Kurznachrichten Libyen – 19.07.2021
Libyen. EU Planspiele für Einmarsch in Libyen / UN-Sicherheitsrat gibt Erklärung zu Libyen ab / AI geißelt Zusammenarbeit von EU und libyscher Küstenwache
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EU und Libyen
+ 18.07.: EU will militärisch in Libyen intervenieren. In
einem durchgesickerten internen Papier des EU-Außendienstes vom 1. Juli heißt
es, die EU konkretisiere Pläne für eine Militärmission in Libyen. Man wolle in
Libyen mit anderen ausländischen Mächten um einen Einfluss im Land
konkurrieren. Libyens Friedensprozess erfordere „eine groß angelegte
Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DDR) von Kämpfern sowie eine
grundlegende Reform des Sicherheitssektors (SSR)“. Und weiter: „In diesem
Zusammenhang sollte ein militärisches GSVP-Engagement der EU [Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik] ... in Betracht gezogen werden, um nicht
das gesamte Tätigkeitsfeld im militärischen Bereich Drittstaaten zu
überlassen“. Als „Drittland“, das Waffeninspektionen verweigert habe, sei wohl
die Türkei gemeint. Dieses Land habe auch eine starke militärische Präsenz in
Libyen.
Inzwischen kontrolliere die Türkei auch die libysche Küstenwache und habe somit
auch Einfluss auf die Migrantenrouten von Libyen nach Europa. Es gehe auch um
die Überwachung der libyschen Südgrenzen durch die Nato-Staaten: „Sollten die
libyschen Behörden zustimmen, könnte dies die Möglichkeit eröffnen,
Überflugrechte für EU-Luftüberwachungsanlagen über libyschem Territorium zu
schaffen“.
https://euobserver.com/world/152474
Man führt also jetzt nicht mehr Krieg, sondern geht in „militärische
Konkurrenz“ zu einem anderen Land. Wohlgemerkt, die EU-Länder sind genauso wie
die Türkei Nato-Länder, d.h. die Nato würde die Militärstützpunkte in Libyen
übernehmen und von dort aus die Sahara- und Sahelländer kontrollieren.
Heuchlerischer geht es wohl nicht mehr, den Abzug aller ausländischen
Söldner und Militärs fordern und die eigene militärische Intervention
vorbereiten.
+ 18.07.: IRINI/Tripolis. Der Kommandeur der European
Union Naval Force Mediterranean, Operation IRINI, Konteradmiral Fabio
Agostini, bestätigte, dass die libyschen Behörden sich seit Monaten weigern,
ihm und anderen Offizieren ein Visum zu erteilen: „Ich habe seit vor Ostern
versucht, nach Libyen zu reisen, aber die libyschen Behörden haben mir immer
noch kein Visum erteilt, aus welchen Gründen auch immer“. Der Kommandant
bestätigte auch, dass die europäischen Streitkräfte keine Kontrolle mehr über
die libysche Militärschifffahrt haben.
https://libyareview.com/15027/libyan-authorities-refuse-to-allow-entry-of-irini-commander-into-tripoli/
Türkische Besatzung
+ 18.07.: Ausländische Truppen/Söldner. Der libysche
Parlamentarier Misbah Doma sagte, dass der Abzug von Söldnern und ausländischen
Truppen aus Libyen kein Verhandlungsthema sei. Die Geduld der Libyer sei
erschöpft und die Söldner werden mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft.
https://libyareview.com/15031/libyan-mp-exit-of-foreign-forces-not-up-for-negotiation/
+ 18.07.: Türkeiputsch/Botschaft. Die Feierlichkeiten zum
5. Jahrestag des sogenannten Putsches gegen die Erdogan-Regierung in der
türkischen Botschaft in Tripolis wurden besucht vom stellvertretenden
Vorsitzenden des Präsidialrats, Abdullah al-Lafi, vom Chef der
Muslimbruderschaft im Hohen Staatsrat, Khaled al-Mishri, vom Chef der
Tripolis-Streitkräfte Mohammed al-Haddad und vom Vorsitzenden der Partei
der Einheit, Abdul Rahman as-Swehli.
https://almarsad.co/en/2021/07/18/al-lafi-mishri-swehli-haddad-attend-anniversary-of-defeat-of-coup-attempt-in-turkey/
+ 18.07.: Türkische Botschaft. Der türkische Botschafter in
Tripolis, Kenan Yılmaz, sagte die Unterstützung seines Landes für die
Ausbildung, Zusammenarbeit und Beratung bei der „Umstrukturierung der libyschen
Armee“ (Milizen der ‚Einheitsregierung‘) zu. Dies erfolge auf der Grundlage des
„Memorandums für Sicherheit und militärische Zusammenarbeit“ zwischen der
Türkei und Libyen. Dieses Abkommen wurde allerdings niemals wie vorgeschrieben
vom Parlament ratifiziert und ist somit nicht gültig.
Außerdem verfügte die Sarradsch-Regierung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über
eine Legitimität, da zum einen ihre Amtszeit schon längst abgelaufen war und
sie zum anderen wiederholt nicht vom libyschen Parlament bestätigt wurde.
https://almarsad.co/en/2021/07/18/turkish-ambassador-to-libya-turkey-provided-martyrs-against-haftars-aggression-on-tripoli/
+ 15.07.: UN-Sicherheitsrat/New York. Der UN-Sicherheitsrat
gab in einer Sitzung unter dem Vorsitz von Frankreich und Tunesien eine
Erklärung zu Libyen ab. Der Sicherheitsrat betonte die Bedeutung freier und
fairer Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Libyen. „Der Sicherheitsrat
fordert alle Mitgliedstaaten, alle libyschen Parteien und alle einschlägigen
Akteure nachdrücklich auf, die vollständige Umsetzung der
Waffenstillstandsvereinbarung vom 23. Oktober 2020 zu respektieren und zu
unterstützen, unter anderem durch den unverzüglichen Abzug aller ausländischen
Streitkräfte und Söldner aus Libyen.“ Der Sicherheitsrat bekundete auch seine
Besorgnis über die Destabilisierung der Sahelzone und das Schleuserunwesen in
Libyen. Anwesend war auch GNU-Übergangspremierminister Dabaiba.
https://almarsad.co/en/2021/07/15/un-security-council-mercenaries-and-foreign-forces-must-leave-libya-punitive-measures-against-election-obstruction/
Die Realität: Dabaiba spricht nur von ausländischen Söldnern, die das Land
verlassen müssten, nicht aber von ausländischem Militär, und schließt somit die
türkische Militärpräsenz in Libyen nicht beim geforderten Abzug mit ein.
Dabaibas Regierung ist bisher auch nicht gegen die Milizen im westlichen Libyen
und gegen die Extremistengruppen, die mit dem Innenministerium in Verbindung
stehen, vorgegangen.
Die LNA, die immer noch das größte Gebiet Libyens und die wichtigsten
Ölfelder kontrolliert, dürfte also wenig Vertrauen in Dabaibas
Regierungspolitik setzen.
Migration
+ 13.07.: Migration. Nachdem immer mehr Migranten in der
Hafenstadt Zuwara im westlichen Libyen ankommen, beschloss der Stadtrat eine
Registrierungspflicht. Wer sich nicht registrieren lässt, soll ausgewiesen
werden. Der Schritt wurde mit einem „Anstieg der Kriminalitätsrate“ begründet.
Fast alle Migranten wollen von Zuwara aus über das Mittelmeer Europa erreichen.
https://libyareview.com/14916/zuwara-threatens-to-expel-illegal-migrants-from-city/
+ 15.07.: Migration/Amnesty International. In einem Bericht
von AI heißt es: „Männer, Frauen und Kinder, die bei der Überquerung des
Mittelmeers aufgegriffen und unter Zwang in libysche Haftzentren zurückgebracht
werden, sind dort schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Dazu gehören
systematische Folter, sexualisierte Gewalt und Zwangsarbeit. Amnesty
International legt in einem neuen Bericht Belege vor, die die furchtbaren
Folgen der Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Libyen verdeutlichen.“
Trotz anderslautender Versprechungen seien auch in den letzten sechs Monaten
die Menschenrechtsverletzungen gegen geflüchtete Menschen in libyschen
Migrantenlagern unvermindert fortgesetzt worden. Namentlich genannt wird das
Lager Shara' az-Zawiya in Tripolis. AI fordert: „Die europäischen Staaten
müssen ihre Zusammenarbeit mit Libyen in den Bereichen Migration und
Grenzkontrollen unverzüglich aussetzen und die Tausenden schutzbedürftigen
Menschen, die in libyschen Haftzentren festsitzen, dringend evakuieren“.
https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/libyen-migration-menschenrechtsverletzungen-haftzentren
+ 15.07.: Migration/Küstenwache. Die libysche Küstenwache
gab die „Rettung“ von 51 Migranten bekannt, die an Bord eines Schlauchbootes
auf dem Weg zur europäischen Küste waren. Sie wurden zurück nach Tripolis
gebracht.
https://libyareview.com/15007/libyan-coast-guard-rescues-51-europe-bound-migrants/
+ 16.07.: Migration/Syrer. Manche syrische Migranten nehmen
aus Kosten- und Sicherheitsgründen lieber den Weg über Libyen nach Italien,
anstatt über die Türkei nach Griechenland in die EU zu gelangen. Nach
Griechenland zu gelangen koste etwa 15.000 USD, während es nur 6.000 USD koste,
mit dem Boot von Libyen aus nach Europa zu kommen.
https://libyareview.com/14991/eu-observer-syrian-refugees-prefer-libyan-route-to-europe/
Weitere Nachrichten
+ 12.07.: Vertriebene. Wie die die Internationale
Organisation für Migration (IOM) berichtet, gibt es trotz des Waffenstillstands
immer noch rund 224.000 Menschen innerlibysch Vertriebene. Viele von ihnen sind
auf Hilfslieferungen angewiesen. In den letzten beiden Jahren konnten etwa
642.408 Personen an ihre Wohnorte zurückkehren.
https://libyareview.com/14922/iom-224000-libyans-remain-internally-displaced-and-in-need-of-humanitarian-aid/
+ 13.07.: Haushalt. Erneut hat das Parlament die Abstimmung
über den Haushaltsentwurf 2021 der GNU-Regierung verschoben, voraussichtlich
auf den 26. Juli. Für eine gültige Abstimmung waren nicht genügend Abgeordnete
anwesend.
https://www.libyaherald.com/2021/07/13/hor-fails-again-to-vote-on-2021-budget-postpones-deliberations-until-after-eid-al-adha/
+ 13.07.: LNA/Mursuk. Die LNA gibt bekannt, sie sei in die
südlibysche Stadt Mursuk eingedrungen und habe alle Mitglieder von
Schleuserbanden und von Milizen der Moslembruderschaft festgenommen.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1415013737589784582
+ 14.07.: Korruption. Der libysche Generalstaatsanwalt
as-Siddiq as-Sour hat die Verhaftung des Leiters der Nationalen
Anti-Korruptions-Kommission (NACC), Noman asch-Sheikh, und des Beauftragten der
Kommission, Amr Qadqud, wegen Korruptionsverdachts angeordnet. Die Verhaftung
von asch-Sheikh erfolgte, nachdem er sich mit dem Leiter des Hohen Staatsrats
(HCS), Khaled al-Mishri, in Tripolis getroffen hatte, um unter Umgehung des
libyschen Parlaments den Staatshaushalt zu genehmigen. Asch-Sheikh wird auch
der persönlichen Vorteilsnahme durch die NACC beschuldigt. Er habe Schecks und
Zahlungen vom Konto der Kommission auf sein persönliches Konto und die Konten
seiner Familienmitglieder vorgenommen, wobei einige mehr als 200.000 LD betragen
hätten.
https://libyareview.com/14982/libyas-anti-corruption-commission-head-arrested-on-corruption-charges/
+ 17.07.: Medizinische Versorgung. Die libysche
Staatsanwaltschaft ordnete eine Untersuchung des Zusammenbruchs der
medizinischen Sauerstoffversorgung im Onkologischen Krankenhaus von Misrata an.
Die Sauerstoffversorgung war in der letzten Zeit mehrmals ausgefallen, was zu
Todesfällen unter den Patienten führte. Als Grund werden neben der
Patientenzahl auch die häufigen, langanhaltenden Stromausfälle genannt.
https://libyareview.com/15017/libyas-public-prosecutor-opens-probe-over-oxygen-system-collapse-in-hospital/
+ 18.07.: Covid-19/Misrata. Das Medizinische Zentrum
in Misrata kündigte bis auf weiteres die Schließung der Hauptstelle für epidemiologische
Erhebungen an, da das gesamte medizinische Personal mit Covid-19 infiziert sei.
https://libyareview.com/15040/misratas-covid-19-centre-closed-entire-staff-infected-with-covid-19/
+ 18.07.: Einschlag. Durch den Einschlag einer
Panzerabwehrwaffe in der Nähe einer Bank in Bengasi wurden der libysche
Schauspieler Haitham Dirbaash getötet und mehrere Personen verletzt.
https://libyareview.com/15049/rpg-missile-kills-libyan-actor-in-benghazi/
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1416871313730375683
+ 16.07.: Vetternwirtschaft. Der Vorsitzende des
Managementkomitees der Libyschen Auslandsbank (LFB), Mohamed Ali
Abdullah ad-Darrat, kaufte drei Monate nach seiner umstrittenen Ernennung zum
LFB-Chef eine Luxusvilla in Chicago. Ad-Darrat besitzt auch die
US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Viele Libyer sehen Darrats Ernennung als
einen typischen Fall von Vetternwirtschaft, da er enge Beziehungen zu Dabaiba
unterhält. Vier CBL-Vorstandsmitglieder hatten Darrat als neuen Vorsitzenden
abgelehnt, denn er sei aufgrund von einer Entscheidung ins Amt gekommen, die
allein von Siddik al-Kebir und Dabaiba getroffen wurde und nicht wie
vorgeschrieben von den Vorstandsmitgliedern genehmigt war.
https://almarsad.co/en/2021/07/16/after-his-controversial-appointment-to-the-libyan-foreign-bank-darrat-buys-a-luxury-villa-in-the-us/
+ 18.07.: Finanzprüfbericht. Der Präsidialrat übergab den
UN-Bericht zur Prüfung der Finanzen und Konten der Libyschen Zentralbank
(CBL) an deren Vorstand Siddik al-Kebir in Tripolis und an den
stellvertretenden Zentralbankchef Ali al-Hibri in Baida. Gefordert wird, dass
der vollständige Prüfbericht der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme zugänglich
gemacht wird.
https://almarsad.co/en/2021/07/18/presidential-council-office-hands-over-the-cbl-international-audit-report-to-offices-of-kabir-and-hibri/
+ 14.07.: Großbritannien/Nato-Krieg.
Ein von der südafrikanischen Zeitung The Daily Maverick
veröffentlichter Artikel beleuchtet die subversive Rolle der
David-Cameron-Regierung 2011. Cameron sei damit einverstanden gewesen, dass
Katar Hunderte von Millionen USD für Waffen ausgibt. Ein Entsandter sollte über
eine Ölfirma einen Deal mit Gaddafi-Gegnern aushandeln, damit diese die
Aufständischen mit Treibstoff für ihre Militärfahrzeuge versorgen. Eine
wichtige Rolle spielte dabei der ehemalige britische Außenminister Alan Duncan.
Duncan in seinen Erinnerungen: „Cameron unterstützte 2011 eifrig den Sturz von
Präsident Muammar Gaddafi, und ich leitete eine geheime britische Zelle, um
Libyens Ölfluss zu blockieren.“ Duncan beschrieb als Ziel der Zelle „die
Bösewichte am Verkauf von Öl zu hindern, während die Opposition dies habe tun
können“.
Auch der ehemalige britische Botschafter in Libyen (2015-2018), Peter Millet,
nutzt zur Zeit Kontakte, die er während seiner Amtszeit als Botschafter in
Libyen geknüpft hat, für private kommerzielle Tätigkeiten. Millett arbeitete
seit mehr als einem Jahr an der Seite von NOC-Chef Mustafa Sanella und
vermittelt die Neufassung aller Verträge der NOC mit BP und Glencore. Er
unterstützte die LIA auch dabei, die Freigabe ihrer Vermögenswerte zu erwirken,
die außerhalb des Landes eingefroren sind. Der Interessenkonflikt, der sich aus
Millets Rolle als ehemaliger Diplomat und seiner Beratertätigkeit unmittelbar
nach seinem Ausscheiden aus dem Amt ergab, ist nirgendwo ein Thema.
https://almarsad.co/en/2021/07/14/south-african-report-on-uk-and-qatars-disruptive-role-in-libya-in-2011-and-oil-deal-with-rebels/
19.07.2021