Kurznachrichten Libyen - 22.06.2021
Libyen. Vorbereitungen zur Berlin-II-Konferenz / Angekündigte Öffnung der Küstenstraße verschoben / Dezemberwahlen gefordert, Durchführung fraglich
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+ 21.06.: Berlin-II-Konferenz. Bereits einen Tag vor Beginn
der Konferenz wurden die 51 Punkte, die im Abschlussdokument stehen sollen,
bekannt: So wird der sofortige Abzug der ausländischen Söldner aus Libyen
gefordert und die libyschen Behörden sollen bei der Vorbereitung der
Dezemberwahlen unterstützt werden. Insgesamt soll das Abschlussdokument aus
sechs Teilen bestehen: Einführung, Sicherheitspolitik, Reformen im Wirtschafts-
und Finanzsektor, Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte, nachfolgende
Maßnahmen.
Teilnehmen werden hochrangige Vertreter der Regierungen von Ägypten, Algerien,
China, Kongo (das den Vorsitz im Ad-hoc-Ausschuss der AU zu Libyen hat),
Frankreich, Deutschland, Italien, Marokko, der Niederlanden, Russland, der
Schweiz, Tunesien, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten,
Großbritannien und den USA, sowie Vertreter der UN, der AU, der EU und der
Arabischen Liga und libysche Politiker.
In Punkt 16 ruft der Entwurf dazu auf, Libyen in seinen Bemühungen zu
unterstützen, seine südlichen Grenzen zu schützen und den Grenzübertritt von
bewaffneten Gruppen und Waffen zu begrenzen. Die Abschlusserklärung
unterstreicht auch die Bedeutung der Schaffung einer einheitlichen libyschen
Sicherheits- und Verteidigungstruppe, die einer einheitlichen zivilen Autorität
untersteht (Punkt 18). Punkt 20 unterstreicht die Notwendigkeit, den
Terrorismus in Libyen in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen
und dem Völkerrecht zu bekämpfen. Außerdem werden alle Parteien aufgefordert,
sich von Gruppen und Einzelpersonen, die von den Vereinten Nationen als
Terroristen bezeichnet werden, zu distanzieren und deren Unterstützung zu
beenden.
https://libyareview.com/14319/what-can-we-expect-from-the-berlin-conference-on-libya/
+ 20.06.: 5+5-Militärkommission. Der
GNU-Übergangspremierminister Dabaiba gab die Wiedereröffnung der Küstenstraße,
die das östliche mit dem westlichen Libyen verbindet, bekannt.
https://libyareview.com/14265/presidential-council-hails-efforts-to-reopen-coastal-road/
+ 21.06.: Öffnung Küstenstraße. Die Öffnung der
Küstenstraße, die das westliche und östliche Libyen verbinden, kam offenbar
aufgrund einer hohen Zahlung (7.655 Millionen LYD) an den Leiter der
GNU-Einsatzzentrale Sirte-Dschufra, Bait al-Mal, zustande. Al-Mal hatte seit
Monaten Geld für die Öffnung der Straße gefordert.
Die Öffnung scheint auch nur vorübergehend und bedingt zu sein - sozusagen eine
Show-Veranstaltung anlässlich der Berlin-II-Konferenz. Sie gelte nur 15 Tage,
in dieser Zeit müsse der Rückzug ausländischen Militärs erfolgen und
Kriegsgefangene müssten in dieser Zeit freigelassen werden. Die Wiedereröffnung
gelte nicht für nicht-asphaltierte Nebenstraßen und nur von 6 bis 18 Uhr.
https://almarsad.co/en/2021/06/20/najwa-wahiba-president-al-menfi-did-not-attend-opening-of-coastal-road-at-buirat-al-hassoun/
https://www.libyaherald.com/2021/06/21/three-days-ahead-of-the-berlin-2-conference-misrata-sirte-coastal-road-finally-reopened-but-for-how-long/
+ 22.05.: Verschiebung der Öffnung der Küstenstraße. Die
gemeinsame 5+5-Militärkommission kündigt die Verschiebung der Eröffnung der
Küstenstraße an, bis die Schäden behoben und die notwendigen
Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind, um eine sichere Passage der Bürger zu
gewährleisten.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1407044684120268807
+ 22.05.: Sirte/Küstenstraße. In Sirte protestierten
Bewohner gegen die Ankündigung von Dabaiba, die Küstenstraße zu öffnen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1407019841152765952
+ 22.06.: Schließung Küstenstraße. Wie
arabische Medien berichten, ist die am Sonntag eröffnete Küstenstraße bereits
am Montag wieder geschlossen worden. Ein LNA-Sprecher erklärte, dass
Übergangspremierminister Dabaiba und die Tripolis-Milizen ihre rechtlichen
Befugnisse überschritten und das 5+5-Militärkomitee, bestehend aus je 5
Militärs beider Konfliktseiten, umgangen hätten, das ausschließlich zur
Entscheidung der Öffnung befugt gewesen sei. Die Zahlungen an den Führer der
lokalen Miliz Bait al-Mail wurden als Bestechung bezeichnet.
Sowohl Ägypten, das die LNA unterstützt, als auch die Türkei, die auf Seiten
der 'Einheitsregierung' in Libyen militärisch intervenierte, kämpften mit
unverminderter Härte um den Erhalt ihrer Stellungen. Die Türkei unterstütze
zwar die neue GNU-Regierung, wäre aber nicht bereit, sich den politischen
Kräften und Militärs im östlichen Libyen anzunähern. Der ägyptische Präsident
as-Sisi sagte, dass die "Sicherheit Ägyptens an die Sicherheit Libyens
gebunden ist." Kairo sei gegen jegliche Einmischung von ausländischen
Kräften, die dazu diene, "den Willen des libyschen Volkes zu
manipulieren" und setze sich für die Abhaltung von Wahlen ein.
Die Libyen-Analystin Aya Burweila ist der Meinung, dass Dabaiba, der jetzt seit
drei Monaten im Amt ist, "keine nennenswerten Anstrengungen unternommen
hat, um ausländischen Kräfte zu vertreiben und die inländischen Institutionen
zu vereinen, wie es seine Pflicht gewesen wäre..." Das Drängen auf die
Öffnung der Küstenstraße ohne Zustimmung des 5+5-Komitees lasse befürchten,
dass Tausende syrischer Söldner und islamistischer militanter Gruppen sich auf
den Weg in den Osten machen werden, um Angriffe gegen Zivilisten und die Armee
durchzuführen.
https://www.voanews.com/middle-east/day-after-reopening-libyan-coastal-road-closes
+ 20.06.: Türkische Besatzung. Laut UN-Geheimdienstbericht
versucht die Türkei, ihren Einfluss in Libyen, den sie durch die militärische
Intervention auf Seiten der 'Einheitsregierung' gewonnen hat, zu konsolidieren.
Russland werde sein Engagement mit der neuen GNU-Übergangsregierung neu
priorisieren, um seinen Einfluss in Libyen zu sichern.
Zu den schwierigsten Problemen gehöre die anhaltende Präsenz von
Terrornetzwerken in Nordafrika und stelle die größte Herausforderung dar, um
die Sicherheit in der Region wiederherzustellen.
https://almarsad.co/en/2021/06/20/pentagon-report-warns-turkey-is-seeking-to-consolidate-its-influence-in-libya/
Nicht vergessen: Der Nato-Krieg der USA und seiner Verbündeten gegen Libyen
hat diese Situation erst geschaffen. Es wird befürchtet, dass die USA die
Anwesenheit von "Terrornetzwerken" dazu benutzt, um ihre eigenen
militärischen Aktivitäten in der Region, getarnt als "Kampf gegen den
Terror", zu rechtfertigen.
+ 22.06.: LNA/Türkei. LNA-Sprecher Mismari sagte, Erdogan
geht mit Westlibyen um, als ob es eine türkische Kolonie sei.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1407082084280287239
+ 21.06.: Sahel/Söldner. Der nigerianische Präsident
Muhammadu Buhari befürchtet, dass die Ausweisung ausländischer Söldner aus
Libyen aufgrund einer UN-Resolution den Terrorismus in Westafrika, der
Sahelzone und der Tschadsee-Region verschlimmern könnte. Bei einer Rede vor den
Staats- und Regierungschefs der ECOWAS in Accra (Ghana) sagte Buhari, es sei wichtig,
dass die Kämpfer zuerst entwaffnet werden und dass die Ausweisung aus Libyen in
Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten erfolge. Er beschuldigte die Vereinten
Nationen, die Nachbarländer nicht angemessen einzubinden. Es könnten so neue
Bedrohungen für den afrikanischen Kontinent geschaffen werden. Die fehlende
Koordination mit den regionalen Akteuren könnte zu großen humanitären Krisen in
der Sahelzone, Nord-, Zentral- und Westafrika, einschließlich der
Tschadsee-Region, führen.
https://libyareview.com/14279/nigerian-president-concerned-over-foreign-mercenaries-in/
+ 21.06.: Migration. Somalische weibliche Jugendliche
bitten um Freilassung aus dem Migrantenlager Shara az-Zawiya (Tripolis), da sie
dort sexuell missbraucht worden seien. Sexuelle Gewalt und Ausbeutung sind in
Migrantenlagern weit verbreitet.
https://libyareview.com/14263/libyan-guards-accused-of-sexually-assaulting-minor-migrants/
+ 21.06.: Migration. Libyan Crimes Watch hat in
Zusammenarbeit mit 42 libyschen Organisationen eine Initiative mit dem Titel Save
Samia gestartet. Die Jemenitin Samia lebt seit 2017 in Libyen und wurde am
11. Juni von Uniformierten entführt. "Obwohl UNHCR und UNICEF sich um den
Schutz von Samia und anderen Kindern kümmern, haben sie keinen wirklichen
Schutz geboten." Die libyschen Behörden und das Hochkommissariat für
Flüchtlinge werden für das Verschwinden von Samia verantwortlich gemacht.
https://libyareview.com/14283/save-samia-rights-groups-launch-cry-for-help-against-disappearance-of-yemeni-minor-in-libyan-capital/
+ 21.06.: Migration. 2021 bricht tragische Rekorde, da die
libysche Küstenwache in diesem Jahr bereits mehr als 13.000 Menschen nach
Libyen zurückgebracht hat. Damit wurde die Zahl der im gesamten Jahr 2020
aufgegriffenen und zurückgebrachten Menschen bereits übertroffen, Hunderte
weitere sind auf See umgekommen.
https://libyareview.com/14305/eu-reiterates-call-to-close-detention-centers-in-tripoli/
Seit dem Sturz der Dschamahirija-Regierung und der Ermordung Muammar
al-Gaddafis durch die Nato in Zusammenarbeit mit dschihadistischen Kräften im
Jahr 2011 versinkt Libyen im Chaos
+ 21.06.: Schleuser/GNU-Regierung. Dabaiba zog die
Ernennung von Abdul Rahman Saleh Zayed zum Unterstaatssekretär des Ministeriums
für Wohnungsbau und Bauwesen zurück, da Zayed vom einem Kairoer Gericht
angeklagt worden war, zusammen mit Islam Mahmoud eine kriminelle Vereinigung zu
Schleuserzwecken gegründet zu haben. Zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil
schleusten sie Migranten vom Sudan nach Libyen, von wo sie weiter in die EU
reisen sollten.
https://almarsad.co/en/2021/06/21/dbaiba-withdraws-appointment-of-the-undersecretary-for-ministry-of-housing-after-criminal-record-is-revealed/
+ 21.06.: Moslembruderschaft. Die Partei für
Gerechtigkeit und Aufbau, der politische Arm der Moslembruderschaft (MB)
in Libyen, hat Imad al-Banani zum neuen Parteivorsitzen ernannt. Dies wird als
Teil der Versuche der MB gewertet, das Vertrauen des Volkes zu erlangen. Zuvor
hatten sich mehrere Anführer losgesagt oder die Auflösung der Gruppe in
verschiedenen Städten bekanntgegeben. Die Moslembruderschaft erfährt innerhalb
Libyens eine klare Ablehnung, nicht zuletzt wegen ihrer Unterstützung
extremistisch-dschihadistischer Gruppierungen wie al-Kaida. Im Zuge dieser
Allianzen und der Beteiligung ihrer Mitglieder an Gewaltverbrechen erlitten die
Parteien der Moslembrüder bei den Parlamentswahlen 2014 eine massive
Niederlage.
https://libyareview.com/14274/libyas-muslim-brotherhood-undergoes-a-makeover-but-why/
+ 21.06.: EU/Sanktionen. Zukünftig sollen auch gegen
Personen und Organisationen Sanktionen verhängt werden, die die Durchführung
von Wahlen bis zum Ende dieses Jahres zu behindern. Bisher wurden Sanktionen
nur gegen Personen und Organisationen verhängt, die eine Bedrohung für die
Sicherheit, den Frieden und die Stabilität des Landes darstellen.
https://libyareview.com/14294/eu-threatens-sanctions-against-libyan-election-spoilers/
Da hätte die Türkei schon lange massiv sanktioniert werden müssen.
+ 22.06.: Sarkozy/Prozess. IntelToday
schreibt: "Die französische Staatsanwaltschaft fordert im Prozess um seine
Wahlkampffinanzierung eine sechsmonatige Haftstrafe für den ehemaligen
Präsidenten Nicolas Sarkozy. Wie erwartet, bestreitet der Ex-Präsident ein
Fehlverhalten und behauptet, dass die Ausgaben seiner Kampagne nicht in seiner
Verantwortung lagen. Die Staatsanwälte werden leicht nachweisen können, dass
Sarkozys Partei fast das Doppelte der nach dem Wahlgesetz erlaubten 22,5
Millionen Euro (27 Millionen Dollar) ausgegeben hat. Außerdem heuerte Sarkozy
eine befreundete PR-Agentur an, um die Kosten zu verbergen."
Sarkozy soll illegale Wahlkampfgelder von Libyen bekommen haben. Dazu Saif
al-Islam Gaddafi im März 2011: "Sarkozy muss das Geld zurückgeben, das er
von Libyen angenommen hat, um seinen Wahlkampf zu finanzieren. Wir haben seinen
Wahlkampf finanziert und wir haben den Beweis... Das Erste, was wir fordern,
ist, dass dieser Clown das Geld an das libysche Volk zurückgibt."
https://inteltoday.org/2021/06/22/dead-man-diary-sarkozy-2007-presidential-election-campaign-funded-by-gaddafi-update-prosecutor-seeks-prison-time-again-for-french-ex-president-sarkozy/
+ 22.06.: USA/GNU. Nachdem die US-Botschaft in Libyen
twitterte, dass sich "General Townsend mit GNU-Vertretern und dem
Stabschef der libyschen Armee, General al-Haddad traf, um über Notwendigkeit zu
sprechen, dass sich ausländische Truppen sofort aus Libyen zurückziehen",
ist klar, auf wessen Seite sich die USA positionieren. Denn die libysche Armee
ist die vom libyschen Parlament legalisierte Libysche Nationalarmee (LNA) und
nicht eine sog. libysche Armee der GNU, bestehend aus Milizen.
https://twitter.com/USAEmbassyLibya/status/1407025591212294146
+ 22.6.: Großbritannien/BP/Militär. "1971
verstaatlichte Gaddafi (Gesetz Nr. 115) die Beteiligungen und Liegenschaften
der British Petroleum Exploration Company (Libya) Limited
(BP) in Libyen. 1974 zahlte Libyen BP eine Entschädigung von 17,4 Millionen
Pfund für seine Verluste in Libyen. Nachdem im Moment die Türkei die
politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen in Libyen kontrolliert, bewegt
sich britisches Militär in Richtung der Ölfelder in as-Sidra, um sein
Offshore-Sirte-Becken zu sichern."
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1406633569351618568
+ 22.06.: LNA/Wahlsystem. Die LNA befürchtet, dass die
Moslembruderschaft die Kontrolle über das nationale ID-Nummernsystem in
Tripolis übernommen hat und so die Wahlen manipulieren kann.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1406573459732406272
+ 22.06.: US-Botschaft/Wahlen. Laut Umfragen der
US-Botschaft/USAID sind die drei höchst priorisierten Forderungen der Libyer:
Abzug aller ausländischen Militärs, Aussöhnung und eine einheitliche Regierung.
Zwei Drittel der Libyer lehnten eine Verschiebung der Wahlen ab.
https://twitter.com/USAEmbassyLibya/status/1407326954265718801
Es bleibt allerdings unklar, wie repräsentativ die Umfrage ist.