Donnerstag, 30. September 2021

Kurznachrichten Libyen – 27. 09. 2021

Libyen. Gezerre um Dezemberwahlen artet in Polit-Zirkus aus / Annäherung LNA und Türkei? / Ein Senussi möchte wieder König werden / 76. UN-Vollversammlung

Angelika Gutsche |

+ 25.09.: Türkei/Gaddafi. Bei RT heißt es: „Nachdem die Türkei ihre engen Beziehungen zur Muslimbruderschaft gelockert hatte, um ihre Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren in der arabischen Welt wie Ägypten zu normalisieren, wiederbelebt sie nun ihren Kurs in Libyen, indem sie Kontakte zu Familienmitgliedern des ermordeten früheren Staatschefs Muammar al-Gaddafi pflegt.“
Die Türkei sei an der Freilassung von as-Saadi al-Gaddafi beteiligt gewesen und dies könne darauf abzielen, „in das Szenario eines möglichen Comebacks der Gaddafi-Familie in Libyen zu investieren“. Die Rückkehr der Familie-Gaddafi auf der politischen Bühne in Libyen sei wahrscheinlich.
Ankara habe erkannt, „dass seine in Tripolis ansässigen Verbündeten nicht in der Lage sein würden, die Interessen der Türkei allein zu sichern und dass die Situation vor Ort nach den Präsidentschaftswahlen am 24. Dezember schwankender sein würde, versucht Ankara nun, seine Verbündeten zu diversifizieren.“
https://de.rt.com/international/124633-libyen-konflikt-warum-wendet-sich/

+ 27.09.: Flugaufkommen Türkei. Die Intensität des Flugaufkommens türkische Militärmaschinen nach Westlibyen hat in der Zeit vom 13. bis 24. September stark zugenommen: Es wurden fast 10 Flüge der militärischen Transportflugzeuge TuAF A400M-180 aufgezeichnet. Es stelle sich die Frage, ob die Türkei syrische Söldner aus Libyen abzieht oder ob etwas Größeres dahinter steckt.
https://twitter.com/mahmouedgamal44/status/1442311325581934597/photo/3
https://twitter.com/mahmouedgamal44/status/1442311327981133826
Das ist wirklich die große Frage, was hier vor sich geht. Der Abzug ausländischer Söldner aus Libyen ist eine der Hauptforderungen Ägyptens an die Türkei.

+ 25.09.: 5+5-Militärkommission. Die libysche Außenministerin Najla al-Mangusch gab bekannt, dass die 5+5-Militärkommission (JMC) in Kürze einen Plan für den Abzug aller ausländischen Truppen und Söldner aus dem Land vorlegen wird.
https://libyareview.com/16875/libyas-jmc-announces-plan-for-withdrawal-of-foreign-forces/

+ 20.09.: Frankreich/Libyen-Konferenz. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian kündigte an, dass Frankreich am 12. November 2021 eine internationale Libyen-Konferenz ausrichten wolle. Deutschland und Italien seien dabei behilflich, dass die Dezemberwahlen in Libyen pünktlich abgehalten werden.
https://libyareview.com/16764/france-to-host-international-conference-on-libya-in-november/

+ 22.09.: Dezemberwahlen/Haftar. Der Oberkommandierende der LNA, Khalifa Haftar tritt vom 23. September bis 24. Dezember vorübergehend als Oberbefehlshaber zurück. Dies könnte als Vorbereitung für seinen Antritt zu den Dezemberwahlen gesehen werden.
Seine Stelle wird vorübergehend General Abdulrazik an-Nathuri einnehmen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1440699815029972993

+ 25.09.: Dezemberwahlen. Bis heute müssten sich laut dem Präsidentschaftswahlgesetz alle Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen am 24. Dezember angemeldet haben. Eine entsprechende Liste ist nicht bekannt.
https://twitter.com/LibyaDesk/status/1441366658015109130

+ 20.09.: Dezemberwahlen/Zentrum für humanitären Dialog. Das Zentrum für humanitären Dialog/HD-Centre (was immer das genau sein mag) hielt vom 15. bis 17. September eine dreitägige politische Konsultation in der Schweiz ab zu dem Zweck, den politischen Prozess in Libyen und die bevorstehenden Wahlen am 24. Dezember zu erörtern. Es waren 50 libysche Teilnehmer eingeladen, darunter Parlamentsmitglieder, Mitglieder des beratenden Staatsrats (Moslembruderschaft) und Mitglieder des Libyan Political Dialogue Forums (LPDF). Anschließend gab das HD-Centre folgende Erklärung heraus: „Angesichts der jüngsten Entwicklungen bekräftigt das HD sein Engagement für den politischen Prozess in Libyen und die Abhaltung von Wahlen, wie sie in der Roadmap vorgesehen sind und dem Willen des libyschen Volkes entsprechen“.
Eine gemeinsame Erklärung von 18 libyschen Parteien und Organisationen zum HD-Centre unterstreicht noch einmal, dass „die Wahlen, auf die das libysche Volk Anspruch hat, pünktlich abgehalten, die Blockierer bestraft werden und die Wahlergebnisse von allen Parteien zu respektieren sind. Der Hohen Nationalen Wahlkommission sei technische und logistische Unterstützung zu gewähren.“
https://almarsad.co/en/2021/09/20/statement-by-parties-and-groups-on-recommendations-of-libyan-consultative-meeting-in-geneva/
Diese undurchsichtigen Schweizer Treffen unter immer neuen Namen sind mit größter Vorsicht zu betrachten.

+ 26.09.: Dezemberwahlen/Dabaiba. Hadschar al-Qayed, Mitglied des Libyschen Politischen Dialogforums (LPDF), sagte, Premierminister Dabaiba habe die Absicht, die Wahlen um zwei Jahre zu verschieben. Dies gehe aus Berichten hervor, in denen darüber diskutiert werde. Ein weiterer Grund für das ausgsprochene Misstrauen: „Die Abgeordneten brachten ihre Bestürzung darüber zum Ausdruck, dass die Regierung Verträge in Milliardenhöhe mit dem Ausland abgeschlossen hat. Diese Verträge bringen Verpflichtungen und Schulden für den libyschen Staat mit sich.“
https://libyareview.com/16913/lpdf-member-al-dbaibas-intention-is-to-remain-in-office/

+ 26.09.: Dezemberwahlen/Menfi. Präsidialratsvorsitzender al-Menfi zweifelt die Durchführbarkeit der Dezemberwahlen an. Sollte kein Konsens über den rechtlichen Rahmen der Abstimmung bestehen, werde er die Kandidaten auffordern, nicht an den Wahlen teilzunehmen. Die Rechtsgrundlage müsse vom Parlament und vom Hohen Staatsrat geschaffen werden: „Wenn sie sich nicht einigen können, sollten wir uns alle aus diesem Prozess zurückziehen und den Rückzug antreten“. Nur um gleichzeitig zu erklären, es sei das Ziel, dass Wahlen stattfinden und wir am 24. Dezember die Macht übergeben, egal was passiert“.
https://libyareview.com/16967/why-does-the-head-of-libyas-presidential-council-want-to-postpone-the-december-elections/
Ja was denn nun? Dies bereitet den Ausstieg aus den Dezemberwahlen vor, denn das Parlament und der von den Moslembrüdern beherrschte Staatsrat, der 2015 von der UN als beratendes Gremium eingesetzt wurde, werden sich mit Sicherheit nicht einigen. Der Staatsrat, der nach Wahlen aufgelöst werden würde, hat kein Interesse, seine Macht zu verlieren.
Es sei auch daran erinnert, dass al-Menfi nicht aufgrund von Wahlen sein Mandat errungen hat. Er wurde während des LPDF aus einer Gruppe von Personen ausgewählt, die von der US-Amerikanerin Stephanie Williams bestimmt worden waren. Die Ergebnisse eines UNSMIL-Untersuchungsberichts wurden nie veröffentlicht, in denen es um Bestechungsvorwürfe bei der Ernennung der GNU-Regierung (u.a.Dabaiba und Menfi ) ging .

+ 24.09.: Demonstration/Ghariani. Der extremistische Moslembruder Sadiq al-Ghariani rief in einer Fatwa dazu auf, an einer Demonstration gegen das Parlament teilzunehmen. https://twitter.com/libyafree198984/status/1441122666660827142
Die Schritte der Moslembrüder zielen darauf ab, die Abhaltung von Wahlen zu verhindern.

+ 26.09.: Parlament/Moslembrüder. Der Parlamentsabgeordnete Ali Bouzreba verurteilte scharf den Aufruf der Moslembruderschaft zu Demonstrationen, die sich gegen das Parlament und damit gegen gewählte Gremien richteten. Dies sei der Versuch einer Spaltung des libyschen Volkes. Er forderte die Auflösung des Staatsrats, da dieser den politischen Prozess behindere.
https://libyareview.com/16970/libyan-mp-muslim-brotherhood-behind-tripoli-demonstrations/

+ 26.09.: Dezemberwahlen/LPDF. Nachdem al-Dabaiba in Tripolis bei einer Demonstration gegen das libysche Parlament teilgenommen hatte und die Auflösung des Parlaments forderte, wurde dies von Salwa ad-Dghaili, Mitglied des Libyschen Politischen Dialogforums (LPDF) verurteilt. Das Parlament könne nur mit den legitimen Mitteln der Wahlen am 24. Dezember abgesetzt werden: „Für alle, die das Parlament stürzen wollen... Es ist nur möglich, indem man zu den Wahlen am 24. Dezember geht“. Das LPDF-Mitglied rief alle libyschen Parteien dazu auf, sich für die rechtzeitige Durchführung der bevorstehenden Wahlen einzusetzen.
https://libyareview.com/16960/al-dghaili-libyan-parliament-can-only-be-removed-by-elections/

+ 26.09.: Dezemberwahlen. Der Vorsitzende der Ihya-Libya-Bewegung, Aref Nayed, hat in einem offenen Brief an den Leiter der UNSMIL, Ján Kubiš, erklärt, dass der UN-Sicherheitsrat gegenüber der GNU-Übergangsregierung standhaft bleiben und sicherstellen muss, dass die GNU-Regierung nicht von ihrem Mandat abweicht und die geplanten Dezemberwahlen zu verschieben versucht. Er forderte den UN-Sicherheitsrat auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, um „dem leidgeprüften libyschen Volk sein grundlegendes Menschenrecht auf die Wahl seiner eigenen Führung in sauberen, gut überwachten direkten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wiederzugeben.“
https://almarsad.co/en/2021/09/26/nayed-says-un-security-council-must-be-firm-with-dbaiba-government-in-ensuring-december-elections/

+ 27.09.: Dezemberwahlen. 46 Mitglieder des Libyschen Politischen Dialogforums (LPDF) forderten UNSMIL auf, eine Dringlichkeitssitzung einzuberufen. Sie erklärten: „Wir sind entschlossen, unser Land zu retten und die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wie geplant abzuhalten.“
https://libyareview.com/16987/46-lpdf-members-call-for-unsmil-emergency-session/
Die UN-Sondermission für Libyen hat bisher stets die Moslembruderschaft gestärkt und dem Parlament Steine in den Weg gelegt. Man erinnere sich, dass der Parlamentspräsident Saleh zeitweise auf einer UN-Restriktionsliste stand und dass wichtige Parlamentsbeschlüsse einfach nicht umgesetzt wurden, so die Absetzung al-Kebirs als Leiter der Libyschen Zentralbank. Auch bei der Bildung des LPDF wurden wichtige Gesetzesbefugnisse dem Parlament entzogen und der GNU-Übergangsregierung übertragen.

+ 27.09.: Monarchie. Mohammed al-Hassan ar-Ridha ar-Senussi, der engste lebende Verwandte von Libyens ehemaligem König Idris as-Senussi, forderte die Wiedereinführung der Monarchie in Libyen. „Die Menschen sehen, dass eine konstitutionelle Monarchie der einzige Weg ist, um dem Land Sicherheit zu geben. Ich bin bereit, meinem Land und meinem Volk zu dienen, wann immer sie es wünschen“,
https://libyareview.com/16990/al-senussi-calls-for-restoration-of-monarchy-in-libya/
Jetzt schlägt’s dreizehn! Da fällt ihnen nichts Besseres ein als in die Trickkiste des letzten Jahrhunderts zu greifen. Wie groß muss die Verzweiflung sein! Mit Sicherheit sind die Libyer nicht scharf auf eine Monarchie und dass sie „sein Volk“ abgeben. In den monarchistischen Zeiten as-Senussis herrschten Hunger, Elend, Analphabetismus und eine komplette Abhängigkeit vom westlichen Ausland.

+ 26.09.: GNU-Regierung/Saleh. Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte, dass der GNU-Regierung unter Dabaiba deshalb das Vertrauen entzogen wurde, weil sie daran gehindert werden soll, langfristige Verträge mit dem Ausland zu unterzeichnen. Hierzu sei sie nicht berechtigt. Der Vertrauensentzug bringe kein Machtvakuum mit sich, da die Regierung bis zu Wahlen weiterarbeiten könne und solle.
https://libyareview.com/16915/ageela-saleh-confirms-absence-of-power-vacuum/

+ 20.09.: Sicherheit/Tripolis. Die Nationale Kommission für Menschenrechte in Libyen (NCHRL) berichtet über Missstände in Polizeidienststellen und bei Sicherheitsdiensten, die dem Innenministerium angegliedert sind. So seien die Ermittlungsstellen an Wochenenden und Feiertagen geschlossen, so dass Bürger keine Möglichkeit hätten, Verbrechen anzuzeigen. Die Täter könnten dadurch entkommen. Schwere Menschenrechtsverletzungen seien immer noch an der Tagesordnung.
https://libyareview.com/16749/nchrl-monitors-abuses-by-libyan-security-services/

+ 20.09.: Treibstoffknappheit/Tripolis. Trotz Leugnung durch die Behörden in Tripolis ist die Treibstoffknappheit angesichts riesiger Fahrzeugschlangen vor den Tankstellen nicht zu übersehen.
https://libyareview.com/16735/petrol-queues-in-tripoli-as-acute-fuel-crisis-looms/

+ 21.09.: Waffenschmuggel. Ein kleineres Flugzeug, das zur Flotte eines paramilitärischen Unternehmens gehört und seit 2019 auf dem zyprischen Flughafen Paphos steht, soll von UN-Experten dahingehend untersucht werden, ob es eine Verbindung zu Waffenschmuggel nach Libyen gibt. Das Flugzeug war 2019 auf dem Weg von Jordanien nach Libyen.
https://libyareview.com/16797/aircraft-under-surveillance-in-cyprus-over-links-to-arms-smuggling-in-libya/

+ 21.09.: 76. UN-Generalversammlung. Als Vertreter Libyens nahmen der Vorsitzende des Präsidialrats, Mohamed Al-Menfi, und Außenministerin Najla al-Mangusch an der UN-Versammlung in New York teil. Am Rande sind Treffen mit einer Reihe von Repräsentaten anderer Staaten geplant.
https://libyareview.com/16782/libyas-al-mnifi-attends-unga/

+ 22.09.: UN-Generalversammlung. Der Vorsitzende des Präsidialrats Mohamed al-Menfi traf sich in New York mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, um über die Wahlen, die nationale Aussöhnung und die Ergebnisse von Genf zu sprechen.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1441040274965291008

+ 24.09.: UN-Generalversammlung. Al-Menfi kündigte bei seiner Rede auf der UN-Generalversammlung an, dass im Oktober ein internationales Treffen in Libyen stattfinden soll, das sich „mit den politischen, sicherheitspolitischen, militärischen und wirtschaftlichen Aspekten befasst, die in früheren Abkommen vereinbart wurden.“
https://libyareview.com/16883/al-mnifi-libyas-youth-sacrfised-their-lives/

+ 25.09.: UN-Generalversammlung. Al-Menfi traf sich mit dem russischen Außenminister Lawrow. Beide betonten „die Notwendigkeit, die internationale Unterstützung zu konsolidieren, um den politischen Prozess unter der führenden Rolle der UN weiter voranzutreiben, in Übereinstimmung mit den Resolutionen 2510 und 2570 des UN-Sicherheitsrates und den Beschlüssen der internationalen Libyen-Konferenz in Berlin“.
https://libyareview.com/16930/libyas-al-mnifi-meets-lavrov-in-new-york/

+ 25.09.: UN-Generalversammlung. Al-Menfi traf sich mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi, um die jüngsten Entwicklungen in Libyen und Möglichkeiten zur Verbesserung der bilateralen Zusammenarbeit zu erörtern. Beide betonen die lange, traditionelle Freundschaft zwischen beiden Ländern.
https://libyareview.com/16933/chinese-foreign-minister-china-ready-to-take-part-in-reconstruction-projects-in-libya/

+ 22.09.: Grenzsicherung. Es trafen sich hochrangige libysche Beamte, um zu erörtern, wie das 2018 zwischen Libyen, Tschad, Niger und Sudan geschlossene Abkommen über Grenzsicherheit umgesetzt werden kann. Tschadische Oppositionsgruppen sind in den weiten Gebieten im Süden Libyens aktiv und kontrollieren die meisten Schmuggelrouten. Sie sind in mehrere Entführungs- und Lösegeldverbrechen gegen Einheimische sowie in Menschen- und Drogenhandel verwickelt.
https://libyareview.com/16850/libya-discusses-activation-of-quartet-agreement/

+ 22.09.: Mord/Tripolis. Unbekannte töteten mit vier Schüssen in den Rücken einen Mann beim Gebet in einer Moschee. Nähere Umstände sind nicht bekannt. Laut dem Numbeo Crime Index steht Libyen auf Platz 20 der unsichersten Länder.
https://libyareview.com/16862/man-shot-dead-in-libyan-capital-by-masked-gunmen/

+ 25.09.: Telekommunikation/Italien. Das Unternehmen Hatif Libya unterzeichnete einen Vertrag mit dem italienischen Unternehmen RetletMed, um die Glasfaserinfrastruktur des Landes zu betreiben. Die Vereinbarung umfasst auch die Datenverwaltung als Teil der Bemühungen, das Land zu einer umfassenden digitalen Transformation zu führen.
https://libyareview.com/16886/hatif-libya-signs-contract-with-italian-company/
Hoppla! Damit kontrolliert zukünftig Italien den digitalen Datenverkehr Libyens.

+ 26.09.: Handel/Italien. Italien erreichte mit einem Marktanteil von 31,5 % im ersten Quartal 2021 den ersten Platz als Zielmarkt für libysche Exporte. Der italienisch-libysche Handel erreichte in den ersten vier Monaten 2021 einen Wert von über 1,7 Mrd. Euro, was einem Anstieg von 87,9 % gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum entspricht.
https://libyareview.com/16955/italian-exports-to-libya-exceed-e1-7-billion/

+ 27.09.: Hochschullehrer/Streik. Das Syndikat der Hochschullehrer drohte mit einem landesweiten Streik ab dem 10. Oktober 2021. Die Äußerung Dabaibas, sie seien eine „privilegierte Gruppe“, hat Empörung hervorgerufen. Während seit dem Sturz der Dschamahirija-Regierung 2011 die Inflationsrate auf zwanzig Prozent gestiegen ist, gab es für die Lehrkräfte keinerlei Gehaltserhöhung.
Die Monatsgehälter für Uni-Lehrkräfte betragen zwischen etwa 210 USD und 460 USD. Eine durchschnittliche libysche Familie mit fünf Personen hat monatliche Ausgaben von etwa 350 USD.
https://libyareview.com/16984/libyan-university-professors-threaten-nationwide-strike/
Und die an die Macht gehievte politische Kaste steckt sich Millionenbeträge in die Tasche!

+ 23.09.: Menschenrechtsverletzungen. Sieben internationale Menschenrechtsorganisationen forderten in einer gemeinsamen Erklärung den UN-Menschenrechtsrat auf, das Mandat der unabhängigen Untersuchungskommission zu Menschenrechtsverletzungen in Libyen zu verlängern, denn Mitglieder bewaffneter Gruppen, Milizen und Sicherheitskräfte begingen weiterhin „außergerichtliche Tötungen, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, sexuelle Gewalt sowie willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen in ganz Libyen“.
https://libyareview.com/16847/international-organizations-call-to-renew-libya-fact-finding-missions-mandate/

+ 25.09.: Migration. Der Hohe UN-Flüchtlingskommissar gab bekannt, dass im Jahr 2021 bisher insgesamt 24.420 Migranten aus Seenot gerettet und nach Libyen zurückgebracht wurden.
https://libyareview.com/16936/unhcr-24420-migrants-rescued-returned-to-libya-in-2021/

+ 26.09.: Migration. Die libysche Generalstaatsanwaltschaft gab die Verhaftung eines Schleusernetzwerks bekannt, das für den Tod von sechs Migranten nahe der libysch-sudanesischen Grenze verantwortlich ist.
https://libyareview.com/16951/libya-orders-investigation-into-death-of-6-migrants-near-sudanese-border/

+ 25.09.: Covid-19: Ein auf TikTok veröffentlichtes Video zeigt, wie libysche Covid-19-Impfzertifikate angefertigt werden. In Sabratha werden sie für ca. 200 LD gehandelt.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1442127990801027075
Was ist besser als eine Impfung? Ein Impfzertifikat? Die Praktiken dürften in Europa nicht viel anders aussehen.

+ 23.09.: USA/Libyen. US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte die Unterstützung seines Landes für die Fortsetzung des politischen Prozesses in Libyen und forderte den Abzug aller Söldner und ausländischen Streitkräfte aus dem Land.
https://almarsad.co/en/2021/09/23/blinken-calls-for-free-and-fair-elections-in-december-in-libya-and-removal-of-all-foreign-forces-and-mercenaries/

+ 27.09.: Spionage/USA. Die USA sind im libyschen Luftraum an der Ostküste mit Spionageflugzeugen unterwegs.
https://twitter.com/MstrMax11/status/1442400495772053505

+ 24.09.: LIA/Hunter Biden. Zwei bekanntgewordene E-Mails von Geschäftspartnern Hunter Bidens deuten darauf hin, dass der Sohn des US-Präsidenten ein jährliches Honorar in Höhe von zwei Millionen USD plus ein „Erfolgshonorar“ forderte. Gegen diese Summe sei er bereit gewesen, bei der Freigabe der von der Obama-Regierung eingefrorenen libyschen Vermögenswerte in Milliardenhöhe der Libyan Investment Authority (LIA) zu helfen.
Hätte Biden Erfolg gehabt, beanspruchten die Geschäftspartner für sich selber noch einmal fünf Prozent des libyschen Vermögens.
https://libyareview.com/16870/leaked-emails-bidens-son-offered-to-help-unfreeze-libyan-assets-for-2-million/

+ 26.09.: Hillary Clinton. Als Hillary Clinton als erste Kanzlerin in der Queen's University Belfast in das Amt eingeführt wird, finden Proteste statt. Sie wird als Kriegsverbrecherin beschimpft.
https://twitter.com/DailyCaller/status/1441499854052659206?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1441499854052659206%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fde.rt.com%2Feuropa%2F124681-belfast-hillary-clinton-als-kriegsverbrecherin%2F

Weitere Nachrichten

+ 26.09.: Annäherung TÜRKEI/ÄGYPTEN. The National schreibt über die Fortschritte der Normalisierung der angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten. So könnte die Türkei bald mindestens 20 Personen an Ägypten ausliefern, die verdächtigt werden, an terroristischen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein, darunter die Ermordung des Generalstaatsanwalts 2015. Im Gegenzug will Ägypten die Aktivitäten des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen beschneiden.
https://www.thenationalnews.com/mena/egypt/2021/09/15/turkey-to-extradite-militants-to-egypt-as-relations-warm/

+ 23.09.: TÜRKEI. Die türkische Zentralbank hat ihren Leitzins gesenkt, worauf die türkische Lira kräftig einbrach. Gegenüber dem US-Dollar fiel sie sogar auf ein Rekordtief.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/tuerkei-senkung-leitzins-lira-verfall-101.html

+ 25.09.: MALI/SAHEL. German-Foreign-Policy schreibt über das Erstarken Russlands und der Türkei in Mali und der Sahelzone. In der malischen Öffentlichkeit stoße „eine mögliche engere Zusammenarbeit mit Moskau […] zunehmend auf Sympathie. Die französische Opération Barkhane sei nicht nur unfähig, Sicherheit zu schaffen, sondern werde „auch als Werkzeug des französischen Neokolonialismus“ betrachtet. Es gebe eine „weitverbreitete Feindseligkeit gegenüber der westlichen Intervention im Sahel“.
Dass Russland im Sahel eine größere Rolle spielen könne, sei schon beim Russia-Africa Summit and Economic Forum im Oktober 2019 in Sotschi zu beobachten gewesen. „Berichten zufolge ist geplant, dass Wagner bei einer teilweisen oder auch kompletten Einstellung der französischen Opération Barkhane bis zu tausend Söldner nach Mali schickt und zudem den Personenschutz für die malische Staatsspitze übernimmt.“
Auch Ankara baue seine Beziehungen zu den Sahelstaaten rasant aus. Der Handel zwischen Mali und der Türkei habe sich von 5 Millionen USD im Jahr 2003 auf 57 Millionen USD im Jahr 2019 gesteigert.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8713/

+ 26.09.: MALI/SAHEL/RUSSLAND. Auf RT heißt es: „Sergei Lawrow hat jede Beteiligung der russischen Regierung an einer Kooperation zwischen einer privaten Militärfirma aus Russland und der malischen Regierung zurückgewiesen. Zugleich kritisierte der Außenminister die EU-Außenpolitik hinsichtlich der Terrorbekämpfung in der Sahelzone.“
Der quasi EU-Außenminister ließ Russland wissen, es hätte in Afrika nichts zu suchen. Lawrow: „Josep Borrell sagte mir: >Sie sollten lieber gar nicht in Afrika tätig sein, weil Afrika unser Platz ist<. Genau so sagte er mir."
https://de.rt.com/international/124671-aussenminister-sergei-lawrow-aeussert-sich-zu-russischen-soeldnern-in-mali/
Da pocht aber einer auf die kolonial-imperialistischen Ansprüche Europas.

+ 21.09.: SUDAN. Ein Putschversuch im Sudan durch Anhänger der früheren Regierung wurde vereitelt. Der langjährige Präsident Omar al-Baschir war 2019 nach Massenprotesten von der Armee gestürzt worden. Auch gegen die jetzige Regierung kommt es zu Protesten.
https://de.rt.com/inland/124390-lymphozyten-laufen-amok-pathologen-untersuchen-todesfaelle-nach-impfung/

+ 21.09.: AUKUD. Thierry Meyssan schreibt auf VoltaireNet: Die Ankündigung des australisch-britisch-US-amerikanischen Paktes (AUKUS) unter Ausbootung Frankreichs sei die Vorbereitung der Allianz zu einem Krieg gegen China.
https://www.voltairenet.org/article214117.html

27.09.2021

 

 

Samstag, 25. September 2021

Libyen und die arabische Welt von 1911 - 1925

Kolonialismus/I.Weltkrieg Ein geschichtlicher Abriss: türkisch-italienischer Krieg / Erster Weltkrieg / Ende des Osmanischen Reiches / libyscher Freiheitskampf / Verrat an der arabischen Welt

Angelika Gutsche |

Der türkisch-italienische Krieg 1911/1912

Das Osmanische Reich, das über weite Gebiete des Nahen Ostens und Nordafrikas herrschte, musste bereits 1830 Algerien und 1881 Tunesien an Frankreich abtreten. Im Jahr 1882 verloren die Osmanen auch Ägypten, das an die Briten fiel.

Das Gebiet des heutigen Libyens befand sich noch unter osmanischer Herrschaft, auch wenn bereits Ende des 19. Jahrhunderts italienische Banken und Geschäftshäuser an der Küste von Tripolitanien und der Kyrenaika den Ton angaben.

In Italien, das 1871 als Monarchie vereint worden war, hegte König Viktor Emanuel III. den starken Wunsch, sich ebenfalls als Kolonialmacht zu behaupten und dem geschwächten Osmanischen Reich die Herrschaft über Libyen zu entreißen. Das Presseorgan der „Associazione nazionalista italiana“, Ideà Nazionale, schrieb über die kolonialen Ziele Italiens: „Der Nationalismus Italiens ist Afrikanismus“. Italien habe die heilige Mission zu erfüllen, die „hellenische Schönheit“ der Küstenstädte Libyens von türkischer Misswirtschaft zu befreien. Der „Bevölkerungsüberschuss“ solle dort abgesetzt werden und Italien benötige Kolonien, um für die wachsende Industrie genügend Rohstoffe zur Verfügung zu haben. Dies schaffe Arbeitsplätze und erleichtere den Handel. Und die Zeitung La Stampa schrieb 1911: „Libyen ist das gelobte Land, Italien von der Vorsehung zugesprochen.“

An diesem gewinnversprechenden, kolonialistischen Vorhaben war auch der Vatikan interessiert. Seine Banco di Roma hatte bereits Konzessionen für Bergwerke, Industrieanlagen und Schifffahrtsunternehmen in Libyen erworben und war somit für die dort erhofften goldenen italienischen Zeiten bestens gerüstet.

Am 28. September 1911 bezogen italienische Kriegsschiffe vor Tripolis unter dem Vorwand Stellung, dass sich die Osmanen zu sehr in ihre Handelsgeschäfte einmischten und dass italienische Staatsbürger in Tripolis und Bengasi zu schützen seien. Am 29. September 1911 erklärte Italien dem Osmanischen Reich den Krieg.

Zu dieser Zeit befanden sich nur noch wenige türkische Streitkräfte innerhalb Tripolis, so dass an eine Verteidigung nicht zu denken war. Am 4. Oktober rückte eine 34.000 Mann starke italienische Armee, unterstützt von Kriegsschiffen und Flugzeugen, gegen etwa 4.200 osmanische Soldaten vor. Durch Beschuss des nahe dem Hafen gelegenen Forts wurde auch ein Wohnviertel in Mitleidenschaft gezogen. Noch im Oktober 1911 fielen die Küstenstädte Tripolitaniens und der Kyrenaika.

In der Stadt Tripolis verbreiteten die Italiener die Bekanntmachung, dass die Rechte der Bevölkerung geachtet sowie die Religion als heilig angesehen und die Frauen geschützt würden. Im krassen Gegensatz dazu stand das tatsächliche Verhalten der Soldaten, die Angst und Schrecken verbreiteten, mordeten, vergewaltigten, plünderten und Moscheen entweihten. Zeuge dieser Vorgänge wurde der deutsche Ethnograph G. A. Krause, der in einem Interview mit dem Berliner Tageblatt einen italienischen Offizier zitierte, der die Morde der Invasoren an tausenden Zivilisten damit rechtfertigte, dass dieses brutale Vorgehen einen tiefen Eindruck bei den Arabern hinterlasse. An anderer Stelle schrieb G. A. Krause: „Die Eingeborenen verlangen Gewehre und Kanonen, um sich verteidigen zu können… Ein gewöhnlicher Arbeiter, den ich fragte, was sich die Leute erzählen, sagte nur: Die Italiener wollen das Land nehmen.“

In Italien formierte sich eine Gegenbewegung, die sich den kolonialen Kriegen widersetzte. Die Arbeiterbewegung war am Erstarken und ihre Führer riefen zu Demonstrationen und Streiks auf, um den Krieg in Libyen zu verhindern. Erfolglos.

Am 1. November 1911 schrieb Italien traurige Waffengeschichte: Es flog in Libyen den weltweit ersten Bombenangriff, bei dem drei je zwei Kilogramm schwere Bomben auf türkische Verbände abgeworfen wurden und zeigte damit umso mehr, dass der „kranke Mann am Bosporus“ den italienischen Streitkräften hoffnungslos unterlegen war.

In Istanbul war man nicht bereit, die von Italien eroberten libyschen Gebiete kampflos aufzugeben. Die politische Bewegung der Jungtürken bereitete sich unter der militärischen Führung von Enver Pascha darauf vor, von Ägypten aus einen Guerillakrieg gegen die Italiener zu führen, die im Osten Libyens die Städte Bengasi, Tobruk und Derna besetzt hatten. Enver konnte unter seiner Fahne auch arabische Kämpfer sammeln, die sich gegen die italienische Fremdherrschaft zur Wehr setzen wollten.

Der Guerillakrieg um die ostlibysche Stadt Derna war so erfolgreich, dass es den Italienern kaum möglich war, ihre Stellungen zu verlassen; an eine Eroberung des Hinterlands der Kyrenaika war nicht zu denken.

Die Italiener entwarfen den Plan, die Türken an anderen Orten so stark zu binden, dass sie gezwungen waren, ihre Soldaten aus Libyen abzuziehen. Sie brachten die Osmanen, die auch im Jemen und auf der Arabischen Halbinsel in Kämpfe verwickelt waren, beispielsweise im Hafen von Beirut oder auf dem Balkan so in die Defensive, dass sich diese genötigt sahen, am 18. Oktober 1912 einen Friedensvertrag mit Italien zu akzeptieren, in dem Libyen den Italienern zugesprochen wurde. Die europäischen Großmächte erkannten die neue italienische Kolonialmacht in Libyen an.

Der Kampf der Libyer um Freiheit

Nach dem Friedensschluss zwischen dem Osmanischen Reich und Italien fühlten sich die Libyer von den Osmanen im Stich gelassen und starteten daher einen eigenen Befreiungskampf, der in den Vororten von Tripolis begann und sich über das ganze Land verbreitete. G. A. Krause kann noch einen Bericht über den "Kampf der arabischen Zivilbevölkerung gegen die fremden Eroberer“ verfassen, bevor er das Land verlassen muss. Er schreibt: „Die Italiener sind nach den Worten ihrer Proklamation zu dem Zweck in die ihnen nicht gehörenden Länder gekommen, diese arme Bevölkerung zu >erlösen<, sie vom türkischen >Joch< zu befreien, aber diese >Erlösung< ist für nicht wenige der Tod, für alle Jammer und Angst, für viele Elend und Hunger.“ Um dieses Elend mit Zahlen zu belegen: Von den 300.000 Menschen, die 1911 in der Kyrenaika lebten, waren 1915 nur noch 120.000 am Leben.

Der Krieg, den Italien zunächst gegen die Türken in Libyen geführt hatte, wurde immer mehr zu einem Krieg Italiens gegen die ihre Unabhängigkeit anstrebenden Libyer, die sich unter Führung des Senussi-Ordens auf Guerillataktiken besannen. Als die Italiener endlich in den Fessan vorrückten und auch die südliche Stadt Mursuk besetzen konnten, stellte sie die Versorgung der Truppen über tausende Kilometer durch feindliches Wüstengebiet vor kaum lösbare Probleme. Allerdings war es ihnen gelungen, den libyschen Kämpfern vor allem im ersten Halbjahr 1914 herbe Verluste zuzufügen.

Währenddessen wurde die italienische Bevölkerung mit Kriegspropaganda überschüttet. Berichte, dass es den italienischen Truppen kaum gelang, echte Fortschritte bei der Eroberung Libyens zu machen, drangen kaum an die Öffentlichkeit.

Libyen und der Erste Weltkrieg: Der Senussi-Widerstand

In Europa brach im Herbst 1914 der Erste Weltkrieg aus. Auf der einen Seite kämpften die sogenannten Mittelmächte, d.h. das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, gegen die Entente, zu denen zunächst Frankreich, Großbritannien und Russland gehörten. Nachdem 1915 Italien an der Seite der Entente in den Ersten Weltkrieg eingetreten war, wurde auch die Türkei wieder militärisch aktiv.

Die sich im Weltkrieg feindlich gegenüberstehenden Mächte versuchten jeweils, arabische Herrscher auf ihre Seite zu ziehen. Deutschland und Österreich-Ungarn hofften, dass nach dem Kriegseinritt der Türken der osmanische Sultan als höchste religiöse Instanz der islamischen Welt die Araber dazu bewegen könnte, dank der gemeinsamen Religion in einen Dschihad gegen ihre britische Besatzungsmacht zu ziehen. Tatsächlich rief der Sultan am 14. November 1914 mittels einer Fatwa einen heiligen Krieg aus. Allerdings gestaltete sich die Sache schwierig, da die Osmanen ebenso wie die Briten als Besatzungsmächte in der arabischen Welt verhasst waren und die national gesinnten Araber die Unabhängigkeit anstrebten.

Die Italiener waren in Libyen stark geschwächt, da sie sich des Guerillakrieges der Senussi-Bruderschaft unter der Führung von Sajid Ahmed asch-Scharif as-Senussi kaum erwehren konnten. Diese Situation wollten die Türken nutzen. Im Januar 1915 machte sich der Osmane Nuri Bey und der Iraker Dschafar al-Askari, der im osmanischen Heer diente, auf den Weg nach Libyen, wo sie im Februar nahe der ostlibyschen Stadt Tobruk an Land gingen und Kontakt mit dem Führer der Senussi-Bruderschaft, Sajid Ahmed, aufnahmen. Sajid Ahmed war allerdings im Westen der Kyrenaika auf das Wohlwollen der Briten in Ägypten, die ihm den Nachschub sperren konnten, und im Süden auf das der Franzosen angewiesen, die den Sudan besetzt hatten. Al-Askari schrieb später über den misstrauischen Sajid Ahmed: "... doch blieb es stets unmöglich, die düstere, argwöhnische und nervöse Grundstimmung im Herzen jenes Araberführers zu zerstreuen".[1]

Das Osmanische Reich erhielt seinen Anspruch auf Tripolitanien und die Kyrenaika weiterhin aufrecht. Einige türkische Mannschaften hatten sich in die Kufra-Oasen im Südosten Libyens, eine Senussi-Hochburg, zurückgezogen und warteten dort auf eine Gelegenheit, von hier aus den Kampf gegen die Italiener wieder aufnehmen zu können. Unterstützung erhielten sie von den Deutschen, die ab Februar 1915 in Misrata eine Basis für deutsche U-Boote ausbauten und in der Stadt eine drahtlose Telegraphenstation sowie ein Materialdepot errichteten. Deutsche U-Boote, Gewehre, Munition und Goldmünzen wurden nach Misrata gebracht.

Im November 1915 begannen Senussi-Einheiten vom östlichen Libyen aus mit Angriffen auf britisches Militär und zwangen dieses, den ägyptischen Grenzposten as-Sallum aufzugeben. Schon bald schloss sich der libysche Stamm der Aulad Ali den Attacken auf britische Stützpunkte an. Ernsthaft in Bedrängnis brachte die Briten die Desertation einer Abteilung des Egyptian Camel Corps, die sich ebenso wie Offiziere und Soldaten der ägyptischen Küstenwache dem libyschen Heer anschlossen. Die Briten beorderten neue Soldaten auch aus Australien, Neuseeland und Indien nach Ägypten und starteten einen großen Angriff auf die arabischen Heere. Nach zwei Tagen gelang es ihnen, die Araber in die Flucht zu schlagen und als im Dezember 1915 ein zweiter Angriff auf eine Hauptabteilung des arabischen Heeres mit einer fürchterlichen Niederlage für die Libyer endete, war deren Kampfmoral erschöpft und die Briten konnten die Kontrolle über die libysch-ägyptische Grenze wieder herstellen.

Die ägyptische Mittelmeerküste blieb allerdings bis auf eine Entfernung von dreißig Kilometern zur britischen Garnisonsstadt Marsa Matruh unter Kontrolle der Senussi-Kämpfer. Das dortige Senussi-Heereslager Bir Tunis wurde von Dschafar al-Askari befehligt. Unterstützung erhielt die Senussi-Truppe, die auf über 5.000 Mann angewachsen war, von deutschen U-Booten, die vor der ägyptischen Küste kreuzten. Das ägyptische Volk schöpfte Hoffnung, von der verhassten britischen Kolonialherrschaft befreit zu werden.

Am 23. Januar 2016 griffen die Briten mit einer großen und bestens ausgerüsteten Streitmacht unter dem Oberkommando von John Maxwell bei strömenden Regen das Senussi-Heereslager an. Es kam zur Schlacht um Bir Tunis, bei der den Briten zwar die Eroberung des arabischen Lagers gelang, Sajid Ahmed und seine Männer aber entkommen konnten.

Sajid Ahmed und seine Senussi-Bruderschaft trennten sich von den osmanischen Befehlshabern Nuris und al-Askari und zogen gen Süden, um Oasen nahe des Niltals zu erobern. Nuris und al-Aksari wollten den Briten entlang der Mittelmeerküste zusetzen. Allerdings war ihnen kein Erfolg beschieden: Bei der Schlacht von Aqaqir gelang es den Briten nicht nur, Dschafar al-Askari gefangen zu nehmen, sondern sie konnten auch den Grenzort Sallum zurückerobern. Zwischen März 1916 und Februar 1917 stießen britische Truppen in den Süden vor und brachten die von den Senussi besetzten Oasen wieder in ihre Gewalt.

Für Sajid Ahmed blieb nur der Gang ins Exil nach Medina. Die Führung des Senussi-Ordens musste er an seinen Cousin Idris as-Senussi abtreten. Idris hatte bereits 1914 enge Kontakte zu den Engländern geknüpft und war in Kairo mit Lord Kitchener zusammengetroffen. Obwohl die militärische Lage für die libyschen Stämme vorteilhaft war, da sich inzwischen Italien im Krieg mit Österreich befand, begann Idris 1916 Verhandlungen mit Italien und unterzeichnete im April 1917 den Friedensvertrag von Bir Akrama. Damit besiegelte er die Kapitulation der Stämme, die sich entwaffnen lassen mussten. Libyens Küstenstreifen überließ Idris den Italienern, dafür wurde ihm die restliche Kyrenaika unterstellt und er bekam den vererbbaren Titel Hoheit verliehen.

Diese zwischen Idris und Italien getroffenen Vereinbarungen hatten bis 1923 Bestand, dann kündigte sie Italien auf und versuchte sich militärisch die Herrschaft über die gesamte Kyrenaika zu erkämpfen.

Italiens Kriegseintritt

In dem zu einem gewaltigen Kriegsschauplatz verkommenen Europa trat das Interesse für die afrikanischen Kolonien in den Hintergrund.

Italien hatte zunächst mit Deutschland und Österreich-Ungarn den Mittelmächten angehört. Als vor Kriegsbeginn Österreich-Ungarn den Serben ein Ultimatum stellte, deklarierte Italien dies als aggressiven Akt gegen Serbien, sah sich aus diesem Grund von seiner Bündnispflicht befreit und erklärte im Juli 1914 seine Neutralität, um im Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg zu erklären und nun auf Seiten der Entente in den Krieg einzutreten. Italien versprach sich durch diesen Schritt territoriale Gewinne von Österreich.

Allerdings war Italien nicht gut für einen Krieg in Europa gerüstet. Zum einen war es vollauf mit der Widerstandsbewegung in Libyen beschäftigt, zum anderen war Italien in industrieller Hinsicht noch ein Entwicklungsland und weit entfernt von dem angestrebten Großmachtstatus. Um diesem Ziel näher zu kommen, erhöhte der Staat in seinem Haushalt 1912/13 den Anteil für Militärausgaben auf 47 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Der damalige italienische Ministerpräsident Antonio Salandra bezeichnete 1915 den Kriegseintritt an der Seite der Entente als „heiligen Egoismus“, um „solche Grenzen zu Lande und zur See zu erreichen, die nicht mehr angreifbar sind, und um für Italien den Status einer wirklichen Großmacht zu erringen.“ Gegen die Stimmen der Mehrheit im Parlament konnte Salandra mit seinem Außenminister Sidney Sonnino den Kriegseintritt durchsetzen. Auch Benito Mussolini, dem es sieben Jahre später gelang, die Macht in Italien an sich zu reißen, sprach sich schon damals für den Krieg aus.

In Libyen, wo sich der zersplitterte Widerstand neu formiert hatte, schlugen im Sirtebogen und im Fessan libysche Stämme italienische Garnisonen in die Flucht. Als Senussi-Truppen vom Süden her nach Norden vorstießen, zog ihnen von Misrata aus eine 4.000 Mann starke italienische Truppe entgegen, unterstützt von einer libyschen Hilfstruppe, die in der Mehrzahl aus Kämpfern von Misrata bestand. Vor Qaddabidscha kam es zum Kampf. Misrata hatte die Hoffnung gehegt, mit Hilfe der Italiener selbst die Macht in Libyen an sich reißen zu können. Als sich diese Hoffnung nicht zu erfüllen schien, wechselten sie während des Kampfes die Seiten und bereiteten den Italienern gemeinsam mit den Senussi-Truppen eine vernichtende Niederlage. Die Italiener hätten es wissen sollen. Hew Strachan schreibt in seinem Buch über den Ersten Weltkrieg: „Für viele Weiße verstand es sich von selbst, dass der Einsatz von aus der Kolonialbevölkerung rekrutierten Truppen gegen andere europäische Mächte langfristig nur zur Selbstzerstörung führen konnte […] Am Ende war denkbar, das Gewehr gegen einen weiteren Feind zu richten, […] gegen ihre eigenen weißen Herren...“.

Doch obwohl sich die Libyer, die gerade geeint gegen Italien gekämpft hatten, sich anschließend wieder in rivalisierende, sich gegenseitig bekämpfende Gruppen aufspalteten, war der Guerillakrieg gegen die Italiener, die sich im Jahr 1916 nur noch mühsam in Tripolis, Homs und Zuwara halten konnten, ein Erfolg.

Kriegsallianz zwischen Briten und Haschemiten

Lord Kitchener suchte einen Mann, der zu den arabischen Offizieren der osmanischen Armee Kontakt aufnehmen sollte, um sie zu bestechen und zu versuchen, einen arabischen Volksaufstand anzuzetteln. Fündig wurde er bei dem später legendären und unter dem Namen Lawrence von Arabien bekannten Oberst T. E. Lawrence, der sich im Frühjahr 1916 nach Ägypten einschiffte. Vor seiner Weiterreise in den Irak traf Lawrence in Kairo mit Kriegsgefangenen zusammen, die den nationalen arabischen Bewegungen nahestanden. In Basra suchte Lawrence deren Vordenker Suleiman Faidi auf, dem er erklärte, die Briten wollten den Arabern helfen, ihre Unabhängigkeit von der türkischen Herrschaft zu erlangen. Auch wenn die britische Regierung den Arabern für einen Volksaufstand im Irak Waffen und Gold anbot, konnte Lawrence diese nicht überzeugen: Die Briten waren wegen ihrer Kolonialherrschaft in Ägypten und Indien mehr als unbeliebt.

Den Briten zugeneigt war allerdings der haschemitische Scherif von Mekka, Hussein Ibn Ali, der sich nach der Machtübernahme der Jungtürken in Konstantinopel in der Gegnerschaft zum Osmanischen Reich sah. Hussein suchte den Kontakt zu britischen Regierungsvertretern in Ägypten, darunter Lord Kitchener.

Auch in Syrien und im Irak wurden von neu erwachten nationalen Bewegungen und deren Geheimgesellschaften Aufstände gegen die Herrschaft der Osmanen geplant.

Für die Briten war nach schweren militärischen Niederlagen gegen die Osmanen, vor allem auf der türkischen Gallipoli-Halbinsel, ein arabischer Aufstand zur Schwächung des Osmanischen Reichs überaus wichtig. Und so stimmten sie den im Damaskus-Protokoll mit Hussein festgehaltenen Vereinbarungen zu, welche die Grenzen eines von den Arabern beanspruchten, unabhängigen, Gebietes festlegten. Der Emir von Mekka sollte nach dem erfolgreichen Aufstand den Titel „König der Araber“ tragen. Dies alles stand im Widerspruch zu den Interessen ihrer wichtigsten europäischen Verbündeten, den Franzosen, und auch zu den eigenen kolonialen Vorstellungen. Frankreich beanspruchte syrisches Territorium und die Engländer selbst wollten über irakisches Gebiet herrschen.

Das Sykes-Picot-Abkommen

Der Betrug an den Arabern war vorgeplant und fand seinen Ausdruck im zwischen den Briten und Franzosen geheim gehaltenen Sykes-Picot-Abkommen, bei dem Frankreich und England Gebiete unter sich aufteilten, die Scherif Hussein für sein Königreich beanspruchte, das nach Kriegsende entstehen sollte. Das Dokument legte eine blaue Zone für französisches Einflussgebiet und eine rote Zone für britisches Einflussgebiet fest, wobei Palästina als noch ungeklärtes Gebiet braun gekennzeichnet wurde. Sykes und Picot holten dann für ihre Aufteilungspläne noch Russland mit ins Boot, das die Zusage erhielt, die Kontrolle über die Dardanellen, den Bosporus und Konstantinopel sowie über während des Krieges besetzte Gebiete zu erhalten. Im Mai 1916 stimmte Russland zu.

Der palästinensische Historiker George Antonius schrieb: „Das Sykes-Picot-Abkommen ist ein schockierendes Dokument. Nicht nur als ein Erzeugnis übelster Gier – will sagen, einer Gier, die mit Misstrauen einhergeht und deshalb geradewegs in die Dummheit führt; sondern es ist auch das abschreckende Beispiel eines bestürzenden Doppelspiels“.[2]

Befördert wurde die Allianz zwischen den Briten und den Haschemiten durch das brutale Vorgehen der Jungtürken, die in den arabischen Ländern bereits 1915 Nationalisten festnahmen und etliche hinrichten ließen. Viele für die Unabhängigkeit eintretende Araber flohen ins Ausland, im Mai 1916 ließen die Jungtürken abermals viele Nationalisten in Damaskus und Beirut hängen.

Eine Schrift Husseins eröffnete in Mekka am 10. Juni 1916 den Aufstand gegen die Osmanen auf der arabischen Halbinsel. Schon bald konnte Mekka unter haschemitische Kontrolle gebracht werden. Die Osmanen mussten auch die Hafenstadt Dschidda aufgeben, und auch Ta’if sowie die beiden Städte Rabigh und Yanbu am Roten Meer konnten ihnen abgenommen werden. Die Briten halfen mit Geld, Militärberatern und Luftaufklärung. Immer mehr arabische Offiziere und Soldaten, die im osmanischen Heer dienten, desertierten und schlossen sich dem arabischen Aufstand an.

Lawrence von Arabien unterstützte ab Herbst 1916 die arabischen Kämpfer gegen das Osmanische Reich und wurde rasch zu einer wichtigen Schlüsselfigur. Er unterhielt ein besonders enges Verhältnis zu einem Sohn Husseins, dem späteren König Faisal I. Mit Methoden des Guerillakriegs wurden osmanische Militärstützpunkte angegriffen und Sprengstoffanschläge auf die für den türkischen Nachschub wichtige Hedschas-Bahn, die Damaskus mit Medina verband, verübt. 1917 konnten die Hafenstädte al-Waidsch und Akaba von den Aufständischen eingenommen werden. Am 1. Oktober 1918 fiel Damaskus unter Führung von Prinz Faisal an die Araber, die in der Stadt einen triumphalen Einzug hielten. Noch am gleichen Tag rückten auch britische Truppen in die Stadt ein.

Lawrence von Arabien war vermutlich bereits bei seinem Zusammentreffen mit Sykes im Mai 1917 in Damaskus über das geheime Sykes-Pikot-Abkommen informiert worden. Während der gesamten Zeit des gemeinsamen Kampfes hatte Lawrence seine arabischen Verbündeten und Freunde in dem Glauben gelassen, ihnen sei nach einem Sieg die Unabhängigkeit sicher, wohl wissend, dass die arabischen Gebiete bei Kriegsende in britische und französische Einflusszonen aufgeteilt werden sollten.

Die Balfour-Deklaration

Am 2. November 1917 schrieb der damalige britische Außenminister Arthur Balfour an Lord Walter Rothschild: „Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern, wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte“.

Diese Balfour-Deklaration mit ihren weitreichenden Folgen, stellte keineswegs nur ein Entgegenkommen den Zionisten gegenüber dar, sondern es sollte mit Hilfe der Zionisten der britische Herrschaftsanspruch in Palästina sichergestellt werden. Es wäre undenkbar gewesen, dass sich die Zionisten ohne die Hilfe einer Großmacht in Palästina hätten behaupten können. Allerdings stand die Balfour-Deklaration nicht nur im Gegensatz zu den französischen Interessen, sondern stand gegen den ausdrücklichen Willen der palästinensischen Bevölkerung, wie die King-Crane-Commission der UN[3] feststellte.

Bemerkenswert erscheint, dass die britische Regierung den Zionisten bereits am 2. November 1917 Palästina zugesagt hatte, obwohl Jerusalem erst am 9. Dezember 1917 vom Osmanischen Reich an die Briten fiel. Nach dem Fall von Mekka und Bagdad stellte die Kapitulation der Osmanen in Jerusalem einen Wendepunkt im Ersten Weltkrieg dar.

Die Russische Revolution von 1917

In Russland kam es im November 1917 zur Revolution. Es bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die Armee wurde demokratisiert und Lenin forderte einen sofortigen Waffenstillstand. Die Bolschewiken veröffentlichten den bisher geheim gehaltenen Inhalt des Sykes-Picot-Abkommens der Entente und informierten damit über die wahren imperialistischen Kriegsziele von Großbritannien und Frankreich. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Nahen Osten und der Emir von Mekka, Ahmed, und seine Söhne Faisal und Abdullah wurden als Marionetten Großbritanniens bloßgestellt. Die Briten beschwichtigten die Haschemiten, indem sie ihre Versprechen bekräftigten und so Hussein weiter an ihrer Seite hielten.

Im Nahen Osten setzten die Briten ihre militärischen Erfolge fort. Nach dem umfassenden Sieg der Briten mit Hilfe der Haschemiten sollten die eroberten Gebiete aufgeteilt werden, doch Hussein und seine Söhne hatten das Nachsehen: Palästina den Briten, der Libanon den Franzosen. Die Briten behielten sich zudem vor, während der gesamten Kriegszeit das Oberkommando über alle arabischen Gebieten auszuüben. Das mit den Haschemiten ausgehandelte Damaskus-Protokoll war nur noch Makulatur.

Die Revolution in Russland von 1917 hatte auch auf Italien Auswirkungen, wo sich Streiks, Demonstrationen und Meutereien häuften. Gewalttätige Proteste erschütterten die Städte, Hungersnöte führten zu Antikriegsdemonstrationen, die Unruhen erreichten auch das Militär. Die italienischen Soldaten waren während des Ersten Weltkriegs einer brutalen Disziplin ausgesetzt. An die 750 Soldaten wurden aus disziplinarischen Gründen erschossen. Generalstabschef Cadorna hatte die Praxis aus dem antiken Rom übernommen, aus den Einheiten, die im Kampf versagt hatten, jeden zehnten Mann erschießen zu lassen. Im November 1917 hatte Italien 700.000 Mann verloren, davon über 350.000 Mann durch Fahnenflucht. Eine antimilitaristische Stimmung verbreitete sich über das ganze Land, der militärische Zusammenbruch schien unausweichlich, es herrschte eine revolutionäre Stimmung. Nur mühsam gelang es dem neuen Generalstabschef Armando Diaz, der dem entlassenen Cadorna nachfolgte, die Situation zu entschärfen, indem er eine humanere Behandlung der Soldaten durchsetzte.

Das Kriegsende

Am 8. Oktober 1918 trat die osmanische Regierung in Istanbul zurück, am 30. Oktober schlossen britische und osmanische Unterhändler auf einem vor der Insel Limnos ankernden Schiff ein Waffenstillstandsabkommen, das besagte, dass am 31. Oktober 1918 alle Kampfhandlungen eingestellt werden. Elf Tage später kapitulierte auch das Deutsche Kaiserreich. In vielen europäischen Ländern bedeutete dies das Ende der Monarchie.

Pariser Friedenskonferenz und ihre Folgen

Bei dem neugegründeten Völkerbund war zum ersten Mal von einem Selbstbestimmungsrecht der Völker die Rede, so dass die arabischen Länder auf eine baldige Unabhängigkeit hofften. Dies hatte zur Folge, dass die bereits vorab getroffenen Absprachen zwischen Frankreich und England über die Aufteilung der Kriegsbeute kaschiert werden mussten. Dies geschah, indem den Kolonialmächten nur ein vorläufiges Mandat über die arabischen Gebiete erteilt wurde und erst als längerfristiges Ziel deren Unabhängigkeit angestrebt werden sollte.

Die Pariser Friedenskonferenz begann am 18. Januar 1919 und dauerte bis zum 21. Januar 1920. Just zum selben Tag, an dem eine ägyptische Delegation zu den Friedensverhandlungen in Paris eintraf, erkannte der damalige US-Präsident Wilson das britische Protektorat über Ägypten an und die ägyptische Delegation wurde in Paris nicht einmal angehört.

Für die Haschemiten war Prinz Faisal in Paris angereist. Faisal beanspruchte als zugesagte Gegenleistung für seine Unterstützung der Alliierten die Königsmacht über Teile der arabischen Halbinsel mit Mekka und Medina (Hedschas), über den sein Vater bereits herrschte, sowie über die Gebiete der heutigen Staaten Syrien, Libanon, Jordanien, Israel und Palästina. Er sollte schwer enttäuscht werden.

Idris as-Senussi, der 1951 als libyscher König eingesetzt wurde, zeigte sich schon damals geschmeidig. Er traf mit den Italienern ein Abkommen, in dem der Kyrenaika die Unabhängigkeit und ihm selbst die Herrschaft darüber zugesprochen wurde. Sein Vorgehen wurde von vielen libyschen Stämmen, insbesondere im Westen Libyens, missbilligt und führte so zur Spaltung des gesamten libyschen Widerstands.

Das Ende des Osmanischen Reiches (1920)

Im April 1920 trafen sich Regierungsvertreter Italiens, Großbritanniens und Frankreichs in San Remo und vereinbarten, dass Großbritannien Mandatsmacht in Palästina einschließlich Transjordaniens und Mesopotamiens werden und Frankreich das Mandat über Syrien einschließlich des Libanons erhalten sollte.

Im Mai 1920 wurden der Hohen Pforte in Istanbul die Friedensbedingungen mitgeteilt, die beinhalteten, dass sämtliche arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches europäischen Mandatsmächten übertragen werden. Die Soldaten der Alliierten blieben als Besatzungsmächte in den arabischen Gebieten, die einer bei den Einheimischen verhassten Militärverwaltung (Occupied Enemy Territory Administration) unterstellt waren.

Der Sieg des Imperialismus

Aus Syrien zog sich Großbritannien zwar zurück, übergab das Land aber nicht Faisal, sondern einer französischen Militärverwaltung. Faisal versuchte, sich mit der Bildung einer Gegenregierung zu wehren, deren Streitkräfte aber von den Franzosen vernichtend geschlagen wurden. Die Bevölkerung Palästinas hatte sich bei einer Befragung mit allem Nachdruck gegen ein „zionistisches Projekt“ ausgesprochen, trotzdem wanderten nach 1920 gemäß der Balfour-Deklaration mit britischer Unterstützung immer mehr Juden nach Palästina ein.

Im Juni 1920 brachen im gesamten Irak Aufstände gegen die britische Besatzung auf. Die darauf folgenden Luftangriffe und schweren Artilleriebeschüsse der Briten hinterließen verbrannte Erde und brachen den Widerstand der Bevölkerung. Der Aufstand war Ende Oktober niedergeschlagen.

Im Hedschas verlor Scherif Hussein sogar sein eigenes Territorium an eine andere Königsmacht, deren Anführer Ibn Saud hieß. Dieser hatte von den Briten 1915 einen Bündnisvertrag und regelmäßige Geldzahlungen erhalten. 1925 eroberten die Saudis auch Medina. Mehr Verrat an einem zutiefst verbitterten Scherif Hussein war nicht möglich. Um dies zu bemänteln, wurden den Haschemitenprinzen nominelle Königsämter übertragen: Faisal sollte König des Iraks werden und sein Bruder Abdullah König von Transjordanien.

Der europäische Imperialismus hatte fürs Erste gesiegt und Großbritannien, Frankreich und Italien konnten sich als die neuen Kolonialmächte an die Stelle des Osmanischen Reiches setzen. Alle Träume von der Entstehung arabischer Nationalstaaten hatten sich vorerst zerschlagen. Großbritannien und Frankreich konnten ihren Einfluss in der Region noch vergrößern und Italien verschiffte immer mehr Truppen nach Libyen.

[1] nach Eugene Rogan "Der Untergang des Osmanischen Reichs"
[2] Nach Eugene Rogan „Der Untergang des Osmanischen Reichs“
[3] https://www.un.org//unispal/document/auto-insert-206598/

Karte:

https://lehrerfortbildung-bw.de/u_gewi/geschichte/gym/bp2016/fb8/3_kl10/11_armenier/02_ue2/02_karte/

Literatur:

+ Eugene Rogan, "Der Untergang des osmanischen Reichs. Der Erste Weltkrieg im Nahen Osten. 1914 – 1920", wbg Theiss Verlag 2021
+ Hew Strachan, "Der erste Weltkrieg", Goldmann, 2014
+ Burchard Brentjes, "Libyens Weg durch die Jahrtausende", akzent, Urania Verlag Leipzig
+ Angelo del Boca, "Gli italiani in Libya", Editori Laterza, 1997
+ Paolo Sensini, „Es war einmal Libyen“, 2012 Frankfurt a.M

24.09.2021

 

 

Parlament entzieht Dabaiba das Vertrauen

Libyen. Parlamentspräsident Saleh wirft Premierminister Dabaiba Versagen vor. Dieser beschimpft wüst das Parlament und ruft zu dessen Sturz auf. Dezemberwahlen mehr als fraglich

Angelika Gutsche  

+ 21.09.: Das Parlament in Tobruk beschloss in geheimer Sitzung, der GNU-Regierung (GNU – Government of National Unity) unter Premierminister Dabaiba das Vertrauen zu entziehen.
Es stimmten 89 der insgesamt 113 anwesenden Abgeordneten für diesen Schritt. Die GNU-Regierung bleibt geschäftsführend mit eingeschränkten Befugnissen im Amt.
Bereits am 20.09. hatte der offizielle Parlamentssprecher Abdullah Blaiheg die Ergebnisse einer Klausurtagung bekanntgegeben: Nachdem letzten Monat Parlamentarier einen Misstrauensantrag gegen die von Abdel-Hamid Dabaiba geführte GNU eingebrachten haben, beschlossen die Abgeordneten, einen Ausschuss zur Untersuchung der Arbeit der GNU-Regierung und deren Entscheidungen zu bilden. Die Ergebnisse des Ausschusses sollen innerhalb von zwei Wochen vorgelegt werden.
Der GNU-Regierung wurde vorgeworfen, „dem libyschen Volk nicht die einfachsten Dienstleistungen zu bieten“. Außerdem wurde die GNU beschuldigt, sich nicht an den im Politischen Abkommen festgelegten Fahrplan zu halten und damit die Durchführung der Dezemberwahlen zu gefährden.
Die Ausführungen Dabaibas, der am 7. September vom Parlament befragt wurde, hätten nicht überzeugt.

Ebenfalls schon am 20.09. hatte der Vorsitzende des Ankara-hörigen Staatsrats und Moslembruder, Khaled al-Mischri ,erklärt, dass er das vom Parlament erlassene Präsidentschaftswahlgesetz nicht anerkennt. Er fordert, dass am 24. Dezember nur Parlamentswahlen abgehalten werden und die Präsidentschaftswahlen auf 2023 zu verschieben sind, da sie nicht zur Stabilität des Landes beitragen würden. Mishri drohte auch damit, dass das Parlament nicht in der Lage sein werde, im Westen Libyens Wahlen durchzusetzen.

Mischri wird vorgeworfen, sein nicht durch Wahlen eingesetzter Staatsrat betreibe eine Verschleppungstaktik, um Wahlen zu verhindern, da diese zur Auflösung des nicht demokratisch legitimierten, sondern 2014 durch das Skhirat-Abkommen eingesetzten Staatsrats führen würden. Dies würde auch einen Machtverlust der Türkei bedeuten, den diese nicht hinnehmen will.

+ 21.09.: Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte, dass die GNU-Regierung geschäftsführend im Amt bleiben wird, um die notwendigen Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erbringen und die im Inland getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Allerdings sei sie nicht mehr befugt, Verpflichtungen mit dem Ausland einzugehen und langfristige Verträge in Milliardenhöhe zu schließen.
Nachdem einige Abgeordnete behaupteten, bei der Parlamentsabstimmung sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, bekräftigte Saleh deren Rechtmäßigkeit. Das Verfahren sei in Übereinstimmung mit dem Gesetz durchgeführt worden.

Damit ist der GNU-Regierung bei der Anerkennung des Abschlusses von milliardenschweren Verträgen mit ausländischen Akteuren ein Riegel vorgeschoben, man denke vor allem an die Türkei, aber auch an andere westliche Regierungen.

+ 22.09.: Parlamentspräsident Saleh führte die Begründungen für die Entscheidung des Parlaments näher aus: „Nach Angaben des CBL (Libysche Zentralbank) hat die GNU-Regierung in nur drei Monaten 51 Mrd. LYD ausgegeben, ohne dass dies irgendwelche [positiven] Auswirkungen auf öffentliche Dienstleistungen sowie Stromversorgung und Bargeldliquidität hatte.“ Sie habe dem Staat auch Zahlungsverpflichtungen durch Abkommen mit anderen Staaten in Höhe von 84 Mrd. LYD auferlegt. Damit habe die GNU-Regierung ihre Machtbefugnis überschritten.

+ 22.09.: Dabaiba wehrte sich auf öffentlichen Veranstaltungen gegen die Entziehung des Vertrauens durch das Parlament, beschimpft es wüst und rief zu dessen Sturz auf: Das Parlament hätte nur Böses im Sinn und wolle das Land zerstören.

Und vom Staatsrat unter al-Mischri hieß es, er lehne „die Verfahren zum Entzug des Vertrauens in die GNU-Regierung ab und betrachtet sie als null und nichtig.“

Die UNSMIL reagiert mit „Besorgnis“ auf das Misstrauensvotum.

+ 22.09.: RT sieht durch den Entzug des Vertrauens den Fahrplan für die bevorstehenden Dezemberwahlen faktisch auf Eis gelegt.

Bis zur vorgesehenen Wahl am 24. Dezember sind es nur noch drei Monate. Wie eine Einigung über das Wahlprozedere, über das man sich schnellstens einig werden müsste, unter den herrschenden Feindseligkeiten zustande kommen könnte, ist in der Tat fraglich. Das Parlament und die politischen Kräfte, die auf Dezemberwahlen setzen, dürften tatsächlich nicht in der Lage sein, gegen den Willen des von der Moslembruderschaft und der mit ihr verbündeten Milizen in den von der Türkei besetzten westlichen libyschen Landesteilen mit der Haupt- und Millionenstadt Tripolis faire und freie Wahlen durchsetzen zu können.

Die Libyer müssen langsam wirklich jegliche Geduld verlieren!

https://www.libyaherald.com/2021/09/22/libyan-government-lost-confidence-because-it-initiated-long-term-agreements-and-deviated-from-agreed-upon-tasks-hor-spokesperson/

https://libyareview.com/16737/libyan-parliament-forms-committee-to-investigate-government/

https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1439967378847240197

https://libyareview.com/16806/ageela-saleh-decision-to-withdraw-confidence-from-libyan-government-was-legal/

https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1440694192351563780

https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1440439257395388417

https://de.rt.com/afrika/124488-libyen-uebergangsregierung-verliert-vertrauensabstimmung-vorgesehene-wahlen-auf-eis/

23.09.2021

 

 

Dienstag, 21. September 2021

Der libysche Freiheitsheld Omar al-Muchtar

Libyen/Omar al-Muchtar. Am 16. September 2021 jährte sich der 90. Todestag des libyschen Nationalhelden Omar al-Muchtar. Er wurde von italienischen Kolonialtruppen erhängt.

Angelika Gutsche |

Omar al-Muchtar (al Mukhtar) wurde 1862 geboren, war Korangelehrter der bedeutenden religiösen Bruderschaft des Senussi-Ordens und führte von 1923 bis 1931 in der Kyrenaika den libyschen Widerstand gegen die italienische Kolonialmacht an.

Im Oktober 1922 hatte Benito Mussolini in Italien die Macht ergriffen mit dem erklärten Ziel, das antike Römische Reich wieder aufleben zu lassen. Für Libyen, das unter italienischer Kolonialherrschaft stand, hatte dies verheerende Folgen. Nachdem Mussolini die „Wiedereroberung“ und „Ausweitung des Kolonialbesitzes“ ausgerufen hatte, organisierte sich der libysche Widerstand neu.

Der italienische Generalgouverneur für Libyen kündigte alle in dem Land geschlossenen Verträge und 1927 wurde die Gleichstellung von Italienern und Libyern aufgehoben. Jeder libysche Widerstand sollte von nun an kompromisslos unterdrückt werden.

Brennpunkte des Aufbegehrens gegen die Kolonialmacht waren zunächst Tripolitanien und der Fessan. In den Nafusa-Bergen wurde jedes Dorf zu einer Festung ausgebaut. Als es den Italienern dank ihrer waffentechnischen Überlegenheit– sie kämpften mit Panzern und Flugzeugen gegen die berittenen und nur mit Gewehren ausgerüsteten Libyer – gelang, in Tripolitanien die Stämme zu bezwingen, gingen sie als nächstes gegen die Kyrenaika vor. Dort führte seit 1923 der Senussi-Scheich Omar al-Muchtar den Widerstand der Freischärler an. Der Partisan und Freiheitsheld Muchtar bot mit seiner kleinen Partisanengruppe zwanzigtausend italienischen Soldaten Paroli und schrieb damit Geschichte. Muchtar gehörte zum Stamm der Minifa, hatte eine traditionelle Erziehung bei den Senussi genossen und trug den Titel eines Bevollmächtigten des Emirs.

Omar al-Muchtar beherrschte mit seinen Freischärlern das Hinterland der Kyrenaika, kein italienischer Soldat konnte sich aus seiner Garnison herauswagen ohne Gefahr zu laufen, gefangengenommen zu werden. Der italienische General und Gouverneur der Kyrenaika, Pietro Badoglios, schrieb 1930 an seinen Vizegouverneur General Domenico Siciliani: „Denken Sie daran, dass es für Omar al-Muchtar zwei Dinge braucht: erstens einen ausgezeichneten Geheimdienst, zweitens eine Überraschung in Form von Flugzeugen und Senfgasbomben. Ich hoffe, dass ihn solche Bomben so bald wie möglich treffen werden.“ In den Jahren 1927/28 wurde nachgewiesener Weise von den Italienern Giftgas eingesetzt.

Siciliani wurde schon bald als Vizegouverneur der Kyrenaika durch den wegen seiner Brutalität berüchtigten General Rodolfo Graziani, der 1929 von Mussolini nach Libyen entsandt worden war und bereits Tripolitanien und den Fessan erobert hatte, abgelöst. Graziani wurde seinem Ruf als „Schlächter des Fessan“ bald schon auch in der Kyrenaika gerecht. Ihm sollte es gelingen, den jahrelangen Widerstand der Bevölkerung gegen die italienische Besatzung zu brechen. 1930 schrieb er an Badoglio: „Ich sehe die Situation in der Kyrenaika als vergleichbar mit einem vergifteten Organismus, der in einem Teil des Körpers eine eitrige Blase bildet. Die Blase sind in diesem Fall die Soldaten von Omar al-Muchtar. […] Es ist notwendig, den Ursprung der Krankheit zu zerstören und nicht ihre Auswirkungen.“

Seine Methoden zeichneten sich durch hemmungslose Grausamkeit und Unmenschlichkeit aus, so wurden zum Beispiel Stammesführer in großer Höhe über ihren Heimatdörfern aus Flugzeugen geworfen, Libyerinnen als Sexsklavinnen für die Kolonialtruppen gehalten und Brunnen vergiftet. Jede Unterstützung der Aufständischen wurde mit dem Tode bestraft, auch Frauen und Kinder wurden ermordet.

Ab dem Juni 1930 wurde innerhalb von neun Monaten die gesamte nomadische Bevölkerung des Dschebel gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben und in fünfzehn Konzentrationslagern an der Küste interniert. Mehr als die Hälfte der insgesamt mindestens 50.000 Nomaden verloren in diesen Lagern ihr Leben. Graziani selbst gab an, dass er 139.192 Menschen einsperren ließ, etwa 80.000 davon Beduinen. Es existieren keine genauen Angaben darüber, wie viele Menschen dabei zu Tode kamen. Neben den Massenerschießungen fanden zehntausende den Tod, indem sie verhungerten. Frauen wurden vergewaltigt, Heiligtümer geschändet. Der dänische Journalist Holmboes berichtet über seinen Besuch in einem solchen Lager. „Es war ein immenses Camp mit ca. 1.500 Zelten und einer Bevölkerung von 8.000, umgeben von Stacheldraht und Maschinengewehrposten an allen Eingängen… Kinder kamen uns entgegen, in Lumpen gehüllt und unterernährt… die Menschen schienen krank und deprimiert, viele haben schwer deformierte Hände und Arme.“[1]

Trotz aller Brutalität gelang es Graziani zunächst nicht, den Widerstand der Libyer unter Omar al-Muchtar zu brechen. In nur einem Jahr kam es laut Graziani zu 53 größeren Kämpfen und 210 Scharmützeln. Um die Rebellen von jeglichem Nachschub abzuschneiden, der hauptsächlich über die ägyptische Grenzstadt as-Sallum die Widerstandsgruppen erreichte, ließ er die Grenze zu Ägypten auf dreihundert Kilometer mit Stacheldraht sichern.

Die Kufra-Oasen, eine Hochburg des Senussi-Ordens, waren eines der letzten libyschen Widerstandsnester, in dem sich hunderte libyscher Kämpfer aus Tripolitanien und dem Fessan geflüchtet hatten. Als Graziani gegen Kufra marschierte, hatte der libysche Widerstand den militärisch weit überlegenen italienischen Truppen wenig entgegenzusetzen. In der Schlacht von Kufra wurden am 19. Januar 1931 die Stammeskämpfer von den Kolonialtruppen besiegt, hunderte getötet und die Überlebenden mit Hilfe italienischer Flugzeuge vertrieben. Ein Überlebender berichtete: „Ich konnte die Schreie der Frauen hören, als sie von den italienischen Soldaten und eritreischen Askaris vergewaltigt wurden. Ein italienischer General hatte alle Überlebenden vor dem Grab von Sayyid Muhammed al-Mahdi versammelt. Vor ihren Augen zerriss er einen Koran, warf ihn zu Boden, stellte sich mit seinen Stiefeln darauf und rief: >Euer beduinischer Prophet soll euch jetzt helfen, wenn er kann<. Dann befahl er, die Palmen in der Oase zu fällen, die Brunnen zu zerstören und alle Bücher aus Sayyid Ahmeds Bibliothek zu verbrennen. Am nächsten Tag befahl er, einige unserer Ältesten und >Ulama< in ein Flugzeug zu bringen, und sie wurden aus großer Höhe aus dem Flugzeug geworfen, um zu Tode geschmettert zu werden. Die ganze zweite Nacht hindurch hörte ich von meinem Versteck aus die Schreie unserer Frauen, das Lachen der Soldaten und ihre Gewehrschüsse“.

In der darauffolgenden Woche wurde die fliehende Bevölkerung von Kufra im Tiefflug gejagt, bombardiert und mit Maschinengewehren beschossen. Es gab weitere hundert Tote. Daneben machte Graziani etwa 250 Gefangene, darunter auch Frauen und Kinder.

Rodolfo Graziani wurde niemals für seine in Afrika begangenen Kriegsverbrechen belangt.

Am 11. September 1931 wurde Muchtars verbliebene Truppe von etwa 150 Männern im Wadi bu-Toga von den Italienern angegriffen, konnte aber die feindlichen Linien durchbrechen und sich aufteilen. Die Gruppe von Muchtar umfasste nur noch etwa sechzig Mann, als sie von einer riesigen Überzahl italienischer Infanteristen gestellt wurde. Nach stundenlangen Kämpfen wurde Muchtar verletzt gefangengenommen und nach Bengasi gebracht. Am 15. September traf Muchtar bei einem Verhör auf Graziani, der in seinem Bericht die Würde des Widerstandskämpfers nicht verhehlen konnte. Als Muchtar von Graziani gefragt wurde, ob er versprechen würde, seinen Kampf gegen Italien aufzugeben, wenn er dafür frei käme, antwortete er: „Ich werde nicht aufhören, gegen dich und dein Volk zu kämpfen, bis entweder du mein Land verlässt oder ich mein Leben lasse. Und ich schwöre dir bei dem, der weiß, was in den Herzen der Menschen vorgeht, dass ich dich mit bloßen Händen bekämpfen würde, so alt und gebrochen ich bin, wenn mir nicht gerade die Hände gebunden wären“.

Am nächsten Tag wurde der 70-jährige Muchtar bei einem halbstündigen Scheinprozess zum Tode verurteilt und am 16. September 1931 öffentlich gehenkt. Die letzten Worte der „Seele des libyschen Widerstands“ lauteten: „Wir sind von Gott gekommen und kehren zu Gott zurück“.

Jahrelang hatte Omar al-Muchtar den Kampf seines Volkes gegen eine technisch und personell haushoch überlegene italienische Besatzungsmacht angeführt, der er immer wieder große Verluste zufügen konnte. Doch nun waren die letzten Reste des libyschen Widerstands zerschlagen und auch die traditionellen, von den Italienern verachteten Strukturen der beduinischen Gesellschaft zerstört. Es wurde versucht, den Beduinen eine sesshafte, bäuerliche Lebensart aufzuzwingen und sie als billige Arbeitskräfte einzusetzen.

Nicht zerstört werden konnte jedoch der Mythos des verehrten Volkshelden Omar al-Muchtar, der bis heute ungebrochen weiterlebt. So ist Muchtar auf einer hohen libyschen Banknote abgebildet und sein heldenhafter Kampf wurde in dem Film „Omar Mukhtar - der Löwe der Wüste“[2] bilderstark beschrieben.

Als Muammar al-Gaddafi am 10. Juni 2009 zu einem Staatsbesuch nach Italien reiste, hatte er sich demonstrativ ein Foto des gefangenen Omar Muchtar an seine Brust geheftet.

https://libyacolonialhistory.wordpress.com/2020/09/25/paladins-of-the-desert-i-deliberation-deceit-in-cyrenaica/

https://libyacolonialhistory.wordpress.com/2020/10/07/paladins-of-the-desert-ii-the-final-war-against-the-bedouin/

Burchard Brentjes, "Libyens Weg durch die Jahrtausende", akzent, Urania Verlag Leipzig
Angelo del Boca, "Gli italiani in Libya", Editori Laterza, 1997

Enzo Santarelli, Giorgio Rochat, Romain Rainero, Luigi Goglio, „Omar al-Mukhtar – The Italian Reconquest of Libya“,London 1986

[1] Zitiert nach John Wright „Libya“, London, Ernest Benn, 1969

[2] „Omar Mukhtar - der Löwe der Wüste“ aus dem Jahre 1980, Regie Moustapha Akkad, mit Anthony Quinn in der Hauptrolle und Oliver Reed als sein Gegenspieler Graziani,

19.09.2021

 

 

Donnerstag, 9. September 2021

Saadi Gaddafi aus Gefängnis entlassen

Libyen/Gaddafi. Nicht nur Saadi al-Gaddafi, sondern auch Mitglieder der ehemaligen Dschamahirija-Regierung wurden auf freien Fuß gesetzt.

Angelika Gutsche  

Saadi al-Gaddafi, Sohn von Muammar al-Gaddafi, wurde am 5. September 2021 nach rund sieben Jahren Haft aus dem al-Hadaba-Gefängnis in Tripolis entlassen. Saadi verließ Libyen unmittelbar nach seiner Freilassung, um über Istanbul nach Kairo zu fliegen, wo ihn seine Mutter erwartet.

In Freiheit kam auch der persönliche Sekretär Muammar al-Gaddafis, Ahmed Ramadan.

Der einstige Profifußballspieler Saadi war im September 2011 in den Niger geflohen, wo ihm zunächst Asyl gewährt wurde. 2014 lieferte ihn der Niger gegen die Zahlung einer hohen Summe an Libyen aus. Dort wurde ihm die Ermordung des libyschen Fußballtrainers Bashir ar-Rayani im Jahr 2005 und seine Beteiligung bei der Niederschlagung des sogenannten ‚Aufstandes‘ 2011 vorgeworfen. Saadi wurde seit 2011 auch von Interpol gesucht, angeblich hatte er als Präsident des libyschen Fußballverbands „Eigentum mit Gewalt und Einschüchterung an sich gerissen“.

Im Mai 2015 vor einem Gericht in Tripolis wegen der Ermordung von ar-Rayani angeklagt, musste Saadi 2018 von diesem Vorwurf freigesprochen werden, blieb aber trotzdem in Haft. Es existieren Videoaufnahmen, die belegen, dass Saadi im Gefängnis gefoltert wurde.

Wiederholt wurde vom Sozialrat des Gaddhadfi-Stammes die Freilassung Saadis gefordert. In einer Stellungnahme vom Januar 2020 heißt es, dass keine überzeugende Erklärung oder rechtliche Begründung für die anhaltende und ungerechtfertigte Inhaftierung des Bürgers Saadi Muammar Gaddafi gegeben werde, dessen Unschuld bereits am 2. Februar 2018 gerichtlich festgestellt worden war. Gefordert wurde auch die Freilassung von Nadschi Harir al-Gaddafi und dessen Kameraden. Auch hier sei die weitere Inhaftierung nicht zu begründen.

Des Weiteren könne man auch nicht verstehen, warum der Bürger Saad Masoud al-Gaddafi nicht freigelassen werde. Des Weiteren werde auch die Freilassung der Bürger Ahmed Mohamed Gaddafi, Mansour Daw Ibrahim al-Gaddafi und Walid Abdel-Kader Denon al-Gaddafi, Attia Mudschahid Faradsch al-Gaddafi gefordert, da der Oberste Gerichtshof die verhängten Urteile in einer Berufungsverhandlung aufgehoben habe mit der Begründung, dass die Beschuldigten keine Verbrechen begangen haben. Der Sozialrat: „Die Urteile wurden überprüft und wegen der außergewöhnlichen Umstände, unter denen sie gefällt wurden, einkassiert. Zu den Ermittlungsmethoden gehörten Folter, böswillige Verleumdungen und unter Gewalt erzwungene Geständnisse.“

Nun endlich wurde Saadi, der dritte Sohn des 2011 während des Nato-Krieges gegen Libyen ermordeten Muammar al-Gaddafis, auf freien Fuß gesetzt. Wie es heißt, wurde die Freilassung aufgrund von Verhandlungen zwischen libyschen Stammesvertretern und GNU-Premierminister Dabaiba erreicht.

In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass kürzlich libysche Stämme mit der Schließung der Erdölhäfen und -verarbeitungsanlagen gedroht hatten und erst vor kurzem der Magarha-Stamm die Freilassung des schwer erkrankten, ehemaligen Dschamahirija-Geheimdienstchefs Abdullah as-Senussi gefordert hatte.

Der Präsidialrat beteuerte unterdessen, dass „der Rat in direktem Kontakt mit den zuständigen Behörden steht, um die Freilassung aller nicht verurteilten Gefangenen zu erreichen und sicherzustellen, dass die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Menschenrechte beim Aufbau des neuen Libyens eingehalten werden“.

Bereits am 1. September hatte in Zusammenhang mit dem Jahrestag der libyschen al-Fatah-Revolution des Jahres 1969 der aus Misrata stammende Milizenführer Salah Badi erklärt, er sei bereit, den Standort der Begräbnisstätte von Muammar al-Gaddafi mitzuteilen, sollte es zu einer Verständigung mit den Honoratioren libyscher Stämme und Städte kommen. Muammar al-Gaddafi wurde nach seiner brutalen Ermordung 2011 zusammen mit anderen, darunter Scheich Khaled Tantoush, an einem unbekannten Ort beigesetzt. Viele Libyer verlangen die Bekanntgabe der Begräbnisstätte von Muammar al-Gaddafi, seines Sohnes Muttasim und seines Verteidigungsministers Abu Bakr Younis Dschaber.

Drei der sieben Söhne Muammar al-Gaddafis, Mutassim, Saif al-Arab und Khamis, starben 2011 während des Nato-Krieges gegen Libyen. Muammar al-Gaddafis Ehefrau Safija konnte mit ihrer Tochter Aisha und dem ältesten Sohn Gaddafis aus erster Ehe, Mohamed, im August 2011 nach Algerien fliehen, bevor ihnen Oman Asyl gewährte. Safija lebt heute in Ägypten.

Muammar al-Gaddafis Sohn Hannibal wurde 2015 im Libanon verhaftet, wo er seitdem unter fadenscheinigen Vorwürfen festgehalten wird.

Der zweitälteste Sohn Muammar al-Gaddafis, Saif al-Islam Gaddafi, befindet sich in Libyen und wird vermutlich bei den Dezemberwahlen, sofern sie stattfinden, für das Präsidentenamt kandidieren.

https://libyareview.com/16205/libyan-justice-ministry-saadi-gaddafi-freed-from-jail/
https://libyareview.com/16210/libyas-presidential-council-releases-several-political-prisoners/
https://www.libyaherald.com/2021/09/06/saadi-qaddafi-released-from-prison-in-implementation-of-his-acquittal-verdict-for-murder-of-football-coach-flies-to-istanbul-and-on-to-cairo/
https://libyareview.com/16218/after-al-saadis-releasewhere-is-the-rest-of-gaddafis-family/
https://specialelibia.it/2020/01/14/appello-del-consiglio-della-tribu-gheddafi-al-governo-di-accordo-nazionale/
https://libyareview.com/16116/will-libyans-finally-find-out-where-colonel-gadaffi-was-buried/
https://de.rt.com/afrika/123619-gaddafis-anderer-sohn-auch-aus/

07.09.2021

 

Dienstag, 7. September 2021

 

Kurznachrichten Libyen – 05.09.2021

Libyen. Schwere Milizenkämpfe in Tripolis / Dezemberwahlen mit Fragezeichen / Machtkampf um den Erdölsektor

Angelika Gutsche  

+ 31.08.: Milizenkämpfe. In Tripolis kam es nahe des Hauptsitzes der Verwaltungskontrollbehörde (ACA) zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften des stellvertretenden Leiters der ACA, Khaled Dhaou, die der Stability Support Force (SSF) unter der Führung von Abdel-Ghani al-Kikli (Ghneiwa) angehören, und den Sicherheitskräften des Leiters der ACA, Suleiman asch-Schanti, die der Joint Force (444. Brigade) aus Misrata angehören. Die Schusswechsel lösten unter der Zivilbevölkerung Panik aus. Hintergrund: Die beiden stehen sich politisch in feindlichen Lagern gegenüber und bestreiten gegenseitig ihre Legitimität.
https://libyareview.com/16085/armed-clashes-break-out-in-libyan-capital/
Video: https://twitter.com/i/status/1432766506111311876

+ 03.09.: Milizenkämpfe/Tripolis. Schwere Kämpfe sind zwischen der Stability Support Force (SSF) unter der Führung von Abdel-Ghani al-Kikli (Ghneiwa) und der der Joint Force (444. Brigade) aus Misrata in südlichen Wohngebieten von Tripolis ausgebrochen. Entführungen, Verletzte und Tote werden gemeldet.
Die Joint Force hat SSF-Kämpfer gefangengenommen.
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1433675915456917504
https://twitter.com/LibyaReview/status/1433659568530370585

+ 03.09.: Milizenkämpfe/al-Minfi. Nachdem die Kämpfe in Tripolis nicht mehr totzuschweigen sind, meldete sich endlich der Vorsitzende des Präsidialrats und für die Milizen verantwortliche, offizielle Oberbefehlshaber der libyschen Armee, Mohamed al-Minfi, zu Wort. Er forderte alle an den jüngsten Zusammenstößen in Tripolis beteiligten Milizen auf, die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen und in die Kasernen zurückzukehren. Er wies auch die Militärstaatsanwaltschaft an, rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten.
Bei diesen Zusammenstößen wurden mittelschwere und schwere Waffen eingesetzt, von beiden Seiten wurden innerhalb der Wohngebiete Granaten und Panzerfäuste abgefeuert. Die 444. Brigade erklärte, sie hätte das Militärlager at-Takbali im Süden Tripolis' unter ihre Kontrolle gebracht.
https://libyareview.com/16143/presidential-council-urges-immediate-end-to-libyan-capital-clashes/

+ 04.09.: Milizenkämpfe/USA/UN. UNSMIL forderte „die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten“ und rief alle Parteien auf, „größtmögliche Zurückhaltung zu üben“. Die UN sieht durch die Milizenkämpfe die Dezemberwahlen in Gefahr.
Der US-amerikanische Botschafter in Libyen, Richard Norland, erklärte, die politischen Führer Libyens sollten sich unverzüglich auf einen Kompromiss zu einigen, der es ermöglicht, die Wahlen wie geplant abzuhalten.
https://libyareview.com/16151/us-ambassador-libyans-do-not-wish-to-see-a-repeat-of-civil-conflict/

+ 30.08.: Libysche Stämme/Türkei. Die Union der libyschen Stämme beschuldigt die Türkei, Flugzeuge mit Söldnern nach Libyen und Tunesien zu schicken und damit den Terrorismus zu schüren. Dafür gebe es Beweise und es geschehe vor den Augen der internationalen Gemeinschaft. Gelobt wurde die „mutige Haltung“ des tunesischen Präsidenten Kais Saied, der den politischen Islam in Tunesien eindämme. Die Beziehungen zwischen Tunesien und Libyen seien zu stark, um durch extremistische Bewegungen gefährdet zu sein.
https://libyareview.com/16031/libyan-tribes-accuse-turkey-of-supporting-terrorism-in-region/

+ 02.09.: Muammar al-Gaddafi. Der Milizenführer Salah Badi erklärte, er sei bereit, den Standort des Grabes von Muammar Gaddafi mitzuteilen. Gaddafi wurde 2011 nach seiner Ermordung an einem unbekannten Ort begraben. Diese Erklärung steht in Zusammenhang zum einen mit dem Jahrestag der libyschen Fatah-Revolution des Jahres 1969, die von Muammar al-Gaddafi angeführt wurde, und zum anderen mit der Bekanntgabe von Saif al-Islam Gaddafi, eventuell bei den kommenden Präsidentschaftswahlen kandidieren zu wollen.
Badi sagte, sollte es zu einer Vereinbarung zwischen libyschen Würdenträgern und den Städten kommen, sei er bereit, den Standort preiszugeben. Er habe Muammar al-Gaddafi zusammen mit anderen, darunter Scheich Khaled Tantoush, begraben. Viele Libyer verlangen die Bekanntgabe der Begräbnisstätte von Muammar al-Gaddafi, seines Sohnes Muttasim und seines Verteidigungsministers Abu Bakr Younis Jaber.
https://libyareview.com/16116/will-libyans-finally-find-out-where-colonel-gadaffi-was-buried/

+ 04.09.: Saif al-Islam Gaddafi/Stämme/USA. Joey Hood, der stellvertretende US-Außenminister für Angelegenheiten des Nahen Ostens, sagte, die Welt habe ein Problem damit, dass Saif Gaddafi für das Amt des libyschen Präsidenten kandidiere, denn er sei ein Kriegsverbrecher und unterliege Sanktionen der Vereinten Nationen und der USA.
Die Union der Libyschen Stämme erklärte, sie lehne die Stellungnahme von Hood und der USA zur Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi für die Präsidentschaftswahlen ab. Die Stellungnahme stelle eine „eklatante Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes“ dar. Weiter hieß es, dass es sich um eine „aggressive Kampagne handelt, die darauf abzielt, die Forderungen des libyschen Volkes und sein Recht auf Selbstbestimmung zu untergraben und solche Führer zu wählen, die in der Lage sind, die Angelegenheiten des Landes zu regeln und seine Souveränität zu wahren“.
Es heißt, Saif al-Islam Gaddafi habe beschlossen, bei den Dezemberwahlen zu kandidieren und werde dies in Kürze offiziell bekanntgeben.
https://libyareview.com/16166/libyan-tribes-union-rejects-us-stance-towards-candidacy-of-gaddafis-son-for-elections/
Die Welt hat wohl eher ein Problem mit der Außen- und Kriegspolitik der USA, deren Kriegsverbrechen abertausende Opfer forderten.

+ 30.08.: Dezemberwahlen/al-Mishri. Moslembruder und Vorsitzender des Staatsrats sagte, dass die Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi und von Khalifa Haftar bei den Präsidentschaftswahlen nicht akzeptiert wird. Es könne sie auch niemanden zwingen, das militärische Abkommen mit der Türkei aufzulösen.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1432109576460062722

+ 30.08.: Parlament/Dabaiba. Die GNU-Regierung von Dabaiba entschuldigte sich beim Parlament, an der Montagssitzung nicht teilzunehmen und sich nicht den Fragen der Parlamentarier stellen zu können. Dabaiba befinde sich auf Auslandsreise.
Der Oberste Rechnungshof hatte am 23. August Dabaiba zur Befragung vorgeladen, nachdem 28 Parlamentarier einen Misstrauensantrag gegen die GNU-Regierung beantragt hatten. Dabaiba bestand darauf, dass das Parlament seine Fragen schriftlich einreicht.
https://www.libyaherald.com/2021/08/30/government-unable-to-attend-hor-session-for-questioning-due-to-prior-engagement-abroad-requests-questions-in-writing/

+ 04.09.: Parlament/Dabaiba. Das Parlament hat der GNU-Regierung einen Fragenkatalog übermittelt, der am kommenden Dienstag im Parlament beantwortet werden soll. Themen: Stromversorgung, Haushalt, Vereinheitlichung der Institutionen, Covid-19-Pandemie sowie Standpunkt der GNU-Regierung zur Anwesenheit syrischer Söldner in Tripolis. Es soll auch gefragt werden, was die Regierung unternommen hat, um die Söldner und die ausländischen Streitkräfte, wie von der 5+5-Militärkommission gefordert, aus Libyen zu entfernen, und warum noch kein Verteidigungsminister ernannt wurde.
https://libyareview.com/16161/libyan-parliament-to-question-government-on-tuesday/

+ 29.08.: Wahlverschiebung. Zu dem Vorschlag der USA, die Wahlen in zwei Durchgängen abzuhalten, wobei der zweite Durchgang erst im September 2022 erfolgen soll, schreibt der libysche Politanalyst Mohamed Eldschar: „Ein weiterer katastrophaler Vorschlag! dieses Mal von den Vereinigten Staaten. Das Ziel ist es, Wege zu finden, um den politischen Fahrplan/UNSC2570 zu umgehen und das libysche Volk seines Rechts zu berauben, seine Führer zu wählen, in der Hoffnung, die politische Elite und ihr Personal zu beschwichtigen, die sich weigert, die Macht abzugeben.“
Und: „Die Exekutive, die Legislative und die amtierenden Aufsichtsorgane besitzen keinerlei Legitimität, da ihre Amtszeit und ihr Mandat von Rechts wegen abgelaufen sind. Das Vertrauen des libyschen Volkes in sie ist verloren gegangen.“
https://almarsad.co/en/2021/08/29/africa-report-us-proposes-elections-to-be-completed-by-september-2022-dbaiba-pressuring-for-extension/

+ 29.08.: Wahlverschiebung. Zum Vorschlag der USA, die Wahlen bis Herbst 2022 auszudehnen, gaben verschiedene politische Parteien eine Erklärung ab, in der sie vor „anhaltenden Versuchen warnen, die Abhaltung der bevorstehenden direkten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu behindern und zu stören“.
https://almarsad.co/en/2021/08/30/libyan-political-parties-movements-condemn-efforts-to-extent-the-december-presidential-election-schedule/

+ 31.08.: Wahlen/Verfassung. Sechs Mitglieder der Versammlung zur Ausarbeitung der libyschen Verfassung (CDA) haben vor dem Berufungsgericht in Tripolis Klage gegen die Leiter der libyschen Exekutiv-, Legislativ- und Beratungsbehörden (wie Hohe Nationale Wahlkommission (HNEC), Hoher Staatsrat (HCS) und UNSMIL) eingereicht mit dem Ziel, vor Wahlen ein Referendum über den Verfassungsentwurf abzuhalten.
https://libyareview.com/16091/libyas-constitution-drafting-assembly-call-for-referendum-before-national-elections/
Dies hat eindeutig eine möglichst lange Verschiebung des Wahltermins zum Ziel.

+ 30.08.: NOC/Ölministerium. Der Vorsitzende des libyschen Ölkonzerns Mustafa Sanella ignoriert seine Suspendierung durch den Ölminister Mohamed Aoun und nahm an einer Vorstandssitzung in Tripolis teil. Sanella vertrat die Meinung, der Ölminister Aoun sei nicht befugt, ihn abzusetzen, sondern es müsse das Kabinett darüber entscheiden.
Gegen Sanella wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er sich geweigert hatte, seinem vorübergehenden Nachfolger die Übernahme seines Amtes zu gestatten, und weil er die NOC während seines Auslandsaufenthalts geleitet hat.
Aoun warf Sanella auch vor, 2020 nicht mit dem Parlament kooperiert zu haben, als es um den von Sanella betriebenen Verkauf des Anteils der US-amerikanischen Firma Marathon an der Firma Waha an den französischen Erdölkonzern Total ging.
https://www.libyaherald.com/2021/08/30/noc-chairman-sanalla-suspended-from-his-post-and-referred-for-investigation-by-oil-minister-his-replacement-declines-the-temporary-post/
Wenn Sanella offiziell seines Amtes enthoben ist, sind auch die von ihm auf Geheiß der USA und Großbritanniens anschließend abgeschlossenen Verträge mit Ölkonsortien ungültig. Aoun hat die Reißleine gezogen.

+ 03.09.: Erdöl/Britisch Petrofac. Das britische Mega-Energiedienstleistungsunternehmen Petrofac Ltd. gab bekannt, dass es einen Auftrag im Wert von 100 Millionen Euro von der Libya Oil & Gas Exploration and Production Company erhalten hat. Es geht dabei um das Erawin-Ölfeldentwicklungsprojekt in Zallaf (südwestliches Libyen).
https://libyareview.com/16141/british-petrofac-secures-e100-million-contract-in-libya/
Hier werden keine Peanuts verteilt.

+ 01.09.: NOC/Verwaltungskontrolle. Die Libysche Verwaltungskontrollbehörde (ACA) forderte Premierminister Dabaiba auf, die Entscheidung über die Neubesetzung des Vorstands der National Oil Corporation (NOC) unter dem Vorsitz von Mustafa Sanella zu beschleunigen. Der Vorstand sei schon über sieben Jahre im Amt, deshalb sollte schnellstmöglich ein neuer NOC-Vorstand in Einklang mit den geltenden Gesetzen ernannt werden.
https://libyareview.com/16075/libyan-administrative-control-authority-asks-prime-minister-to-replace-noc-board-of-directors/

+ 04.09.: Erdöl/NOC/Stämme. Libysche Ingenieure in den Ölhäfen es- Sider und az-Zuwaytina (Kyrenaika) sagten, dass die Ölproduktion trotz der Ankündigung von Bewohnern des Ölhabmonds, die Exporte zu blockieren, noch normal verlaufe.
In einer Videobotschaft war ein Stopp der Ölexporte und der Arbeiten in Zuwaytina, Ras Lanuf, Sidra und Brega angekündigt worden, bis Verfahren zur Absetzung von Mustafa Sanella, dem NOC-Vorsitzenden, eingeleitet sind. Außerdem forderten sie die Bildung eines neuen Verwaltungsrats unter Einbezug der Bewohner des Ölhalbmondes.
https://libyareview.com/16155/libyan-oil-output-normal-despite-threat-of-a-blockade/

+ 05.09.: Erdöl/ NOC/Parlament. Die Mitglieder des Energieausschusses des Parlaments unterstützten die vom Ölminister Aoun getroffenen Maßnahmen und forderten die Einsetzung eines neuen NOC-Vorstands. Der Leiter des NOC, Sanella, sei vom Unterstaatssekretär des Ölministeriums und nicht, wie im Gesetz vorgesehen, vom Kabinett ernannt worden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Erfolge auf dem Erdölsektor der Kompetenz und dem Fachwissen in verschiedenen Unternehmen sowie den Mitarbeitern an verschiedenen Standorten zugeschrieben werden müssen, die dafür Anerkennung verdienen.
https://libyareview.com/16177/libyan-parliaments-energy-committee-stresses-need-to-assign-new-board-to-the-noc/

+ 04.09.: LNA/Brak-asch-Schati-Massaker. Die LNA konnte im Süden Libyens Ali al-Adschili al-Hasnawi festnehmen. Der Milizenkommandeur Hasnawi war am Brak-asch-Schati-Massaker vom 18. Mai 2017, bei dem 148 libysche Zivilisten und Soldaten ermordet wurden, beteiligt. Die Tat wurde von einer Miliz verübt, die dem damaligen Verteidigungsminister der ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis) unterstand.
Es wurde auch ein Waffen- und Sprengstofflager ausgehoben.
https://almarsad.co/en/2021/09/04/lna-reveals-details-of-the-arrest-of-isis-terrorist-al-ajili/

+ 04.09.: Migration. Das Internationale Rettungskomitee (IRC) teilte mit, dass allein in den letzten acht Monaten über 23.000 Menschen auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht wurden, nachdem sie versucht hatten, sich in Europa in Sicherheit zu bringen.
Dies sei fast das Doppelte der Gesamtzahl des Jahres 2020 und die höchste Zahl seit Beginn der Aufgriffe durch die libysche Küstenwache im Jahr 2017. Unter den Zurückgebrachten haben sich mehr als 1.000 Kinder und mehr als 1.500 Frauen, auch schwangere, befunden.
Das ICR: „Menschen, die ihr Leben riskiert und bereits so viel durchgemacht haben, in Haftanstalten in Tripolis zu schicken - wo die Misshandlungen, vor denen sie zu fliehen versuchten, an der Tagesordnung sind - ist nicht nur eine Verletzung ihrer Menschenrechte, sondern auch unmenschlich. Die Bedingungen in diesen Einrichtungen sind allzu oft beklagenswert und viele haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und sauberem Trinkwasser. […] Alle Inhaftierten müssen dringend freigelassen werden, und nach ihrer Freilassung müssen sie unbedingt Zugang zu der Unterstützung erhalten, die sie so dringend benötigen, z. B. medizinische Versorgung und Beratung“.
https://libyareview.com/16153/irc-record-numbers-of-migrants-intercepted-at-sea-and-detained-in-libya-in-2021/

+ 05.09.: Migration/Videoüberwachung Küstenwache. Die EU hatte zur Überwachung der libyschen Küstenwache Videokameras zur Verfügung gestellt, die auf libyschen Schiffen installiert werden sollten, um den Umgang der Küstenwache mit Migranten zu dokumentieren. Allerdings konnten bisher nach Angaben der EU-Kommission bei ihr keine eingegangenen Aufnahmen gefunden werden.
Bereits 2018 hatte die ehemalige EU-Außenministerin Federica Mogherini bekundet, dass die Lieferung der Videokameras abgeschlossen sei. Es hieß, die Kameras seien an Bord montiert worden und die Küstenwache hätte eine diesbezügliche Schulung erhalten.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufnahmen als „eingeschränkt“ geschützt wurden, ein „bekannter Trick“, um eine „Vorführung unabhängig vom Inhalt“ zu vermeiden.
Nachdem der Schleuser und Schmuggler al-Bidscha aus Mangel an Beweisen aus dem Gefängnis entlassen und in den Rang eines Majors befördert worden war, wurde er mit der Leitung des Auftrags für den Wiederaufbau der Marineakademie für die Kadetten der Marine von Tripolis betraut.
https://libyareview.com/16159/eu-accused-of-covering-up-process-of-documenting-human-smuggling-from-libya/

+ 05.09.: Migration/Organhandel. Basheer Garba Muhammed, der Generaldirektor der Nigerianischen Nationalen Agentur für das Verbot des Menschenhandels (NAPTIP) behauptet, es gebe in Libyen einen Ort, an dem afrikanische Migranten wie Tiere in Käfigen gehalten würden. Es würden ihnen Organe wie Augen, Nieren und Lungen entnommen und anschließend auf dem europäischen Schwarzmarkt verkauft.
Muhammed fügte hinzu, dass viele Nigerianer in verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern sexuell und arbeitsmäßig ausgebeutet werden: „Die NAPTIP ist besorgt über diesen Trend des Handels mit jungen nigerianischen Frauen in den Nahen Osten, die meist aus Kano und den Nachbarstaaten stammen.“
https://libyareview.com/16180/nigerias-anti-trafficking-agency-claims-african-migrants-are-caged-and-their-organs-harvested-in-libya/

+ 05.09.: Schmuggel/Italien/Malta. Laut LNA befinden sich die größten illegalen Märkte für Menschenhandel, Ölschmuggel und antike Kunstwerke in Italien und auf Malta.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1434465188430983172
Das ist mit Sicherheit richtig.

+ 03.09.: Covid-19: Das medizinische Zentrum von Tobruk warnte vor einem gefährlichen Anstieg von Covid-19-Infektionen.
https://libyareview.com/16128/medical-official-warns-of-catastrophic-covid-19-situation-in-eastern-libya/

+ 04.09.: Bashagha/Lobbying. Der Innenminister der ehemaligen 'Einheitsregierung' hat eine neue Lobbyfirma in Washington, die BGR Group, engagiert, nachdem sein letzter Vertrag mit Brownstein Hyatt wenige Tage nach der Unterzeichnung aus unbekannten Gründen abrupt beendet wurde.
Der Vertrag beläuft sich auf ein monatliches Honorar von 50.000 US-Dollar und hat eine Laufzeit von 6 Monaten. Die BGR Group wird „die Kommunikation mit den Medien, relevanten Beamten und Entscheidungsträgern in den USA aufnehmen und erleichtern“.
https://almarsad.co/en/2021/09/04/bashagha-signs-a-lobbying-contract-in-dc-for-us300000-with-the-bgr-group/
Es ist schon sehr merkwürdig, dass für die Wahlen in Libyen in den USA Lobbyarbeit betrieben werden soll. Wo wird bestimmt, wer libyscher Präsident wird? In den USA?

+ 31.08.: Nachbarländertreffen. Die Teilnehmer des Ministertreffens der Nachbarländer Libyens in Algerien bekräftigten ihren Willen, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität Libyens zu schützen. Sie forderten den schnellstmöglichen Abzug aller ausländischen Truppen und Söldner aus Libyen und die Beilegung der Krise ohne militärische Lösungen oder ausländische Einmischung. Sie riefen die libyschen Parteien dazu auf, auf den politischen Weg zurückzukehren.
Die libysche Außenministerin Nadschla al-Mangoush lud die Minister zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz ein, die Ende September in Libyen stattfinden soll.
https://almarsad.co/en/2021/08/31/participants-in-the-algeria-meeting-call-for-expulsion-of-all-foreign-forces-and-mercenaries-from-libya/

+ 30.08.: Nachbarländertreffen. „Es ist offensichtlich, dass alle Nachbarländer von Libyen noch vor den Wahlen Vereinbarungen treffen möchten, die sicherstellen, dass sie vom Wiederaufbau Libyens profitieren werden.“
https://twitter.com/smmlibya/status/1432259678520631296

+ 30.05.: Syrische Söldner. Es herrscht unter den syrischen Söldnern große Unzufriedenheit wegen der Nichtzahlung des Solds. Die Situation im Lager Yarmouk sei explosiv, da die syrischen Söldner seit über sechs Monaten keinen Sold erhalten hätten. Es werde gegen die Arbeitsbedingungen und die Kürzung ihrer Gehälter auf 300 USD protestiert, gefordert werden 1.000 USD monatlich und die Rückführung nach Syrien.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte befinden sich immer noch etwa 7.000 syrische Söldner in Libyen. https://libyareview.com/16060/turkeys-syrian-mercenaries-in-libyan-capital-restless-after-salary-delays/
https://libyareview.com/16102/syrian-mercenaries-protest-against-salary-reduction-in-libya/

+ 30.08.: 5+5-Militärkommission/Ägypten. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukry forderte die Unterstützung der 5+5-Militärkommission und deren Forderung nach Abzug aller ausländischen Streitkräfte und Söldner aus Libyen.
https://libyareview.com/16058/egypt-supports-libyas-military-calls-for-withdrawal-of-foreign-forces/

+ 29.08.: Uran/Atomkraft. Der Leiter der libyschen Atomenergiegesellschaft, ar-Ritaimi, wies darauf hin, dass Libyen über große Uranvorkommen verfügt, von denen sich die meisten im Süden und Osten des Landes befinden, insbesondere im Dreiländereck zwischen Libyen, Tschad und Sudan.
Ar-Ritaimi hält die Atomenergie für eine Lösung zur Stromkrise, da sie keine Kohlendioxidemissionen verursache.
https://libyareview.com/16036/libyan-atomic-energy-corporation-libya-possesses-huge-reserves-of-uranium/
Ausgerechnet Atomenergie in dem gas-, öl- und sonnenreichen Land Libyen.

+ 02.09.: Klimaabkommen. Das libysche Parlament hat das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Dieser Schritt wurde von der EU begrüßt.
https://libyareview.com/16109/eu-welcomes-libyas-ratification-of-paris-climate-agreement/

+ 29.08.: Stromausfälle/Kriegsmüdigkeit. Al-Jazeera schreibt, es habe die letzten zehn Jahre keine Investitionen in die Stromkapazitäten gegeben, deshalb falle häufig der Strom aus. In Tripolis müssten die Einwohner fast täglich mit Stromausfällen von bis zu zwölf Stunden rechnen. „Das Brummen der Generatoren und die beißenden Dämpfe und der Rauch von Dieselkraftstoff gehören zu den am meisten gehassten Aspekten des täglichen Lebens in der einst wohlhabenden Stadt.“ Diejenigen, die sich keinen Generator leisten könnten, flüchteten in der Sommerhitze nachts auf die Dächer. Inzwischen suchen die Stromausfälle auch den Osten des Landes heim. Probleme macht auch der Diebstahl von Kupferkabeln.
https://www.aljazeera.com/news/2021/8/29/war-weary-libyans-yearn-for-end-to-daily-blackouts


IRAK

31.08.: Karin Leukefeld erörtert auf RT die Teilnahme des französischen Präsidenten Macron bei der Bagdad-Konferenz „für Kooperation und Partnerschaft“ der irakischen Nachbarstaaten, was wohlweislich in Absprache mit den USA, der EU und der NATO geschah. Macron schwang dort auch gleich das große Wort und inszenierte sich. Macron habe „mit seinem Auftritt am Tigris seinen Anspruch bekräftigt, auch nach dem Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak eine westliche und französische Militärpräsenz in dem Land aufrechtzuerhalten. Demonstrativ besuchte er nach Abschluss der Konferenz die französischen Spezialkräfte in Camp Grenier im Nordirak und traf in Mossul mit Christen zusammen.“ Daneben ging es um wichtige Ölprojekt für den französischen TOTAL-Konzern und große Bauprojekte, in denen Frankreich in Konkurrenz zur Türkei steht.
Leukefeld: „Ob die regionalen Staaten wirklich zu einem friedlichen Miteinander finden, dürfte maßgeblich davon abhängen, ob der Westen seine Politik der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Einmischung in der Region einstellt. Dasselbe gilt für den Schatten- oder hybriden Krieg, der – unterhalb der Schwelle eines offenen Krieges - mit Sanktionen, Drohungen, Isolation, Medien und ‚zivilgesellschaftlichen‘ Interventionen gegen die Staaten der Region und untereinander geführt wird.“
https://de.rt.com/der-nahe-osten/123317-bagdad-konferenz-regionalmaechte-des-nahen-ostens-kamen-im-irak-zusammen/

AFGHANISTAN

+ Heise.de: „Wer tötete Ahmad Schah Massoud?
https://www.heise.de/tp/features/Wer-toetete-Ahmad-Schah-Massoud-6178863.html?seite=all

+ Freudenschüsse auf dem Kabuler Flughafen zum Abzug der letzten US-Streitkräfte:
https://twitter.com/i/status/1432442370172375042
Der Krieg ist aus und die Taliban sind die Sieger und dies auch deshalb, weil die USA eine afghanische Regierung unterstützten, die bis unter die Haarwurzeln korrupt war. Der Kolonialkrieg der USA und der Nato gegen Afghanistan dauerte zwei Jahrzehnte.

+ RT: „... in Afghanistan und im benachbarten Pakistan [wurden] rund 241.000 Menschen umgebracht. Die allermeisten Opfer waren Frauen, Kinder und Alte sowie Soldaten der regulären afghanischen Armee und Polizisten. Die Kriegskosten für die USA betrugen 2,3 Billionen (!) Dollar. Das ist mehr als das Hundertfache des jährlichen afghanischen Brutto-Inlandsprodukts von 19 Milliarden Dollar.“
„Die USA beschlagnahmten Afghanistans 6 Milliarden Dollar Währungsreserven und kassierten seinen Goldvorrat von 1,2 Milliarden Dollar. Der Zugang zum Internationalen Währungsfonds wurde gesperrt. Die Bundesregierung, herzallerliebst, hatte schon zu Jahresbeginn die Entwicklungshilfe für Afghanistan gestoppt. Die EU hält eine weitere Milliarde Euro zurück. Drei Viertel der afghanischen Bevölkerung leben eh schon weit unterhalb der Armutsgrenze, teils in unbeschreiblichem Elend.“
In dem Artikel wird auch darauf verwiesen, dass „zehntausende afghanischer Frauen mit ihren Kindern bei US-Drohnenangriffen von US- und NATO-Soldaten massakriert“ wurden. Angesichts dieser Zahlen können Beteuerungen, man wolle in Afghanistan die Rechte der Frauen schützen, nur heuchlerisch genannt werden.
https://de.rt.com/meinung/123524-trauerspiel-afghanistan-zweiter-akt/
In Afghanistan sollten Frauenrechte gestärkt werden? Wieso hat man dann Krieg gegen Libyen und Syrien geführt und versucht, dort Moslembrüder an die Macht zu hieven? Länder, in denen Frauen bedeutend stärkere Rechte besaßen als in Ländern, die mit dem Westen verbündet sind, wie z.B. Saudi Arabien, VAE oder Katar.

+ Die Türkei wird den Flughafen von Kabul wohl weiter betreiben. Während die Taliban der Türkei nur den zivilen Flugverkehr anvertrauen, den militärischen aber selbst kontrollieren wollen. Die Türkei verhandelt weiter.
„Der Generalsekretär der NATO Jens Stoltenberg sieht die Türkei in >einer Schlüsselrolle< in Afghanistan. US-Außenminister Antony Blinken ließ jüngst verlauten: >Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Verbündeter und ein unschätzbarer Partner in der Region<.
https://de.rt.com/international/123434-verhandlungen-mit-taliban-tuerkei-wird-flughafen-kabul-weiter-betreiben/
Unverkennbar ist die Türkei der islamische Arm der Nato.

05.09.2021