Samstag, 28. Dezember 2019

LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.
Nun wird gegen Venezuela in der gleichen Strategie verfahren wie einst 2011 gegen Libyen.
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Afrika muckt auf: Sechs Präsidenten erklären „Washington-Konsens“ für überholt!

28.12.2019. Die Präsidenten von Senegal, Togo, Niger, Burkina Faso, Benin und der Elfenbeinküste haben in einer gemeinsamen Erklärung den sogenannten „Washington Consensus“ für obsolet erklärt und fordern größere Spielräume für die afrikanischen Staaten wenn es z.B. um die Rückzahlung von Krediten geht. Der Washington Consensus steht – vereinfacht ausgedrückt - für die Unterordung der Politik unter die Interessen der Märkte und der Hochfinanz und fordert Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierungen von den Staaten und ist eine maßgebliche Richtlinie für die Politik von EU, USA, IWF und Weltbank.

 

 

Italien nähert sich an Libyens starken Mann an

28.12.2019. Italiens Außenminister Luigi Di Maio von der mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) hat nach einem Besuch in der libyschen Hauptstadt Tripolis bei der von der UNO ins Amt gehievten machtlosen „Einheitsregierung“ einen Trip nach Benghasi gemacht, der Hochburg des Chefs der der Libyschen Nationalarmee (LNA), Marschall Khalifa al-Haftar, was als Zeichen gilt, daß sich Italien den realen Machtverhältnissen in Libyen anpaßt und nicht wie bisher einseitig auf die von Islamisten gesteuerte „Einheitsregierung“ setzt. Haftar, dessen LNA zwei Drittel des Landes kontrolliert und vom gewählten Parlament der in Ostlibyen residierenden Gegenregierung offiziell zum Militärchef ernannt wurde, will die Islamisten aus dem Land treiben und die „Einheitsregierung“ stürzen.

 

 

Westsahara: Menschenrechtspreis für Laila Fakhouri

28.12.2019. Die 25-jährige Polititaktivistin Laila Fakhouri aus der von Marokko besetzten Republik Westsahra hat für ihr Engagement den Weimarer Menschenrechtspreis bekommen, den sie sich mit der Frauenrechtlerin Ishan Fagiri aus dem Sudan teilt. Fakhouri steht der Befreiungsbewegung POLISARIO nahe, welche seit Jahrzehnten für eine unabhängige Westsahra kämpft.

 


Deutschland: NEUE RICHTUNG verurteilt Putsch und Gewalt in Bolivien

3.12.2019. Die neutralistische Bürgerbewegung Neue Richtung hat auf ihrem Treffen im November die gewalttätigen Proteste, welche zum Rücktritt des linken Präsidenten Evo Morales (2006-19) geführt haben, als Putsch rechter, US-höriger Eliten eingestuft und scharf verurteilt. Für die Einschätzung, daß es sich klar um einen Putsch handelt, spricht u.a. dass das Militär sich weigerte, gegen die meuternden Polizeieinheiten vorzugehen und die Regierung zum Rücktritt aufforderte oder aber auch, dass die sogenannte „Interimsregierung“ von Jeanine Anez Botschafter und hohe Staatsbedienstete austauscht und diese durch eigene Anhänger ersetzt, obwohl es lediglich ihre Aufgabe wäre, Neuwahlen vorzubereiten.

 


Jemen: Huthi-Rebellen kapern saudisches Schiff im Roten Meer

3.12.2019. Die bewaffnete Bürgerbewegung Ansarullah, welche im Jemen gegen die saudi-arabischen Invasoren kämpft, hat im Roten Meer ein Schiff gekapert, welches eine südkoreanische Bohrplattform geschleppt hat. Die auch in der westlichen Presse als „Huthi-Rebellen“ (nach dem Namen des Anführers) bezeichneten jemenitischen Kämpfer hätten die „Rabigh 3“ mit zwei bewaffneten Booten angegriffen.

 

 

 

 

 



Dienstag, 24. Dezember 2019



Situation in Libyen extrem gefährlich

Libyen/Türkei. LNA steht kurz vor Einnahme von Tripolis/‘Einheitsregierung‘ bittet Türkei um militärische Hilfe. 
 

Nachdem die Libysche Nationalarmee (LNA) einen Cordon um die libysche Hauptstadt Tripolis geschlossen hat und die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in den letzten Tagen massive Verluste hinnehmen mussten, hat sich nach Berichten verschiedener Medien die ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch auf das vor wenigen Tagen geschlossene Abkommen mit der Türkei berufen und militärische Hilfe von der Türkei angefordert.
Sicher ist, dass trotz des von der UN verhängten Waffenembargos massiv Waffen und Militärausrüstung aus der Türkei nach Misrata und Tripolis geliefert werden. Unklar ist, ob die Türkei auch Truppen nach Libyen schicken wird. Misrata hatte die allgemeine Mobilmachung erklärt, nachdem die Türkei die ‚Einheitsregierung‘ dazu aufgeforderte, die LNA mit dem Einsatz aller Kräfte so lange aufzuhalten, bis das Türkei-Abkommen umgesetzt werden könne.

Die LNA gab bekannt, sie werde alle türkischen Streitkräfte, die nach Libyen kommen, angreifen, während das Komitee für Verteidigung und Nationale Sicherheit des libyschen Parlaments (Repräsentantenhaus) vor den Konsequenzen einer türkischen Militärintervention in Libyen warnte. Es forderte die Arabische Liga auf, sich entschlossen gegen die Einmischung der Türkei in die inneren Angelegenheiten Libyens zu stellen.
Parlamentssprecher Aguila Saleh sagte, es seien in Libyen bereits mehrere türkische Militärangehörige getötet worden. Saleh sagte auch, dass die ‚Einheitsregierung‘ die militärische Ausrüstung von der Türkei kaufe, die Rechnung allerdings Katar begleiche.

Ägypten, das die LNA unterstützt, hat sich bereits ausdrücklich gegen die türkische Militärintervention in Libyen ausgesprochen. Angela Merkel hatte heute in einem Telefongespräch mit dem ägyptischen Präsidenten as-Sisi über die Lage in Libyen gesprochen. Ging es darum, Ägypten zum Stillhalten zu bewegen?

Es geht um die Vorherrschaft in der islamischen Welt. Die Türkei und Katar versuchen mit Hilfe der Moslembruderschaft eine Vormachtstellung zu erreichen. Ägypten, Saudi Arabien, die VAE und andere Staaten wollen dies mit allen Mitteln verhindern. Auch die Großmächte USA und Russland sind alles andere als Freunde der Moslembrüder, ebenso wie Frankreich. Ein Stellvertreterkrieg ohne Rücksicht auf die betroffene libysche Bevölkerung ist im vollen Gange.

Neben Frankreich versucht Italien, seine Interessen in Libyen durchzusetzen. Der italienische Außenminister Luigi Di Maio, der gerade zu Gesprächen in Tripolis und Bengasi war, hat den Generalkommandeur der LNA, Feldmarschall Khalifa Haftar, für nächste Woche nach Rom eingeladen. Italien lehnt laut Di Maio das zwischen der Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ und der Türkei geschlossene Abkommen ab. Die italienische Regierung werde einen Sonderbeauftragten für Libyen einsetzen, der auf hoher politischer Ebene die Kontakte zu den libyschen Parteien halten soll.

Besonders betroffen durch diesen Konflikt ist auch Griechenland, da Sarradsch ein Seerechtsabkommen mit der Türkei geschlossen hat, das Öl- und Gasbohrrechte beinhaltet und das nach allgemeiner internationaler Auffassung gegen das Seerecht verstößt. Griechenland hat den libyschen Botschafter des Landes verwiesen. Die Türkei dürfte im Gegenzug Migranten über das Mittelmeer nach Griechenland schicken. Griechenland rechnet mit 100.000 Ankünften im kommenden Jahr.

Die Türkei stellt die neuntstärkste Armee der Welt. Wie schon in Syrien setzt die Türkei auch in Libyen auf das Recht des Stärkeren. Bei einem Eingreifen militärischer Truppen in Libyen hätte die LNA kaum Chancen, würde sie sich nicht auch Unterstützung von außen holen.

Präsident Erdogan beruft sich darauf, dass die ‚Einheitsregierung‘ international anerkannt und somit berechtigt sei, militärische Hilfe aus dem Ausland anzufordern. Allerdings ist das libysche Parlament ebenfalls international anerkannt und die ‚Einheitsregierung‘ hätte die Zustimmung des Parlaments für diese weitreichende Entscheidung einholen müssen. Das Parlament hat der ‚Einheitsregierung‘ seit ihrer Einsetzung im Jahr 2015 ihre Anerkennung verweigert. Und selbst nach dem 2015 geschlossenen Skhirat-Abkommen lief das Mandat der ‚Einheitsregierung‘ am 17. Dezember 2019 aus. Im Prinzip kämpft in Libyen das demokratisch gewählte Parlament gegen eine von ausländischen Mächten eingesetzte ‚Regierung‘, die eine ausländische Militärmacht ins Land holt. Seit dem Sturz Gaddafis ein failed state, ist Libyen zum Spielball ausländischer Mächte verkommen. Es wird gepokert: Was ist Bluff, was echte Bedrohung?

http://www.ekathimerini.com/247744/article/ekathimerini/news/libya-accepts-turkish-offer-for-military-support-report-says
https://almarsad.co/en/2019/12/17/aguila-saleh-qatar-reimburses-gna-purchases-of-turkish-military-equipment-dispatched-to-libya/
https://deutsch.rt.com/kurzclips/95922-erdogan-macht-westen-unglaubliche-vorwuerfe-boote-versenkt/?utm_source=browser&utm_medium=aplication_firefox&utm_campaign=firefox
https://www.addresslibya.co/en/archives/52477
https://www.addresslibya.co/en/archives/52487
https://www.addresslibya.co/en/archives/52484

Samstag, 21. Dezember 2019



Türkei und Katar allein gegen alle

Libyen. Türkei-Abkommen vom Parlament null und nichtig erklärt. Während die Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis weitergehen, finden Gespräche auf vielen politischen Ebenen statt. 


Das libysche Parlament wendet sich an den UN-Generalsekretär Guterres
Aguila Saleh übersandte in seiner Funktion als Sprecher des libyschen Parlaments (House of Representatives, HOR) ein Schreiben an den UN-Generalsekretär António Guterres. In dem Schreiben heißt es, dass das Abkommen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und der Türkei gegen das internationale Seerecht verstoße. Es sei zwischen zwei Staaten geschlossen worden, die keine gemeinsamen Seegrenzen haben und bedrohe die libyschen Beziehungen zu den Nachbarstaaten Ägypten, Griechenland und Zypern. Der UN-Generalsekretär wurde aufgefordert, dieses sogenannte Memorandum of Understanding zu ignorieren, da es vom Parlament nicht ratifiziert, sondern als null und nichtig erklärt worden war.
Das demokratisch gewählte Parlament ist das international anerkannte legislative Organ Libyens.
Aguila Saleh traf in Kairo auch mit dem UN-Sonderbeauftragten für Libyen (UNSMIL), Ghassan Salamé zusammen. Saleh verdeutlichte den Standpunkt des Parlaments, demzufolge das Skhirat-Abkommen nie umgesetzt worden sei. Mit Ghassan Salamé und seiner Vertreterin, Stephanie Williams, führte in Kairo auch der Vorsitzende des Libya Institute for Advanced Studies, Aref Ali Nayed, Gespräche. Nayed hatte bereits in einem offenen Brief an den UNSMIL davor gewarnt, die mit der Türkei geschlossenen Verträge anzuerkennen, da sie rechtswidrig zustande gekommen sind.

Sarradsch zu Gesprächen in Katar und in der Türkei
Bei der ‚Einheitsregierung‘ schien es Gesprächsbedarf zwischen den Verbündeten zu geben. Bereits am Sonntag, den 15.12., fand in Istanbul ein Gespräch zwischen as-Sarradsch und dem türkischen Präsidenten Erdogan hinter verschlossenen Türen statt. Sarradsch hatte auch den Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad in Doha aufgesucht. Der katarische Außenminister Abdulrahman al-Thani sagte am Montag in einem Interview mit Al-Dschasira, Katar würde weiterhin die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unterstützen.

Kann Russland vermitteln?
Heute, am 17.12., hat ein Telefongespräch zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem türkischen Präsidenten Erdogan stattgefunden. Aus Moskau heißt es, dass es im Januar ein Treffen mit Erdogan geben werde, um über dessen militärische Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ zu sprechen. Der Kremlsprecher Dmitry Peskov: „Russland ... unterstützt jegliche Bemühungen und einzelne Länder, um Lösungen für die Krise [in Libyen] zu finden“.
Russland, das über Gesprächskanäle mit allen Konfliktparteien in Libyen verfügt, könnte auch hier eine Vermittlerrolle zwischen den verfeindeten Parteien einnehmen.

Streit zwischen Türkei und USA eskaliert
Die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch in Tripolis wird von der Türkei und Katar unterstützt, während Ägypten, Saudi Arabien, VAE offen, USA, Russland und Frankreich mehr oder weniger verschämt, die Libysche Nationalarmee (LNA) unterstützen. Zwischen den USA und der Türkei steigen die Spannungen immer stärker. Erdogan droht inzwischen mit der Schließung von zwei Nato-Stützpunkten in der Türkei. Offizieller Auslöser für die Spannungen zwischen den USA und der Türkei sind der Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durch die Türkei, sowie die Anerkennung der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord durch das Repräsentantenhaus und den Senat der USA.
Es ist kaum vorstellbar, dass es die Türkei, auch wenn sie das finanzstarke Katar im Rücken hat, mit den geballten internationalen Mächten, die es gegen sich aufgebracht hat, wirklich militärisch aufnehmen will. Russland als neuer militärischer Partner fällt für die Türkei flach. Die hinter Erdogan stehenden Moslembrüder dürften bei Putin genauso unbeliebt sein wie bei Trump.

Unterstützung der EU für 'Einheitsregierung' wankt
Laut der italienischen Zeitung Il Messaggero wird morgen auch der italienische Außenminister Luigi di Maio in Libyen zu Gesprächen eintreffen. Er will in Tripolis Fayez as-Sarradsch und in Bengasi Feldmarschall Haftar treffen. Italien, das bisher die ‚Einheitsregierung‘ unterstützte, soll nun auch Hilfslieferungen an die LNA gesandt haben. Die Gespräche sollen auch der Vorbereitung der geplanten Libyen-Konferenz in Berlin dienen, deren Termin genauso wenig wie andere Einzelheiten bekannt sind. Für Italien, aber auch für Frankreich, und die Erdölkonzerne beider Länder steht viel auf dem Spiel. Vermutlich hat die EU ihre Haltung zum Libyenkonflikt korrigiert und die ‚Einheitsregierung‘ wird nicht mehr wie bisher rückhaltlos unterstützt.

Bei 'Einheitsregierung' liegen Nerven blank
Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass auf den Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Fath Bashagha, in Misrata ein Mordanschlag verübt wurde, bei dem Bashagha verletzt wurde. Die internen Streitigkeiten der ‚Einheitsregierung‘ eskalieren, die Nerven liegen blank.
Tripolis ist weiter umkämpft, die LNA fliegt Angriffe auf Stellungen der Milizen der ‚Einheitsregierung‘, im Süden von Tripolis, in Sirte und Misrata.

https://almarsad.co/en/2019/12/15/libyan-parliament-speaker-asks-the-unsg-not-to-register-turkey-gna-maritime-mou/
https://www.aa.com.tr/en/africa/turkish-president-meets-leader-of-libyan-government/1674384
https://in.reuters.com/article/russia-turkey-libya/russia-and-turkey-to-discuss-libya-military-support-in-january-kremlin-idINKBN1YL0YW
https://almarsad.co/en/2019/12/17/nayed-meets-with-aguila-saleh-and-then-salame-and-williams-in-cairo/
https://www.nzz.ch/international/erdogan-droht-den-usa-mit-der-schliessung-von-militaerstuetzpunkten-ld.1528766?mktcid=nled&mktcval=107_2019--12-16&kid=nl107_2019-12-16
https://www.addresslibya.co/en/archives/52446
https://deutsch.rt.com/europa/95851-usa-bald-ohne-stuetzpunkt-


Lage in Libyen spitzt sich zu

Libyen/Ägypten. Libysche Diplomaten: Wir sind Vertreter des Volkes, der Nationalarmee und des Parlaments/Forderung: Keine Amtsverlängerung für Sarradsch/LNA: letzte Warnung an Misrata


Libysche Botschaft in Ägypten erkennt ‚Einheitsregierung‘ nicht mehr an
Die gesamte diplomatische Vertretung Libyens in Ägypten und alle ihre diplomatischen Gesandten gaben am 15. Dezember 2019 bekannt, dass sie die ‚Einheitsregierung‘ (Regierung des nationalen Abkommens/GNA) unter dem Vorsitz von Fayez as-Sarradsch nicht mehr anerkennen.

In einer von der Vertretung herausgegebenen Erklärung heißt es, sie sehe sich als Vertreter des „libyschen Volkes, der Nationalarmee und des gewählten Parlaments“.
In der Erklärung wurde die Libysche Nationalarmee als Libyan Arab Armed Forces (LAAF – Libysch-Arabische Streitkräfte) bezeichnet. Der Kampf der Armee gegen kriminelle und terroristische Banden solle zukünftig von der diplomatischen Vertretung unterstützen werden.
Laut den Diplomaten schloss sich das gesamte Botschaftspersonal, vom Botschafter über den Geschäftsträger, dem Konsul und alle in der Botschaft tätigen Gesandten dieser Erklärung an, in der Sarradsch vorgeworfen wurde, den Terrorismus zu unterstützen und sich nicht für die Rechte des libyschen Volkes einzusetzen. Andere Libyer wurden aufgefordert, diesem Schritt zu folgen.
Als Grund wurde auch das vor wenigen Tagen geschlossene Abkommen der ‚Einheitsregierung‘ mit der Türkei genannt, das sogenannte ‚Memorandum of Understanding (MoU), das der Türkei erlaubt, libyschen Luftraum, Territorialgewässer und Territorium ohne vorherige Absprache und Genehmigung durch die libyschen Behörden nutzen und Militärbasen in Libyen errichten zu dürfen. Daneben wurde ein Seerechtsabkommen geschlossen, das Öl- und Gasbohrrechte beinhaltet und das nach allgemeiner internationaler Auffassung gegen das Seerecht verstößt.
Sowohl das griechische Parlament als auch das ägyptische Repräsentantenhaus veröffentlichten Erklärungen, in denen sie das libysche Parlament beziehungsweise Repräsentantenhaus als die einzige legitime Vertretung des libyschen Volkes bestätigten. Zwischenzeitlich verwies Griechenland den libyschen Botschafter des Landes.

Offener Brief fordert von UN, der Sarradsch-Regierung die Anerkennung zu entziehen
Das Libya Institute for Advanced Studies (LIAS) forderte in einem offenen Brief vom 14. Dezember 2019 die UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) auf, dem Präsidialrat und seiner Regierung in Tripolis die Anerkennung zu entziehen. Das Schreiben trägt die Unterschrift des Vorstandvorsitzenden Dr. Aref Ali Nayed.
In dem Schreiben wird auf die von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Sozial- und Gemeinderäten gestellten Forderungen Bezug genommen, die einen Widerruf der Anerkennung der Sarradsch-Regierung fordern.
Selbst wenn man sich auf das Skhirat-Abkommen von 2015 beriefe, das allerdings niemals vom Parlament ratifiziert worden ist, würde die Amtszeit von Sarradsch am 17. Dezember 2019 nach dreimaliger Verlängerung unwiderruflich auslaufen.
Unter den gegebenen Umständen wäre es unverantwortlich, die Sarradsch-Regierungszeit automatisch zu verlängern. Die präsidialen Befugnisse müssten bis zum 17. Dezember vollständig an die gewählten Repräsentanten des libyschen Volkes übergehen.
Das Libya Institute for Advanced Studies bittet daher um die umgehende Bekanntgabe, dass die Amtszeit des Präsidialrates und seiner Regierung nicht verlängert wird sowie um eine Benachrichtigung an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, dass die Beschlüsse, Vereinbarungen und Absichtserklärungen, die der Präsidialrat und seine Regierung in den letzten Tagen willkürlich geschlossen oder unterzeichnet haben, nicht umgesetzt werden.

Anhaltende Waffenlieferungen aus der Türkei
Währenddessen wurde die Ankunft größerer Ladungen an Militärgütern aus der Türkei per See- und Luftweg in Misrata zur Unterstützung der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gemeldet. Die Libysche Nationalarmee (LNA) erklärte, die Löschung und der Weitertransport dieser Militärgüter seien unter ihrer Beobachtung.
Im Luftwaffenstützpunkt von Misrata, der Misrata Air Academy, sollen sich auch neu gelieferte türkische Drohnen zum Einsatz gegen die LNA befunden haben, die laut LNA zwischenzeitlich bei Luftangriffen zerstört wurden. Der LNA soll es auch gelungen sein, mehrere neue Kirby-Panzerfahrzeuge türkischer Produktion zu zerstören.
Weiter teilte die LNA mit, sie habe den Transport und die Lagerung von Waffen, Munition und Militärgütern in zivilen Gebieten von Misrata beobachtet. Noch seien die Streitkräfte angewiesen, dort keine Angriffe durchzuführen, damit die Sicherheit der Zivilbevölkerung von Misrata gewährleistet bleibe. Sollten diese türkischen Militärsendungen aber nicht unverzügliche außerhalb der Wohngebiete verbracht werden, würden sie zu legitimen Zielen. Dies sei als eine letzte Warnung zu verstehen. Die Einwohner von Misrata werden ausgefordert, sich von diesen Lagerstätten fernzuhalten.
Neue militärische Güter aus der Türkei würden auch im Hafen von Tripolis und in algerischen Häfen ankommen. Dies verstoße gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo. Schiffe und Flugzeuge, die zum Transport von Militärausrüstung eingesetzt werden, seien ebenfalls legitime Ziele der libyschen Luftwaffe.
Misrata, die Industriehauptstadt Libyens, sollte nicht weiter in die Kämpfe verwickelt werden. Sie sei von der ‚Einheitsregierung‘ benutzt worden, als es um den Ausverkauf Libyens im Tausch für türkische Waffen ging. Die Bewohner Misratas sollten sich jeder Lagerung von Waffen oder Munition in der Nähe von Wohngegenden widersetzen und den Abtransport dieser gefährlichen Güter fordern.


https://wwww.dailynewssegypt.com/2019/12/14/libyas-diplomatic-mission-in-egypt-disowns-al-sarraj/
https://almarsad.co/en/2019/12/14/lias-open-letter-to-salame-withdraw-recognition-of-the-presidential-council-and-the-gna/
https://almarsad.co/en/2019/12/14/lna-warns-civilian-ships-and-cargo-aircraft-against-transporting-military-equipment/

Erdogan hat überzogen

Libyen/Türkei. Erdogan verliert zunehmend internationale Unterstützung. Trotz seiner Drohungen dürfte er vor einer militärischen Intervention in Libyen zurückschrecken. 


Türkei unterstützt massiv die Milizen der ‚Einheitsregierung‘
Schon im Mai dieses Jahres konnte man Schützenpanzer durch die Hauptstadt Tripolis patrouillieren sehen, die laut Spiegel „offenbar kurz zuvor aus der Türkei geliefert worden waren“. Das war ein Verstoß gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen, den in der UN und der EU wohl niemanden interessierte. Selbst wenn Erdogan sagt: „Wir geben ihnen die Unterstützung, die sie brauchen“, muss er weder mit Rügen, noch mit Sanktionen rechnen. Unterstützt er doch die Milizen der gleichen ‚Einheitsregierung‘, die sich noch internationaler Anerkennung erfreut.
So konnte Erdogan auch in einem Interview mit dem staatlichen Fernsehen TRT in diesen Tagen sagen, dass „die Türkei und Libyen gemeinsame Explorationsoperationen im östlichen Mittelmeerraum durchführen können“ und auf die Möglichkeit hinweisen, türkische Soldaten nach Libyen zu entsenden, wenn dies von der ‚Einheitsregierung‘ gefordert werde.

Erdogan reklamiert Führungsanspruch in der islamischen Welt
Am 8. und 9. Dezember fand in Istanbul ein Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) statt. Die OIC ist nach den Vereinten Nationen die zweitgrößte zwischenstaatliche Organisation der Welt und hat ihren Sitz in Dschidda (Saudi-Arabien). Ihr gehören 57 Länder mit einer Bevölkerung von über 1,8 Milliarden Menschen an. Als Gastgeber nutzte Präsident Erdogan die große Bühne, um den Anspruch der Türkei als Führungsnation der islamischen Welt zu untermauern. Er erinnerte die Teilnehmer daran, dass sein Land die 13. größte Wirtschaftsnation der Welt ist und „unübertroffen“ darin, sich den globalen Handelskriegen und „Fluktuationen“ an Finanzmärkten zu widersetzen. Dies dürfte nicht verwundern, finanziert sich die Türkei auch mit dem Griff in die libysche Staatskasse.
Wie Aref Ali Nayed, Botschafter und Vorsitzender des Libya Institut for Advanced Studies, am 11. Dezember in einem Interview mit dem libyschen Fernsehsender Panorama erklärte, wurde Sarradsch mit der internationalen Anerkennung und der damit verbundenen Legitimität, die er durch das Skhirat-Abkommen erlangte, zu Erdogans Handlanger bei dessen Vorhaben, sich zum neuen Sultan aufzuschwingen. Doch das Osmanische Reich bestehe nicht mehr und Libyen könne somit kein Teil davon sein.

Erdogans Griff in die libyschen Kassen
Laut Nayed sind die libyschen Staatsfonds seit der Machtübernahme der Moslembrüder 2011, die seither die libysche Zentralbank kontrollieren, bei türkischen Banken hinterlegt. Und Nayed fragt: „Wissen Sie, dass Milliarden von Dollar libyschen Geldes bei der türkischen Landwirtschaftsbank Ziraat Bankası und der Türkischen Zentralbank hinterlegt sind? Das ist, als ob sie die libysche Staatskasse als Bayt-ul-Mal der Muslime verwenden und als ob der libysche Staatsfonds eine Schatulle der osmanischen Statthalter von Tripolitanien ist, die dem osmanischen Sultan ausgehändigt wurde.“
Die Osmanen hätten die libyschen Stämme fünf Jahrhunderte lang gezwungen, Abgaben an die Türken zu zahlen. „Das libysche Volk lehnt die Rückkehr zu einer solchen Versklavung kategorisch ab. Leider kontrolliert die Muslimbruderschaft in Tripolis das libysche Vermögen und hinterlegt die staatlichen libyschen Gelder bei türkischen Banken, während sie gleichzeitig behaupten, keine finanziellen Ambitionen zu haben. Natürlich haben sie die. Es geht ihnen nur darum, gierig die Staatskassen zu plündern.“
Doch Erdogan sei nicht die Türkei. Das türkische Volk werde respektiert und geschätzt, so wie Türken das libysche Volk wertschätzten. Das Problem sei Erdogan und seine uneingeschränkte Unterstützung der Moslembruderschaft.

Sarradsch als Handlanger Erdogans und der Moslembrüder
Aref Nayed führt weiter aus, dass das dubiose Abkommen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Sarradsch und der türkischen Regierung irreführend als Memorandum of Understanding (MoU) bezeichnet werde, damit es nicht dem libyschen Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden müsse, wie dies bei offiziellen Abkommen mit anderen Staaten vom Skhirat-Abkommen vorgeschrieben sei.
In der Türkei sei das Abkommen durch das Parlament gegangen und dort verabschiedet worden.

Das gewählte Parlament ist die einzige legitime Vertretung des libyschen Volkes
Nayed weist ausdrücklich darauf hin, dass das Parlament das einzige politische Organ in Libyen ist, das durch Wahlen seine Legitimation erhielt und von den Vereinten Nationen anerkannt ist. Im Gegensatz dazu sei der Präsidialrat in Tripolis praktisch nicht existent, da die Hälfte seiner Mitglieder zurückgetreten ist oder den Rat boykottiert. Alle Entscheidungen des Präsidialrats müssten aber einstimmig getroffen werden. Auch sei dem Präsidialrat in Tripolis niemals vom Parlament das Vertrauen ausgesprochen worden, ebenso wenig wie der ‚Einheitsregierung‘ von Fayez as-Sarradsch. Er habe somit absolut kein Mandat und auch keine verfassungsrechtliche Legitimität, solche Vereinbarungen wie das Abkommen mit der Türkei zu unterzeichnen. Das Parlament sei vom libyschen Volk gewählt und sei die einzige legitime Gesetzgebungsinstanz.
Leider habe die internationale Gemeinschaft 2015 sich nicht mit dem gewählten Parlament solidarisch erklärt, sondern habe die militanten Gruppen unterstützt, die 2014 die Kontrolle über die libysche Hauptstadt, die Zentralbank und die Existenzgrundlagen des libyschen Volkes übernommen hätten. Um die Islamisten zu beschwichtigen, sei 2015 das Skhirat-Abkommen ausgehandelt worden, das allerdings vom Parlament nie angenommen wurde; nichtsdestotrotz habe die internationale Gemeinschaft Sarradsch anerkannt.
Das Skhirat-Abkommen sah auch vor, dass Beschlüsse des Präsidialrats einstimmig gefasst werden müssen. In ihm ist die Freilassung politischer Gefangener und viele andere Bestimmungen wie die gerechte Verteilung des libyschen Reichtums zum Wohle der Bevölkerung festgelegt, die niemals von der ‚Einheitsregierung‘ umgesetzt wurden. Stattdessen rissen die Islamisten, die die libysche Zentralbank übernommen hatten, die gesamten Öleinnahmen an sich und nutzten sie zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten nicht nur in Libyen, sondern in der gesamten Region.
Es sei richtig, dass der Präsidialrat international anerkannt werde, genauso richtig ist es aber auch, dass das libysche Parlament international anerkannt sei und zwar als gesetzgebendes Organ, das in dieser Funktion ein Abkommen mit der Türkei ratifizieren müsse.
Nayed ist der Meinung, dass dieses rücksichtslose Vorgehen Sarradschs bezüglich des Abkommens mit Erdogan dazu führte, dass Italien seine Position überdachte. Sarradsch habe damit nicht nur Italien, sondern die gesamt Europäische Union gegen sich aufgebracht. Nun sei auch seinen Unterstützern in Tripolis klar geworden, dass Sarradsch nicht nur im libyschen Konflikt instrumentalisiert werde, sondern auch ein Handlanger der Moslembruderschaft in Tripolis und in Istanbul sei.

Zusammenarbeit von ‚Einheitsregierung‘ und terroristischen Gruppierungen
Zum Problem von terroristischen Gruppierungen in Libyen meinte Nayed, dass es falsch war, die Moslembruderschaft als gemäßigte islamische Gruppierung einzuschätzen, die als Puffer zwischen dem Terrorismus und den Staaten dienen könne. Tatsächlich sei die Moslembruderschaft die Basis für den Terrorismus. Es gebe keinen Terroristen, dessen geistigen Überzeugungen nicht auf die Ideologie der Moslembruderschaft zurückgingen. Dies wurde klar, als in den USA nach Obama und Clinton Donald Trump die Regierung übernahm.
Gerade sei ein Pilot der Libyschen Nationalarmee (LNA) von einer Miliz gefangengenommen worden. Die Kämpfer, die demütigende Selfies mit dem Gefangenen gepostet haben, hätten Abzeichen des Innenministeriums der ‚Einheitsregierung‘ getragen. As-Sarrasch habe diesen Kämpfern zur Gefangennahme gratuliert. Just diese auf den Fotos identifizierten Kämpfer sind von der Staatsanwalt in Tripolis wegen ihrer Zugehörigkeit zum IS zur Fahndung ausgeschrieben. Dies heißt, IS-Kämpfer werden vom Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ bezahlt.
Bekannt sei auch geworden, dass Khaled al-Mishri, der Vorsitzende des Hohen Staatsrates (laut Skhirat-Abkommen ein Organ mit beratender Funktion) während einer Inspektionsreise nach Zawaiya dort das Haus des von der UN sanktionierten Anführers einer der berüchtigtsten Menschen- und Kraftstoffschmuggelmafia besuchte.
Nayed sagt, er stehe in ständigem Kontakt mit dem Leiter der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) sowie dessen Stellvertreter und dem politischen Büro der UNSMIL. Alle Staaten würden ständig über die Situation in Libyen informiert, allen diplomatischen Vertretungen lägen die Berichte vor. Seit 2014 sei es das größte Problem, dass militante Terrorgruppen die libysche Zentralbank kontrollierten.

Die Dreistigkeit des Türkei-Sarradsch-Abkommens könnte den Fall der ‚Einheitsregierung‘ beschleunigen
Nayed ist der Meinung, dass die Türkei die Situation nicht weiter eskalieren wird, da dies Konfrontationen mit allen Ländern der Region zur Folge hätte. Neben ägyptischen Militärübungen fänden gerade Marineübungen im östlichen Mittelmeer statt, an denen Franzosen, Italiener und Griechen teilnehmen. Die Vereinigten Staaten hätten die Türkei und Russland darüber informiert, dass dieses rücksichtslose Abkommen inakzeptabel ist. Das libysche Volk sei keinem osmanischen Sultan untergeordnet. Und Nayed bedauert, dass Libyer aus angesehenen Familie wie as-Sarradsch und Muhammad al-Tahir Siala, sich dazu hergaben, dieses Abkommen zu unterzeichnen.

Die Berlin-Konferenz
Als großen Fehler bezeichnet Nayed dass an der Berliner Libyenkonferenz keine Libyer teilnehmen werden. Eine politische Lösung für Libyen sei Sache der libyschen Bevölkerung.

Der Kampf um Tripolis
Die LNA habe die jungen Männer in Tripolis aufgefordert, ihre Waffen niederzulegen und die LNA zu unterstützen, da sie die Armee des gesamten libyschen Volkes sei. Sie sei weder die Armee der Kyrenaika noch die Armee von Ostlibyen, sondern sie setze sich aus Soldaten aus allen libyschen Städten zusammen: Tarhouna, Wirshafana, Bani Walid, Tripolis, Zawiya, Surman, den Nafusa-Bergen, dem Süden und allen anderen Teilen Libyens.
Dies sei die libysche Nationalarmee, die dem vom Volk gewählten libyschen Parlament angegliedert sei. Es könnten schon bald Vereinbarungen mit den jugendlichen Kämpfern in Tripolis getroffen werden, um einen reibungslosen Einzug der LNA in Tripolis zu ermöglichen, bei dem die Zivilbevölkerung geschützt wird und gleichzeitig die Anerkennung des Präsidialrats aufgehoben wird, ob von der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union, der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen.
Und Nayed weist darauf hin, dass am 17. Dezember Sarradsch vier Jahre im Amt ist. Laut dem Skhirat-Abkommen hätte seine Amtszeit nach der Anerkennung durch das Parlament nur um zweimal ein Jahr verlängert werden können, allerdings sei diese Anerkennung nie erfolgt. Sarradsch habe niemals einen Amtseid abgelegt.
Die ‚Einheitsregierung‘ habe keinerlei rechtliche oder verfassungsrechtliche Grundlage, um an der Macht zu bleiben. Dementsprechend habe das libysche Parlament das Recht, seine amtierende libysche Übergangsregierung zu unterstützen, die das Vertrauensvotum erhalten hat.
Während in Tripolis heftig gekämpft wird, sollen sich laut neuesten Meldungen westliche Diplomaten in der Stadt Janzour versammelt haben, um ihre Abreise auf dem Seeweg vorzubereiten.

https://www.addresslibya.co/en/archives/52277
https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-recep-tayyip-erdogans-riskante-libyen-wette-a-1276573.html
https://almarsad.co/en/2019/12/12/aref-nayed-erdogan-thinks-he-is-sultan-abdul-hamid-and-libya-is-an-ottoman-province-thanks-to-the-muslim-brotherhood/


Samstag, 7. Dezember 2019



Plant Nato neue Libyen-Intervention?

Libyen. Sarradsch-Abkommen mit der Türkei schlägt auch international hohe Wellen. Dubiose Libyenabsprachen beim UNO-Gipfeltreffen und bei geplanter Berlin-Konferenz erwartet.


Wird UN-Sonderbevollmächtigter zurücktreten?
Während der Außenminister der türkischen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Mohamed Siala, die MoU-Abkommen (Memorandum of Understanding) mit der Türkei über Grenzziehungen im Mittelmeer und militärische Zusammenarbeit immer noch als im nationalen Interesse Libyens und zum Schutze seiner Grenzen verteidigt, soll der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghasan Salamé, seinen Rücktritt nach der Berliner Libyenkonferenz angekündigt haben. Dies erinnert an den Rücktritt Kofi Annans im August 2012, der sich bei seiner Vermittlertätigkeit in Syrien von den USA und den Nato-Kräften ebenfalls hintergangen fühlte.

Rätselhafte Berlin Konferenz von MoU Abkommen bedroht
Rätselraten herrscht immer noch hinsichtlich der Inhalte, Teilnehmer, des Zeitpunkts und der Beschlüsse oder Absprachen, die auf einer Libyen-Konferenz in Berlin getroffen werden sollen. Soviel jedenfalls sickerte durch: Bei der Konferenz soll es um die Aufteilung Libyens in neun Bezirke gehen, um die Schaffung eines föderalen Systems, der Beauftragung der UNO mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung und dem Aufbau der Armee unter internationaler Schirmherrschaft, soll wohl heißen Nato. Bisher erfolgte von offizieller Seite weder ein Dementi noch eine Bestätigung der Pläne. Bereits am 10. Dezember sollte, im Anschluss an den gerade tagenden Nato-Gipfel, zunächst ein Vorbereitungstreffen für die nun von Dezember auf Januar verschobene Libyen-Konferenz stattfinden. Die Libyer selbst haben bei all diesen Fragen, die ihr Land und ihre Rohstoffe betreffen, natürlich nichts zu melden. Diese Absprachen treffen die, vielleicht auch nur vermeintlich, Mächtigen dieser Welt unter sich.
Allerdings sieht der UN-Sonderbeauftragte Salamé die gesamte Berlin-Konferenz durch die jüngsten Abkommen zwischen der Sarradsch-Regierung und der Türkei gefährdet, denn neben der Empörung, die das Abkommen in Libyen selbst und in Ägypten auslöste, sehen auch die Nato-Partner Griechenland und Zypern ihre Interessen im Mittelmeer in Bezug auf die dort lagernden enormen Gasvorräte durch die Türkei bedroht. Libyen hat keine Seegrenzen mit der Türkei, zwischen der Türkei und Libyen liegen griechische Inseln und Zypern. Bei dieser Auseinandersetzung zwischen den Erzfeinden Türkei und Griechenland geht es um sehr viel Geld. Dieser Streit hat Potential. So hat Athen bereits die Gespräche mit Ankara über vertrauensbildende Maßnahmen auf militärischer Ebene auf Eis gelegt.

Sprecher des libyschen Parlaments Aguila Saleh fordert vom UN-Sicherheitsrat Aufhebung der Anerkennung der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis
In einem Schreiben an den UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte Aguila Saleh das ‚Einheitsregierung‘-Türkei-Abkommen. Saleh erklärt darin, dass das von Sarradsch unterzeichnete MoU-Abkommen nicht – wie es das Skhirat-Abkommen von 2015 vorsieht – vom Parlament ratifiziert wurde. Mit dem Abkommen würden legitime Rechte des libyschen Staates sowie seine Souveränität an die Türkei abgetreten.
Der Präsidialrat der ‚Einheitsregierung‘, sein Präsident und seine Mitglieder übten ihr Amt rechtswidrig aus, da sie seit ihrem Amtsantritt keinen Amtseid vor dem gewählten libyschen Parlament ablegten. Die trotz Waffenembargos offensichtliche und belegte militärische Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ durch die Türkei geschehe unter den Augen des UN-Sicherheitsrates.
Ziel des MoU sei die Verletzung des Hoheitsgebiets des libyschen Staates und des libyschen Luftraums sowie seiner Häfen und Hoheitsgewässer durch das türkische Militär. Dies verletze die libysche Souveränität.
Ziel des sogenannten MoU sei es auch, die Ratifizierung der Abkommen zur libyschen Verfassung und ihrer Änderungen zu umgehen. Von der Exekutive geschlossene Vereinbarungen dürften nicht die Wirtschaft des Landes belasten oder seine Sicherheit und Souveränität gefährden. Entsprechende Abmachungen müssten von der vom Volk gewählten Legislative verabschiedet werden.
Weiter heißt es, dass laut Skhirat-Abkommen die ‚Einheitsregierung‘ rechtswidrig und illegal ist. Sie schütze weder die nationale Einheit, noch respektiere sie die Souveränität und Unabhängigkeit des Landes, sondern akzeptiere stattdessen ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Weder sei sie transparent, noch bekämpfe sie Korruption. Darüber hinaus unterstütze sie al-Kaida-Milizen und die Moslembruderschaft.
Das libysche Parlament fordere deshalb von den Vereinten Nationen:
1. einen Beschlusses über den Widerruf der Anerkennung der ‚Einheitsregierung‘
2. die Anerkennung der Beschlüsse des libyschen Parlaments als der einzig rechtmäßigen libyschen Instanz
3. Die Nichtanerkennung des MoU und dessen Betrachtung als nicht existent. Es wird noch einmal bekräftigt, dass das libysche Parlament als die international anerkannte Legislative des Landes die zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der Türkei geschlossene Absichtserklärung nicht anerkennt. „Der libysche Staat ist von jeglichen daraus resultierenden Verpflichtungen vollständig befreit.“

USA bezeichnen MoU als „nicht hilfreich und provokativ“
Das US-amerikanische Außenministerium bezeichnete das MoU-Abkommen als „nicht hilfreich und provokativ“. Weiter heißt es: "Während die Vereinigten Staaten im Allgemeinen keine Position zu den Streitigkeiten über die Seegrenzen anderer Staaten beziehen, fordern wir alle Parteien auf, in dieser sensiblen Zeit von allen Handlungen Abstand zu nehmen, die zu einer Verschärfung der Spannungen im östlichen Mittelmeer führen könnten."

Libyen: Eines der wichtigsten Themen beim Nato-Gipfel
Der ehemalige US-amerikanische „Diplomat“ in Libyen Ethan Chorin plädiert in einem Aufsatz für Forbes ganz offen für einen Nato-Einsatz in Libyen.
Chorin schreibt, Libyen sei beim gegenwärtigen NATO-Gipfel in London eines der wichtigsten Themen: „ Denn was als nächstes in Libyen passiert, betrifft die Kerninteressen der Nato, einschließlich der Bekämpfung des Terrorismus, der Bewältigung der Migrationskrise in Europa, der Eindämmung des russischen Opportunismus im Nahen Osten und der Sicherstellung der langfristigen Lebensfähigkeit des Bündnisses.“
Da die Nato und die USA nach 2011 Libyen sich selbst überließen, seien Staaten wie die Türkei und Katar ermutigt worden, die [ersten][1] Wahlen zunächst zugunsten der Moslembrüder zu steuern. Diese Entwicklung sei, sobald sie offensichtlich wurde, von den meisten Libyern zutiefst abgelehnt worden.
Laut Chorin habe der Oberkommandierende der Libyschen Nationalarmee (LNA), General Haftar, nun für die Nato die Drecksarbeit geleistet. Auch wenn dies vom Westen so gewünscht gewesen sei, hätten im Anschluss daran der Westen und die Nato nur gegrenzte Möglichkeiten, über die weitere Zukunft Libyens zu bestimmen. Die Libyer wollten keinen Militärmachthaber nach dem Vorbild des ägyptischen Präsidenten al-Sisi. Haftar selbst behaupte, er wolle die Macht in die Hände einer Zivilregierung legen. Der Sieg Haftars habe den Vorteil, dass die Vorstellung, die ‚Einheitsregierung‘ könne die Lösung für Libyens Probleme sein, endgültig ad-acta gelegt werden könne.
Nun lässt Chorin die Katze aus dem Sack: Die Nato solle anschließend Libyens Öl- und Gasressourcen schützen! Diese seien nicht nur für Libyen, sondern auch für das wirtschaftliche Wohlergehen Europas von entscheidender Bedeutung. Die Staaten der Region könnten damit ermuntert werden, in die Diversifizierung der libyschen Wirtschaft, in die Seefahrt, den Tourismus und die medizinische Infrastruktur zu investieren.
Chorin weiter: Trotz der gegenwärtigen Identitätskrise, in der sich die Nato befindet, sei sie die einzige Organisation, die überhaupt in der Lage ist, diese Vorstellungen umzusetzen. Sie sei die einzige Organisation, die eine solch komplexe, mehrere Parteien umfassende militärische Antwort auf Gaddafi sein könne. Die Nato werde damit ihre Existenzberechtigung beweisen.

Der Westen hat sich schon mehrmals verschätzt
Wie aus dem Artikel von Chorin ersichtlich, könnte die Nato zur Durchsetzung der westlichen Interessen bereit sein, sich auf ein neues militärisches Abenteuer in Libyen einzulassen. Raubrittertum in Reinkultur. Schützen heißt militärisch eingreifen, um zu kolonialisieren. Demokratisieren heißt privatisieren.
Doch nicht nur einmal wurden die tatsächlichen Verhältnisse in Libyen falsch eingeschätzt. Die Planspielchen der westlichen Polit- und Militärstrategen sind eine Sache, die Realität in Libyen ist eine andere.

https://almarsad.co/en/2019/12/04/gna-foreign-minister-mou-with-turkey-protects-the-national-interest-and-serves-brothers/
https://almarsad.co/en/2019/12/03/ghassan-salame-gna-turkey-agreement-threatens-berlin-conference/
https://almarsad.co/en/2019/12/02/aguila-saleh-to-the-un-security-council-we-demand-3-urgent-steps-including-withdrawing-recognition-of-the-gna/
https://almarsad.co/en/2019/12/03/us-state-dept-turkey-libya-maritime-zones-agreement-unhelpful-and-provocative/
https://almarsad.co/en/2019/12/02/aguila-saleh-to-the-un-security-council-we-demand-3-urgent-steps-including-withdrawing-recognition-of-the-gna/
https://www.forbes.com/sites/ethanchorin/2019/12/03/libya-and-the-future-of-nato/#2018e9a16b7f
[1] A.v.d.A.

Freitag, 6. Dezember 2019



Abkommen mit Türkei null und nichtig

Libyen/Türkei/Stämme. Widerstand gegen "Memorandum of Understanding"/Die libyschen Stämme rufen zum Kampf. 


Laut der tunesischen Zeitung Achourouk sieht das zwischen Sarradsch und der Türkei unterzeichnete sogenannte Memorandum of Understanding (MoU) vor, dass die Türkei libyschen Luftraum, Territorialgewässer und Territorium ohne vorherige Absprache und Genehmigung durch die libyschen Behörden nutzen und Militärbasen in Libyen errichten darf.
Nachdem bereits Griechenland, Zypern und Ägypten das zwischen der türkischen Regierung und der ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch geschlossene Maritim-Abkommen empört zurückgewiesen haben, erklärten nun auch die libyschen Stämme das Abkommen als gegenstandslos.
Das MoU, vor wenigen Tagen zwischen der Türkei und der von den Vereinten Nationen ernannten ‚Einheitsregierung‘ in Istanbul unterzeichnet, wurde von Stämmen in ganz Libyen, insbesondere dem Werfalla-Stamm und dem Tarhuna-Stamm, auf das Schärfste verurteilt und mit Empörung zurückgewiesen. Die beiden genannten Stämme stellen die große Bevölkerungsmehrheit in Libyen dar.
Die von Sarradsch und Erdogan unterzeichnete Vereinbarung, die es der Türkei erlaube, sich in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen, sei als Verstoß gegen die nationale Souveränität des Landes zu werten und werde vom Sozialrat des Werfalla-Stammes (SCWT) nicht anerkannt. Der SCWT rief das libysche Volk auf, sich zu einer Nationalkonferenz zusammenzuschließen. Eine fremde Beteiligung soll es dabei nicht geben.

Der Stammesrat von Tarhuna (Tarhouna Tribes and Community Leaders Council/TTCL) verurteilte in seiner Stellungnahme ebenfalls das Abkommen, das zwischen der Türkei und deren von ihr so bezeichneten „Agenten in der Regierung ohne Abkommen“, geschlossen worden war. Der TTCL: „Diese Regierung in Tripolis ist machtlos, kontrolliert nur zwei Prozent des Landes, ist unbeliebt und verfügt in Libyen über keinerlei gesetzgeberische oder verfassungsmäßige Grundlage“. Sie sei nicht anerkannt und zeichne sich durch Inkompetenz, Sprunghaftigkeit und Unzuverlässigkeit aus; diese Regierung werde von Schurkenstaaten in Geiselhaft genommen, deren Willen sie auszuführen habe. Ihr Ziel sei es, sowohl die Krise in Libyen als auch eine machtlose Regierung am Leben zu erhalten, um ihre aus der Vergangenheit stammenden Ziele zu erreichen.“

In der Stellungnahme heißt es weiter: „Heute wurde der ganzen Welt vor Augen geführt, welches Projekt die Moslembruderschaft und ihre Helfershelfer innerhalb der ‚Einheitsregierung‘ mit den Mitteln des Hochverrats und der Unterdrückung des gemeinsamen nationalen Willens verfolgen. Dieser Abgrund an Amoralität ist das Ungeheuerlichste, was Libyen seit seinem Zusammenbruch 2011 erlebt hat. Das sogenannte Memorandum of Understanding zwischen dem türkischen Präsidenten Erdogan und der moralisch abgewirtschafteten ‚Einheitsregierung‘, angeführt von Fayez as-Sarradsch, soll es Erdogan und seiner Bande ermöglichen, Libyen als Trojanisches Pferd zu benutzen, um ihre dubiosen Pläne im östlichen Mittelmeer durchzusetzen.“
Der TTCL prangert die Kolonialpolitik der Türkei an und erklärt, es handle sich bei diesem MoU-Abkommen um nichts grundsätzlich Neues. Die Türkei finanziere und unterstütze den Terrorismus in Libyen und gehe aggressiv gegen die Libysche Nationalarmee (LNA) vor. Dutzende Soldaten der LNA seien den türkischen Drohnen zum Opfer gefallen. Die Türkei sei ein Befürworter der Moslembruderschaft und versuche, das historische Erbe des ehemaligen Osmanischen Reiches anzutreten.

Weiter wies der TTCL darauf hin, dass sich seine Erklärung nicht an die Türkei, deren Agenten oder an die UN-Sondermission für Libyen (UN-SMIL) wende, sondern an die libyschen Stämme und Städte.
„Die ehrenvolle Geschichte Libyens akzeptiert keine Fortsetzung des Schweigens, der neutralen Positionen und des Setzens auf rein kosmetische Lösungen. Libyens Geschichte des politischen Kampfes und der Befreiung akzeptiert kein Schweigen, keine Neutralität, keine politischen Manöver und keine weitere Polarisierung mehr, die nur zu Unterdrückung, Tyrannei, Demütigung und einer offensichtlichen Verletzung der Souveränität des Landes mit der Unmöglichkeit, unabhängige nationale Entscheidungen treffen zu können, geführt haben. Es handelt sich ganz klar und eindeutig um eine erneute Kolonisierung Libyens durch die Türkei.“

Weiter heißt es, die Tarhuna-Stämme seien gemeinsam mit ihren Brüdern und anderen Stämmen über die Ablehnung und Verurteilung hinaus. Sie opferten ihr Blut und zogen in den Kampf, nicht aus Freude am Krieg, sondern um dem Kreislauf von Verrat, Klientelherrschaft und politischer Prostitution ein Ende zu setzen: „Es ist an der Zeit, die Reihen zu schließen und sich zu wehren“.
Die Stellungnahme der TTCL endet mit einem Aufruf an die libysche Bevölkerung, sich an die Seite der Libyschen Nationalarmee zu stellen, die die Sicherheit wiederherstelle, das Land stabilisiere und die Würde der Menschen schütze.

Dieses Abkommen, das Sarradsch mit der Türkei geschlossen hat, gleicht einer letzten Verzweiflungstat. Es wird das Ende seiner Regierung besiegeln.

http://www.alchourouk.com/article/
https://cyprus-mail.com/2019/11/29/cyprus-greece-and-egypt-condemn-turkey-libya-deal/
https://almarsad.co/en/2019/12/02/libyan-tribes-to-erdogan-your-maritime-borders-agreement-with-gna-is-null-and-void/

Donnerstag, 5. Dezember 2019



Schlammschlacht in Tripolis

Libyen. Ein mutmaßlicher Terrorist erhält vom Außenminister einen Spezialpass und wird gleichzeitig vom Innenminister, den er der Korruption beschuldigt, per Haftbefehl gesucht.


Nachdem der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Fathi Bashaga, einen Haftbefehl für Faradsch Mansour as-Shagaabi hatte ausstellen lassen, postete dieser aus Rache ein Video auf Facebook, in dem er den Innenminister Bashaga der Veruntreuung und Korruption beschuldigt.
As-Shagaabi floh 2014 nach dem Sieg der LNA über die radikal-islamistischen Gruppierungen von Bengasi nach Tripolis. Nun wurde er offiziell vom Innenminister Bashaga angeklagt, als Koordinator zwischen IS und al-Kaida fungiert zu haben.

Innenminister und Moslembrüder der Korruption beschuldigt
Shagaabi wies die Vorwürfe zurück und beschuldigte seinerseits Bashaga sowie die Führung der Moslembruderschaft und der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG), korrupt zu sein. Sie stellten ein großes Übel dar und seien für die Destabilisierung und schlechte Sicherheitslage ebenso verantwortlich wie für die Vertreibung hunderter Libyer. Er machte auch Enthüllungen über das Netzwerk der Moslembruderschaft und deren Zusammenarbeit mit dem IS und anderen terroristischen Gruppierungen einschließlich der Familie Sallabi. Er habe Beweise, dass Bashaga, Ali as-Sallabi und desssen Bruder Ismail Gelder in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro, die sie aus Katar und von der ‚Einheitsregierung‘ zur Kriegsführung erhalten hätten und die von der Libyschen Zentralbank ans Innenministerium überwiesen wurden, veruntreut hätten. Er selber sei immer noch Mitglied des Innenministers der ‚Einheitsregierung‘, das von Minister Bashaga geleitet wird, und beziehe von dort sein Gehalt. Im Moment kämpfe er in Tripolis gegen Haftar.
Doch jetzt hat Shagaabi noch einen Feind, den er gnadenlos bekämpfen will: Innenminister Bashaga.
Shagaabi: „Wo ist der Innenminister? Was geht in Tripolis vor sich? Wer fährt das dunkle Auto und wer fährt ohne Kennzeichen? Wo sind die Sicherheitskontrollen? Das Ausmaß der Kriminalität ist sehr hoch!“ Er selber gehöre weder dem politischen Islam noch den Rebellenmilizen an.
Er beschuldigte islamistische Führer wie Ali as-Sallabi, dessen Bruder Ismail, Ahmed al-Madschbari, Abdulhakim Belhadsch, Haitham al-Tadschouri sowie Fawzi Bouctaf und Hashem Bishr, aus Libyen geflohen zu sein. Ali und Ismail as-Sallabi seien auch für die Vertreibung dutzender libyscher Familien aus Bengasi und anderen Städten verantwortlich.

Spezialreisepass für Terroristen Shagaabi vom Außenministerium
Wie ebenfalls bekannt wurde, verfügt al-Shagaabi neben seiner Anklage vom Innenministerium auch über einen speziellen Reisepass, ausgestellt vom Außenministerium der ‚Einheitsregierung‘.
Der Pass wurde am 6. November auf den Namen Emad Faraj Mansour Ali ausgestellt, der Nachname al-Shagaabi wurde weggelassen. Als Beruf ist ‚Berater der LIA‘ (Libyan Investment Authority) eingetragen. Nur 19 Tage nachdem Shagaabi seinen Pass erhielt, erließ das Innenministerium gegen ihn den Haftbefehl.
Der auf Shagaabi ausgestellte Spezialpass ist ein Dokument für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Sein Inhaber genießt diplomatische Privilegien, unter anderen die visumfreie Einreise in verschiedene Länder wie die Türkei, Jordanien, den Libanon, Ägypten, Marokko sowie die meisten afrikanischen und asiatischen Länder.
Wenn as-Shagaabi ein Terrorist ist, wie kann er dann mit einer Art Diplomatenpass ausgestattet werden?

Wer hat den Spezialpass ausgestellt?
Laut Corruption Black Box ist Mustafa al-Manea für die Ausstellung des Spezialpasses an as-Shagaabi verantwortlich. Al-Manea, zum Führungskader der Moslembruderschaft gehörig, musste ebenfalls vor der LNA aus Bengasi fliehen und ist heute Rechtsbeistand der Libyschen Zentralbank in Tripolis sowie Mitglied des Verwaltungsrates der LIA. Ihm wird vorgeworfen, die Bank zu kontrollieren, indem er sie seit Jahren mit seinen strategischen und hoch sensiblen Dossiers infiltriert. Seine Karriere in Tripolis begann al-Manea bei der Libyschen Zentralbank (CBL) als Assistent von Siddik al-Kabir.
Laut dem libyschen Gesetz über die Organisation der politischen und konsularischen Arbeit und dessen Durchführungsbestimmungen wurde die Berechtigung zur Erteilung von Sonderpässen festgelegt. Darin ist nicht vorgesehen, dass bei der LIA beschäftigten Beratern Spezialpässe ausgestellt werden.

Der große Filz von Tripolis
Mustapha al-Maneas Bruder, Ali al-Manea, ist Vorsitzender der sogenannten Vertriebenenvereinigung von Bengasi (Benghazi Displaced Families 'Association), die enge Beziehungen zum Präsidenten des Hohen Staatsrat, Dar al-Iftaa, und Mitgliedern des Präsidialrats in Tripolis wie dem Erziehungsminister, Mohamed Ammari Zayed, pflegt.
Auf Nachfragen von Journalisten beim Außenministerium der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis in der für die Ausstellung von Diplomaten- und Spezialpässen zuständigen Abteilung sagte der Beamte, dass es sich bei dem Pass von Shagaabi um einen gültigen Spezialpass handle. Diese Art von Pässen würde nach Zustimmung des Außenministers auf Anweisung der Behörden ausgestellt. Es sei in seiner Abteilung keine Mitteilung über den Erlass eines Haftbefehls oder der Widerruf des Spezialpasses von as-Shagaabi eingegangen. Man sei davon ausgegangen, dass diese Person einem Sicherheitscheck unterzogen worden sei.
In Libyen scheint es Behördenpraxis zu sein, als Verschleierungstaktik bei der Ausstellung von Papieren die Familiennamen wegzulassen, um die Identifizierung von Personen zu erschweren. Schon bei der Ernennung von Mustafa al-Manea zum Verwaltungsratsmitglied von LIA am 23. Februar 2019 wurde auch sein Name nur als Mustafa Mohammed Ali angegeben, unter Weglassung seines Familiennamens al-Manea. Die Ernennung von al-Manea erfolgte durch den Vorsitzenden der ‚Einheitsregierung‘ Fayez as-Sarradsch, der auch umstrittener Vorsitzender der Verwaltungsbeirats der LIA ist. Sarradsch seinerseits soll durch Siddik al-Kabir zur Ernennung von al-Manea gedrängt worden sein.

Der politische Hintergrund
Dieser öffentliche Streit zwischen dem Innenminister Bashaga und Shagaabi entbrannte wenige Tage, nachdem Bashaga von Konsultationen in den USA zurückgekehrt war. Am 25. November erklärte Bashaga öffentlich in Tripolis, dass die Kontrolle der Milizen über die staatlichen Institutionen beendet werden müsse. Er kritisierte die Zusammenarbeit von Beamten mit Milizen und Kriminellen.
Nach dieser Aussage Bashagas gab das US-Außenministerium bekannt, dass hochrangige US-Beamte am 24. November mit dem Oberbefehlshaber der LNA, Feldmarschall Haftar, zusammengetroffen waren, um über das weitere Vorgehen und eine politische Lösung des Libyenkonflikts zu beraten. Die USA legten dabei besonderes Gewicht auf die Bekämpfung von Milizen und Extremisten sowie auf die Verteilung der Ressourcen zum Wohle aller Libyer.

Wollte Innenminister Bashaga zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Die Forderungen der USA nach Bekämpfung der Extremisten erfüllen und gleichzeitig einen lästigen Mitwisser über die Klinge springen lassen? Und ist Bashaga ein ‚aufrechter Kämpfer‘ oder ein Terrorist?
https://www.addresslibya.co/ar/archives/85572
https://almarsad.co/en/2019/11/27/special-report-an-alleged-terrorist-with-a-special-passport-courtesy-of-gnas-foreign-ministry/

Montag, 2. Dezember 2019



Sarradsch schließt mit Türkei Militärabkommen

Libyen/Türkei. Türkischer Militäreinsatz geplant. Russland weist Unterstellung der militärischen Unterstützung der LNA zurück. 

In der Süddeutschen Zeitung vom Montag, 25.11., war auf Seite 2 unter der Überschrift „Söldner für den General“ zu lesen, dass es mit der „Unterstützung Russlands“ der LNA gelingen könnte, Tripolis einzunehmen. In dem Artikel wird behauptet, dass „Kriegsherr Khalifa Haftar“ massive Unterstützung von Moskau erhalte. Als Beweis für diese Behauptung wird ein Arzt zitiert, der angibt, aus der Art der Schusswunden der eingelieferten Milizionäre der ‚Einheitsregierung‘ feststellen zu können, wer geschossen hat: „Nun kamen auf einmal mitten in der Nacht Kämpfer, denen man in den Kopf oder in den Brustkorb geschossen hatte, ohne dass die Kugel wieder ausgetreten wäre. Es ist das Markenzeichen der Söldner der russischen Wagner-Gruppe, einer eng mit dem Kreml verbundenen privaten Militärfirma.“ Kämpfern wurde in die Brust geschossen? Klar, die Russen waren es! Und die LNA ist in Tripolis siegreich? Da kann doch nur Putin dahinterstecken! Auskunftgeber für solche Informationen sind die „westlichen Geheimdienste“, wer sonst. Und der „anerkannte Libyenexperte“ Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik meint, die Milizen, die auf Seiten der „international anerkannten Regierung der Nationalen Übereinkunft von Premier Fayez al-Serraj kämpfen, hätten noch keinen Weg gefunden, den Wagner-Kämpfern etwas entgegen zu setzen“.
Dass sich sowohl die Libysche Nationalarmee gegen den Vorwurf, auf ihrer Seite kämen ausländische Söldner zum Einsatz verwahrt, als auch Russland die Unterstellung, sie würden militärische Hilfe in Libyen leisten, zurückweist, wird weitgehend ignoriert. Auch dass die LNA die vom ebenfalls international anerkannten Parlament aufgestellte, reguläre libysche Armee ist und Feldmarschall Haftar der vom Parlament ernannte Oberbefehlshaber dieser Armee, wird unterschlagen. Genauso wie nicht erwähnt wird, dass es das Ziel des Westens im Libyenkrieg immer war, das Land in drei Teile – Kyrenaika, Tripolitanien, Fessan – aufzuspalten, um es anschließend beherrschen zu können. Nur zu dumm, dass die Libyer dabei nicht mitspielten, ebenso wie sie bei den letzten Wahlen eine von der Moslembruderschaft beherrschte Regierung versenkten. Was der Westen auch nicht zur Kenntnis nehmen wollte und er deshalb seither die Pseudo-‚Einheitsregierung‘ der Moslembruderschaft in Tripolis unterstützt.
Es ist schon merkwürdig, wochen- ja monatelang erfolgte keine Berichterstattung über Libyen, und nun erscheinen plötzlich ‚die Russen‘ in der westlichen Libyen-Berichterstattung und sollen an allem schuld sein.

Russland weist Unterstellungen über Militärhilfe zurück
Die Unterstellungen, Russland unterstütze die LNA in Libyen, war vom stellvertretenden US-Außenminister für Nahost, David Schenker, in die Welt gebracht worden. Er behauptete kürzlich, dass die „militärische Inferenz“ Russlands „Frieden, Sicherheit und Stabilität in Libyen“ bedrohe. Er forderte Europa auf, Sanktionen gegen den privaten Militärdienstleister Wagner-Gruppe zu unternehmen.
Der Kremlsprecher Dimtri Peskov wies die Unterstellungen als falsch zurück und meinte, dass vielen Ländern jedes moralische Recht abgesprochen werden muss, eine Destabilisierung in Libyen zu bedauern, nachdem sie das Land durch ihr völkerrechtswidriges Vorgehen zerstört haben.“

Sarradsch schließt militärische Abkommen mit der Türkei
Es ist zu befürchten, dass mit den Vorwürfen der militärischen Einmischung Russlands in Libyen eine Begründung konstruiert wird, um die bevorstehende Intervention des türkischen Militärs in den libyschen Bürgerkrieg auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch zu rechtfertigen. Bereits am 26.11. wurde berichtet, dass Fayez as-Sarradsch eine Anwaltskanzlei mit der Ausarbeitung eines Verteidigungsabkommens mit der Türkei beauftragt hat. Am 27.11. ist Sarradsch mit einer Delegation in Istanbul eingetroffen, um den türkischen Präsidenten Erdogan zu treffen. Wie die türkische Seite mitteilte, wurden zwischen der Türkei und Libyen zwei Abkommen unterzeichnet, einmal zur „Sicherheit und militärische Zusammenarbeit“ sowie zur „Beschränkung der Meeresgerichtsbarkeit“. Laut der Türkei soll mit diesen Vereinbarungen die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen Libyen und der Türkei gestärkt werden.
Nachdem die Türkei ein Natomitglied ist, heißt dies im Klartext doch, dass die Nato militärisch in Libyen eingreifen will, um einen Sieg der libyschen Armee und damit die Rückerlangung der libyschen Souveränität zu verhindern.

El-Feel-Ölfeld konnte von LNA zurückerobert werden
Nachdem radikal-islamistische Milizen, die zur ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis gehören, einen Angriff auf das im Südwesten Libyens gelegene Ölfeld El-Feel durchführt hatten, gab die LNA am 27.11. bekannt, dass sie Luftangriffe auf Stellungen der Miliz geflogen hat und die Kontrolle über El-Feel wiedererlangte. Es sollen 35 Militärfahrzeuge der zur ‚Einheitsregierung‘ gehörenden Miliz zerstört und der Islamist Hassan Tabawi getötet worden sein.
Die LNA will Verstärkung in den Südwesten senden, um die „vollständige Sicherheit“ zu garantieren. Vermutlich handelt es sich bei dem Angriff auf das Ölfeld um einen Entlastungsangriff für die arg in Bedrängnis geratenen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis.
Das El-Feel-Ölfeld wird von Mellitah Oil and Gas betrieben, einem Joint Venture der National Oil Corporation (NOC) und der italienischen ENI. Die tägliche Fördermenge beträgt 70.000 Barrels. Bei den Kämpfen soll die Anlage nicht beschädigt und die Förderung nicht unterbrochen worden sein.

Flugverbotszone über Tripolis
Bereits am 25.11. hatte die LNA über das Gebiet von Tripolis und Umgebung eine Flugverbotszone verhängt. Nicht davon betroffen sei der Mitiga-Flughafen.

Warnung an Italien
Das libysche Parlament prangerte die italienische Unterstützung für „terroristische und extremistische Banden in Libyen durch logistische Unterstützung und den Einsatz von Drohnen im libyschen Luftraum“ an.
In einer Erklärung wurde Italien gewarnt, dass bei einer anhaltenden Unterstützung der Milizen Italien in der Zukunft keine Möglichkeit mehr haben werde, mit Libyen zusammenzuarbeiten.
Vorher hatte das italienische Verteidigungsministerium bekanntgegeben, dass eine Drohne, die bei der Operation „Safe Sea“ zum Einsatz kam, von der LNA in der Stadt Tarhouna abgeschossen wurde und anschließend „auf libyschem Territorium abgestürzt“ sei.

https://www.sueddeutsche.de/politik/eskalation-soeldner-fuer-den-general-1.4695534
https://edition.cnn.com/2019/11/26/politics/us-russia-destabilizing-libya/index.html
https://www.aa.com.tr/en/africa/turkey-libya-sign-2-memoranda-of-understanding/1657615
https://aawsat.com/english/home/article/2011096/libyan-national-army-captures-el-feel-oil-field
https://www.addresslibya.co/en/archives/51982
https://www.addresslibya.co/en/archives/51980
https://www.addresslibya.co/en/archives/52019
https://www.addresslibya.co/en/archives/51996
https://www.addresslibya.co/en/archives/52003
https://www.addresslibya.co/en/archives/52013

Montag, 25. November 2019

Kalkül der LNA scheint aufzugehen

Libyen/Tripolis. Zermürbungstaktik der LNA schwächt zunehmend Milizen der 'Einheitsregierung'. 


Laut militärischen Beobachtern hat die Libysche Nationalarmee (LNA) im Kampf gegen die Milizen der 'Einheitsregierung' an allen Fronten Erfolge erzielt. Die LNA hat in der letzen Zeit ihre Präzisionsluftangriffe auf Checkpoints, Munitionsdepots und bewaffnete Fahrzeuge intensiviert, um Tripolis, Gharyan und Aziziya einzunehmen. Die Kampfgruppen würden zunehmend in ihre kleinen bewaffneten Milizen zerfallen und durch die mangelnde Koordination geschwächt sein, während die LNA immer mehr Militär in Tarhuna und Aziziya zusammenzieht. Allgemein ist die LNA bedeutend besser organisiert als die Milizen der 'Einheitsregierung' und stimmt ihren Vormarsch mit vorangegangenen Luftangriffen auf allen Fronten exakt ab.

Für die 'Einheitsregierung' verschlechtert sich die militärische Lage zusehends. So hat sich die Tripolis Revolutionary Brigade von der Front zurückgezogen, die Abu-Slim-Brigade von Ghnewa einen Großteil ihrer Streitmacht sowie ihre Ausrüstung durch LNA-Luftangriffe verloren. An der Tripolis-Front kämpfen jetzt vor allem die al-Rada-Miliz und Milizen aus Misrata. Sollte sich ihre Niederlage unmissverständlich abzeichnen, würden sie sich gegen Amnestiezusagen und finanzielle Anreize wohl von der Front zurückziehen. Misrata würde Tripolis aufgeben und sich auf den Schutz der eigenen Stadt konzentrieren. Militärische Beobachter gehen davon aus, dass weder die Tripolis- noch die Misrata-Milizen zu Guerilla-Taktiken übergehen werden.

Insgesamt ist nicht ersichtlich, welche politische Gesamtstrategie die Tripolis-Regierung und ihre Milizen angesichts der aktuellen Lage verfolgen, außer der, die eigenen Pfründe nicht aufgeben zu wollen.
Auch Misrata zeigt sich geschwächt und hat bereits jetzt einen Teil seiner Streitkräfte aus Tripolis abgezogen und nach Misrata und Sirte verlegt. Aufhorchen lässt die Nachricht, dass innerhalb der Misrata-Milizen Uneinigkeit über das weitere Vorgehen besteht. Es kam zum ersten Mal sowohl in Sirte als sogar in Misrata selbst zu Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Misrata-Milizen.

Erst am Montag hatte die LNA erklärt, dass ihre Luftwaffe ein Waffen- und Munitionsdepot sowie eine größere Anzahl gepanzerter Fahrzeuge in Misrata zerstört habe. Diese Fahrzeuge seien mit einem türkischen Schiff im Hafen von Misrata angekommen. Selbstbewusst wies die LNA darauf hin, sie sei in der Lage, alle militärischen Lieferungen für die Tripolis-Regierung aufzuspüren und zu vernichten. Auch heute hat die LNA eine türkische Drohne in Tarhuna abgeschossen, die von Misrata aus gestartet war.
Das Generalkommando der LNA warnte vor der anhaltenden Unterstützung türkischen Militärs für die bewaffneten Gruppen und forderte, dass die Stadt Misrata nicht mehr für militärische Zwecke genutzt wird, um die Sicherheit ihrer Bewohner und Einrichtungen zu gewährleisten.

Eine Gefahr bilden allerdings die radikal-islamistischen Kämpfer, die aus der Libya Islamic Fighting Group (LIFG) hervorgingen und die bei den Kämpfen um Tripolis immer mehr Bedeutung erlangten. Um politisch zu überleben, müssen sie zu immer radikaleren und gewalttätigen Mitteln greifen. Es wird befürchtet, dass sie nach ihrer Niederlage Bombenanschläge und Selbstmordattentate durchführen werden. Unterstützt werden die radikalen Islamisten von Politikern der 'Einheitsregierung', insbesondere vom neu ernannten Bildungsminister Ammari, der sich für die Freilassung von etwa 150 islamistischen Extremisten stark macht, die im Mitiga-Gefängnis einsitzen. Mitglieder der Moslembruderschaft stehen in offener Feindschaft zu Teilen der 'Einheitsregierung' in Tripolis, so zum Außenminister Siala.

Obwohl die LNA zunehmend unter Druck gerät, endlich ihre militärischen Operationen erfolgreich abzuschließen, will sie sich das Tempo nicht vorschreiben lassen. Ihr liegt mehr daran, Tripolis ohne größere Zerstörungen als schnell einzunehmen. Straßenkämpfe, die auch viele Tote und Verwundete nach sich ziehen würden, sollen vermieden werden. Außerdem scheint die LNA und die sie in Libyen unterstützenden politischen Kräfte an einer Nachrkriegsordnung zu arbeiten, die nach dem Sieg der LNA in Kraft treten und den Wiederaufbau des Staates garantieren kann.

Obwohl von etlichen innerlibyschen und ausländischen politischen Akteuren immer noch öffentlich beteuert wird, dass die 'Einheitsregierung' und deren Chef Fayez as-Sarradsch unterstützt werden, dürfte inzwischen allen Mitspielern klar geworden sein, dass es den Milizen der Tripolis-Regierung nicht gelingen wird, ihre Position zu halten. Die mediale Berichterstattung trägt der Realität vor Ort keine Rechnung.

https://www.addresslibya.co/en/archives/51890
https://www.addresslibya.co/en/archives/51910
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Samstag, 23. November 2019



Skandal: Schleuser offizieler Gast in Italien

Libyen/Küstenwache. Obwohl sich die Beweise häufen, dass al-Bidscha in Libyen sein Unwesen als Menschenschmuggler treibt, ist er immer noch Kommandant der Libyschen Küstenwache in Zawiya. 


Al-Bidscha als Gast der italienischen Regierung
Die libysche Online-Plattform AlMarsad veröffentlichte die Teilnehmerliste und die Tagesordnung einer Tagung, die vom 8. bis 12. Mai 2017 in Rom und auf Sizilien stattfand und den Titel „Schulungsbesuch der libyschen Delegation in Italien“ trug. Organisiert hatte die Tagung das italienische Innenministerium in Zusammenarbeit mit der EU, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie des Regionalen Entwicklungs- und Schutzprogramms (RDPP) für Nordafrika. Die Tagung fand im Rahmen des „See- und Wüstenmigrationsmanagements für libysche Behörden zur Rettung von Migranten“ (SEA DEMM) statt.
Skandalös dabei: Auf der Teilnehmerliste findet sich auch der Name des sanktionierten Schleusers, Menschenhändlers und Warlords Abd al-Rahman Salem Ibrahim Milad, auch al-Bidscha (Bija)genannt. Milad beziehungsweise al-Bidscha wurde als Mitglied der Delegation der Libyschen Küstenwache geführt.
In dieser Funktion war al-Bidscha zu Gast im Hauptquartier der IOM in Rom sowie im italienischen Innenministerium, in der Abteilung „Bürgerrechte und Einwanderung“, sowie im italienischen Außenministerium. Gesprächsthemen waren die italienisch-libyschen Beziehungen und die afrikanische Migration über das Mittelmeer.
Al-Bidscha war auch eingeladen zu einem Treffen mit European Union Naval Force – Mediterranean (EUNAVFOR MED) Operation Sophia, um über vergangene und zukünftige Ausbildungsprogramme der libyschen Behörden zu sprechen, ebenso wie zu einem Treffen auf Führungsebene der Abteilung Immigration und Grenzpolizei des Innenministeriums, um bewährte Verfahren der italienischen Polizei zur Bekämpfung illegaler Migration an den Grenzstationen zu erörtern. Zu dem Programm gehörte auch ein Besuch im italienischen Koordinierungszentrum für Seenotrettung der Küstenwache in Rom, wo al-Bidscha einem Vortrag über ein EU-finanziertes Projekt zur Einrichtung einer Zentrale für Seenotrettung und -koordination (MRCC) in Libyen lauschen durfte.
Laut den italienischen Journalisten Nello Scavo und Nancy Porsia fand am Donnerstag, den 11. Mai 2017, ein Treffen zwischen der libyschen Küstenwache und italienischen Geheimdienstbeamten in Cara di Mineo statt, wo sich eines der größten Migranten- und Asylantenlager Europas befindet.
Fotos von diesem Treffen in Sizilien wurden erst letzten Monat in der italienischen Zeitung Avvenire veröffentlicht. Sie zeigen al-Bidscha im Gespräch mit italienischen Geheimdienstbeamten. In den Diskussionen ging es um mögliche Restriktionen, um den Zustrom von Migranten aus Libyen einzudämmen. Wie Scavo und Porsia berichten, nahm al-Bidscha in seiner Funktion als Kommandant der Libyschen Küstenwache an dem Treffen teil.

Al-Bidscha – von den Vereinten Nationen wegen Menschenschmuggels sanktioniert
Wie Avvenire weiter berichtete, ist bekannt, dass al-Bidscha und andere Mitglieder der Küstenwache mit Waffengewalt gegen Migranten-Boote vorgingen und diese auch versenkten. Deshalb wurde im UN-Sicherheitsrat gefordert, das Vermögen al-Bidschas einzufrieren und gegen ihn ein Reiseverbot zu verhängen.
In dem UN-Bericht wird Bidscha als „blutrünstiger Menschenschmuggler“ beschrieben, der nicht nur für Schießereien im Mittelmeer verantwortlich sei, sondern auch verdächtig werde, „für das Ertrinken dutzender Menschen“ die Verantwortung zu tragen. Und er gilt als Kopf einer kriminellen Vereinigung, die in Zawiya, einer Küstenstadt etwa 45 Kilometer westlich von Tripolis, ihr Unwesen treibt.

Behörden in Italien wollen von nichts gewusst haben
Der Menschenhändler al-Bidscha wurde auf der Tagung in Italien im Mai 2017 als Kommandant und Vertreter der libyschen Küstenwache vorgestellt, entsandt von der in Tripolis ansässigen ‚Einheitsregierung‘. Angeblich hätten die Verantwortlichen in Rom nichts von seiner wahren Identität gewusst.
Wie sowohl britische als auch italienische Zeitungen berichteten, stammten die von den Zeitungen veröffentlichten Fotos von einem Teilnehmer des Treffens. Warlord und Menschenschmuggler al-Bidscha sei mit einem Ausweis nach Italien zu dem Treffen eingereist, an dem auch eine nordafrikanische Delegation internationaler Menschenrechtsorganisationen teilnahm, denen wohl kaum bewusst gewesen sein dürfte, neben wem sie da zu sitzen kommen.
Der italienische Journalist Nello Scavo sagte dem Guardian: „Es war in der Vergangenheit immer wieder die Rede gewesen von einer mutmaßlichen Beteiligung von Schleusern an der libyschen Küstenwache. Aber jetzt haben wir die Beweise. Es ist wirklich seltsam, dass der italienische Geheimdienst die Identität von al-Bidscha nicht kannte. Es ist schwer zu glauben, dass sie so unaufmerksam waren.“
Eine weitere Frage, die sich stellt: Wer war in Libyen dafür verantwortlich, dass al-Bidscha als Repräsentant der Küstenwache auf die Besucherliste für Italien kam? Dort dürfte man ja gewusst haben, mit wem man es zu tun hat.

Bidscha von Migranten erkannt
Bidscha wurde auf Sizilien während einer Minibus-Tour auch von einer Reihe Migranten identifiziert, die ihn wiedererkannten.
Der britische Guardian hatte im Oktober 2019 berichtet, dass auf Sizilien drei Männer festgenommen worden waren, die beschuldigt wurden, dutzende von Migranten in einem Internierungslager im Nordwesten Libyens vergewaltigt und gefoltert zu haben. Dazu liegen bei der Staatsanwalt der sizilianischen Stadt Agrigento zahlreiche Zeugenaussagen von Asylbewerbern vor, die ihre ehemaligen Peiniger erkannt hatten, als diese in einem Registrierungscenter in Messina auf Sizilien aufgetaucht waren.
Bei den drei Verhafteten handelte es sich um einen jungen Mann aus Guinea und zwei junge Ägypter. Sie wurden der Folter, Entführung und des Schleusertums beschuldigt. Alle drei arbeiteten im Flüchtlingslager von Zawiya – das Hauptquartier von al-Bidscha.
In einigen Zeugenaussagen fand ein Mann Erwähnung, der sich „Abd al-Rahman“ genannt hatte und für die Überstellung der Migranten an die Küste verantwortlich war. Er soll darüber entschieden haben, wer auf die Boote darf: „Er war gewalttätig und bewaffnet. Wir alle haben ihn gefürchtet“, so ein Zeuge.
Laut The Guardian „liegen der Staatsanwaltschaft in Agrigento Zeugenaussagen von zahlreichen Asylbewerbern aus Nordafrika vor, die angeblich ihre ehemaligen Entführer in einem Migrantenregistrierungszentrum in Messina, Sizilien, wiedererkannt haben: „Als al-Bidscha eintrat, erkannten ihn einige Flüchtlinge und fingen an ‚libysche Mafia!‘ zu rufen.“
Trotz all dieser Anschuldigungen erfreut sich al-Bidscha immer noch des lukrativen Postens als Kommandant der Küstenwache von Zawiya, die der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis untersteht. Diesen Posten soll er der Protektion durch Mohammed und Walid Kachlaf verdanken, die demselben Stamm wie er angehören.

Abkommen zwischen Italien und libyscher Küstenwache verlängert
Wie der britische Guardian berichtete, hatten im Februar 2017 „der damalige italienische Innenminister Marco Minniti (Partito Democratico/PD) und der Vorsitzende der von den Vereinten Nationen anerkannten libyschen Regierung, Fayez as-Sarradsch, ein Memorandum unterzeichnet, in dem die Zusammenarbeit zwischen der libyschen Küstenwache und Italien auf einem neuen Niveau vereinbart wurde. Darunter falle auch die Bereitstellung von vier Patrouillenschiffen.“ Das umstrittene Abkommen, so der Guardian, „befähigte die libysche Küstenwache, Boote von Migranten auf See abzufangen und nach Libyen zurückzubringen. Laut Hilfsorganisationen sind Migranten und Flüchtlinge dort Folter und Misshandlung ausgesetzt.“ Das damalige Abkommen sah vor, dass Italien Geld und Ausrüstung zur Verfügung stellt, um mit Hilfe der libyschen Küstenwache den Zustrom von Migranten an die italienische Küste zu reduzieren.
Die jetzige italienische Innenministerin Luciana Lamorgese hat Ende September 2019 dieses Abkommen bei einem Treffen in Malta mit ihren Amtskollegen aus Frankreich, Deutschland und Malta bekräftigt. Auch Italiens Außenminister Luigi Di Maio (M5S) erklärte, dass Italien das mit Libyen getroffene Abkommen aus dem Jahre 2017 aufrechterhalten werde. Am 2. November trat eine automatische Verlängerung des Abkommens um weitere drei Jahre in Kraft. Dies wurde von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert, auch wenn die italienische Regierung versprach, das Abkommen „unter besonderer Berücksichtigung der Migrationszentren und der dort herrschenden Bedingungen“ zu überarbeiten.

Al-Bidscha bedroht Journalisten
Die beiden Journalisten, Nello Scavo und Nancy Porsia, deren Artikel im Avvenire so viel Staub aufwirbelte, stehen mittlerweile unter Polizeischutz, da sie nach dem Erscheinen des Artikels massiv von al-Bidscha bedroht wurden. Bidscha drohte auch mit Klagen gegen die Journalisten. Mittlerweile hat die italienische Journalistengemeinschaft ihre Solidarität mit Scavo und Porsia erklärt und gefordert, dass die Ermittlungen bezüglich der Teilnahme des Menschenschmugglers Bidscha an dem Treffen in Italien im Jahre 2017 von den italienischen Behörden weiter verfolgt werde.

Enge Zusammenarbeit zwischen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und Italien
Währenddessen nutzt al-Bidscha bis heute die Großzügigkeit der EU, die unter dem Deckelmäntelchen der ‚Einheitsregierung‘ agiert, und al-Bidscha weiterhin ungestraft sein kriminelles und lukratives Schlepper-Geschäft in Zawiya betreiben lässt – trotz der gegen ihn verhängten UN-Sanktionen.
Der Innenminister der libyschen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis Fathi Bashagha sagte, dass nach al-Bidscha gefahndet werde und der Küstenwache ein entsprechender Haftbefehl übermittelt worden sei. Dem widersprach der für den westlichen Küstenabschnitt Verantwortliche Mohammed Saqer: Bei der Küstenwache sei kein Haftbefehl gegen al-Bidscha eingegangen.
Und wie glaubwürdig ist es, dass die italienischen Geheimdienste jede Kenntnis über die kriminellen Umtriebe von Abd al-Rahman Milad lias al-Bidscha bestreiten und ihn die italienischen Behörden sogar nach Italien eingeladen haben?

Al-Bidscha bestreitet alle Vorwürfe
Trotz der erdrückenden Beweise und der gegen ihn vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen, erschien al-Bidscha in seiner Marinekapitänuniform vor den Kameras des italienischen Nachrichtensenders La7 zu einem Interview mit der Journalistin Francesca Mannocchi. Die Sendung wurde im Hauptquartier der Küstenwache in Zawiya aufgenommen. Al-Bidscha sagte, dass er weiterhin innerhalb der libysche Küstenwache für die von den Vereinten Nationen anerkannte ‚Einheitsregierung‘ tätig sei. Dass sein Name auf den Sanktionslisten des UN-Sicherheitsrats geführt werde, sei ein Irrtum und beruhe auf falschen Presseberichten und feindseligen Facebook-Posts.

Forderung nach Stopp der Zusammenarbeit mit libyscher Küstenwache
Die italienische Ärztin Valeria Alice Colombo sagte, es sei zutiefst unmoralisch, mit Schleusern, Milizen und Menschenschmugglern zusammenzuarbeiten, um Menschen, die aus der libyschen Gefängnishölle entfliehen konnten, wieder dorthin zurückzubringen: „Es gibt wichtige Gründe, warum wir nicht mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten werden. Migranten nach Libyen zurückzubringen, stellt keine Rettung dar, sondern ist illegal – geht man nach dem Völkerrecht und grundsätzlichen humanitären Prinzipien aus. Dies ist ein Verbrechen gegen die Menschenrechte, das wir nicht tolerieren können. Egal was es kostet.“

https://almarsad.co/en/2019/11/07/exclusive-more-evidence-that-trafficker-al-bija-attended-training-in-italy/
https://www.avvenire.it/attualita/pagine/dalla-libia-al-mineo-negoziato-boss-libico
https://www.theguardian.com/world/2019/oct/04/human-trafficker-at-meeting-italy-libya-migration-abd-al-rahman-milad
https://www.facebook.com/ObservatoryLY/videos/885586651876691/?_rdc=1&_rdr