sollten die USA tatsächlich auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘, Misratas, Katars und der Türkei in die Kämpfe um Tripolis eingreifen, hätte das weitreichende Folgen für die LNA unter Feldmarschall Haftar. Es scheint, die Karten wurden neu gemischt und die Lager werden sich dementsprechend sortieren müssen.
Kann es sein, dass im Rahmen des G7-Gipfels Übereinkünfte getroffen wurden, die das weitere Vorgehen in Libyen und Syrien bestimmen? Was wiederum zeigt: Die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas sind nur noch Spielbälle geostrategischer Interessen und Absprachen. Keine Frage, das libysche Volk, seine Stämme und Städte, haben bei all dem keine Stimme.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unter anderen zu diesem Thema mit dem russischen Staatspräsidenten Putin telefoniert. Putin und Merkel haben bei der Diskussion der Libyen-Frage die gemeinsame Absicht bekundet, zu einer friedlichen Lösung der Krise beizutragen und die Vermittlung der Vereinten Nationen in diesem Prozess weiter zu unterstützen. Bei den Vereinten Nationen wird nichs ohne die Zustimmung der USA geschehen.
Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in seinem neuen Bericht vom 26. August, der gestern veröffentlicht wurde, die Übergangsregierung im Osten unter Abdallah Thinni, die vom libyschen Parlament anerkannt ist, als "nicht mehr existierend" bezeichnet. Die UN drängt weiterhin auf eine Verhandlungslösung.
Es steht zu befürchten, dass die Stationierung von UN-Friedenstruppen ins Gespräch gebracht wird. Dies hätte die Einfrierung dieses Konflikts zur Folge. Es könnte zu einer Situation wie in Kosovo oder auf Zypern kommen, wo zwei Landesteile durch Militär und Stacheldraht getrennt sind. Dies geschähe gegen den ausgesprochenen Willen des libyschen Volkes und seiner Stämme und Städte. In Libyen wird bewusst der Hass gegen verschiedene Gruppen geschürt und per sozialer Medien hochgekocht. Laut Umfragen wünschen sich die Libyer von einem Politiker aber das genaue Gegenteil: Er soll das Volk wieder einen und zusammenführen. Es gibt kein "West-" oder "Ost-"Libyen: Es gibt nur ein einziges Libyen mit verschiedenen Stämmen und Städten.



1. September 1969: Libysche Revolution

1969: Libyen/Weltlage . 50. Jahrestag der libyschen 69-Revolution unter Muammar al-Gaddafi: Die Welt in den 60er Jahren: Das Ende der Kolonialzeit 


Nach dem Zweiten Weltkrieg spaltete der Kalte Krieg die Welt in eine westliche und eine östliche Einflusssphäre. Während die politischen Eliten im Westen im Wesentlichen dazu neigten, die alten politischen Systeme an der Macht zu halten, unterstützte der Osten vielerorts die Unabhängigkeitsbestrebungen in der Dritten Welt. Die souverän gewordenen neuen Staaten strebten in der Regel trotz eines sozialistischen Anspruchs einen eigenen politischen Weg zwischen den Blöcken an. Durch die gnadenlose Ablehnung jeder sozialistischen Idee durch die USA und ihrer Abhängigkeit von Handelsmöglichkeiten und Aufbaukrediten wurden sie häufig in das Lager des Ostblocks getrieben.

Der Westen
Die westliche Jugend sympathisierte in diesen Zeiten des Umbruchs und des Aufbruchs mit den Freiheitsbewegungen in aller Welt. Sie unterstützte mit Ho-Chi-Minh-Rufen den Kampf Nordvietnams gegen die USA, die Mao-Bibel war ebenso wie Karl Marx‘ „Kapital“ Pflichtlektüre in studentischen Lesezirkeln. In den Hauptstädten Europas, von Paris und Berlin bis Rom, demonstrierte die 68er-Generation sowohl gegen den Schah in Persien als auch gegen den faschistischen Diktator Franco in Spanien, der die Todesstrafe noch bis 1974 mittels der Garrotte, das heißt durch langsames Erdrosseln mittels einer metallenen, um den Hals gelegten Würgeschraube, ausführen ließ. In Italien war die Kommunistische Partei knapp davor, die Regierung zu übernehmen. Der Generaldirektor des italienischen Energieunternehmens ENI, Enrico Mattei, erklärte das amerikanische Erdölmonopol für beendet, finanzierte algerische Unabhängigkeitskämpfer und machte die Unabhängigkeit Algeriens zur Voraussetzung für eine Übereinkunft mit anderen Ölkonzernen. 1962 brachte eine Bombe Matteis Flugzeug zum Absturz, Mattei fand den Tod. In Griechenland wurde gegen die Junta gekämpft, die sich 1967 an die Macht geputscht hatte.
In Deutschland hatte sich ein Proteststurm erhoben gegen die Väter-Generation des Nationalsozialismus und frisch etablierte Alt-Nazis in politischen Ämtern, sowie gegen die verabschiedeten Notstandsgesetze, mit deren Einführung die bürgerlichen und politischen Freiheiten im Notfall außer Kraft gesetzt werden können. Als Rudi Dutschke in Berlin bei einer Demonstration gegen den Springer-Verlag erschossen wurde, eskalierte die Situation immer mehr, Straßenkämpfe folgten. Die Jugend marschierte für Sozialismus und eine gerechtere Welt.
In den USA richtete sich der Protest vor allem gegen den Vietnamkrieg und die Gräueltaten der amerikanischen Armee, die mit Napalmbomben vietnamesische Dörfer ausradierte und mit dem hochgiftigen Entlaubungsmittel Agent Orange eine Chemiewaffe einsetzte, an deren Spätfolgen noch heute in dritter Generation die Menschen leiden. Die Bilder brennender vietnamesischer Frauen und Kinder schockten auf den Titelseiten der Nachrichtenmagazine. John Lennon und Yoko Ono hielten mit „Give Peace a Chance“ dagegen. Die Black Panther kämpften mit Malcolm X und Angela Davis unter dem Motto „Black is beautiful“ gegen Rassendiskriminierung, Martin Luther King hielt seine aufrüttelnde Rede „I have a dream…“, bevor er 1968 erschossen wurde. Die gesamte westliche Jugend rebellierte gegen das politische Establishment, gegen verkrustete Macht- und Staatsstrukturen, gegen Imperialismus, Rassismus und Krieg.

Kuba
Die kubanische Revolution des Jahres 1959 unter der Führung von Fidel und Raúl Castro, Camilo Cienfuegos und dem Argentinier Ernesto Che Guevara stürzten den kubanischen Diktator Batista und errichteten 1961 mit der Deklaration von Havanna 1961 auf der Karibikinsel einen sozialistischen Staat. Che Guevara setzte den Guerillakampf anschließend zuerst im Kongo, dann in Bolivien fort.

Asien
Auf dem asiatischen Kontinent hatte Gandhi den Kampf gegen die koloniale Ausbeutung durch Großbritannien mittels gewaltfreiem Widerstand und zivilem Ungehorsam gewonnen. Bereits 1947 war den Briten klargeworden, dass Indien nicht zu halten war. Das Land wurde von der britischen Regierung gegen den strikten Widerstand Gandhis in zwei Teile aufgespalten, die beiden neuen Staaten Indien und Pakistan in die Unabhängigkeit entlassen. Gandhi hatte in seiner südafrikanischen Zeit auch Nelson Mandela stark beeinflusst.

Afrika
Auf dem afrikanischen Kontinent kämpften die Befreiungsbewegungen erbittert gegen die weißen Kolonialherren. Die britische Kronkolonie Goldküste wurde 1957 als eines der ersten afrikanischen Länder unter dem Namen Ghana unabhängig. Unter der Führung des charismatischen Kwame Nkrumah hatte die Bevölkerung die Unabhängigkeit gefordert. Kwame Nkrumah, der erste Präsident des Landes, wurde 1966 während einer Auslandsreise mit westlicher Hilfe durch einen Militärputsch gestürzt. Obervolta, das spätere Burkina Faso, konnte im sogenannten „Afrikanischen Jahr“ 1960 seine Unabhängigkeit ausrufen; Maurice Yaméogo war der erste Präsident des Landes. In Kenia erhob sich die Bevölkerung ab Anfang der fünfziger Jahre gegen die britische Kolonialherrschaft; die Unabhängigkeitsbewegung fand im blutigen Mau-Mau-Aufstand ihren Höhepunkt. Ihr Anführer Jomo Kenyatta wurde nach der Unabhängigkeit 1963 der erste Präsident der Republik Kenia. Tansania erlangte 1961 seine Unabhängigkeit von Großbritannien, Julius Nyerere war sein erster Staatspräsident. Nyerere und seine Partei der Revolution strebten nach einem sozialistischen Staat afrikanischer Prägung. Im Kongo wurde der Führer der Unabhängigkeitsbewegung Patrice Lumumba 1959 eingekerkert und gefoltert. Als im Juni 1960 der Kongo von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen werden musste, wurde Lumumba der erste Ministerpräsident des Landes. Als Sozialist wollte er die großen Bergbaugesellschaften verstaatlichen lassen. Daraufhin putschte im September 1960 die Armee mit Hilfe der USA. Lumumba wurde ermordet. In Südafrika war ab 1944 der African National Congress (ANC) gegen die menschenverachtende Apartheidpolitik aktiv geworden. Nelson Mandela musste aufgrund seines Engagements im ANC die Zeit von 1963 bis 1990 als politischer Gefangener in Haft verbringen. In Mosambik erklärten 1966 die Rebellen von ZANU und ZAPU einen Guerillakampf gegen die „weißen“ Machtstrukturen. Portugal führte jahrelang mit aller Härte einen blutigen Kolonialkrieg in Angola, Mosambik und Guinea Bissau. Als klar war, dass diese Kriege militärisch nicht zu gewinnen waren, putschten 1974 die führenden portugiesischen Militärs. Die portugiesische Bevölkerung solidarisierte sich mit den Putschisten, die Volkserhebung führte zur Nelkenrevolution, in Portugal wurde das diktatorische Regime hinweggefegt, die Kolonien erhielten ihre Unabhängigkeit. Die Jahre 1951 bis 1962 können als das ‚Afrikanische Jahrzehnt‘ beschrieben werden, in dem 29 Staaten unabhängig werden: 1951 Libyen, 1956 Sudan, Marokko, Tunesien, 1957 Ghana, 1958 Guinea, 1960 Kamerun, Togo, Madagaskar, Demokratische Republik Kongo, Somalia, Dahomey (heute Benin), Niger, Obervolta (heute Burkina Faso), Elfenbeinküste, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Republik Kongo, Gabun, Senegal, Mali, Nigeria, Mauretanien, Sierra Leone, 1961 Tanganjika (heute Tansania), 1962 Algerien, Burundi, Ruanda, Uganda.[1]

Die arabischen Länder
Auch fast alle arabischen Länder waren in Aufruhr. Syrien, das unter dem Völkerbundmandat Frankreichs stand, wurde 1945 als Syrische Republik in die Unabhängigkeit entlassen. 1954 konnte dort die sozialistisch orientierte Baath-Partei (Baath: Wiedergeburt, Erneuerung) einen großen Wahlerfolg erzielen. In Ägypten wurde 1952 König Faruk durch die „Freien Offiziere“ gestürzt. Der führende Kopf der Revolution war der glühende Panarabist Oberst Gamal Abdel Nasser, der spätere ägyptische Minister- beziehungsweise Staatspräsident. 1956 wurden Marokko und Tunesien von Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen; in Marokko übernahm Sultan Muhammed V. mit seiner Partei der Unabhängigkeit die Macht, in Tunesien Habib Bourguiba mit der Neuen Verfassungspartei. Im Irak wurde 1958 König Abdallah weggeputscht. 1962 putschte die Armee im Jemen gegen den Zaiditen-Herrscher al-Badr; der Ausrufung der Republik folgte ein achtjähriger Bürgerkrieg. In Algerien schwoll 1945 die Unabhängigkeitsbewegung an, als nach Unruhen zehntausende Algerier von der französischen Armee getötet worden waren. Die Nationale Befreiungsfront FLN ging als Sieger aus dem von 1954 bis 1962 dauernden und mit großer Brutalität geführten Algerienkrieg hervor. Algerien bezahlte seine Unabhängigkeit mit über einer Million Toten. 1961 war Frantz Fanons „Die Verdammten dieser Erde“ erschienen, der Klassiker zum Thema Kampf der gequälten Völker und Entrechteten gegen den Kolonialismus. Zu diesem kommunistischen Manifest der antikolonialen Revolution steuerte Jean-Paul Sartre ein bemerkenswertes Vorwort bei.
Weltrevolution lag in der Luft. Kein Wunder, dass die westlichen Eliten, in Sorge um ihre Pfründe und ihren Machteinfluss, in Panik verfielen. Der Kalte Krieg mit seinen vielen Stellvertreterkriegen schien sich immer weiter zugunsten des Ostens zu entwickeln.

Die libysche Revolution von 1969
Eingebettet in die damaligen weltpolitischen Geschehnisse war in Libyen die Zeit für einen Umsturz überreif. Wie in anderen Ländern beuteten die westlichen Industrienationen mit Hilfe einer korrupten Elite und dank einer ungebildeten, im Analphabetismus gehaltenen Bevölkerung das erdölreiche Land solange aus, bis dem die Revolution vom 1. September 1969 ein Ende setzte. Der Bund der Freien Unionistischen Offiziere unter Führung von Muammar al-Gaddafi stürzte den König und übernahm in Libyen die Macht. Einheit, Freiheit und Sozialismus sollten in Libyen an die Stelle der Monarchie und ihrer korrupten Machteliten treten. Der Reichtum des Landes sollte gerecht verteilt, in Bildung, Wohnungsbau, medizinische Versorgung und Ausbau der Infrastruktur investiert werden. Schon bald wurden die amerikanischen und britischen Militäreinrichtungen in Libyen geschlossen.
Man kann es als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass der in Großbritannien ausgebildete Oberst Gaddafi zunächst vom Westen als „der richtige Mann am richtigen Ort“ gesehen wurde. Sowohl den USA als auch Großbritannien war klar, dass König Idris nicht mehr zu halten war. Sie meinten in Gaddafi den Mann gefunden zu haben, den sie lenken konnten und mit dem sich gute wirtschaftliche Beziehungen aufbauen ließen. So berichtet Richard Tomlinson, ein ehemaliger MI6-Agent, in seinem Buch „Das Zerwürfnis“: „“Der MI6 hat einen Vollzeit-„Talentspäher“ bei der Armee, mit Dienstsitz in der Königlichen Militärakademie Sandhurst... Ein zweiter Talentspäher mit dem Decknamen Packet hat ein Auge auf die ausländischen Kadetten und liefert dem MI6 Hinweise, welcher dieser Studenten zum nützlichen Informanten werden könnte. Berühmt ist ein Fall aus dem Jahr 1960: Der damalige Packet versuchte einen jungen libyschen Kadetten namens Muammar al Gaddafi anzuwerben.“
Dem libyschen Geheimdienst lagen schon seit Monaten Berichte über Spannungen in der Armee vor. Der König hatte abgewirtschaftet und selbst in reaktionären Offizierskreisen wurden heimlich Putschpläne diskutiert. Ein hoher Offizier trat sogar an Gaddafi heran, um ihn für die Ermordung des Kronprinzen Hassan el-Rida, den potentiellen Thronfolger von König Idris, und einen Putsch zu gewinnen.
Doch diesen Plänen kamen die „Freien Offiziere“ unter Muammar al-Gaddafi zuvor. Als sie Omar Schalhi, den Staatschef der Armee, am Tag der Revolution, dem 1. September, verhafteten, gab sich dieser in Verkennung der Situation entrüstet, da der reaktionäre Putsch erst für den 4. September geplant gewesen war.

Über die Bildung der Freien Offiziere schrieb Gaddafi: „Das erste Kommando-Komitee wurde gebildet, als wir noch Studenten der Oberschule in Sebha waren. Unsere Zahl wuchs und unsere Organisation verbreitete sich unter der Jugend. So könnte man ein Datum für den Plan und die Vorbereitung der Revolution angeben. Wir gehen zehn Jahre zurück – auf 1959…
Unsere Seelen waren im Aufstand gegen die Rückständigkeit, die unser Land umfing, dessen heute beste Güter und Reichtümer geplündert wurden – und gegen die Isolierung, die unserem Volk aufgezwungen wurde, um es vom Weg des arabischen Volkes fernzuhalten und seiner großen Aufgabe.“
Die Gruppe revolutionärer Schüler schrieb sich an der libyschen Militärakademie ein. Als sie nach dem Abschluss als junge Truppenoffiziere Dienst taten, starteten sie mit dem Aufbau einer Organisation, die sich Freie Offiziere nannte und eng den Idealen Nassers in Ägypten verbunden war.
Unter Nasser nahm Ägypten die führende politische Rolle in der arabischen Welt ein. Nasser hatte die Briten zum Abzug ihrer Truppen aus Ägypten gezwungen. Als er 1956 den Suezkanal verstaatlichte, wollten Frankreich und England mit Hilfe Israels militärisch intervenieren, wurden aber von den USA und der UdSSR gestoppt. 1958 schlossen sich im Sinne einer arabischen Nationen Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik zusammen, die Syrien jedoch schon 1961 wieder verließ. Formal trat auch der Jemen bei, im jemenitischen Bürgerkrieg der Jahre 1962 bis 1969 unterstütze Nasser die Revolutionäre und deren Republik gegen den herrschenden Imam al-Badr. Ursprünglich stand Nasser an der Spitze der Blockfreien-Bewegung, die einen dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus suchte. Als jedoch die USA die Geldmittel für den Bau des Assuan-Staudamms zurückzogen, suchte und fand der ägyptische Präsident die Unterstützung der UdSSR. Da Russland keine kolonialistische Vergangenheit hatte und die UdSSR aufgrund eigener reichlich vorhandener natürlicher Ressourcen nicht an einer Ausbeutung der Bodenschätze Afrikas interessiert war, war es als Verbündeter für die gerade dem Kolonialismus entflohenen Staaten interessanter als der Westen. Gaddafi war ein glühender Verehrer Nassers und begeisterter Anhänger des sozialistischen Panarabismus.

In Libyen gab es verschiedene militärische Kräfte, zum einen die aus Söhnen der Elite bestehenden paramilitärischen Einheiten der ‚Kyrenaika-Verteidigungskräfte‘ und der ‚Tripolitanischen Verteidigungskräfte‘, auf deren Loyalität sich König Idris verlassen konnte. Zum anderen gab es die reguläre Armee, die für die ärmeren Bevölkerungsteile die einzige Chance zum sozialen Aufstieg bot, der König Idris aber nicht ohne Grund misstraute. Die Militärakademie in Bengasi war 1957 gegründet worden, um Offiziere nicht mehr ‚gefährlichen Einflüssen‘ im Ausland bei ihrer Ausbildung auszusetzen.
Großbritannien und die USA hatten mit König Idris sogenannte ‚Freundschaftsverträge‘ geschlossen, die die libysche Souveränität aushebelten. Als 1957 der damalige US-amerikanische Vizepräsident Nixon Libyen besuchte, stellte er klar, was er von König Idris erwartete: die Abwehr des kommunistischen Einflusses im Nahen Osten und in Nordafrika. Auch wirtschaftlich war Libyen abgehängt: Die Geschäfte machten immer noch die Italiener, die auch die Großgrundbesitzer stellten. Idris war der Vasall des Westens, dessen militärische und wirtschaftliche Interessen die Geschicke des Landes bestimmten.
Als sich König Idris 1965 entgegen der Aufforderung der Arabischen Liga weigerte, die Kontakte mit der Bundesrepublik Deutschland abzubrechen, da diese diplomatische Beziehungen mit Israel aufgenommen hatte, kam es zu Studentenprotesten.

In Libyen spannte unter Gaddafis Führung die Gruppe der Freien Offiziere ein Netz der Verschwörung, das alle Lager und Kommandostrukturen überzog. Eigentlich sollte die Revolution schon am 12. März 1969 beginnen, als aber Truppen aus der Hauptstadt verlegt wurden, Munition eingezogen und König Idris sich unter den Schutz der britischen Stützpunkte stellte, war klar, dass die Revolutionspläne zu den Machthabern durchgesickert waren. Die Revolution wurde verschoben.
Doch am 1. September musste gehandelt werden, denn schon am nächsten Tag sollten junge Offiziere, darunter auch viele Freie Offiziere, zur Weiterbildung nach England verlegt werden. Innerhalb der Armee hatten sich auch die Baath-Anhänger organisiert, von denen sich viele an der Revolution beteiligten, auch wenn sich die Organisation selbst zurückhielt. König Idris befand sich zu diesem Zeitpunkt auf Auslandsreise in der Türkei.

Die Freien Offiziere bemühten sich um die Unterstützung von Oberstleutnant Musa Ahmad, der das Oberkommando über die Kyrenaika-Truppen hatte und die Schutztruppe des Königs bildete. Musa Ahmad stand sowohl in ständiger Verbindung mit den Einsatzverbänden als auch mit den anglo-amerikanischen Militärstützpunkten. Die Vermutung, dass der Umsturz durchaus auch mit Einverständnis der Engländer und Amerikaner erfolgte, die einsahen, dass König Idris nicht mehr zu halten war, liegt nahe. Sie dürften sich an Macchiavellis Rat gehalten haben, dass man sich an die Spitze von Bewegungen stellen sollte, die nicht mehr zu verhindern sind. Auch dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass sich der Zögling des Westens, König Idris, außer Landes aufhielt und somit in Sicherheit war. Allerdings waren die ausländischen Mächte der Meinung, die Freien Offiziere und deren Anführer Gaddafi zukünftig kontrollieren zu können.

Eine wichtige Rolle beim Umsturz spielte die einstige Kolonialmacht Italien. Denn die geheimen Treffen der Freien Offiziere fanden nicht nur in Tripolis, sondern auch in Italien statt. Die letzten Einzelheiten für den Umsturz wurden vom 24. Bis 27. August 1969 in dem norditalienischen Städtchen Abano Terme festgelegt. Paolo Sensini schreibt: „Auf die Frage, ob an Gaddafis Umsturz etwa der italienische Geheimdienst mitgewirkt haben könnte, antwortete der italienische Richter Rosario Priore […] wie folgt: >Der Staatsstreich wurde in einem Hotel in Abano Terme organisiert. Ich glaube schon, dass eine italienische Handreichung denkbar ist. So bald Gaddafi an der Macht war, schickten wir ihm im Handumdrehen für seine Siegesparade Schiffe voller Panzer, ganze Divisionen, währenddessen sogar unsere eigenen Grenzen dieser Verteidigungsmaterialien beraubt waren […] Wir wussten, dass (unter diesem Riesen-Sandkasten) immens viel Erdöl lag. Libyen machte Appetit, weil es unsere strategische Reserve hätte sein können, der Treibstoff für unsere wirtschaftliche Entwicklung. So war es dann ja auch […] Die Libyer schlossen sofort die englischen und amerikanischen Stützpunkte und wiesen die Soldaten beider Länder aus […] und Italien wurde sofort der wirtschaftliche Handelspartner von Gaddafi.<“[2]

Am 1. September 1969, um 2:30 begann die Operation Jerusalem. Es gelang, zuerst die Königsgarde und die Offiziere, die sich der Revolution nicht angeschlossen hatten, zu entwaffnen. Anschließend wurde die Befehlszentrale des Nachrichtendienstes in Bengasi lahmgelegt. In Tripolis rückten in einer als Übung getarnten Aktion Panzer ein. Sowohl in Bengasi als auch in Tripolis wurden die militärischen Anlagen, Kasernen, Polizeistationen, Regierungsgebäude, Fernmeldeämter, Radio- und Fernsehstationen und Flughäfen übernommen.
Über Radio Bengasi verlas Muammar al-Gaddafi am Morgen des 1. Septembers die erste Erklärung des Revolutionären Kommandorates:
Im Namen Allahs, des Barmherzigen und Mitfühlenden. Oh Großes Volk Libyens“ In der Ausübung deines freien Willens, in der Erfüllung deiner sehnlichsten Hoffnungen und als Antwort auf deinen wiederholten Rufe nach Wandel und Reinigung, der zu Aktion und Initiative drängt, sowie Erhebung und raschen Angriff fordert, haben deine Streitkräfte das dekadente, rückständige und reaktionäre Regime gestürzt, dessen Gestank die Nasen abstumpften ließ und dessen Antlitz Abscheu hervorrief.
Durch einen einzigen Schlag Eurer heldenhaften Armee stürzten die Götzen und brachen zusammen, und so ist in einem schicksalhaften Augenblick der Vorsehung die Finsternis der Vergangenheit geschwunden: von der Herrschaft der Türken über die Tyrannei der Italiener, bis hin zur Ära der Reaktion, Bestechung, Nepotismus, Treulosigkeit und Verrat.
Von nun an wird Libyen eine freie, souveräne Republik mit dem Namen „Libysche Arabische Republik“ sein, aufsteigend, die durch Gottes Gnade auf dem Weg zur Freiheit, Einheit und sozialen Gerechtigkeit zu Taten und zu Größe vorwärtsschreitet. Sie wird all ihren Söhnen das Recht der Gleichheit sichern und ihnen die Tore zu ehrlicher und anständiger Arbeit in einer neuen Gesellschaft öffnen, die keine Unterdrückten, Betrogenen oder Benachteiligten, nicht Herren und nicht Sklaven kennen wird, sondern nur freie Brüder in einer Gesellschaft, über der, so Gott will, das Banner des Wohlstands und der Gleichheit wehen soll.
Lasst uns einander die Hände reichen, öffnet eure Herzen, vergesst Euren Groll und steht zusammen gegen den Feind der arabische Nation, den Feind des Islams und den Feind der Menschheit, der unsere Heiligtümer geschändet und unsere Ehre beschmutzt hat. So wollen wir ruhmreich ein Erbe wiederbeleben und unsere verletzte Würde und unser usurpiertes Recht rächen! Oh! Ihr, die Ihr mit Omar al-Muchtar einen heiligen Krieg für Libyen, die Araber und den Islam gefochten habt, und oh! Ihr, die Ihr gerecht gekämpft habt mit Ahmad asch-Scharif.
Oh! Söhne der Beduinen, Söhne der Wüste, Söhne öder alter Städte, Söhne des reinen Ackerlandes, Söhne der Dörfer, unserer schönen geliebten Dörfer, die Stunde der Arbeit hat geschlagen und so lasst uns vorwärts schreiten.
In diesem Augenblick ist es uns ein Vergnügen, unseren ausländischen Brüdern zu versichern, dass ihr Eigentum und ihr Leben unter dem Schutz der bewaffneten Kräfte stehen – und dass diese Aktion gegen keinen fremden Staat gerichtet ist, gegen keine internationalen Verträge oder ein internationales Recht.
Es ist eine rein innere Angelegenheit, die Libyen und seine chronischen Probleme betrifft!
Vorwärts! Friede und Gottes Gnade seien mit Euch!
Der Revolutionäre Kommando-Rat am 19. Jumada al-Achir 1389 H.“
In Tobruk konnte sich das alte Militär unter britischem Schutz noch drei Tage halten, einer Aufforderung zum Einschreiten kamen die Briten allerdings nicht nach. Sowohl die britischen Garnisonen als auch die USA taten, als seien sie von den Ereignissen vollkommen überrascht. Ganz sicher rechnet sie da noch nicht damit, dass sie bereits im März 1970 ihren Stützpunkt in Tobruk und die amerikanische Militärbasis Wheelus bei Tripolis schließen müssten. Wheelus wurde der spätere libysche Luftwaffenstützpunkt Mitiga.
Die unblutige Revolution hatte unter dem Motto „Freiheit, Sozialismus, Einigkeit“ gesiegt, auch durch Unterstützung der Stämme der Warfallah, Magariha aus dem Westen hatten sich mit den Gaddafa-Stamm Gaddadfis verbündet.

Wie in der französischen Tageszeitung in einem Interview verkündet, strebte Gaddafi einen „islamischen Sozialismus“ an, der mit Hilfe des „nationalen Kapitals die Entwicklung des Landes unterstützt.“[3]
Der aus zwölf Offizieren bestehende Revolutionäre Kommandorat übernahm die Macht. Der engste Weggefährte von Gaddafi war Leutnant Abd al-Salam Dschallud. Der 27-jährige Armeeoberst Muammar al-Gaddafi wurde vom Revolutionären Militärrat als Befehlshaber der Streitkräfte bestätigt. Ägypten, Syrien, Sudan, Irak und Algerien kannten nur wenige Tage nach der Revolution die neue Führung an. König Idris dankte ab.

[1] Edition Le Monde diplomatique „Auf den Ruinen der Imperien. Geschichte und Gegenwart des Kolonialismus“, 2016, No.18
[2] Nach Paolo Sensini „Es war einmal Libyen“
[3] Le Monde vom 13.12.1969, nach P. Sensini „Es war einmal Libyen“