Libyen im Juni - Monatsüberblick
Was geschah… eine
unvollständige Auflistung
Juni 2016
01.06. Wütende Demonstrationsteilnehmer forderten am
Grünen Platz in Tripolis, die Zentralbank müsse die ‚russischen‘ Geldscheine
von der Zentralbank in Baida akzeptieren. Die Demonstration richtete sich auch gegen die ständigen Stromausfälle
und das Versagen der ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘, etwas dagegen zu
unternehmen.
01.06. Der Oberste Gerichtshof in Tripolis hat nach
Beschwerden die Freilassung von sechs Gefangenen angeordnet, die wegen des
Versuchs verurteilt worden waren, 2011 die ‚Revolution‘ unterdrückt zu haben. Unter den Freizulassenden befinden sich der
Sekretär des Allgemeinen Volkskongresses und Justizminister unter Gaddafi sowie
der ehemalige Finanzminister und Chef der Libyschen Zentralbank.
01.06. Ein
Kommandeur und ein Oberst der Libyschen Nationalarmee wurden in Bengasi durch
eine Mine getötet. Dabei handelt es
sich um Hinterlassenschaften der Ansar al-Scharia im ehemals von ihr
kontrollierten Gebieten.
Auch in den Gebieten von Ben Dschawad und Abu Grain wurden große Mengen an
Landminen vom IS hinterlassen, die täglich Menschenleben kosten.
Laut Minenexperten ist Libyen nach Afghanistan heute das zweitstärkst
verminte Land der Welt. Es soll sich um zehntausende Minen handeln, von
denen die meisten aus italienischer Produktion stammen, und die sich nun in der
Hand von IS und Ansar al-Scharia befinden.
02.06. Bei Suwara wurden die Leichen von 25 Migranten
an Land gespült. Die letzte Woche
war die bisher tödlichste dieses Jahres für Mittelmeerflüchtlinge aus Libyen.
Bei neun Bootsunglücken starben etwa 1.100 Menschen. Insgesamt kamen 2016
bisher mehr als 2.500 Menschen im Mittelmeer ums Leben.
Die Mehrzahl der Flüchtlinge, die von Libyen aus in See stechen, kommt aus
Westafrika.
02.06. 15 Kilometer vor Sirte kommt es zu schweren
Kämpfen zwischen dem IS und Misrata-Brigaden, die nun von Richtung Westen nach
Süden umschwenken, in Richtung Flughafen und Militärflughafen Gardabidscha.
02.06. Der Koordinator der Menschenrechtskommission
der Libyschen Nationalversammlung (Libyan National Assembly/Dschamahirija),
Marzouk Fakhiri, hat seine Versuche intensiviert, für die notleidende
Bevölkerung Lebensmittellieferungen und medizinische Versorgung bei der UN-SMIL
(United Nations Support Mission in Libyen) zu erhalten. Familien in Bani Walid, Misrata und Bengasi
konnten bereits mit Hilfslieferungen versorgt werden.
03.06. Weitere 133 Leichen von Flüchtlingen, darunter
auch Kinder, wurden an der Küste bei Suwara angespült.
04.06. In Bengasi finden weiterhin in einigen
Stadtteilen Kämpfe mit islamistischen Milizen statt. Explosionen sind in der
ganzen Stadt zu hören. Einen Tag vorher bombardierten MiGs der Libyschen
Nationalarmee verschiedene Ziele.
Antiterror-Einheiten, die dem
Verteidigungsministerium der ‚Abu-Sita-Regierung’ in Tripolis unterstehen,
wurden von Mohamed al-Fakhri, Innenminister der Tobruk-Regierung, aufgefordert,
ihre Tätigkeiten in Bengasi einzustellen. Diese Einheiten bestehen aus ehemaligen Mitgliedern der
dschihadistischen Miliz ‚Revolutionärer Schura-Rat Bengasi’.
05.06. Meldungen von n-tv und al-Dschasira, dass sich
ehemalige Gaddafi-Anhänger dem IS angeschlossen hätten, sind definitiv falsch!
Die Dschamahirija hat sich immer scharf gegen jede Form des politischen Islams
ausgesprochen.
Die Falschmeldungen werden als Propaganda-Mittel eingesetzt, um in Libyen nicht
nur den IS, sondern auch die Dschamahirija bekämpfen zu können.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/der-zweite-nato-krieg-gegen-libyen
05.06. Von Misrata geführte Milizen haben den IS vom
Militärflughafen Gardabidscha (15 km vor Sirte) vertrieben. Es scheint, dass auch britische Sonderkommandos
im Einsatz sind.
05.06. In einem Interview mit Der Welt äußert Premier Sarradsch, dass Libyen beim Kampf gegen den
IS auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen sei. Dies hätte aber nichts mit einer Militärintervention zu tun. „Wir
brauchen keine Truppen aus dem Ausland auf libyschen Boden… dass wir nach
Bodentruppen gefragt hätten, stimmt einfach nicht. Das ist gegen unsere
Prinzipien, das wollen wir vermeiden. Unsere Streitkräfte haben nur
Satellitenbilder, Geheimdienstinformationen und technische Unterstützung nachgefragt.“[1]
[Tatsächlich braucht Sarradsch auch
nicht um Truppen aus dem Ausland nachfragen, die sind in Form von
italienischen, britischen und amerikanischen Sonderkommandos schon längst im
Land!]
Sarradsch will auch keine Flüchtlinge aus Europa nach Libyen zurücknehmen. Damit
ist ein dem Abkommen mit der Türkei angelehnter Deal mit Libyen von vornherein ausgeschlossen.[2]
06.06. In den letzten Tagen kam es im Osten von Derna
zu schweren Kämpfen zwischen der Libyschen Nationalarmee und dem
‚Revolutionären Schura-Rat von Derna‘, der al-Kaida nahesteht. Es wurden von der Libyschen Nationalarmee
auch Kampfflugzeuge und Hubschrauber eingesetzt.
Angehörige der Tobruk-Regierung, die von den offiziellen Stellen der Stadt
anerkannt wird, haben Derna ohne Probleme einen offiziellen Besuch abgestattet.
06.06. JamahiriyaNewsAgency: Der IS hat in Sirte wieder
sein Hauptquartier bezogen. Die Kämpfe in den Vororten von Sirte schwächen sich
ab, im Süden und Westen der Stadt kommt es weiterhin zu sporadischen
Zusammenstößen zwischen dem IS und den LIFG-Milizen der ‚Abu-Sita-Regierung‘. Es mangelt an Nahrungsmitteln und
Medikamenten. Die Einwohner, die noch in der Stadt ausharren, stehen unter
extremen Druck. An den Verkehrsknotenpunkten wurden Checkpoints errichtet.
Auffallend ist die Anwesenheit einer erheblichen Anzahl von ausländischen
Söldner bei den IS-Truppen.
08.06. JamahiriyaNewsAgency: Zwei Militärjets
bombardieren das Zentrum von Sirte. Starke Explosionen erschüttern die Stadt. Die Kämpfe zwischen IS und Al-Kaida-/LIFT-
und Misrata-Milizen halten im Süden der Stadt an. In der ganzen Stadt kommt es
zu Stromausfällen.
08.06. Die Welt
berichtet in einem Artikel über die Situation in Misrata. Laut der Welt hängt nun das Schicksal Europas von
dieser Stadt der Moslembruderschaft ab, die al-Kaida nahesteht und bis vor
kurzem beim Kampf gegen den IS nicht gerade glänzte. Selbst der Welt scheint es nicht ganz geheuer zu sein, auf was sich die
internationale Gemeinschaft als Bündnispartner in Libyen eingelassen hat. Auf
die Vermutung, dass der IS mit den Flüchtlingen auch ihre Kämpfer – sprich
Terroristen – nach Europa verschifft hätte, reagiert der Chef der Küstenwache,
die natürlich auch in Misrata sitzt, nur mit einem Grinsen. Die Welt schreibt:
„Die Beteiligung der Muslimbrüder ist der Preis, den die internationale
Gemeinschaft – und allen voran die EU – für die Stabilisierung Libyens zahlt.
Die länderübergreifende Vereinigung ist die Mutter aller islamistischen
Organisationen. Extreme Terrororganisationen stehen den Muslimbrüdern nahe.“
Doch mit ihrer militärischen Stärke (aufgerüstet
durch Katar und die Türkei) und eigener Luftwaffe ist sie „die militärische
Überlebensgarantie des neuen Premiers.“ Misrata, die reiche Stadt, in der es an
nichts mangelt, im Gegensatz zum restlichen Libyen, hat sich umgehend in der ‚Abu-Sita-Regierung‘
wichtige Posten wie den des stellvertretenden Premiers gesichert.
Das Schicksal Europas hängt von völlig
undurchsichtig agierenden, dschihadistischen Moslembrüdern ab? Armes Europa!
Und noch ärmeres Libyen!
Hier wird beschrieben, auf welch brutale Weise die libysche Küstenwache ein
Boot, die Seawatch II, gestoppt hat: www.heise.de/tp/artikel/48/48470/1.html
09.06. JamahiriyaNewsAgency: Der IS verschwindet
wieder einmal auf mysteriöse Weise aus Sirte. Augenzeugen berichten aus der
Stadt, dass sich in den frühen Morgenstunden die Kämpfer des IS aus den
östlichen Gebieten der Stadt 70 Kilometer weit zurückgezogen haben. Die Milizen
von Ibrahim Dschedhren (Kommandant der Sicherheitsmilizen der Ölanlagen)
konnten sich frei in der Stadt bewegen, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Keinerlei Milizen bekämpften heute den IS. In allen Stadtgebieten wurde das
komplette Verschwinden des IS mit Waffen und Fahrzeugen bestätigt. Wie und wohin
konnten sie so schnell verschwinden? Diese verdächtigen Vorgänge werden noch
dadurch verstärkt, dass es keine Meldungen über Gefangennahmen von IS-Kämpfern und
über Opfer unter den IS-Kämpfern gibt.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/geheimnisvolle-vorgaenge-rund-um-sirte
Wer ist dieser Ibrahim Dschedhren, der die Miliz ‚Petroleum Facility Guards’
PFG anführt, unter deren Kontrolle viele wichtige Ölanlagen stehen?
Bei den Kämpfen 2011 war der heute 35-jährige Dschedhren der Anführer einer
Miliz, die auf Seiten der Aufständischen kämpfte. Dafür wurde er 2012 von der
damaligen Transnational-Regierung mit
dem Posten des Kommandeurs über die ‚Petroleum Defense Guards’ (Sicherheitskräfte
zur Verteidigung des Erdöls) belohnt.
Dschedhren stammt aus der Stadt Ajdabija und ist Verfechter eines föderalen
Systems für Libyen. In seiner Eigenschaft als Milizen-Befehlshaber liegt es in
seiner Macht, den Ölexport des Landes zu kontrollieren und die Ölhäfen nach
Gutdünken zu öffnen oder zu schließen. Es wird ihm eine Mitverantwortung für die
Talfahrt der libyschen Ölförderung angelastet, da er aus taktischen Gründen je der
einen oder der anderen Regierung die Öl-Ausfuhr unmöglich machte. Noch loyal
zur Tobruk-Regierung stehend, wollte er einen Tanker mit Roh-Öl auf dem
Schwarzmarkt verkaufen, der dann allerdings von der US-Marine vor Zypern
gestoppt wurde. Inzwischen ist Dschedhren umgeschwenkt und hat sich zur
‚Abu-Sita-Regierung’ bekannt. Angeblich marschiert er mit Misrata-Milizen gegen
den IS in Sirte.
Nicht die Tobruk- und schon gar nicht die ‚Abu-Sita-Regierung’ kontrollieren
die libyschen Ölhäfen und bestimmen, wann und wieviel Öl das Land verlässt,
sondern die Kontrolle darüber obliegt Dschedhren, dem Milizenführer. Im letzten
Jahr urteilte ein Mitglied des Misrata-Militärrats über ihn: „Dschedhren ist
auch für uns ein Rätsel. Wir verstehen immer noch nicht, wer er – außer einem
Öl-Dieb – wirklich ist.“
Nun scheint Dschedhren gegen den IS in den Krieg gezogen zu sein, sein Bruder
Salim Dschedhren ist allerdings Mitglied genau dieses IS’. Als im Januar 2016
die Küstenstadt Bin Jawed – die Stadt liegt nicht weit entfernt von Sidra und
dem Ölhafen Ras Lanuf – vom IS eingenommen wurde, berichtete CBS, dass
„IS-Kämpfer Sidra aus drei Richtungen angreifen, unterstützt von Dschedhrens
Bruder, der sich dem IS angeschlossen hat.“
Es wurde auch behauptet, Ibrahim Dschedhren hätte schon früher mit dem IS Verhandlungen
geführt, allerdings seien diese gescheitert, da Dschedhren nicht, wie vom IS
gefordert, die Kontrolle über die Öl-Anlagen aufgeben wollte.
Nun unterstützt Dschedhren also die neue ‚Abu-Sita-Regierung’, d.h. er
unterstützt die schwächste der zwei, drei, vier Regierung (je nach Zählweise),
die in Libyen über die schwächste Unterstützung und keine Hausmacht verfügt,
sondern sich mit Haut und Haaren dschihadistischen Milizen in Tripolis und
Misrata ausgeliefert hat, die mit ihrer islamistischen Ideologie dem IS näher
stehen als den säkularen Gegenspielern im Osten des Landes, allen voran General
Hefter.
Doch auf wessen Seite steht Ibrahim Dschedhren wirklich? Wieweit gehen seine
Sympathien für Islamisten, Moslembrüder oder gar den IS? Inwieweit stehen sich
die beiden Brüder wirklich feindlich auf verschiedenen Seiten gegenüber? Geht
es Dschedhren weniger um Ideologie als um Macht und Geld, egal unter welchen
Vorzeichen? Nur soviel scheint sicher: Im Verhältnis zu den Regierungen verfügt
diese undurchsichtige Figur über wirkliche Macht.
09.06. Durch Ausfälle in der Elektrizitätsversorgung
kommt es auch zum Versagen der Wasserpumpen, so dass Tripolis zeitweise unter
Wasserknappheit leidet.
09.06. Der Journalist Richard Galustian schreibt ein
einem Artikel unter dem Titel „Wie Moskau in Libyen Einfluss auf ein
Einheitsabkommen ausüben kann“, dass eine Aufhebung des Waffenembargos im UN-Sicherheitsrat
nur möglich ist, wenn Russlands diesbezügliche Bedenken zerstreut werden können.
Denn die partielle Aufhebung des
Embargos würde nicht nur zu einer Verstärkung der Kampfhandlungen zwischen den
verschiedenen politischen Parteien führen, sondern auch dazu, dass Teile der
gelieferten Waffen in der Hand des IS landen. Im Endeffekt würde dies dazu
führen, dass der IS gemeinsam mit den islamistischen Milizen der Abu-Sita-Regierung
gegen Khalifa Hefter und seine Libysche Nationalarmee kämpfen würde. Für
Russland sei die Annäherung des Westens an extremistische Gruppierungen überhaupt
nicht verständlich.
Galustian sieht die östliche Tobruk-Regierung in der besseren Ausgangsposition:
Sie erhielte Waffen aus Ägypten, kontrolliere ihr eigenes Öl und hätte dank
Russland auch eigene Banknoten. Es sei kaum vorstellbar, dass Russland
Ostlibyen schutzlos sich selber überlässt. Der Westen ignoriere wichtige
politische Akteure wie Khalifa Hefter oder die Stämme, während er
unverständlicher Weise islamistischen Dschihadisten und den Moslembrüdern eine
überragende Bedeutung einräumt. „Lassen Sie es mich klar ausdrücken: Die
internationale Gemeinschaft unterstützt die nicht existierende
‚Einheitsregierung‘ mit einem vom Westen eingesetzten Einfaltspinsels als
Premierminister. Diese völlig unerfahrene Regierung war von Anfang an bei der
Bevölkerung höchst unbeliebt, da sie die Einmischung des Westens in die inneren
Angelegenheiten des Landes befürchtet.“
10.06. Der Hafen von Sirte und Teile der Stadt scheinen
von Milizen eingenommen zu sein, die loyal zur Abu-Sita-Regierung stehen.
11.06. In Tripolis wurden auf verschiedenen
öffentlichen Plätzen die Leichen von zwölf brutal ermordeten politischen
Gefangenen gefunden. Es handelt sich um ehemalige Gaddafisten, für die vor etwa
einer Woche ein Gericht nach fünfjähriger Gefangenschaft die Aufhebung der Haft
angeordnet hatte. Den Opfern war in den Kopf geschossen worden, sie trugen
schwere Folterspuren und waren gefesselt. Für die Taten verantwortlich scheint
die Libyan Islamic Fighting Group LIFG zu sein, die jetzt als Präsidialgarde in
den Diensten der Abu-Sita-Regierung steht.
Die Morde haben ganz Libyen schockiert. In der Verantwortung steht vor allem
der ‚Präsidialrat‘, der für die Übernahme der islamistischen Milizen in die
sogenannte Präsidialgarde verantwortlich ist. Daneben werden auch gegen den
umstrittenen Großmufti Sadik Ghariani Anschuldigungen erhoben, da er aus
Protest gegen die Freilassung der Gefangenen eine Fatwa gegen sie verhängt hatte.
Die gerichtsmedizinischen
Untersuchungen belegen, dass die Gefangenen 24 Stunden vor ihrem Auffinden
getötet worden waren, d.h. die Morde noch im Gefängnis begangen wurden.
Dschamhirija ruft dazu auf,
diese Grausamkeiten zu verurteilen. Eine umfassende Untersuchung der Verbrechen
soll zur Festnahme und Bestrafung der Mörder führen. Außerdem muss die
Sicherheit der noch internierten Gefangenen gewährleistet werden.
[Während die westlichen Medien über eine
fragwürdige Aktion der Milizen gegen den IS in Sirte ausführlich berichten,
wird dieses Verbrechen auf skandalöse Weise totgeschwiegen.]
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/grausame-verbrechen-an-gefangenen
11.06. Bei einer Explosion in Bengasi wurden zwei
Zivilisten getötet und sechs verletzt. Es besteht die Befürchtung, dass es umso häufiger zu Anschlägen mit
Autobomben und zu Selbstmordattentaten kommt, je mehr die dschihadistischen
Milizen aus Bengasi verdrängt werden.
11.06. Der libysche Botschafter bei den Vereinten
Nationen, Ibrahim Dabbaschi, sagte, dass „die Vorstellung, die
‚Einheitsregierung‘ würde die Milizen kontrollieren“, unrealistisch sei, weil
die Kämpfer außerhalb jeder staatlichen Kontrolle operieren würden. Bis diese
bewaffneten Gruppen nicht ein bindendes Abkommen unterzeichnet hätten, ihre
Waffen abzugeben und die staatlichen Institutionen anzuerkennen, seien sie eine
Bedrohung für die ‚Einheitsregierung‘.
Weiter sagte er, sollte der IS aus Sirte vertrieben werden, würde Ansar
al-Scharia die Stadt übernehmen.
12.06. Ein Selbstmordattentäter hat sich 50 km hinter
der Frontlinie in einem Feldhospital der Misrata-Milizen mit einem Krankenwagen
in die Luft gesprengt. Vier
Personen wurden getötet, weitere neun verletzt.
12.06. Laut verschiedenen Berichten konnten IS-Führer
aus Sirte durch die Misrata-Linien entkommen und Richtung Süden fliehen.
12.06. Die militärische Einsatzzentrale von Misrata
hat bestätigt, dass britische und US-amerikanische Spezialkräfte bei der
Logistik und Aufklärung helfen.
12.06. In Tripolis hat der Großmufti Sadik Ghariani
die Misrata-geführten Bunjan-Marsous-Brigaden dazu aufgerufen, nach der
Vertreibung des IS aus Sirte weiter Richtung Osten zu marschieren, um das
gesamte Land von ‚Gaddafi-Resten‘ zu befreien.
13.06. Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat für die
UN-gestützte Friedensmission für Libyen (UN-SMIL) bis zum 15. Dezember 2016
verlängert.
Der Sicherheitsrat stuft Libyen
weiter als „eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit“
ein.
13.06. Heute fand die Bestattung der zwölf in
Tripolis erschossenen Häftlinge statt. Laut vivalibya.wordpress soll der
Vorsitzende des von der UN ernannten Präsidialrats in den Mord verwickelt sein.
Der libysche Aktivist Khaled Ghwell
fordert die Vereinten Nationen auf, ihrer Verantwortung bezüglich der
ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen nachzukommen.
13.06. Während in den meisten Gebieten von Tripolis
täglich bis zu 12 Stunden Stromausfall herrscht, haben verschiedene Milizen
(z.B. von Misrata, Zawija, Khoms, Dschebel Nafusa) Angestellte der
Elektrizitätsgesellschaft mit Gewalt gezwungen, in den von ihnen kontrollierten
Gebieten die Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Diese Überlastung könnte zum
kompletten Kollaps der Stromversorgung in Tripolis führen, warnt die
Elektrizitätsgesellschaft.
In einer Fernsehansprach gestand
‚Premier‘ Sarradsch ein, dass seine Regierung immer noch keine Kontrolle über
Tripolis außerhalb der Militärbasis Abu Sita habe. Die Ansprache wurde
allgemein als enttäuschend bewertet.
13.06. Amnestie International hat einen Bericht über
Gespräche veröffentlicht, die es mit 90 aus Libyen kommenden Flüchtlingen in
Süditalien geführt hat. Die Befragten beklagten die entsetzlichen Zustände in
den libyschen Auffanglagern und die Brutalität der libyschen Küstenwache. In den Auffanglagern werde misshandelt und gefoltert.
Auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge seien von der Küstenwache geschlagen und
beschossen worden. AI: „Europa sollte nicht einmal daran denken, mit Libyen
Abmachungen über die Rückführung von Flüchtlingen zu treffen, wenn es dort,
direkt oder indirekt, solche schockierenden Menschenrechtsverletzungen gibt.“
Siehe meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/bericht-von-amnesty-international
13.06. Russland wird gegen jede Resolution des
UN-Sicherheitsrats, die einen NATO-Einsatz in Libyen vorsieht, sein Veto
einlegen, sagte Moskaus
stellvertretender Außenminister Gennady Gatilov. Und ohne eine entsprechende
Resolution könne es keinen legalen Einsatz in Libyen geben. „Wir haben das
alles schon einmal vor ein paar Jahren erlebt und wissen, dass damals die
Entscheidung des Sicherheitsrats genau zum Gegenteil von dem geführt hat, was
im Dokument festgelegt war. Deshalb glaube ich nicht, dass wir dieses Mal einen
Einsatz der NATO in diesem Land absegnen werden.“
Moskau hat wiederholt betont, dass die NATO die UN-Resolution 1973 vom 11. März
2011 auf illegale Weise genutzt hat, um eine Flugverbotszone zu errichten und
alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, die eine fremde Besatzung ermöglichten.
14.06. Bei einer neuerlichen Versammlung des
Parlaments in Tobruk waren nicht ausreichend Abgeordnete anwesend, um eine
Abstimmung abhalten zu können.
Laut Fotos fanden sich in einem
fast leeren Saal nur eine Handvoll Personen ein.
Die Abu-Sita-Regierung ist somit vom Parlament immer noch nicht anerkannt. Die internationale
Gemeinschaft hat sich damit in die absurde Situation gebracht, dass sie
Sarradsch und seine Abu-Sita-Regierung als einzig legitime Regierung anerkennt,
während das Tobruk-Parlament die einzige legitime Legislative in Libyen
darstellt.
14.06. Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig der
Ausweitung der EU-Mission ‚Sophia‘ vor der libyschen Küste zugestimmt. Es sollen nunmehr nicht nur Schlepper
bekämpft und Flüchtlinge gerettet, sondern auch das Waffenembargo gegen Libyen
überwacht werden. Allerdings darf die Mission, die auch die Anwendung von
Gewalt erlaubt, nur in internationalen Gewässern und nicht in libyschen Hoheitsgewässern
tätig werden.
In Libyen sollen 20 Millionen Waffen unterwegs sein, die über Land und zu
Wasser ins Land geschmuggelt wurden.
Der stellvertretende ständige Vertreter Russlands hat vor den Vereinten
Nationen eine Stellungnahme abgegeben, in der er erklärte, Russland hätte sich
der Resolution 2292 angeschlossen, weil es den Eindruck hatte, sie diene der
Bekämpfung des illegalen Waffenhandels in Libyen. Nun hätte sich aber
Enttäuschung breitgemacht, denn einige Partner wollten die Brüsseler
Entscheidung auf die ‚Sophia-Mission’ ausweiten. Es gäbe einseitige Versuche,
sich über die Vorgaben von Skhirat hinwegzusetzen. Dies stelle eine gefährliche
Entwicklung dar, weil die Folgen der NATO-Aktionen sich negativ auf die
Stabilität im Mittelmeerraum, in Nordafrika und im ganzen Nahen Osten auswirken
könnten. Man denke an die weit ausgelegte Interpretation der Resolution 1973
von 2011.
Die Schaffung einsatzfähiger nationaler Streitkräfte mit einer zentralen
Befehlsgewalt in Libyen würde begrüßt, bis heute existierten solche Kräfte allerdings
nicht.
Ohne eine funktionierende Zentralregierung, eine loyale Armee und
Polizei, wird Libyen die zukünftigen Herausforderungen nicht bewältigen können.
Die vom Sicherheitsrat vertretene Resolution scheine eine versteckte Agenda zu
beinhalten, die sich gegen die Vereinigung des schon so lange leidenden Libyens
richte. Jemand suche eine ‚carte blanche’, um den Waffenzustrom nach Libyen so
zu kontrollieren, wie er es für richtig halte. Helfe man heute Libyern gegen
andere Libyer zu kämpfen, werde man sich von einer friedlichen Lösung noch
weiter entfernen. Dies zeige sich in der Anwesenheit von durch den Sicherheitsrat nicht genehmigten
Militärs in Libyen sowie durch den Zufluss ausländischer Terroristen. Diese
Tatsachen zu ignorieren könne nicht akzeptiert werden.
Dass es in Libyen Kräfte gibt, die loyal zu General Hefter stehen, und die den
IS und andere bewaffnete Kräfte zurückdrängen, könne ebenfalls nicht ignoriert
werden.
Die Beauftragten scheinen im Kampf gegen den IS und gegen die Anwesenheit von
Terroristen in Libyen nicht aufrichtig zu sein. Das Skhirat-Abkommen würde
unterstützt werden, allerdings sei darin die Zustimmung des Tobruk-Parlaments
vorgesehen. Trotz mehrerer Nachfragen sei darauf in der Resolution nicht
eingegangen worden.
Alle Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, nach Kräften regionale Konflikte zu
lösen, den Terrorismus zu bekämpfen und nicht nur ihre eigene Agenda durchsetzen
zu wollen.
Soweit der Vertreter Russlands.
14.06. Laut Julian Assange zeigen weitere
durchgesickerte E-Mails von Hillary Clinton, „dass die Außenministerin darauf
drang, den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi im Jahr 2011 zu stürzen,
während das Pentagon in dieser Sache eher zurückhaltend auftrat. Diese Politik
verfolgte Clinton offensichtlich in dem Wissen, welche Risiken mit einem Sturz
der libyschen Regierung verbunden sind. <Sie [das Pentagon] haben vorausgesagt, wie die Nachkriegs-Situation
aussehen wird, wie es ist, wenn ISIS das Land übernimmt>“.
In der unverschlüsselten Post über ihren privaten E-Mail-Server verschickte ‚Killary‘
auch Mails mit den echten Namen von CIA-Agenten und „sensible Informationen zum
Angriff auf das amerikanische Konsulat in Bengasi“.
Laut Wikileaks würden die Beweise (auch die Befehle von Drohnenangriffen wurden
über ihren privaten E-Mail-Account gesendet) ausreichen, um Clinton unter
Anklage zu stellen.
14.06. Der
tunesische Menschenrechtsaktivist Jounis Abu Flames schreibt, der IS und die
gegen ihn kämpfenden Moslembruderschaft-Milizen seien zwei Seiten ein und
derselben Medaille. Die betriebene Propaganda diene dazu, die Libyer glauben
zu machen, in Sirte fände ein Kampf gegen den Terrorismus statt. Dies würde
aber nicht den Tatsachen entsprechen. Denn in Wahrheit stünde die
Moslembruderschaft hinter den ganzen Terrormilizen, die in Libyen ihr Unwesen
treiben. Es sei eine falsche Wahrnehmung, dass die ‚Einheitsregierung‘ der
Moslembrüder die Stabilität in Libyen wiederherstellen würde. Diese Regierung sei
illegal und hätte nicht die Zustimmung des Tobruk-Parlaments, das international
anerkannt ist. Völlig klar sei, dass Tripolis vollkommen unter der Kontrolle
der Milizen stehe.
15.06. Auch die Stadt Ghat im Südwesten des Landes
leidet unter Stromausfällen. Die Wasserpumpen arbeiten nicht, das Trinkwasser
ist bei Temperaturen gut über 40° C knapp.
15.06. Da nicht ausreichend Abgeordnete anwesend
waren, ist das Tobruk-Parlament ein weiteres Mal mit dem Versuch gescheitert
eine Abstimmung abzuhalten, die die Abu-Sita-Regierung bestätigen sollte. Es wurde angeführt, Sarradsch gelinge es offensichtlich
nicht einmal, die Kontrolle über Tripolis zu erlangen.
16.06. In der zweiten Nacht in Folge eskalieren in Tripolis
die Proteste gegen die andauernden Stromausfälle. Seit es in einigen
Stadtteilen bei Temperaturen über 44° C nur noch eine Stunde Strom am Tag gibt,
brennen auch Autoreifen. Es kommt zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Die
Demonstranten machen die Abu-Sita-Regierung für das Chaos in Libyen
verantwortlich. Das
Elektrizitätswerk sieht keine Möglichkeit, etwas gegen die Stromausfälle zu
unternehmen, und befürchtet den totalen Zusammenbruch des Stromnetzes.
16.06. JamahiriyaNewsAgency: Achmed Gaddaf Addam
erklärt, er werde aufgrund der Vorgänge in Sirte und den Morden an
Dschamahirija-Gefangenen in Tripolis den Dialog der nationalen Versöhnung zukünftig
ablehnen und sich dem bewaffneten Widerstand anschließen.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/bewaffneter-widerstand-und-brennende-reifen
16.06. Bei einem Selbstmordattentat starben in Abu
Grain (120 km südlich von Misrata) zehn Menschen. Sieben weitere wurden
verwundet. Der Attentäter hatte sich
vor einer Polizeistation in die Luft gesprengt.
Zwei weitere Bombenattentate in Sirte konnten verhindert werden.
16.06. Der Journalist Ernst Wolff hat in einem
Artikel die Frage, wie die USA verhindern können, dass ihre Fracking-Firmen
aufgrund des niedrigen Ölpreises Konkurs anmelden müssen und damit das globale
Finanzgefüge ins Wanken bringen, wie folgt beantwortet: In Nigeria seien
mehrere Ölquellen – nach offizieller Lesart vom IS – zerstört worden, was eine
Verknappung des Angebots und eine Erhöhung des Ölpreises zur Folge hatte. So konnte auch die Zerstörung größerer
Ölquellen im Nahen Osten den Ölpreis in die Höhe treiben und die Fracking-Industrie
der USA und somit auch die Großbanken als deren Kreditgeber retten. Um Kriege
im Nahen Osten anzetteln zu können, brauche man den IS. Die westliche
Bevölkerung werde durch den IS in Angst und Schrecken versetzt und er liefere
die Begründung für die Notwendigkeit, in Nahost Kriege zu führen.
Nach diesem Szenario dürften die USA
ein großes Interesse daran haben, die Ölförderung in Libyen komplett einbrechen
zu lassen und den IS nicht wirklich zu bekämpfen: Libysches Öl auf dem
Weltmarkt ließe die Ölpreise noch weiter sinken.
17.06. Amnesty International erklärte, dass die zwölf
getöteten ehemaligen Gaddafi-Soldaten vor ihrem Tod nicht ihren Familien
übergeben worden waren. Sie müssen also noch im Ruwaimi-Gefängnis ermordet
worden sein, d.h. der Gefängnisdirektor muss gelogen haben.
AI erklärte weiter: „Seit 2011 werden tausende Menschen gefangen gehalten, ohne
dass ihnen der Prozess gemacht wird. Viele werden ohne Anklage oder
Gerichtsverfahren, gerichtliche Überprüfung oder Zugang zu Anwälten
festgehalten. AI kritisierte auch
den Internationalen Gerichtshof, der, obwohl er immer noch über die libysche
Gerichtsbarkeit befindet und es eine umfangreiche Dokumentation über
Menschenrechtsverletzungen gibt, seine Untersuchungen nicht auf fortdauernde
Verbrechen gegen das internationale Recht ausgedehnt hat.
Auch die libyschen Behörden werden aufgefordert, endlich Maßnahmen zu
ergreifen, um die Gesetzlosigkeit zu beenden. Es müsse eine umfassende und unabhängige
Untersuchung der Morde erfolgen und die Tatverdächtigen vor Gericht gestellt
werden.
17.06. Bei der Explosion einer Granate wurden in
Bengasi drei Soldaten getötet und sieben verletzt.
17.06. An der Straße nach Sirte wurden zwei Soldaten
bei einem IS-Selbstmordanschlag verletzt.
18.06. Eine neu gegründete dschihadistische Miliz, die
‚Bengasi-Verteidigungsbrigade’, hat versucht, das Industriegebiet von Ajdabija
zu erobern. Sie wurde aber von Unterstützern der Libyschen Nationalarmee
zurückgeschlagen. Bei dieser neuen
Miliz handelt es sich um aus Bengasi geflohene Dschihadisten unter Führung von
Zijad Bilem, der 2014 bei Kämpfen in Bengasi schwer verwundet und in der Türkei behandelt wurde. Seit einiger
Zeit befindet er sich wieder in Libyen.
Ein Sprecher der Libyschen Nationalarmee beschuldigte den Anführer der
Petroleum Facilities Guards (PFG), Ibrahim Dschedhren, der Miliz beim
Eindringen in die Stadt geholfen zu haben. Dschedhren hatte sich der Abu-Sita-Regierung
angeschlossen. Sein Bruder Salim, der sich dem IS angeschlossen hat, ist
Bürgermeister von Ajdabija.
19.06. Die islamistische ‚Bengasi-Verteidigungsbrigade’,
die aus Ajdabija abgedrängt wurde, hat Städte und Dörfer zwischen Ajdabija und
Bengasi gewarnt, ihrem Marsch nach Bengasi nicht im Weg zu stehen, da sie sonst
vernichtet würden. Es sollen sich
auch Dschihadisten aus Tripolis der Brigade angeschlossen haben. Vier Soldaten
der Libyschen Nationalarmee fanden bei Kämpfen mit der Brigade den Tod.
19.06. Ein Stromausfall und somit ein Ausfall der
Wasserpumpen in den Hasawna-Bergen (südliches Libyen) hat dazu geführt, dass es
in Tripolis in einigen Bezirken zwei Tage lang keine Wasserversorgung mehr gab,
in anderen Bezirken kam es zu einem starken Druckabfall. In den Hasawna-Bergen
befinden sich die Quellen des Man-Made-River.
20.06. Bengasi, wo es seit längerem zu täglichen
Stromausfällen von bis zu acht Stunden kommt, ist nun auch von der
Wasserversorgung abgeschnitten. Die
Stromleitung zwischen Ajdabija und Bengasi ist wegen der anhaltenden Kämpfe
zwischen der Libyschen Nationalarmee und der ‚Bengasi-Verteidungsbrigade’
unterbrochen.
In Tripolis dauern die Stromausfälle an und Teile der Stadt sind bereits seit
vier Tagen von der Wasserversorgung abgeschnitten.
20.06. MiG-Flugzeuge der Libyschen Nationalarmee
bombardieren Stellungen der ‚Bengasi-Verteidigungsbrigade’ südlich von
Ajdabija.
20.06. Auch heute konnte das Tobruk-Parlament keine
formale Sitzung abhalten, da weniger als 20 Abgeordnete anwesend waren.
20.06. Der Direktor des Krankenhauses von Bani Walid
bat dringend um Hilfe, da er sonst das Krankenhaus mangels Medikamente
schließen müsse. Bereits 80 Prozent
des Personals mussten heimgeschickt werden. Dabei versorge das Krankenhaus auch
die vielen Flüchtlinge aus Sirte, Bengasi und aus dem Wadi Zezem.
Misrata lässt jegliche Unterstützung für die Gaddafi-Stadt Bani Walid, der sie
in Feindschaft verbunden ist, vermissen.
21.06. Bei
der Explosion eines Munitionslagers in Garabulli sind etwa 40 Bewohner der
Stadt ums Leben gekommen, viele wurden verletzt. Ausgelöst wurden die
Vorgänge, als ein Kämpfer einer Misrata-Einheit nach einem Einkauf in einem
Laden in Garabulli nicht bezahlen wollte und ihn beim Streit der Ladenbesitzer
ins Bein schoss. Kameraden des Kämpfers zündeten daraufhin den Laden an und
demolierten das Haus des Ladenbesitzers. Bei Morgengrauen griffen dann junge
Männer aus Garabulli drei Militärlager von Misrata-Milizen an. Dabei kam es zur
Explosion des Munitionslagers, nachdem es von Misrata-Milizen mit Granaten in
Brand geschossen worden war.
Bei den Kämpfen kamen mindestens 30 Stadtbewohner ums Leben, 25 wurden
verwundet. Ein Misrata-Bataillon soll sein Lager aufgegeben und sich
zurückgezogen haben. Dem Bataillon wird vorgeworfen, auch in den
Menschenschmuggel verwickelt zu sein, für den Garabulli und Zuwara Drehscheiben
sind.
Der Hohe Rat der libyschen Stämme und Städte hat die Vorgänge als Verbrechen
bezeichnet, für das Misrata verantwortlich sei. Auch eine Gruppe Abgeordnete
des Tobruk-Parlaments machte die bewaffneten ‚Terror-Milizen’ von Misrata für
dieses Kriegsverbrechen verantwortlich. Ebenso hätten der Präsidialrat
und Martin Kobler dafür Verantwortung zu tragen. Der Premierminister der
Tobruk-Regierung, Abdullah Thinni, forderte eine Untersuchung durch eine internationale
Kommission und dass die Verantwortlichen vor den Internationalen Gerichtshof in
Den Haag gestellt werden.
Beamte aus Misrata sagten, sie seien
über die Vorkommnisse entsetzt. Die Milizen hätten kriminell gehandelt und ihre
Rückkehr nach Misrata sei nicht erwünscht.
Die Hauptstraße Tripoli – Misrata ist bei Garabulli wegen gewalttätiger
Zusammenstöße zwischen lokalen Milizen und Misrata-Milizen blockiert.
21.06. Die von Khalifa Ghwell geführte, sogenannte
‚Regierung der Nationalen Aussöhnung’ (Government of National Salvation) sagt
der ‚Bengasi-Verteidigungsbrigade’ bei ihren Angriffen auf Ajdabija ihre
Unterstützung zu, denn Ajdabija und Bengasi müssten von Gaddafisten befreit
werden. Diese dritte ‚Aussöhnungs-Regierung’,
die ihren Sitz immer noch in Tripolis hat, wird von der internationalen
Gemeinschaft aber ebenso ignoriert wie von den meisten Milizen. Die Abu-Sita-Regierung
bezeichnet die Anhänger der Ghwell-Regierung als Terroristen.
Khalifa Ghwell gab der NZZ ein Interview. Darin bestritt er, aus Tripolis
geflohen zu sein und seine Ämter aufgegeben zu haben. Seine ‚Regierung der
Nationalen Aussöhnung’ führe weiterhin in Tripolis die Geschäfte. Die
sogenannte ‚Einheitsregierung’ unter Sarradsch habe in Libyen keinerlei
Autorität und Legitimität und verfüge auch über keinen Rückhalt in der
Bevölkerung. Sie sei vom Ausland eingesetzt und nie vereidigt worden. Seine
Ministerien führten weiterhin mit Hilfe der Miliz Libyscher Fadschr
(Morgendämmerung) die Ministerien. Sie stünden kurz vor dem Sturm auf Sirte, um
den IS zu verjagen. Sarradsch würde sich damit begnügen, auf Auslandsreisen zu
gehen, Diplomaten zu empfangen und zu versuchen, der ‚Aussöhnungsregierung’ den
Zugang zur Zentralbank zu sperren. Die Fadschr-Miliz werde keine vom Ausland
eingesetzte Regierung akzeptieren. Seine Regierung führe auch Verhandlungen mit
Vertretern General Hefters in Tobruk, werde jedoch dessen Beteiligung an der
Macht nicht akzeptieren.
21.06. Die Mission ‚Sophia’ vor der Küste Libyens
wird ausgeweitet, das haben die Außenminister der EU auf einer Sitzung in
Luxemburg beschlossen. Hinzukommen soll die Hilfe beim Aufbau einer libyschen
Küstenwache und Marine.
22.06. Eine Gruppe Jugendlicher aus Garabulli
zerstörte einen Checkpoint der Misrata-Milizen auf der Straße Richtung Gasr
al-Akhjar.
22.06. Laut der Displacement Tracking Matrix (DTM) befinden
sich in Libyen 425.250 Menschen auf der Flucht, 80 % von ihnen stammen aus den
Städten Bengasi, Sirte, Tawerga und Derna. Die Gegenden, die am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, sind Bengasi,
Bani Walid, Al-Baida und Abu Salim. Hauptfluchtursachen sind verschlechterte
Sicherheitsbedingungen, v.a. durch den militärischen Konflikt um Sirte,
Verschlechterung bei der öffentlichen Grundversorung (Wasser, Strom),
verschlechterte wirtschaftliche Situation (hohe Inflation, Mangel an Bargeld,
ausbleibende Lohnzahlungen).
Auf Spannungen zwischen den Bewohnern der Städte, die viele Flüchtlinge
aufgenommen haben, und den Flüchtlingen gibt es noch keine Hinweise. Allerdings
führen die Benzinknappheit und der schlechte und unsichere Zustand der Straßen
zu schwierigen Bedingungen für den Transport von Waren und Hilfsgütern.
Daneben wird berichtet, dass 258.025 Personen auch wieder an ihre Wohnorte
(v.a. nach al-Maja, Assahrah, Bengasi, al-Asisijah und Sawani bin Adam)
zurückgekehrt sind. Diese stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre Häuser und
Gemeinden wieder aufzubauen.
Die Zahl der Migranten in Libyen beträgt 264.014. Sie sind verstreut auf 516
verschiedene Orte. Drei Prozent werden in Gefangenenlagern festgehalten. Die
meisten Ausländer, 22 Prozent, stammen aus dem Niger. Der Anteil von Syrern
liegt bei nur einem Prozent.
Libyen ist ein Land, das von komplexen Migrantenrouten und –bewegungen
gekennzeichnet ist, da Migranten Libyen sowohl als Durchgangsland betrachten
als auch als Zielland. Viele nehmen auch immer wieder Ortswechsel innerhalb
Libyens vor.
23.06. An dem Begräbnis von zwölf Opfern der
Explosion eines Munitionslagers am 21.6. , ausgelöst durch eine Misrata-Miliz,
nahmen heute Tausende Bewohner von Garabulli teil. In den nächsten Tagen folgen
weitere Begräbnisse, bei denen mit noch mehr Teilnehmern gerechnet wird.
24.06. In ganz Tripolis verschärfen sich – vor allem
seit den Geschehnissen in Garabulli – die massiven Proteste gegen die
Anwesenheit von Misrata-Milizen in der Stadt. Im Westen der Stadt kommt es zu
Straßenblockaden, Autoreifen brennen.
Nachdem ein Kind erschossen wurde, das mit seinem Vater im Auto unterwegs war, kommt
es zu Zusammenstößen zwischen verschiedenen Milizen.
24.06. Bei einer Bombenexplosion vor dem Krankenhaus
in Bengasi finden fünf Menschen den Tod, 13 weitere werden verletzt. Das Attentat geht vermutlich auf den IS oder
Ansar al-Scharia zurück, die in den letzten Wochen herbe Verluste durch die
Libysche Nationalarmee hinnehmen mussten.
24.06. Ein weiteres wichtiges IS-Hauptlager wurde in
Ganfuda von der Libyschen Nationalarmee erobert. Es erfolgten dort auch verstärkt Luftangriffe.
24.06. Ein Pressefotograph wurde in Gwrasha von einem
Scharfschützen erschossen.
24.06. Sputik
News berichtet, dass der für das Africa Commando (AFRICOM) vorgeschlagene General
Thomas Waldhauser bei einer Befragung vor dem amerikanischen Kongress sagte, er
unterstütze eine stärkere militärische Präsenz in Libyen. Er vertrat die Meinung, dass die Anwesenheit
des IS in Libyen für die USA eine permanente Bedrohung darstelle. Er fügte
hinzu, dass es keinen Sinn mache, dass Land nicht zu bombardieren. Für seine
Aussagen wurde Waldhauser große Zustimmung zuteil.
24.06. JamahariyaNewsAgency: Libyen braucht keine
ausländische Intervention. Wenn alle ausländischen Kräfte sofort das Land
verlassen und aufhören, in Libyen Terroristen zu finanzieren und zu
unterstützen, sowie den Versuch unterlassen, eine illegitime Regierung dem
libyschen Volk aufzuzwingen, um damit ein gewähltes Parlament und die Libysche
Nationalarmee zu verdrängen, und die Stämme und die libysche Armee ungehindert
zusammenarbeiten ließen, würde Libyen innerhalb kürzester Zeit von allen
dschihadistischen Terroristen befreit sein und das Land wäre wieder vereint.
25.06. General Hefter erklärte in Bengasi, er sei der
Überzeugung, die Mehrheit der Menschen in Misrata wünschten sich Frieden. Man dürfe Milizenkommandeuren nicht trauen,
die behaupteten, die Stadt Misrata zu vertreten. „Wir alle haben Verwandte, Freunde und Geschäftspartner
in Misrata. Wir werden sie niemals fallen lassen.“ Diese Aussagen werden als
Friedensangebot an Misrata gedeutet. Hefter meinte, es gäbe auch in Tripolis
Milizenführer, mit denen die Armee begrenzt zusammenarbeiten könne, zum
Beispiel mit dem Anführer der Rada-Security-Force, die den Flughafen
kontrolliert. Allerdings sei eine Zusammenarbeit mit der Libyan Islamic
Fighting Group LIFG völlig ausgeschlossen, da sie ein al-Kaida-Ableger sei.
26.06. Drei Stadträte von Ajdabija haben die Absetzung
des Bürgermeisters Salim Dschedhren gefordert. Salim Dschedhren ist der Bruder
von Ibrahim Dschedhren, dem Anführer der Petroleum Facilities Guard (PFG). Salim Dschedhren wird vorgeworfen, sein Amt
zu seinem eigenen Vorteil missbraucht zu haben. Die Stadträte seien auch gegen
Gespräche gewesen, die Dschedhren in Tripolis mit der Abu-Sita-Regierung’
geführt hat. Denn sie weigerten sich, jemanden anzuerkennen, der die Libyan
Islamic Fighting Group LIFG oder die Moslembruderschaft unterstützt.
Die drei Stadträte werden von den Stämmen der Gegend ebenso wie von anderen
Stadträten unterstützt.
Siehe auch 09.06.: Ibrahim Dschedhren
26.06. Sarradsch gibt zu, dass sich ausländisches
Militär in Libyen aufhält. Er schließe eine Bitte nach weiterer Verstärkung
nicht aus, diese stehe aber nicht unmittelbar bevor.
26.06. General
Khalifa Hefter ist nach einem Aufenthalt in Kairo, wo ihm die ägyptische
Regierung logistische und Waffenhilfe sowie Unterstützung bei der militärischen
Ausbildung zusagte, weiter nach Moskau geflogen, um Ersatzteile für Kampfjets
und Waffen zu erbitten.
Voraussichtlich wird Moskau nicht bereit sein, das UN-Waffenembargo zu brechen,
aber die Libysche Nationalarmee wohl technisch und mit geheimdienstlichen
Informationen unterstützen.
27.06. Ein Arzt aus dem Sudan ist in Kufra erschossen
aufgefunden worden. Er war an Armen und Beinen gefesselt und hatte Verletzungen
am Kopf.
27.06. In Tripolis haben Mitarbeiter des
Strafvollzugs einen 24-Stunden-Streik begonnen und damit gedroht, alle
Gefangenen auf freien Fuß zu setzen, wenn sie weiterhin kein Geld für die
Versorgung der Gefangenen mit Essen bekommen. Es drohten sonst in den Gefängnissen Hungeraufstände.
27.06. Schwere Artilleriegefechte werden aus dem
Ganfouda-Distrikt in Bengasi gemeldet. Dort haben sich noch Kämpfer von IS,
Ansar al-Scharia und Bengasi-Revolutions-Schura-Rat verschanzt. Aus islamistischen Posts im Internet lässt
sich schließen, dass die Islamisten die Schlacht um Bengasi als definitiv
verloren ansehen.
27.06. Die Verteidiger von Saif al-Islam Gaddafi gaben
in Den Haag eine Pressekonferenz, in der sie über die politische Situation in
Libyen und die dortige Menschenrechtssituation berichteten.
28.06. Bengasi-Gate: Ein 800
Seiten umfassender Bericht über die Vorgänge um den Angriff auf das
amerikanische Konsulat in Bengasi 2012 und die Rolle, die Hillary Clinton dabei
spielte, wurde vom Untersuchungsausschuss des Kongresses veröffentlicht. Dabei kam es zu dem
überraschenden Ergebnis, dass die verbliebenen Mitarbeiter der Botschaft
letztendlich von Gaddafi-Leuten gerettet und in Sicherheit gebracht worden
waren.
Ein damaliger Vermittler aus Bengasi sagte aus: „Wir sahen ein, dass die
Situation auf dem Gelände unhaltbar war. Wir hatten nicht genügend Schützen und
es gab zu viele Verletzte.“ Und weiter: „Der Trupp, der uns kurz nach dem
Beschuss des Nebengebäudes mit Mörsergranaten zu Hilfe kam, konnte das gesamte
Personal des Außenministeriums und der CIA sicher zum Flughafen bringen. Dieser
Trupp, bekannt als militärischer Geheimdienst Libyens, kam mit 50 schwer
bewaffneten Fahrzeugen.“
Das amerikanische Außenministerium hatte unter Clinton lokale Milizen unter
Vertrag genommen, die nicht bereit waren, die US-Amerikaner zu befreien. Diese Milizen
hätten zwei Tage vor der Ankunft des Botschafters in Bengasi angekündigt, sie
würden das Gelände nicht mehr absichern. In dem Bericht heißt es, dass
stattdessen ein Trupp des libyschen militärischen Geheimdienstes, von deren
Existenz die CIA bis zu dem Angriff nichts ahnte, die US-Amerikaner in
Sicherheit gebracht hätten. Der Trupp bestand aus früheren Offizieren des
Gaddafi-Militärs, die sich aus Angst, von Milizen ermordet zu werden, versteckt
hatten und sich so ruhig wie möglich verhielten, um ihre Anwesenheit in Bengasi
nicht zu verraten. Der Bericht vermerkt: „Genau jene Libyer, die die USA
während der Revolution entmachtet hatten, waren die einzigen, die in der Nacht
des Bengasi-Angriffs den USA zur Seite standen – und damit wahrscheinlich dutzende
Leben retteten.“
Der Ausschussbericht wirft Hillary Clinton in
diesem Zusammenhang schwere Versäumnisse vor, unter anderem auch, dass die
US-Regierung erst Tage nach dem Anschlag zugab, dass der Angriff in Bengasi keine
spontane Reaktion einer aufgebrachten Menschenmenge auf einen islamfeindlichen
Film gewesen war, sondern ein von langer Hand geplanter Terroranschlag.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/06/29/libyen-bericht-erhebt-schwere-anschuldigungen-gegen-hillary-clinton/
Da vor dem NATO-Krieg gegen Libyen eine
enge Zusammenarbeit zwischen den libyschen Geheimdiensten und der CIA im Kampf
gegen den dschihadistischen Islamismus bestand, könnten persönliche Kontakte
zum Eingreifen des libyschen Geheimdienstes geführt haben. 2011 waren etliche
Mitarbeiter des amerikanischen Außenministeriums und der CIA gegen den Verrat
an Gaddafi.
Aus: needfultruth.wordpress.com – jamahiriyanewsagency.wordpress.com –
libyaherald.com – vivalibya.wordpress.com – libyaagainstsuperpowermedia.org –
heute.de – deutsch.rt.com – süddeutsche zeitung –
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cbsnews.com – sputnik-news.com – neue züricher zeitung