Donnerstag, 27. Juli 2017



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Paris: Macron hält Sarkozys Überfall auf Libyen für falsch und vermittelt zwischen Tripolis und Benghasi

27.7.2017. Der neue französische „sozialliberale“ Staatspräsident Emmanuel Macron hat den von seinem rechtspopulistischen Vor-Vorgänger Nicolas Sarkozy lancierten Militärschlag gegen Libyen und den Sturz des libyschen Staatsoberhauptes Muammar al-Ghaddafi als einen Fehler bezeichnet. Es gelang ihm nun – mit Rückendeckung von Donald Trump, den er offensichtlich bei dessen Paris-Besuch ins Vertrauen gezogen hatte – die Führer der wichtigsten beiden Konfliktparteien in Libyens, den von der westlichen Staatengemeinschaft unterstützen, schwachen und islamistenfreundlichen Premierminister Fayez al-Seraj aus Tripolis und den säkular orientierten Führer der Libyschen Nationalarmee LNA, die der Gegenregierung im Raum Benghasi untersteht, an einen Tisch zu bringen und zu einer gemeinsamen Erklärung zu nötigen, die davon spricht, 2018 gemeinsame Wahlen abzuhalten.

 


Ohne Moos nix los: Tschads Präsident droht EU mit Rückzug aus dem G5-Sahel-Bündnis
17.7.2017. Tschads Präsident Idriss Déby hat der EU gedroht, beim Ausbleiben der angekündigten Gelder für die multinationale G5-Sahel-Eingreiftruppe, daß sich sein Land dann aus dem Bündnis mit Mauretanien, Mali, Burkina Faso und Niger zurückziehen werde. Die Eingreiftruppe der Sahelstaaten soll u.a. die deutschen und französischen Truppen in Mali bei der Bekämpfung des Terrorismus unterstützen, doch ohne die tschadische Armee (die einzige, die von den fünf genannten Staaten eine nennenswerte Schlagkraft besitzt) ist das Bündnis ein Papiertiger – Déby weiß das und erklärte, für die Europäer lohne sich die Finanzierung der G5-Sahel-Truppe, da sie so das Leben ihrer „eigenen (europäischen) Soldaten schützen“, die dann nicht selbst kämpfen müssen.



Dienstag, 18. Juli 2017



Libyen ist eine funktionierende Stammesgesellschaft

Schon während der italienischen Kolonisation des Landes in den Jahren 1911 bis 1945 als auch in den Jahren nach dem NATO-Krieg 2011 sorgten die Stämme für den Zusammenhalt des Landes und die Wiederherstellung von Frieden.

In einem Artikel beschäftigt sich nun auch der LibyaHerald mit der herausragenden Bedeutung, die die libyschen Stämme während der gesamten Geschichte des Landes hatten und haben.[1] In Anbetracht des Libyen in den Grundfesten erschütternden NATO- und späteren Bürgerkriegs erlangte eine Art Gewohnheitsrecht, im Arabischen Orf genannt, wieder große Bedeutung. Orf war die Rechtsgrundlage der Stammesführer, um lokale, aber auch nationale Streitigkeiten zu schlichten. Nachdem das libysche Staatswesen und seine Ordnungskräfte 2011 atomisiert worden waren, konnte nur das Rechtssystem des Orf, das von so gut wie allen Libyern respektiert wird, das Land vor dem totalen Zerfall retten.
Zwar brachen während des NATO-Kriegs 2011 alte Stammesstreitigkeiten in voller Stärke aus, doch spielten schon bald die Stammesführer mit ihrem Verhandlungsgeschick bei Friedensgesprächen eine herausragende Rolle. Die Stammesführer, auch Scheichs oder Hukama (Weise) genannt, konnten in geduldigen Verhandlungen nicht nur den Frieden zwischen verfeindeten Stämmen wieder herstellen, sondern ihn auch aufrechterhalten, während Kräfte von außen versuchten, weiterhin die Spaltung des Landes zu betreiben und die Stämme gegeneinander aufzuhetzen.
Schon in der Gaddafi-Ära kam das Gesetz des Orf bei Strafprozessen zum Tragen und spielte insbesondere in den entlegeneren Wüstengebieten, die dem Zugriff der städtischen Justiz entzogen waren, eine große Rolle. Innerhalb der Stammesgesellschaften sorgte der durch Orf ausgeübte soziale Druck für den überlebensnotwendigen Zusammenhalt der Gemeinschaft. Bei Streitigkeiten zwischen verschiedenen Stämmen konnten blutrünstige Racheaktionen damit vermieden werden.
Bei einer Befragung im Jahre 2016 stimmten 60 Prozent der Libyer der Aussage zu, dass die Stämme der Gemeinschaft Sicherheit garantieren können. Ein Scheich sagte: „Wenn auch tausende Libyer im jetzigen Bürgerkrieg ihr Leben verloren haben, so hat Orf hunderttausenden das Leben gerettet.“ Egal, um welche Provinz, um welchen Stamm, ob es sich um Ost-, Süd- oder Westlibyen handelt, Orf und Hukama werden überall in gleicher Weise als Grundlage des gemeinsamen Zusammenlebens respektiert.
Als Beispiel sei hier der Streit zwischen dem Zinten- und dem Maschaschja-Stamm im Westen Libyens angeführt, der seit 2011 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der beiden Stämme geführt hatte. Erst als ein Ältestenrat, zusammengesetzt aus zwölf Stämmen von allen Landesteilen, die Mediation übernahm, konnte der Konflikt beigelegt werden. Nachdem über ein Jahr verhandelt worden war, wurde am 18. Mai 2017 ein Friedensabkommen unterzeichnet. Anschließend konnten von ihren Heimatorten Vertriebene wieder in ihre Häuser zurückkehren, Schulen und Krankenhäuser ihren Betrieb aufnehmen, Läden öffnen.
Doch auch im Osten des Landes, der Kyrenaika, spielte und spielt Orf die bedeutendste Rolle bei der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. Über die Zeit nach dem Krieg 2011, als das Rechtssystem zusammenbrach und sich dschihadistische Gruppierungen wie Ansar al-Scharia immer weiter ausbreiten konnten, sagte ein Scheich vom Stamm der Twadschir: „Wir konnten nicht warten, bis es wieder eine Regierung oder eine Armee zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung gibt. Wir mussten schnell handeln.“ Auf Betreiben der Stammesführer und ihrer Auffassung von Verantwortung für das Land trafen sich alle Stämme der Kyrenaika am 15. April 2017 in der Stadt Asahel (300 km südwestlich von Bengasi), um Orf als das zeitweilig gültige Rechtssystem zu kodifizieren.
Der sogenannte Ehrencodex der Kyrenaika gilt seither als Richtlinie bei der Bestrafung von Verbrechen oder Gewalttaten. So sollen Konflikte gelöst und der Frieden aufrechterhalten werden. Orf erlangte damit zum ersten Mal einen offiziellen Status, der das Sicherheitsvakuum ausfüllen, Racheakte verhindern, Gewalt abwenden und den Libyern ein Sicherheitsgefühl vermitteln soll. Orf hat in der Kyrenaika gehalten, was es versprochen hat. Trotz des herrschenden Bürgerkriegs wird zwischen den einzelnen Städten und Stämmen der Frieden eingehalten, die Unruhen konnten sich von Bengasi nicht weiter ausbreiten.
Wer nicht sieht oder sehen will (wie beispielsweise der gescheiterte UN-Vermittler Martin Kobler), welche wichtige Rolle die Stämme und deren Gesetze in Libyen spielen, wer Orf und Hukama missachtet, darf sich nicht wundern, wenn ihm auf ewig fremdbleiben wird, auf welche Art und Weise Libyen funktioniert.
Den libyschen Stämmen wird es gelingen, ihre Probleme zu meistern, auch oder gerade ohne jede Einmischung von außen.


Angelika Gutsche
18.07.2017



[1] www.libyaherald.com/2017/07/13/op-ed-in-libya-only-one-system-of-law-is-functioning-and-its-not-state-law/



Ende des Projekts „Neuer Naher Osten“

Libyen. Trump justiert Nahost-Politik neu. Europa zieht mit.

Just nachdem US-Präsident Donald Trump am G20-Gipfel in Hamburg teilgenommen hatte und fast zeitgleich mit seinem  Besuch in Paris anlässlich der Feiern zum französischen Nationalfeiertag hat der US-amerikanische Botschafter für Libyen, Peter Bode, Gespräche mit Khalifa Hefter im jordanischen Amman geführt.
US-Botschafter Bodde traf nach den Gesprächen mit Hefter sogleich in Kairo den ägyptischen Generalstabschef Mahmoud Hegazi. Bei dem Treffen dabei war Thomas Waldhauser, der Oberkommandierende von AFRICOM. Wie bekannt, unterstützt Ägypten – neben Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten – den säkular ausgerichteten General Hefter und dessen Libysche Nationalarmee (LNA) und ist ein erbitterter Gegner der von Katar und der Türkei und bisher auch von den USA und Europa geförderten Islamisten und der Moslembruderschaft. Bodde soll im Anschluss an die Gespräche die Rolle, die Ägypten zur Stabilisierung Libyens leistet, gelobt haben.
Es darf angenommen werden, dass sowohl bei den Gesprächen während des G20-Gipfels, die Trump mit Putin, Merkel, Macron und anderen Staatschefs führte, als auch bei den Gesprächen in Paris nicht nur Syrien, sondern – hinter den Kulissen und von den Medien totgeschwiegen – das weitere Vorgehen in Libyen ein beherrschendes Thema war.
Etwa zeitgleich zum G20-Gipfel trafen im niederländischen Den Haag Vertreter des libyschen Parlaments (Tobruk) und des Staatsrats (Tripolis) zu einem Dialog zusammen, der zur einer Nachjustierung des Libyan Political Agreements (Skhirat Abkommen vom Dezember 2015) führen soll. Die Gespräche fanden unter Vermittlung des niederländischen Verteidigungsministers Bert Koenders statt, der zusammen mit dem niederländischen Premierminister Mark Rutte am G20-Gipfel teilnahm.
Frankreich setzt schon geraume Zeit Sondereinheiten in Libyen zur Unterstützung von General Hefter und dessen LNA ein. In Übereinstimmung mit Trump scheint nun Frankreich unter Macron federführend bei Libyen-Initiativen zu werden, eine Rolle, die bisher Italien zukam, das stets die islamistischen Milizen von Misrata und Tripolis im Rahmen der offiziellen EU-Politik unterstützte.
Die Islamisten, die in weiten Kreisen der Bevölkerung niemals einen Rückhalt fanden, sind in Libyen krachend gescheitert. Im Osten und Süden und sogar Teilen des Westens wurden sie von der LNA und von mit Hefter verbündeten Milizen besiegt. Gerade bekämpfen sich in und um Tripolis islamistische Milizen gegenseitig. Und angesichts der von Italien nicht mehr zu bewältigenden Flüchtlingsströme sowie aus Angst vor der Zunahme terroristischer Anschläge in Europa, scheinen sich nun die Europäer von der von Obama-Clinton vorgegebenen Politik der Unterstützung islamistischer Gruppierungen und der Spaltung Libyens abzuwenden und sich gehorsam dem neuen Kurs Trumps zu öffnen.
Auch der Austausch des für Libyen zuständigen UN-Personals deutet auf einen Wandel hin: Der auf Du und Du mit al-Kaida-Führern stehende Martin Kobler wurde Mitte letzten Monats als Sondergesandter für Libyen durch den Libanesen Ghassen Salamé ersetzt.
Katar, von den anderen Golf-Staaten – allen voran Saudi Arabien – mit Absprache der USA in die Isolation getrieben, dürfte sich gezwungen sehen, seine Unterstützung für dschihadistische Milizen einzustellen. Die Türkei, der andere große Pate der Moslembrüder und Verbündeter Katars, ist inzwischen wirtschaftlich so geschwächt, dass es ohne die finanzielle Hilfestellung Katars in große Bedrängnis geriete. Katar wird seinen Einfluss auf die Türkei geltend machen, um auch die Türkei dazu zu bewegen, ihre Unterstützung für das Moslembrüder-Projekt einzustellen.
Grundsätzlich dürfte damit das Obama-Clinton-Projekt „Neuer Naher Osten“ seinem Ende zugehen. Glück hat es keinem der daran beteiligten Protagonisten gebracht. Die US-Demokraten mit Kriegstreiberin Hillary Clinton an der Spitze wurden abgewählt und dürften, trotz des geballten Einsatzes des industriell-militärischen Komplexes, sobald nicht mehr zurück an die Macht kommen. Die Türkei hat – anstatt seine Sultans-Großmachträume verwirklichen zu können – neben wirtschaftlichen Schwierigkeiten nun ein fettes Kurdenproblem. Katar ist in der arabischen Welt isoliert und in Europa schwächt das Flüchtlingsproblem nicht nur die EU insgesamt, sondern könnte die italienische Regierung zu Fall und die Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht bringen.
Saudi-Arabien, obwohl zunächst ebenfalls Unterstützer von Islamisten, ist wie die Europäer auf Trump-Linie umgeschwenkt und hofft mit einem blauen Auge aus dem Abenteuer „Neuer Naher Osten“ davon zu kommen, glücklich darüber, den USA wieder Pfötchen geben zu dürfen. Hauptprofiteur ist Russland, das bei der internationalen Politik und auch in Punkto Waffentechnik wieder in der ersten Liga mitspielen darf. Und natürlich Israel: Ohne sich offen positioniert zu haben, profitiert es wie kein anderer Staat von der gegenwärtigen Situation. Ihm feindlich gesonnene Staaten wie Syrien und Libyen sind weitgehend zerstört und über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte mit sich selbst beschäftigt.
Für Libyen kann es jetzt nur heißen, sich als Staat wieder zu stabilisieren. Ist erst der Dschihadisten-Spuk vorbei, werden sich alle Kräfte darauf konzentrieren, die volle staatliche Souveränität zurückzuerlangen, um über die zukünftige politische Organisation und die Außenbeziehungen selbst bestimmen zu können.


Angelika Gutsche, 16.07.2017


Donnerstag, 13. Juli 2017



Libyen im Juni 2017 – Monatsrückblick

Was geschah… eine unvollständige Auflistung

Nachtrag Mai 2017: Der Spiegel berichtet, wie die EU bei der Unterlaufung des libyschen Waffenembargos durch die libysche Küstenwache, die offiziell der Sarradsch-Regierung untersteht, zusieht.[1] Ausgerechnet auf dem Weg von Misrata nach Bengasi wurden bei Kontrollen durch „Sophia“-Schiffe Waffen an Bord der von Italien ausgebildeten und ausgerüsteten Küstenwachschiffe gefunden.
Die Misrata-Milizen stehen offiziell unter Befehl der Sarradsch-Regierung und haben erst im Mai ein Massaker an über 140 Soldaten der LNA begangen. Die Waffen, die in Misrata angeliefert werden, dürften aus der Türkei stammen und für den Weitertransport an die dschihadistischen Verteidigungsbrigaden von Bengasi bestimmt gewesen sein, die gegen die Libysche Nationalarmee (LNA) unter General Hefter kämpfen.
Juni 2017
01.06.  Mindestens 44 Migranten, die meisten aus Ghana, sind bei der Saharadurchquerung mit Ziel Libyen im Niger nach einer Autopanne verdurstet, darunter drei Babys, zwei Kinder und 17 Frauen.
Die Internationale Organisation für Migration gab bekannt, dass im Jahr 2016 geschätzt 300.000 Migranten den Niger durchquert haben. Dieses Jahr hat Libyen mehr als 4.000 Migranten in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, darunter unbegleitete Kinder, Kranke und Missbrauchsopfer.
01.06.  Ein Kommandeur der LNA ist seinen schweren Verletzungen durch eine Landmine erlegen.
02.06.  Nach Kämpfen mit den dschihadistischen Verteidigungsbrigaden von Bengasi haben Einheiten der Libyschen Nationalarmee (LNA) mit Unterstützung von bewaffneten Einheimischen die Stadt Weddan ebenso wie die nahegelegene Stadt Sukna erobert und bewegen sich nun auf den Luftwaffenstützpunkt Dschufra zu. Die Verteidigungsbrigaden haben viele Söldner aus dem Tschad in ihren Reihen. Die Misrata-Milizen hatten das Gebiet vor Ausbruch der Kämpfe verlassen.
Nachts fliegt die LNA weiterhin Luftangriffe, vor allem um die Gegend von Hun.
03.06.  Nachdem die Misrata-Miliz (13th Forth/ehemals 3rd Forth) und die Verteidigungsbrigaden von Bengasi den Dschufra-Luftwaffenstützpunkt aufgegeben hatten, wurde er von LNA-Einheiten besetzt. Bei den vorrausgehenden Kämpfen wurden mehrere LNA-Soldaten getötet oder verletzt. Der libysche Polit-Kommentator Mohamed Eldscharh meinte dazu: „Die Einnahme und Sicherung von Dschufra ist ein Wendepunkt, der die Machtbalance in Zentral- und Westlibyen verschieben wird.“ Die LNA-Einheiten wurden von einheimischen Kräften unterstützt, denen Hefter zur Befreiung vom Terrorismus gratulierte. Ein LNA-Sprecher sagte, das nächste Ziel sei Bani Walid. Die Stadt befindet sich etwa 350 Kilometer südwestlich von Dschufra.
04.06.  Im befreiten Gefängnis von al-Hadba in Tripolis wurde eine Bombenwerkstatt gefunden. Bombenexperten haben in der Werkstatt etwa siebzig Sprengkörper in verschiedenen Fertigungszuständen sichergestellt, darunter auch mit Nägeln gefüllte Sprengbomben.
Bis zu seiner Befreiung letzte Woche war das al-Hadba-Gefängnis unter der Kontrolle von Khaled al-Scharif, der der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) angehört. Mitglied dieser Gruppe war auch der Vater des Manchester-Attentäters, Ramadan Abedi. Die Söhne Abedis standen dem IS nahe. Der Selbstmordattentäter Suleiman Abedi reiste kurz vor dem Anschlag aus Libyen kommend in Großbritannien ein.
04.06.  In der Stadt Zawia ist es zu heftigen Kämpfen zwischen der Khadrawi- und der Ahneisch-Miliz gekommen. Das örtliche Krankenhaus hat wegen der Sicherheitslage alle Patienten evakuiert.
05.06.  Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben alle diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Auch die Übergangsregierung von Beida hat sich dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen angeschlossen.
Katar wird vorgeworfen, terroristische Gruppen zu unterstützen. Besonders heftige Anschuldigungen gegen Katar erhob der ägyptische Parlamentsabgeordnete Abdel Rehim Ali, der eine Anklage beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einreichen will.
Katar hat in Libyen radikal-islamistische Gruppierungen wie die Moslembruderschaft und al-Kaida-Personal wie Abdulhakim Belhadsch bei ihrem Kampf um die Macht in Libyen unterstützt.
2013 bewaffnete Katar zunächst in Bengasi, dann auch in Tripolis dschihadistische Milizen und war ab 2014 der Hauptunterstützer des Libya-Dawn-Regimes (Morgengrauen) in der Hauptstadt.
Im Gegensatz zur Beida-Übergangsregierung pflegte die UN-gestützte „Regierung“ in Tripolis unter Sarradsch engste Kontakte zu Katar. Sarradsch war erst im März wieder zu Besuch in Doha.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/katar-wegen-terrorunterstuetzung-isoliert
06.06.  Sowohl der Stadtrat als auch der Militärrat von Misrata haben die Verteidigungsbrigaden von Bengasi (BDB), die die Kreuzung an der Südstraße von Abu Grain besetzt halten, aufgefordert, sich zu ergeben und ihre Waffen niederzulegen. Misrata bezeichnet die BDB-Milizen nun als die Milizen des Großmuftis Sadek al-Ghariani, obwohl der Militärrat selbst eng mit ihnen verbündet war. Diese Distanzierung Misratas von den BDB bedeutet eine komplette Kehrwende ihrer bisherigen Politik.
06.06.  Die Kämpfe um die letzten Dschihadisten-Enklaven in Bengasi gehen weiter. Radikal-islamistische Kämpfer haben im Stadtbezirk Suk al-Hut historische Gebäude in die Luft gesprengt, um die Straßen gegen einrückende Panzer der LNA zu blockieren. Die LNA führt nachts Luftangriffe durch.
07.06.  Auf den Wagen von Tavik al-Rashid wurden Schüsse abgegeben. Dabei wurden seine Frau und Tochter getötet, er selbst erlitt Verwundungen. Al-Raschid gehört zu den Verteidigungsbrigaden von Bengasi.
07.06.  Der Stadtrat von Misrata sagte, es müsse allen innerhalb Libyens Vertriebenen erlaubt sein, wieder in ihre Heimatorte zurückzukehren, egal ob nach Maschaschia, Zinten, Rudschban, Kikla, Tripolis, Tawergha oder an andere Orte. Auch dies ist eine komplette Kehrwende der bisherigen Haltung, die es den Bewohnern von Tawergha bisher unmöglich machte, in ihre Stadt zurückzukehren.
08.06.  Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat Tripolis einen Überraschungsbesuch abgestattet. Er führte Gespräche mit Faiez Sarradsch, dem Vorsitzenden des Präsidialrats, und mit Abdularahman Sewehli vom Staatsrat. Anschließend besuchte er mit Martin Kobler ein Flüchtlingslager, um sich über die dortigen unmenschlichen Zustände zu informieren. Gabriel versprach 3,5 Mio. Euro Hilfe.
Die Vorstellung, wie es in den Flüchtlingslagern aussieht, die keine Politikerbesuche bekommen, lässt einen erschauern.
08.06.  Ein Artikel von Michael Obert im SZ-Magazin beschreibt recht anschaulich, wie die libysche Küstenwache, ausgebildet und ausgestattet von Italien, arbeitet: Schlepper werden einfach erschossen und führerlose Flüchtlingsboote mit ihren hilflosen Insassen ihrem Schicksal auf dem Meer überlassen, während der Boss der Küstenwache seine teuren Rassepferde, die er in dem zerstörten Land versteckt hält, mit undurchsichtigen Geschäften finanziert.[2]
09.06.  Nach dem Global Peace Index 2017 gehören die Länder, in denen die USA mit einer Koalition von Willigen interveniert haben, zu den unfriedlichsten der Welt: Libyen, Somalia, Jemen, Südsudan, Irak, Afghanistan liegen ganz hinten, und an letzter Stelle Syrien.[3]
09.06.  Die saudi-arabische Presseagentur hat eine Liste mit Namen von Terroristen veröffentlicht, die in Beziehung zu Katar stehen, und auf der sich auch folgende Namen finden: Sadek al-Ghariani (Großmufti in Tripolis), Abdulhakim Belhadsch (vormals Anführer der Libyan Islamic Fighting Group LIFG, heute Führer der Nationalpartei, die wohl von Katar finanziert wird), Ali Salabi (politischer Mentor und der wahre Führer libyschen Muslimbruderschaft), Ismael Salabi (einer der Hauptanführer und militärischer Befehlshaber der Islamisten in Libyen), Mahdi al-Harati (bis 2015 Bürgermeister von Zentraltripolis, Gründer der militanten Liwaa-al-Umma-Gruppe, zu der einer der Täter von der London Bridge gehört haben soll) und die Verteidigungsbrigaden von Bengasi.
Der Parlamentsvorsitzende Talal Almaihub gab bekannt, dass die Liste von libyscher Seite noch ergänzt werden wird.
10.06.  Auch deutsche Nachrichtensender[4] melden nun die Freilassung von Muammar al-Gaddafis Sohn, Saif al-Islam Gaddafi. Er habe seinen bisherigen Aufenthaltsort Zinten verlassen. Al-Adschmal al-Atiri, Befehlshaber einer Zinten-Miliz, unter dessen zunächst Gefangenschaft, dann Obhut Saif Gaddafi bisher war, hat die Freilassung bestätigt. Die Freilassung sei auf Grund des Amnestiegesetztes des libyschen Parlaments erfolgt. Am 28. Juli 2915 war Saif al-Gaddafi von einem islamistischen Gericht in Tripolis in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Das Verfahren wurde international zur Farce erklärt. Für Saif al-Islam besteht immer noch ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), dessen Rechtmäßigkeit stark bezweifelt wird. Saif al-Gaddafi hat sich immer für Soziales, Menschenrechte und Frieden eingesetzt. Die ihm vom ICC vorgeworfenen Vergehen gegen die Menschlichkeit sind lächerlich. Noch 2009 erklärte Amnesty International und Human Rights Watch, „man solle die Fortschritte nicht unterschätzen, die Gaddafi bei der Durchsetzung der Menschenrechte in Libyen erzielt habe.“
Die Freilassung von Saif al-Gaddafi wurde unter anderem in Sebha in den Straßen mit Luftschüssen gefeiert.
10.06.  Laut Aussage eines Stadtrats aus Sirte ist auch noch sechs Monate nach der Befreiung vom IS in der zerstörten Stadt nur „Betrug, Raub und Tyrannerei“ anzutreffen. Die Freude der ehemaligen Bewohner über die Möglichkeit der Rückkehr ist inzwischen verflogen und ihre Vorstellungen von einem normalen Leben in der Stadt haben sich in aufgelöst. In der Stadt gebe es keinerlei Grundversorgung, kaum medizinische Betreuung und auch die Telekommunikation funktioniert nicht. Bei Einbruch der Dunkelheit schließen alle Geschäfte, die Menschen eilen aus Angst vor kriminellen Banden nach Hause. Die Geburtsstadt Muammar al-Gaddafis, die von allen libyschen Städten den größten Zerstörungen auch durch NATO-Bombardements ausgesetzt war, leidet immer noch darunter, dass sie bis zum Ende an Gaddafis Seite stand.
10.06.  In Derna startete die LNA mehrere Angriffe gegen Milizen des islamistischen Mudschaheddin-Schura-Rats. Angegriffen wurden ein Medienzentrum, ein Checkpoint und ein Munitions- und Waffenlager.
10.06.  Auf den Bürgermeister von Bengasi wurde ein Bombenattentat verübt, das er überlebte. Ein Leibwächter erlitt Verletzungen.
10.06.  Laut dem ehemaligen UN-Botschafter für Libyen, Ibrahim al-Dabbaschi, haben die islamistischen Verteidigungsbrigaden von Bengasi versucht, die Stadt Sabratha einzunehmen. Unterstützung hätten sie dabei von al-Kaida-Kräften erhalten.
Die Kämpfer der Verteidigungsbrigaden befinden sich auf der Flucht. Zunächst wurden sie von der LNA vom Dschufra-Luftwaffenstützpunkt vertrieben, dann versuchten sie, sich in Misrata zu sammeln, was von den Einwohnern verhindert worden sein soll.
11.06.  Die von den Revolutionsbrigaden von Tripolis unter dem Kommando von Haitham Tadschuri befreiten dreißig Offiziere und Gefolgsleute aus der Gaddafi-Zeit scheinen alle auf freiem Fuß zu sein. Unter den Gefangenen befand sich auch der Sohn Muammar al-Gaddafis, Saadi al-Gaddafi, und Abdullah al-Senussi, Schwager und enger Vertrauter Muammar al-Gaddafis sowie Abu Zaid Durda, ehemaliger Chef des libyschen Auslandsgeheimdienstes. Sie waren im al-Hadba-Gefängnis fast sechs Jahre lang gefangen gehalten und gefoltert, al-Senussi, Abu Zaid Durda und Saadi al-Gaddafi waren zum Tode verurteilt worden.
Abdullah al-Senussi hat mit seiner Familie in einem Edel-Hotel in Tripolis das Ramadan-Fasten gebrochen und sich mit seinen Stammesmitgliedern getroffen.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/gefangene-des-al-hadba-gefaengnisses-sind-frei
11.06.  Ein umfangreicher Bericht der Vereinten Nationen (299 Seiten), der dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, listet Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Libyen auf, darunter Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folterungen, sexueller Missbrauch und Massenexekutionen. Beschuldigt werden alle bewaffneten Gruppen und Milizen.

In dem UN-Report heißt es: „Die Einmischungen von außen in libysche Angelegenheiten haben seit der zunehmenden Involvierung von tschadischen und sudanischen Söldner stark zugenommen. Ihre Aktivitäten im Ölhalbmond sind eine direkte Bedrohung der Sicherheit und wirtschaftlichen Stabilität Libyens. Die Söldner begehen auch kriminelle Taten, einschließlich Personen- und Drogenschmuggel.“ Neben dem Tschad, Ägypten und den VAE auf der einen Seite haben auch Katar, der Sudan und die Türkei auf der anderen Seite Allianzen mit politischen Parteien in Libyen geschlossen.
Der UN-Bericht befasst sich auch mit den Milizen, die immer noch Libyen beherrschen und destabilisieren. Erwähnt werden Kämpfe zwischen mit Misrata- oder mit Tripolis verbündeten Milizen in der Hauptstadt, bei der Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen werden, der Kampf um die Kontrolle über Institutionen, die Zusammenarbeit der Milizen mit kriminellen Netzwerken, vor allem entlang der Küste zwischen Tripolis und der tunesischen Grenze beim Menschen- und Treibstoffschmuggel, bei Kämpfen im Süden und im Erdölhalbmond.
Außerdem bestätigt der Bericht, dass wiederholt Angriffe libyscher Milizen, darunter auch von Ansar al-Scharia, auf Passämter stattgefunden haben, um sich gefälschte Pässe für illegale oder terroristische Aktivitäten zu verschaffen. Den UN-Behörden lägen solche gefälschten Pässe vor, so sei ein Sudanese mit einem falschen Pass, den er sich in Misrata beschafft hatte, in die Türkei eingereist. Beispielsweise seien die Passämter von Sirte und Bengasi zeitweise unter der Kontrolle von Ansar al-Scharia gestanden.
Der UN-Bericht sagt weiter, dass die staatseigene libysche Eisen- und Stahlfabrik (LISCO) in Misrata als Sammelpunkt für Kämpfer des islamistischen Revolutionären Schura-Rats von Bengasi diente. Dort wurden Waffen und Gelder an neue Milizmitglieder verteilt. Erst im Dezember 2016 wurde dies auf Anweisung [wessen Anweisung?] eingestellt. Munition und Waffen wurden von Hun (Region Dschufra) auf das Fabrikgelände in Misrata gebracht und dort weiter nach Bengasi verschifft. Oftmals übernahm die Küstenwache von Misrata mit ihren Schnellbooten die Ladung. Auf der Rückfahrt hatten die Boote verletzte islamistische Kämpfer an Bord.

In dem Bericht geht es auch um die Finanzierung von bewaffneten Gruppen. Es werden dabei vier wichtige Einkommensquellen ausgemacht: Treibstoffschmuggel, Personenschmuggel, Zugriff auf Institutionen und Waffenhandel. Daneben erfolgt die Finanzierung durch andere kriminelle Aktivitäten beziehungsweise werden die Milizen durch Staatsorgane finanziert. In dem Bericht wird besonders hervorgehoben, dass der libysche Staat und seine Institutionen funktionsunfähig sind, die libysche Küstenwache aber von der internationalen Gemeinschaft geschult und ausgestattet wird. Besonders wird die Küstenwache von Zawia des Schmuggels bezichtigt, namentlich genannt werden Mohamed Kishlaf und sein Bruder Walid sowie der Chef der Küstenwache Abd al-Rahman Milad, auch Bidscha genannt, und Ibrahim Hneish, Anführer einer Miliz.
Der Verkauf des Schmuggelguts läuft über Makler, die das Erdöl an Schiffe vermitteln. An Land wird Erdöl vor allem nach Tunesien geschmuggelt. Die Nationale Ölgesellschaft (NOC) will gegen Kraftstoffschmuggel vorgehen.
Zum Menschenschmuggel sagt der Bericht, dass dieser oft in Verbindung mit Waffen-, Drogen- und Goldschmuggel stattfinde. Die Schmuggelroute führe von Agadez (Niger) in den Süden Libyens. Stammesmitglieder von Tibu und Tuareg, aber auch vom Suleiman-Stamm und aus Zinten werden der Mithilfe des Schmuggels beschuldigt. Die Küstenzielorte seien Zawia, Zuwara und Sabrata.
Der innerlibysche Waffenhandel finde auf Märkten in Zinten, Misrata, Adschdabija und Wow statt. Es werden auch schwere Waffen angeboten, manchmal im Doppelpack mit den dazugehörigen Söldnern. Daneben wird Waffenhandel über Facebook-Seiten betrieben.
12.06.  Die LNA macht weiter Boden im Bengasi-Bezirk Suk al-Hut gut. Es konnte das Gebäude des ehemaligen Hauptquartiers der Miliz Islamistischer Libyscher Schutzschild erobern.
13.06.  Die LNA ist weiter in den Bengasi-Bezirk Suk al-Hut vorgedrungen und hat den Tahrir-Platz und den Justizpalast unter ihre Kontrolle gebracht. Den ganzen Tag über erfolgten Luftangriffe.
Bei der Explosion eines Sprengsatzes wurde ein Soldat getötet.
13.06.  Martin Kobler ist seinen Job als UN-Sondergesandter für Libyen endgültig los. Bei einem Treffen mit Ahmed Maetig (Präsidialrat) in Tripolis bemerkte er, dies sei einer seiner letzten Besuche in Tripolis. Maetig bestätigte dies auf Facebook: Kobler „sei nun am Ende seiner Mission“.
13.06.  Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat einstimmig beschlossen, sein Waffenembargo für Libyen um weitere 12 Monate zu verlängern. Die Resolution 2357 (2017) gestattet UN-Mitgliedsstaaten die Inspektion von Schiffen, die im Verdacht stehen, gegen das libysche Waffenembargo zu verstoßen. Der Beschluss ist eine Erweiterung der Resolution 2292 (2016), die auch den Mitgliedsstaaten die Befugnis gibt, entdeckte Waffen zu konfiszieren und zu vernichten.
13.06.  Die deutsche Ölfirma Wintershall hat mit der Nationalen Libyschen Ölgesellschaft (NOC) eine Teilvereinbarung getroffen. NOC hatte Wintershall vom Zuetina-Terminal ausgeschlossen, nachdem es bei verschiedenen Gesprächen der NOC nicht gelungen war, Wintershall zur Einhaltung der 2010 geschlossenen Abmachungen zu bewegen. Stattdessen habe der Konzern zusammen mit Sarradschs Präsidialrat an der Resolution 270 (Übertragung der Aufgaben des NOC auf den Präsidialrat) mitgearbeitet, um die NOC ins Ausseits zu manövrieren und so neue Vereinbarungen mit der UN-gestützten Administration des Präsidialrats treffen zu können.
16.06.  Sechs Soldaten der LNA wurden beim Vorrücken in den Bengasi-Bezirk Suk al-Hut durch Minen oder Scharfschützen getötet. Es finden Häuserkämpfe statt. In der Nacht führt die LNA weiter Luftangriffe gegen Stellungen der Islamisten durch.
16.06.  Die Internationale Organisation für Migration hat sich in Libyen mit einer UN-Kommission getroffen, um den Verbleib von etwa 200 Somaliern und Äthiopiern zu ermitteln, die aus einem libyschen Flüchtlingslager entführt und anschließend gefoltert wurden. In einem Video sagen die Vermissten, sie würden nicht mit Essen versorgt, ihnen würden Knochen gebrochen und Zähne ausgeschlagen. Mit diesen Videos, die über Facebook gesendet werden, sollen die Familien in der Heimat zu Lösegeldzahlungen erpresst werden.
18.06.  Der bisherige UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, ist grandios an Libyen gescheitert und wird durch den bisher in Paris lebenden Libanesen Ghassen Salamé ersetzt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Ernennung bestätigt. Salamé war im Libanon Kultusminister und später Berater sowohl von Kofi Annan als auch von Ban Ki-Moon in ihrer Zeit als UN-Generalsekretäre.
Es heißt, Salamé wäre bereits der 29 potentielle Kandidat gewesen, alle anderen hätten den Job dankend abgelehnt.
Dem forschen und dauergrinsenden Kobler war seine Nähe zu und einseitige Bevorzugung von Dschihadistischen vorgeworfen worden. Besonders in der Kritik war ein Treffen in Istanbul mit führenden Dschihadisten aus Tripolis wie Belhadsch (al-Kaida/IS) und Khaled al-Scharif (Libyan Islamic Fighting Group/LIFG), bei dem die Ermordung von führenden Militärs der LNA beschlossen worden war. Deren Vormachtstellung wollte Kobler auch bei der Regierungsbildung im Rahmen des Libyen Political Agreement (Skhirat-Abkommen) durchdrücken, die deshalb vom libyschen Parlament abgelehnt wurde. Trotz dieser Ablehnung erkannten Kobler, die EU und die sog. „internationale Gemeinschaft“ die Sarradsch-Einheitsregierung an, was gegen die Vereinbarungen von Skhirat verstieß und damit sowohl die „Einheitsregierung“ ihrer Legalität beraubte. Kobler war seit November 2015 im Amt.
18.06.  Ali Sharif al-Rifi, letzter Oberkommandierender der libyschen Luftwaffe in der Ära Gaddafi ist nach Libyen, in seine Heimatstadt Waddan, zurückgekehrt. Al-Rifi war 2011 in den Niger geflohen, wo er sich mit dem loyal zu Gaddafi stehenden Ali Kana in Agadez traf. Anschließend hielt er sich in der Hauptstadt des Nigers, in Niamey auf, wo er engen Kontakt zu Saadi al-Gaddafi pflegte, bevor dieser 2014 vom Niger nach Libyen ausgeliefert wurde.
Auch Ali Kana ist vor einiger Zeit, wie es heißt aus Algerien, nach Libyen zurückgekehrt und befehligt die mächtige Tuareg-Einheit im Süden des Landes.
18.06.  In Zuwara sind Proteste gegen Treibstoffmangel und Treibstoffschmuggel und die dadurch hervorgerufenen hohen Preise ausgebrochen. Die Verteilungsstellen von Treibstoff wurden der Korruption beschuldigt.
19.06.  Bei einem Interview mit den Autoren des Buches „Macht vor acht“ von Ulli Gellermann Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam sagt Uli Gellermann über die Libyen-Berichterstattung: „Wenn wir den Libyen-Krieg heute, also von seinem scheinbaren Ende her, beurteilen wollen, dann weiß jeder, dass der >Schutz der Zivilisten< schon während des NATO-Einsatzes die ersten 50.000 Toten zur Folge hatte. Zu dieser Blutrechnung wären dann noch ein andauernder Bürgerkrieg und ein zerstörtes Staatswesen zu addieren.
Doch selbst zu Beginn des Krieges wäre es möglich gewesen, die brutalen Folgen eines ausländischen Eingreifens in einen inner-libyschen Konflikt vorauszusehen. Man hätte nur in den Irak blicken müssen. Stattdessen wurden von Beginn an die Interessen fremder Mächte in und der Rohstoff-Dealer an Libyen ausgeblendet. Die alte journalistische Frage >Cui bono?< [wem nützt es?] hätte auf die Spur der Kriegsursache führen können. Und schon hätte man die in deutschen Medien übliche Kriegseinteilung in Gut und Böse zugunsten einer Interessenanalyse auswechseln müssen. Stattdessen waren die deutschen Medien von Beginn an Partei: Für die NATO, für die USA und natürlich auch für jene islamistischen Gruppierungen, die das laizistische Gaddafi-Regime schnellstens beenden wollten. […] die Fußnoten zu den Clinton-Aktivitäten waren durchweg positiv bis neutral. Weder wurde Clintons miese Rolle im Libyen-Krieg erwähnt, noch fanden ihre schäbigen Tricks gegenüber Bernie Sanders eine vertiefte Erwähnung…“[5]
20.06.  An der Zufahrt zum Ölverladeterminal von Sidra ist ein Auto von der LNA gestoppt worden. Der Fahrer, sudanesischer oder tschadischer Herkunft, sprengte sich anschließend mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft. Es gab keine weiteren Verletzten. Es wird befürchtet, dass weitere Anschläge geplant sind. Die Zufahrtsstraße wurde bis auf weiteres gesperrt.
20.06.  Nach der Wiedereröffnung des Berufungsgerichts in Tripolis gab dieses bekannt, der Prozess gegen Saadi al-Gaddafi und al-Baghadadi al-Mahmoudi werde auf den 11. Juli verschoben. Al-Mahmoudi wurde bereits vor zwei Jahren durch ein islamistisches Scharia-Gericht zum Tode verurteilt. Nach der Befreiung aus dem al-Hadba-Gefängnis sollen einige Gefangene in andere Gefängnisse verlegt worden sein.
21.06.  Ein Mitglied einer Miliz ist in Tripolis erschossen worden. Die Miliz gehört zum islamistischen Großmufti Sadek al-Ghariani und unterstützt Khalifa Ghweil (islamistische National Salvation Government in Tripolis).
22.06.  Wie Fotos und Videos zeigen, strömten in ganz Libyen Menschen auf die Straßen, um ihre Unterstützung für Saif al-Gaddafi auszudrücken, dem sie ihr Vertrauen schenken. Auch Scheich Ali al-Lahwel (Oberster Stamesführer) sagte, dass Saif al-Gaddafi in der Lage wäre, alle Stämme Libyens zu vereinigen, um das Land vom Terrorismus zu befreien, damit wieder Sicherheit und Frieden einkehren könnten. Der Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs (ICC) müsse zurückgezogen werden, da Saif keine Straftaten begangen habe. Der ICC werde von denselben Mächten kontrolliert, die auch Libyen zerstört haben.
Die Großen Stämme würden die Rückgabe der Libyen gestohlenen Gelder in Höhe von 500 Milliarden Dollar und der gestohlenen 179 Tonnen Gold und 2.000 Tonnen Silber fordern, um das durch die NATO zerstörte Land wieder aufbauen zu können. Die NATO-Staaten, Katar, die USA, Frankreich, Großbritannien und die Vereinten Nationen müssten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden.
22.06.  Es gab Berichte, nach denen sich Misrata-Milizen, die Ghweil unterstützen, in den östlichen Außenbezirken von Tripolis sammeln, um in die Stadt einzumarschieren und Ghweil wieder zur Macht zu verhelfen.
Es soll auch zu neuen Kämpfen zwischen Ghweil-Milizen und Milizen, die den Präsidialrat unterstützen, um den geschlossenen internationalen Flughafen von Tripolis gekommen sein.
Außerdem wurde die Küstenstraße im Osten von Tripolis und im Westen zur Gegend von Wirschefana und Zawia durch Milizen, die dem Präsidialrat zugerechnet werden, gesperrt.
23.06.  Die LNA hat nun die gesamte Kontrolle über das Suk-al-Hut-Gebiet von Bengasi. Bei den heutigen Kämpfen hat die Armee sechs Soldaten verloren, darunter einen Kommandanten. In der Gegend halten sich immer noch Heckenschützen auf, aus der Straße zu Altstadt werden noch schwere Kämpfe gemeldet.
Außerdem wurden bei der Explosion einer Mine in einem bereits vor Tagen befreiten Bezirk zwei Soldaten getötet.
Der Stadtteil Sabri wurde den ganzen Tag bombardiert.
24.06.  Eid-Feierlichkeiten zum Ende des Ramadans.
24.06.  In Tripolis ist ein Oberst der Armee zusammen mit seiner 20-jährigen Tochter beim Angriff auf ihren Wagen erschossen worden. Die Familie der Opfer machte Islamisten dafür verantwortlich.
24.06.  In Tripolis und Misrata sind in einem Gnadenakt zum Ende des Ramadan rund hundert Gefangene in die Freiheit entlassen worden.
25.06.  Ein Gaddadfa-Stammesmitglied, Mohammed Abubakr Abusadra Gaddafi, ist laut Stammesältesten von sogenannten IS-Kämpfern bei Gardabaja (70 km südlich von Sirte) entführt worden.
25.04.  Zwei weitere LNA-Soldaten kamen beim Vormarsch im Sabri-Bezirk von Bengasi ums Leben. Die Dschihadisten hinterließen bei ihrem Rückzug große Mengen an Sprengfallen und Minen. Die LNA mahnte Zivilisten erneut, sich nicht in ihre Häuser zu begeben, solange keine Entwarnung gegeben worden ist. Es gibt zu wenig Minenräumspezialisten.
26.06.  Ein Bericht befasst sich mit den Ursprüngen des IS in Libyen. Er kommt zu dem Schluss, dass der IS von einer überwältigenden Mehrheit der libyschen Bevölkerung als Feind gesehen wird, auch weil er mit seiner Brutalität gegen Stammesnormen verstoße. Es gebe keine militärische Strategie gegen den IS, da der IS nur als Symptom und nicht als Ursache für die Probleme Libyens gesehen werden muss. Hauptursache für das Erstarken des IS sei die Schwäche der Regierung.
Das ist sehr niedlich ausgedrückt: Libyen hat keine schwache Regierung, sondern ist ein failed state! Dies ist dem NATO-Krieg von 2011 und der Unterstützung von dschihadistischen Milizen durch den Westen, Katar und der Türkei zu verdanken.
27.06.  Der failed state Libyen kann seine südlichen Grenzen nicht mehr kontrollieren. Ein Bericht über das Stammesgebiet der Tibu im Grenzdreieck Südlibyen, Nord-Tschad und Westsudan berichtet über große Goldfunde seit 2011 in den Gebieten der südsaharischen Zone vom Sudan bis Südalgerien, der zum sogenannten Tibesti-Goldrausch in Nord-Dafur (Sudan) und im Stammesgebiet der Tibu im Grenzdreieck führte.[6]
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/tibu-kontrollieren-goldminen-gebiete
28.06.  Ein Konvoy, der fünf Fahrzeug umfasste, ist etwa dreißig Kilometer westlich von Tripolis auf dem Rückweg in die Hauptstadt gestoppt worden. Sieben Mitarbeitern der UN-Sondermission für Libyen und zwölf Sicherheitsbeamte wurden festgesetzt, kamen aber am Abend wieder frei und konnten von Einheimischen in Sicherheit gebracht werden. Eine Sprecherin der UN-Sondermission für Libyen gab keine weiteren Einzelheiten bekannt.
Augenzeugen berichten, dass die Fahrzeuge mit Granaten und automatischen Waffen angegriffen wurden, drei der Fahrzeuge entkommen konnten und zwei Personen verletzt wurden. Angeblich sollte die Freilassung von Inhaftierten erpresst werden, die sich in der Hand der Rada-Miliz (Tripolis/Präsidialrat) befinden.
28.06.  Bei der Rückeroberung des Bengasi Bezirks Sabri kamen drei LNA-Soldaten ums Leben, mehrere wurden schwer verletzt. Die Islamisten verteidigen ihre letzten Zufluchtsorte mit aller Brutalität und setzen auch Heckenschützen ein.
28.06.  Im saudi-arabischen Dschedda sind am Flughafen zwei Libyer verhaftet worden, denen vorgeworfen wird, 2014 bei der Entführung von fünf ägyptischen Diplomaten beteiligt gewesen zu sein. Ein dritter Libyer konnte sich in die libysche Botschaft flüchten.
Die damalige Geiselnahme diente der Freipressung des Dschihadisten Abu Obeida (oder Hadia al-Zawi)[7], Anführer des Islamist Libyan Revolutionaries Operations Room (LROR), der im ägyptischen Alexandria im Gefängnis saß. Nach dessen Freilassung wurden auch die gekidnappten Diplomaten wieder frei gelassen.
28.06.  Die ägyptische Luftwaffe gab bekannt, einen Konvoi bestehend aus zwölf LKWs, die mit Waffen, Munition und Sprengstoff beladen waren, zerstört zu haben. Der Konvoi hatte im Süden Libyens die Grenze zu Ägypten überquert und befand sich etwa sechzig Kilometer im Landesinnern. Es wird vermutet, dass die Waffenlieferung an dschihadistische Terroristen auf dem Sinai gehen sollte.
29.06.  Unter dem Titel „Migranten in Italien: Die neuen Sklaven Europas“[8] brachte der Deutschlandfunk einen Bericht über die unsäglich ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen von Schwarzafrikanern in Süditalien. Emigranten arbeiten dort für zwanzig Euro 14 Stunden unter sengender Sonne auf den Feldern.
30.06.  Der neue französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte in einem Interview mit La Martinale du Monde[9], dass Libyen keine handlungsfähige Regierung habe, mit der man verhandeln könne. Für Frankreich sei diese Situation unbefriedigend: „Libyen ist ein totaler failed state, dessen Strukturen neu aufgebaut werden müssen.“ Le Drian meinte auch im Hinblick auf das Libyen Political Agreement (Skhirat-Abkommen vom Dezember 2015), dass dessen Architektur neu justiert werden müsse: „General Hefter ist Teil der Lösung.“ Das Thema Libyen hätte beim neuen Präsidenten eine hohe Priorität.
30.06.  Der Außenminister der Übergangsregierung (Beida) ist zu Gesprächen mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Mikhael Bogdanow in Moskau eingetroffen. Dieser sagte, es müsse baldmöglichst „ein allumfassender inner-libyscher Dialog aufgenommen werden, der alle wichtigen politischen Kräfte, Stämme und Regionen des Landes einschließt.“ Moskau hoffe auf die Wiederherstellung der guten bilateralen Beziehungen und Kooperationen, nachdem Libyen zur Normalität zurückgefunden hat. Zu weiteren Gesprächen wird in Kürze Premierminister al-Theinni (Beida) in Moskau erwartet.
Das Abkommen von Skhirat sah vor, eine Einheitsregierung unter Faies al-Sarradsch einzusetzen. Diese wurde aber vom Parlament in Tobruk, dessen Zustimmung Voraussetzung war, abgelehnt, da in der neuen Regierung Islamisten und deren Milizen ein starkes Übergewicht hatten. Anders als die westlichen Länder erkannte Russland nicht nur die ‚Einheitsregierung , sondern auch den Parlamentsbeschluss an. Dies hat Russland in die komfortable Lage versetzt, anders als der Westen, nun mit beiden Seiten Verhandlungen führen zu können.
30.06.  Im Westen und Süden Libyens ist es zu einem kompletten Stromausfall gekommen. Laut dem libyschen Energiekonzern GECOL führte bei Temperaturen über 40° C der überhöhte Verbrauch zum Absturz des Systems.
30.06.  Schwere Brände sind aufgrund der hohen Temperaturen in Wäldern im Gebiet der Werschefana-Stämme ausgebrochen. Die Brände werden durch starken Wind angefacht. Werschefana beschwerte sich über das langsame Anrücken der Feuerwehr. Es seien auch Bauernhöfe und Häuser bedroht.
30.06.  Das Parlament hat an die Grenzbehörden eine Weisung erlassen, nach der der italienische Botschafter, Giuseppe Perrone, nicht mehr einreisen darf. Perrone hatte sich auf Twitter mit einem Tweet der jegliches dipolomatisches Taktgefühl missen ließ, zu der veröffentichten Liste von Personen geäußert, die das Parlament als Terroristen aufgeführt hatte. Das Parlament verlangt von Perrone eine Entschuldigung.


Quellen (soweit nicht anders angegeben): libyaherald.com / libyanwarthetruth.com / libyanobserver.com / libyaagainstsuperpowermedia.org / Der Spiegel / sueddeutsche.de / n-tv.de / heise.de / deutschlandfunk.de / La Matinale du Monde


 A. Gutsche




[1] Der Spiegel 20/2017 vom 13. Mai 2017
[2] http://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlinge-in-libyen-die-menschenfaenger-1.3537527?utm_content=http%3A%2F%2Fwww.sz.de%2F1.3537527&utm_medium=email&utm_campaign=SZ+Magazin+Donnerstag+8.+Juni+2017&utm_source=Maileon&utm_term=html
[3] http://economicsandpeace.org/
[4] www.n-tv.de/politik/Libysche-Miliz-laesst-Gaddafi-Sohn-frei-article19883929.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Es-handelt-sich-um-Missbrauch-der-Deutungshoheit-3741117.html
[6] Tubu Trouble: State and Statelessness in the Chad-Sudan-Libya-Triangle (J. Tubiana/C. Gramizzi, Juni 1017:
SAS-CAR-WP43-Chad-Sudan-Libya.pdf
[7] Abu Obeida oder Hadia al-Zawi wurde in Libyen bei Kämpfen in Warschefana verletzt und gefangenen genommen. Er soll auch in die Entführung des damaligen libyschen Premierministers Ali Zeidan aus dem Corinthia Hotel in Tripolis verwickelt gewesen sein.
[8] http://www.deutschlandfunk.de/migranten-in-italien-die-neuen-sklaven-europas.1773.de.html?dram:article_id=389841
[9] http://www.diplomatie.gouv.fr/en/the-minister-and-the-ministers-of-state/jean-yves-le-drian/press/article/a-strong-ambitious-france-interview-with-the-minister-for-europe-and-foreign

Montag, 10. Juli 2017



Der neue UN-Bericht: Das libysche Waffenembargo wird von allen Seiten unterlaufen.

Libyen/Waffenembargo. Laut einem neuen UN-Bericht werden weiterhin trotz Verbots Waffen von und nach Libyen geliefert. Außerdem werden bewaffnete Gruppen in zunehmendem Maße vom Ausland unterstützt.

Der Bericht stellt weiter fest, dass die Bemühungen der ‚Einheitsregierung‘, Sicherheitsstrukturen aufzubauen oder Milizen unter ihre Kontrolle zu bekommen, gescheitert sind. Deshalb müsse das Waffenembargo weiterhin in Kraft bleiben.
Es werden die Lieferungen von Waffen und Munition während des Kriegs 2011 untersucht: „Nach einem Treffen zwischen General Abd al-Fattah Junis und ausländischen Vertretern Mitte April 2011 wurde eine Großlieferung an die Westfront beschlossen. Die Kommission hat Kenntnis von acht Lieferungen, finanziert von Katar. Es wurden etwa vierzig Tonnen militärische Ausrüstung auf dem Seeweg nach Zarzis [an der tunesischen Mittelmeerküste] und von dort unter Bewachung von bewaffneten tunesischen Kräften vom Remada-Militärluftwaffenstützpunkt zum Dhehiba-Wazin-Grenzposten nach Libyen gebracht.“
In einem Fernsehinterview mit al-Arabija bestätigte Ende April 2011 der damalige Premierminister der tunesischen Übergangsregierung, Bedschi Caid Essebsi, dass Katar die Erlaubnis erhalten habe, militärische Ausrüstung via Tunesien nach Libyen zu transportieren unter Nutzung des Remada Luftwaffenstützpunkts. Der Remada-Stützpunkt liegt etwa 52 Kilometer vom Dhehiba-Wazin-Grenzposten entfernt.
Weiter heißt es in dem Bericht: „Zwischen Mai und Juni 2011 wurde die unbefestigte Landebahn südlich von Zinten so weit in Stand gesetzt, dass auf ihr militärische Frachtflugzeuge wie die C-17 sicher landen konnten. Ab da wurden die meisten Transporte zur Westfront mit dem Flugzeug via Tunesien durchgeführt.“
Der UN-Bericht legt dar, wie der Versuch, eine Waffen nach Libyen exportierende Firma anzuklagen, von einem US-Gericht niedergeschlagen wurde. „Die Kommission berichtete schon früher über Marc Turi und die Turi-Verteidigungsgruppe, die 2011 Waffen nach Libyen exportierte. Ein US-amerikanisches Gericht eröffnete die Anklage gegen Turi am 8. November 2016 in Phoenix, Arizona. Der Fall wurde im Oktober 2016 niedergeschlagen. Die Begründung des Anklägers lautete, die >Entdeckung von Gesetzen< vom US-Bezirksgericht… trug zur Entscheidung bei, den Fall beizulegen.“
Die Meinungen von Ankläger und Beklagten gingen dabei weit auseinander, während die Beklagten ihre Unschuld beteuerten, gingen die Ankläger von handfesten Fakten für die Beschuldigungen aus: Es habe ein Netzwerk existiere, dessen Aufgabe es war, Waffen nach Libyen zu liefern.
Der UN-Bericht legt auch Beweise für die Existenz eines italienischen Schmuggelrings vor, der Waffen nach Libyen lieferte. Im Januar 2017 wurden drei Italiener verhaftet und des Schmuggels von Hubschraubern und Waffen, einschließlich Boden-Luft-Missiles, in den Jahren 2011 bis 2015 angeklagt. Der Prozess in Italien ist noch im Gange.
Nach September 2011 habe die UN-Expertenkommission wiederholt ihre Besorgnis über die Lieferung von militärischer Ausrüstung nach Libyen ohne transparente Herkunftszertifikate ausgedrückt. Etliche Geschäftsabschlüsse wurden von dem damaligen Verteidigungsminister Khaled al-Scharif[1] unterzeichnet.
Im Moment untersucht die Kommission den Erwerb von Militärausrüstung durch zwei private libysche Firmen für den Bengasi Joint Security Room, der 2013 gegründet worden war und sich aus den dschihadistischen Spezialmilizen aus Bengasi, dem Libya Shield und einigen anderer extremistischen Milizen zusammensetzte. „Das Geschäft wurde von einer jordanischen Firma eingefädelt und der Transport von einer libyschen Tochter einer Firma durchgeführt, die in den USA registriert ist. Es hatte für die bestellte Militärausrüstung keine Freigabe durch die Kommission gegeben. Die Kommission führt die Untersuchungen fort.“
Weiter heißt es in dem Bericht zum Thema Lieferung von militärischem Material, Ausbildung von Kämpfern und technischer Unterstützung nach der Verschärfung des Waffenembargos im August 2014: „Waffen und Munition werden weiterhin an verschiedene Parteien in Libyen geliefert. Darin verwickelt sind Mitgliedsstaaten und Vermittler. Ebenso gab es einen Anstieg an direkter Unterstützung von Mitgliedsstaaten und bewaffneten ausländischen Kräften, einschließlich der Errichtung von Militäranlagen.“
So habe die LNA im April 2015 Kampfhubschrauber erhalten. Diese stammten ursprünglich aus Weißrussland, von wo sie in die VAE geliefert worden waren. Die VAE stellen der LNA sowohl Material zur Verfügung, als dass sie auch direkt die Streitkräfte unterstützen.
Frankreich ist ebenfalls in Libyen aktiv. Die Anwesenheit von militärischem Personal wurde nach dem Tod von drei französischen Soldaten bei einem Flugzeugabsturz nahe Bengasi vom französischen Verteidigungsminister bestätigt.
Der Bericht beschäftigt sich auch mit der Luftwaffe von Misrata, die seit 2016 Luftangriffe durchgeführt. Misrata verfüge über zwei Mirage F1, die von Söldnern geflogen werden. Als ein Pilot im Juni 2016 tödlich verunglückte, konnte seine Identität nachgewiesen werden: Er war portugiesischer Staatsbürger mit ständigem Wohnsitz in Deutschland. Um die Instandhaltung der Maschinen kümmern sich Ingenieure aus Ecuador, die über eine Firma mit Sitz in Jordanien gechartert wurden und deren Repräsentant die moldawische Staatsangehörigkeit besitzt. Sein Name ist Sergiu Banari. Dieser Banari unterhält enge Verbindungen zum Waffenhändler Rami Ghanem, der sowohl jordanischer als auch US-amerikanischer Staatsbürger ist, und bei der Rekrutierung der aus ecuadorischen Piloten involviert war. Seine Firma hatte zugegeben, der Einheitsregierung in Tripolis zu Diensten gewesen zu sein. Die Bezahlung des ecuadorischen Flugpersonals lief über Banken mit Sitz in Schottland und Nordirland.
Weiter berichtet die Kommission, dass Spezialeinheiten aus Italien, Großbritannien und den USA Operationen der Bunjan-Marsus-Miliz von Misrata sowohl technisch als auch direkt unterstützt haben.
Die Kommission ist der Meinung, dass jegliche Unterstützung bewaffneter Gruppen, auch mit nicht-tödlicher militärischer Ausrüstung, technischer oder finanzieller Art, ohne die Zustimmung der Kommission einen Bruch des Waffenembargos darstellt.
Bezüglich der Ausbildung und Ausrüstung der libyschen Küstenwache und Marine im Rahmen der europäischen EUNAVFOR MED stellt die Kommission fest, dass weder die Küstenwache noch die libysche Marine unter der Kontrolle der Einheitsregierung stehen, sondern wegen ihrer kriminellen Aktivitäten in Verruf sind.
Frankreich bildet gerade etwa achtzig Personen der Präsidialgarde in Tripolis aus. Auch dies wird von der Kommission äußerst kritisch gesehen.
Die Einrichtung eines Militärhospitals zusammen mit der Stationierung von mindestens hundert Spezialkräften durch Italien erfolgte in Abstimmung mit der Kommission.
2016 verschifften die VAE Fahrzeuge, vor allem Toyotas Land Cruiser, über einen saudi-arabischen Hafen nach Tobruk. Die Kommission ist der Meinung, auch bei diesen Fahrzeugen handele es sich um militärische Ausrüstung.
Seit August 2014 wurden Abhöranlagen an islamistische Gruppen in Tripolis geliefert, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen schuldig gemacht haben. Die technische Ausrüstung in der Hand dieser Milizen stelle eine Gefahr für die Sicherheit und den Friedens dar, da sie auch für Erpressungen und Entführungen genutzt wird.
Des Weiteren beschäftigt sich der Bericht mit dem Schmuggel von Waffen von und nach Libyen, vor allem über Tunesien. Erwähnt wird dabei die Aufbringung eines türkischen Schiffes von der griechischen Küstenwache im Herbst 2015.
Es seien auch Nachtsichtgeräte aus texanischer Produktion aufgetaucht.
Die ägyptischen Behörden haben der Kommission eine Liste mit in der Zeit vom Januar bis November 2016 beschlagnahmten Waffen übergeben. Auch aus Algerien gebe es entsprechende Berichte.
Aus dem Niger wird berichtet, dass dort Migranten als sogenannte ‚Mulis‘ für den Waffentransport über die libysche Grenze eingesetzt werden. Am Waffentransport, auch aus Mali, seien Mitglieder der Tuareg und Tibu beteiligt.





[1] Der Islamist Khaled al-Sharif wurde im 2013 zum stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt,
2014 sollte er für den Aufbau von Armee und Polizei verantwortlich sein sowie für die Integration der Milizen in die Armee. Diese bekämpfen den Staat, von dem sie dank al-Sharifs bezahlt werden. Er ist Kommandant der berüchtigten Libyan Islamic Fighting Group, und enger Verbündeter des al-Kaida-Manns Belhadsch.

A. Gutsche


Libyen/Tschad/Sudan. Neue Studie: Westen sollte sich militärisch nicht einmischen.

Ein 192-Seiten-Bericht über das Stammesgebiet der Tibu im Grenzdreieck Südlibyen, Nord-Tschad und Westsudan berichtet seit 2011 über große Goldfunde in den Gebieten der südsaharischen Zone vom Sudan bis Südalgerien, der zum sogenannten Tibesti-Goldrausch in Nord-Dafur (Sudan) und im Stammesgebiet der Tibu im Grenzdreieck führte.[1]
2011 kam es im Zuge des Nato-Krieges gegen Libyen zu einer Flutung der betreffenden Gebiete mit Waffen. Im nördlichen Tschad florieren auch heute noch die Waffenmärkte. In den Goldfundgebieten beidseits der Grenzen entstanden neue Siedlungen mit mehreren tausend Einwohnern. Libyen lieferte das Wasser, aber auch neben dem Sudan Generatoren und Arbeitsgerät für die Goldminen.
Der Zugang zu den Goldminen wird von Tibu-Milizen kontrolliert, die von den Schürfern und Goldhändlern Steuern erheben. Dabei sind die Regierungen der Nationalstaaten Tschad, Sudan und Libyen außen vor. Sicher ein Ärgernis für die korrupten Regierungen dieser Länder (sofern vorhanden, Libyen ist ein failed state), die sich das Gold gern unter den Nagel reißen würden und denen die Tibu feindlich gegenüber stehen.
Die Lage in Libyen wird als der Hauptgrund für die Destabilisierung der Länder der Sahelzone beschrieben, in deren saharischen Weiten der Staat nicht mehr präsent ist. Aus diesem Grund müsse unbedingt wieder ein starker libyscher Staat entstehen, in dessen Macht es steht, seine Südgrenze zu kontrollieren. Um wirklich Stabilität zu schaffen, müssten dabei aber die Bedürfnisse der dortigen Bevölkerung Berücksichtigung finden.
Der Krieg in Libyen und die Anwesenheit von Dschihadisten in der Sahara könnten nicht mit militärischen Interventionen oder mit der Stationierung westlicher Soldaten gelöst werden. Denn die Grenzen dieser Wüstengebiete sind durchlässig und nicht zu kontrollieren, d.h. sie existieren nur auf der Landkarte.
Die Sahara mit dem Tibesti-Gebirge wird wegen ihrer unermesslichen Bodenschätze für den Westen immer interessanter. In diesen Weiten Kriege gegen die einheimischen Stämme zu führen, um sich deren Reichtümer anzueignen, dürfte der westlichen Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln sein, auch in Anbetracht des verursachten Fiaskos in Afghanistan, Irak oder Libyen.

[1]: The report (Juni 2017):
Tubu Trouble: State and Statelessness in the Chad– Sudan–Libya Triangle by Jérôme Tubiana and Claudio Gramizzi


A. Gutsche