Dienstag, 28. Juli 2020



Unterschiedliche Rollen: Türkei und Ägypten

Libyen. An-Nayed: Die Türkei kolonisiert das Land, ihre Militärpräsenz ist Besatzung. Wer die Rolle der Stämme leugne, versteht die Geschichte Libyens und sein Sozialgefüge nicht 

Der frühere Botschafter und Vorsitzende der libyschen Ihya-Bewegung, Dr. Aref an-Nayed, gab am 16.07. SkyNewsArabia ein Interview. Darin vertritt er die Auffassung, dass der ägyptische Präsident as-Sisi sensibel auf die Gefühle der Libyer eingeht, während der türkische Stabschef eine „arrogante“ Rede in Mitiga gehalten habe, bei der keine libyschen Vertreter anwesend waren, nicht einmal Verbündete innerhalb der ‚Einheitsregierung‘.
Er fragt: „Wie kann sich der libysche Präsidialrat in eine Situation begeben, in der ein türkischer Stabschef Vorträge auf dem libyschen Mitiga-Luftwaffenstützpunkt hält, ohne dass dabei ein einziger Libyer anwesend ist? Es ist verblüffend anzusehen, wie er [der türkische Stabschef] in Misrata ankam, aus dem Hubschreiber stieg und der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ [Fathi Bashagha] ihn bis zur Tür der türkischen Einsatzzentrale begleitete und dort wartete, während der türkische Stabschef eintrat, sich mit Türken traf, eine Rede auf Türkisch hielt, dann den Raum wieder verließ und der Innenminister ihn zurück zum Flugzeug begleitete. So etwas hatten die Libyer seit 1910, der Zeit des Kolonialismus, nicht mehr gesehen.“
Nayed bezeichnet die türkische Militärpräsenz zur Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ als „Besatzung“ der Militärstützpunkte Mitiga und al-Watiya. Syrische Söldner würden von Bashagha, dem Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, in libysche Polizeiuniformen gesteckt und dieser brüstete sich damit, wenn diese die Jugend in Tripolis, Misrata und Zawiya schikanierten.

Das Verhalten Erdogans in Libyen bezeichnet Nayed als „pathologisch“. „Erdogan zeigt seinen unersättlichen Ehrgeiz nicht nur in Libyen, sondern auch in Tunesien, Algerien und Nordafrika ganz offen, indem er sich auf das osmanische Erbe und das libysche Volk türkischer und nichttürkischer Herkunft bezieht. Dies sind neue koloniale Tricks".
Nayed sagt, dass Erdogans Handlungen den Präsidenten des libyschen Parlaments, Aguila Saleh, bei seiner Rede als Oberbefehlshaber der libyschen Streitkräfte vor dem ägyptischen Parlament veranlassten, Ägypten um eine Intervention in Libyen zu bitten. Dieser Schritt sei keineswegs ungewöhnlich gewesen, sondern auf ein Schreiben des libyschen Parlaments vom 13.07. und dem Besuch der Scheichs der libyschen Stämme gefolgt.

Nayed verweist auf das Treffen in Kairo zwischen dem ägyptischen Präsidenten und hochrangigen Stammesvertretern aus allen Teilen Libyens. Er wiederholt, dass Libyen über ein rechtmäßiges, vom Volk gewähltes und international anerkanntes Parlament (Repräsentantenhaus/HOR) verfügt und dass dieses Parlament eine Armee und eine Regierung hat. „Es stimmt zwar, dass die ‚Einheitsregierung‘ leider international anerkannt ist, aber sie hat nicht das Vertrauen des Parlaments und wird von der libyschen Justiz nicht anerkannt. Sie hat mehr als 17 Verfahren aufgrund ihrer mangelnden Befugnisse verloren.“
Bezüglich der Rolle der libyschen Stämme sagt Nayed: „Die Mehrheit der Bevölkerung in Libyen, selbst in den Städten und in der Hauptstadt Tripolis, gehört Stämmen an. Niemand kann deren Bedeutung und die ihrer Scheichs leugnen. Sie autorisierten die libysche Armee, sie wiesen ihre Kinder an, für Libyen zu kämpfen, um das Land aus dem Griff des Terrorismus und der Übernahme der Zentralbank durch die Muslimbruderschaft zu befreien“. Die Stämme würden den libyschen Staat stärken, ohne sie kann das Parlament nicht effektiv arbeiten. Wer die Rolle der Stämme leugne, verstehe weder die Geschichte Libyens noch dessen soziales Gefüge.
Bezüglich einer ägyptischen Intervention meint Nayed: „Alle Optionen sind möglich. Wie ich persönlich meine, würde es reichen, wenn Ägypten den Luftraum schützt, libysche Gewässer vor der türkischen Marine sichert und die libysche Armee technisch unterstützt. Die Libyer können ihr Land selbst verteidigen, die libyschen Stämme haben darin eine lange Erfahrung.“ Er fügte hinzu: „Wir sprechen nicht von einer ägyptischen Invasion. Dem ägyptischen Präsidenten war das klar. Er sprach nicht von einer ägyptischen Besatzung, wie dies leider türkische Medien in Tripolis behaupten. Die Kapazitäten der ägyptischen Armee in Anspruch zu nehmen, ist aufgrund der türkischen Intervention und dem militärischen Ungleichgewicht, verursacht durch türkische Drohnen, moderne Technik, Radar und Luftabwehr, notwendig geworden. Dieses Ungleichgewicht nötigte die libysche Nationalarmee, sich aus Tripolis, Tarhuna und Bani Walid zurückzuziehen, nachdem sie bis auf sechs Kilometer ins Zentrum der Hauptstadt vorgerückt war. Dieser Rückzug hat die ‚Einheitsregierung‘ zu Arroganz verleitet, insbesondere die von Khaled al-Mishri angeführte Muslimbruderschaft, die davon sprach, die Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ auf ganz Libyen auszudehnen. Dies wird ihnen niemals gelingen.“

Sirte und al-Dschufra seien die von Ägypten gezogenen roten Linien. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich die LNA bei einem Angriff auf das Halten dieser Verteidigungslinie beschränken würde, sondern beabsichtige, weiter vorzurücken, auch auf Misrata, Tripolis und Zuwara.
Libyen gehöre der Liga der Arabischen Staaten (LAS) an, zwischen denen es ein Verteidigungsabkommen gebe, das allerdings nur mangelhaft umgesetzt werde. Die arabischen Länder hätten die Pflicht, sich gegenseitig gegen jede ausländische Invasion zu verteidigen: „Die türkische Invasion ist eine ausländische Invasion, die von allen Arabern bekämpft werden muss, nicht nur von Ägypten, sondern auch von Algerien, Tunesien, Saudi-Arabien, Bahrain, Jordanien und dem Sudan sowie von allen anderen arabischen Ländern, die sich der anerkennenswerten ägyptischen Position anschließen müssen“.

Nayed verweist auf die während der Ära von Oberst Muammar Gaddafi geschlossenen Verteidigungsabkommen mit Ägypten, die immer noch gültig seien und die rechtliche Seite einer ägyptischen Intervention in Libyen abdecken.
Die türkische Intervention habe ein völlig neues Niveau erreicht, auch durch die Übernahme der politischen Führungsrolle in Tripolis. Unter der Leitung des türkischen Geheimdienstchefs habe eine riesige türkische Delegation Libyen besucht: „Sie brachten ihre Wirtschaftsexperten und Vertreter türkischer Banken mit, einschließlich des Managers der Ziraat-Bank, der kam, um al-Miri, die alte osmanische Steuer, wieder einzutreiben.“

Nayed vertritt die Ansicht, dass das libysche Volk und die Armee das Land aus dem Sumpf der Moslembruderschaft retten müsse, da diese inzwischen den Staat kontrolliere. Deshalb habe das Parlament die ägyptische Armee um Hilfe gebeten. Dies sei völlig gegensätzlich zu den Abkommen, die die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis mit der Türkei geschlossen habe. Diese Abkommen habe das Parlament nie ratifiziert, da das Parlament der Regierung Sarradsch kein Vertrauen ausgesprochen habe. Daher seien laut dem Gesetz alle von ihr geschlossenen Abkommen null und nichtig.
Zur Ernennung des Parlamentssprechers als Vertreter bei der Europäischen und Afrikanischen Union und den USA sagt an-Nayed: „Alle diese Länder erkennen die Rechtmäßigkeit des libyschen Parlaments an, empfangen dessen Sprecher [Aguila Saleh] wie ein Staatsoberhaupt und statten ihm Besuche in seinem Hauptquartier in al-Qubbah ab. Wir bemühen uns, diese Beziehungen zu festigen und zu stärken, aber bedauerlicherweise zeigen einige Länder größeres Interesse an einer Regierung, die Blankoschecks ausstellt. Diese Regierung hat dies für Italien und die Türkei getan und Abkommen unterzeichnet, die das Parlament nicht akzeptiert. Dies liegt leider im Interesse einiger Länder, aber wir appellieren an die Liga der Arabischen Staaten, die Initiative zu ergreifen und die Anerkennung dieses ungerechten und unrechtmäßigen Präsidialrats zurückzuziehen“.
Zur Möglichkeit, eine politische Lösung zu finden, meint Nayed: „Dies ist nur möglich, wenn die ‚Einheitsregierung‘ die 12.000 türkischen Söldner entfernt, von denen die meisten Terroristen sind und die jetzt in den Uniformen der libyschen Polizei und Armee stecken und eine Ausbildung bekommen. Sie sollten dorthin zurückkehren, woher sie gekommen sind. Wenn Erdogan sie so sehr bewundert, soll er sie in die Türkei holen. Die ‚Einheitsregierung‘ sollte auch die türkische Armee in ihren Einsatzzentralen auffordern zu gehen, denn sie kolonisieren unsere libyschen Stützpunkte. Dann wird es eine politische Lösung geben. Andernfalls wird es nie zu einer politischen Lösung kommen“.

https://almarsad.co/en/2020/07/17/video-nayed-says-egyptian-moves-are-legitimate-confirms-bashagha-is-bullying-tripoli-with-his-syrian-militias/



Parlamentarische Standortbestimmung

Libyen. In einem Fernsehinterview sprach der Sondergesandte des libyschen Parlaments, Aref Ali Nayed, über die jüngsten Entwicklungen im Libyen-Konflikt. 


Das libysche Parlament und die USA
Befragt zu dem jüngst stattgefundenen Gespräch zwischen dem Parlamentspräsidenten Aguila Saleh und dem US-Botschafter in Libyen sagte Nayed, es gebe einen ständigen Austausch zwischen den beiden Stellen. Diesmal sei es um die National Oil Corporation (NOC), die ausländische Intervention und die Spannungen zwischen der LNA und der ‚Einheitsregierung‘ bezüglich der Städte Sirte und Dschufra gegangen.

Probleme mit CBL und NOC
Das Problem bei der Ölförderung bestünde daran, dass die Öleinnahmen an die Libysche Zentralbank (CBL) fließen, die vollständig unter der Kontrolle der Muslimbruderschaft stehe. Mehr als neun leitende Manager gehörten der Muslimbruderschaft an und auch deren Chef, Siddiq al-Kebir habe all die Jahre für die Muslimbruderschaft gearbeitet.
Auch mit der NOC gebe es ein großes Problem. Dessen Leiter Mustafa Sanella pocht auf seine Unabhängigkeit und Neutralität. Dies sei aber irreführend, denn das NOC müsse unter der Aufsicht des Parlaments stehen.
Darüber hinaus gebe es ein Problem, über welche Unternehmen das Öl exportiert werde. Einige Unternehmen, die Verbindungen zur Moslembruderschaft haben, stehen in der Schweiz. Deshalb müssten auch der Ölexport und die zugrunde liegenden Verträge überprüft werden.
Die NOC habe ihre Flugzeuge zum Transport militärischer Ausrüstung der ‚Einheitsregierung‘ zur Verfügung gestellt. Gebiete, die die ‚Einheitsregierung‘ nicht unterstützten, seien von Gas- und Benzinlieferungen abgeschnitten worden, so z.B. das südliche Libyen wegen dessen Unterstützung für die LNA.
Die NOC unter Sanella sei niemals wirklich neutral gewesen. Deshalb fordere das Parlament, dass neben Sanella auch eine Vertrauensperson des Parlaments die NOC leitet und beide gemeinsam bei Verträgen unterschriftspflichtig sind. Sanella und Kebir wollten das Monopol über die Ressourcen des libyschen Volkes und forderten deshalb die Wiedereröffnung der Ölanlagen. Das Parlament wünschte ein separates Konto für Öleinnahmen, doch es wurde darauf bestanden, dass dieses Konto unter der Kontrolle von Sanella steht. Tatsächlich seien die letzten Verhandlungen an dieser Frage gescheitert.

Bilaterale Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei
Zu den auf höchster Ebene stattfindenden russisch-türkischen Konsultationen beispielsweise zur Frage des Waffenstillstands meinte Nayed, dass jede internationale Konsultation, wie beispielsweise die zwischen Präsident Macron und Präsident Trump oder Präsident Trump und Präsident as-Sisi, begrüßt werde. Nicht gutgeheißen würde allerdings, wenn Absprachen auf Kosten des libyschen Volkes, des Parlaments, der Parlamentsregierung und der LNA getroffen würden. Man beobachte diese Entwicklung, sei aber zuversichtlich, dass die russische Seite keine Abmachungen auf Kosten Libyens treffe und auch keine Deals mache, die Syrien mit Libyen vermischen.
Es gebe nicht nur Russland und die Türkei, während der Berliner Libyenkonferenz sei die ganze Welt versammelt gewesen. Das libysche Parlament bewege sich auf dieser Berliner Schiene und auf der Initiative des libyschen Parlaments, wie sie von Parlamentspräsident Aguila Saleh vorgeschlagen worden war. Die Kairoer Initiative sei in Wirklichkeit ebenfalls eine Initiative des libyschen Parlaments. Konsultationen aller Art würden begrüßt, aber auch vor bilateralen Deals auf Kosten Libyens gewarnt.

Sirte und al-Dschufra – die rote Linie
Auf die Frage, ob die Türken immer noch auf dem Rückzug der LNA von Sirte und Dschufra als Vorbedingungen für Verhandlungen beharren, meinte Nayed: „Vor dem Ramadan wurde der LNA gesagt, es solle einen Waffenstillstand geben, um Verhandlungen aufzunehmen. Als die LNA den Waffenstillstand erklärte, wurde sie angegriffen. Dann wurde der LNA gesagt, sie solle sich etwas aus Tripolis zurückziehen, damit Verhandlungen aufgenommen werden können. Die LNA zog sich etwas zurück, aber keine Verhandlungen begannen. Dann wurde der LNA gesagt, sie solle sich vollständig aus Tripolis zurückziehen und auch das tat sie. Auch als ihr gesagt wurde, sie solle sich aus Tarhuna zurückziehen, tat sie das. Ebenso zog sie sich aus Bani Walid zurück, als ihr das gesagt wurde. Jetzt heißt es, sie solle sich aus Sirte und Dschufra zurückziehen. Das wird sie nicht tun. Die von Präsident as-Sisi in Kairo gezogene rote Linie ist eine echte libysche rote Linie. Es wird keinen Rückzug aus Sirte und Dschufra geben. Vielmehr wird es einen Vormarsch geben, wenn sich die Türkei weiterhin so arrogant verhält. Wir hören Khaled al-Mishri [Staatsratsvorsitzender in Tripolis und Moslembruder] sagen, dass er die Autorität der ‚Einheitsregierung‘ auf das gesamte Libyen ausdehnen will. Weit davon entfernt! Das Parlament sollte seine Autorität auf ganz Libyen ausdehnen, weil es das vom libyschen Volk gewählte Parlament ist und die gesetzmäßige Legitimität besitzt.“

Die Türkei und ihre Handlanger, die ‚Einheitsregierung‘
Laut Nayed sprechen die Fakten für sich: Obwohl der US-Botschafter sagte, er sei gegen eine militärische Konfrontation, kamen noch gestern Söldner in Misrata und Tripolis an. Täglich kommen Militärgüter mit Flügen in al-Watiya und Misrata an oder sie werden per Schiffen angeliefert.
Leider verhielten sich die Türken und ihre Handlanger wie al-Mishri und die ‚Einheitsregierung‘ überheblich und arrogant. Diese gesamte ‚Einheitsregierung‘ sei nichts weiter als ein ‚Rat in West-Tripolis‘ unter Kontrolle des osmanischen Sultans, an dem sie Tantiemen und al-Miri [Steuerabgaben an den Sultan] abzuführen habe und von dem sie ihre Befehle erhielte. Es sei inakzeptabel, wie in Libyen der türkische Verteidigungsminister und Generalstabschefs unter türkischer Flagge Reden vor Türken unter Ausschluss von Libyern abgehalten haben. Die libyschen Stämme, die sich auch in der Vergangenheit geweigert haben, al-Miri zu bezahlen, werden die LNA und ihre ägyptischen und alle anderen arabischen Brüder unterstützen, die das Verteidigungsabkommen gegen diese türkische Invasion in die Tat umsetzen.

Bitte um ägyptische Intervention soll Frieden bringen
Das hieße nicht, dass eine militärische Konfrontation unvermeidlich sei. Als die Scheichs der libyschen Stämme und der Parlamentspräsident Ägypten um eine Intervention baten, sei dies im Sinne von Frieden, nicht von Krieg geschehen. „Wir mussten so handeln angesichts der Invasion von 16.000 Söldnern, hauptsächlich IS- und al-Kaida-Kämpfer, die nach Libyen gebracht wurden. Wie könnten wir uns den hochentwickelten militärischen Nato-Systemen wie Flugabwehrraketen, Drohnen, Radargeräte, Störsender, moderne Seeartillerie entgegenstellen ohne die ägyptische Armee? Ein Hilfeersuchen an die ägyptische Armee ist im Rahmen des gemeinsamen arabischen Verteidigungssystems eine normale und notwendige Forderung. Es gibt gemeinsame Verteidigungsabkommen, die das frühere Regime mit Ägypten unterzeichnet hat. Hinzu kommt die klare Bitte des libyschen Parlaments, seines Sprechers und der libyschen Stämme.“

Das gesamte libysche Staatsgebiet werde verteidigt
Auf die Frage, ob die LNA ein S-300-Verteidigungssystem besitzt und ob sie es um Sirte stationiert habe, antwortet Nayed, dass er in der angespannten Situation keine militärischen Informationen preisgeben möchte. Es sei nur so viel gesagt, dass die LNA und die sie unterstützenden Länder alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um nicht nur Sirte und Dschufra, sondern das gesamte libysche Staatsgebiet bis zur tunesischen, algerischen und südlibyschen Grenze zu verteidigen.

Das libysche Parlament und seine Organe sind rechtmäßig
Die libysche Realität sehe so aus: „Das libysche Parlament ist als rechtmäßiges und zuletzt gewähltes, gesetzgebendes Organ international anerkannt. Dieses Parlament verfügt über eine legitime Armee und eine rechtmäßige Regierung unter der Führung von Abdullah al-Thini."
In der westlichen Region gebe es dagegen leider eine Gruppe, die keinerlei Recht hat, im Namen der Libyer zu sprechen, weil sie von der Autorität Recep Erdogans abhängig ist. Erdogan habe die Illusion, dass das Osmanische Reich wieder auferstehen werde, doch er werde scheitern.

Libyen vertraut auf die arabischen Brüder
Nayed: „Wir vertrauen auf Gott, und wir vertrauen auf das arabische Verteidigungssystem. Es gibt Vereinbarungen über eine gemeinsame arabische Verteidigung, die in Kraft treten müssen. Wir vertrauen auf Ägypten. Wir vertrauen auf Algerien. Wir vertrauen dem heroischen tunesischen Parlament, das jetzt versucht, die Muslimbruderschaft auszuschließen. Wir vertrauen unseren Nachbarn Tschad, Niger und Sudan. Wir vertrauen all diesen Ländern, und wir bitten alle arabischen Länder um Hilfe gegen die türkische Invasion.“

Es braucht dringend einen neuen UN-Sondergesandten für Libyen
In Bezug auf die UNO richtete Nayed an den UN-Generalsekretär Guterres die Bitte, seine Entscheidung bezüglich eines neuen UN-Sondergesandten für Libyen technokratisch, professionell, transparent und objektiv zu treffen und sich nicht von politischen Konflikten zwischen einzelnen Ländern beeinflussen zu lassen. Es sei leider hinter den Kulissen ein Kampf um diesen Posten entbrannt, doch müsse die offizielle Ernennung durch Guterres erfolgen. Der amtierenden UN-Sondergesandten Stephanie Williams sei für das Getane zu danken, aber es bräuchte einen Gesandten, der das volle Vertrauen und die Unterstützung des UN-Generalsekretärs habe.
Nayed persönlich plädiert für einen aus Afrika kommenden UN-Gesandten, da die Afrikanische Union zugunsten der UNO bei der Lösung des Libyenkonflikts zu sehr an den Rand gedrängt wurde, obwohl deren Beteiligung sehr hilfreich gewesen wäre. Aus Respekt vor Afrika, von dem Libyen ein Teil ist, sollte der Gesandte aus Afrika kommen. Allerdings werde das libysche Parlament jeden UN-Sondergesandten akzeptieren, soweit er nicht bestechlich ist und der UNO angehört. Es gehe vor allem um eine zügige Ernennung.
https://almarsad.co/en/2020/07/26/aref-nayed-us-ambassador-says-he-is-against-military-interventions-yet-mercenaries-flock-to-misrata-and-tripoli-daily/
15:20 27.07.2020



Kriegsangst geht um, nicht nur in Sirte

Libyen. Nicht mehr lokale Streitkräfte und Milizen, sondern militärische Schwergewichte bereiten sich auf einen Krieg auf libyschem Boden vor. 

Wie Lindsey Snell in AhvalNews berichtet, versuchten nur einen Tag nach der Einnahme der Stadt Tarhuna am 6. Juni 2020 im westlichen Libyen die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis) auch die Stadt Sirte einzunehmen. Der Angriff wurde von der Libyschen Nationalarmee (LNA) abgewehrt. Während die ‚Einheitsregierung‘ unter Feldmarschall Haftar von Ägypten, der VAE und bedingt Russland und Frankreich unterstützt wird, ist die Türkei militärisch mit syrischen Söldnern und Drohnen sowie Angriffen von Fregatten massiv auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ in die Kämpfe eingestiegen.
Sirte liegt an der Mittelmeerküste, etwa in der Mitte zwischen dem östlichen und dem westlichen Libyen, und ist von großer strategischer Bedeutung, da die Stadt als Tor zum libyschen Erdölhalbmond gilt. Die Stadt war mehrmals von Kämpfen und Bombardierungen in Mitleidenschaft gezogen worden, so 2011 beim Nato-Krieg gegen Libyen. 2015 wurde die Stadt vom IS eingenommen und bei dessen Vertreibung durch Milizen aus Misrata und US-Bombardierungen noch einmal schwer beschädigt. Seit Januar ist Sirte unter Kontrolle der LNA.

Zwischen Sirte und Misrata besteht eine lange währende Feindschaft. Sirte war die Geburtsstadt Muammar al-Gaddafis und sein letzter Zufluchtsort, bevor er von Misrata-Kämpfern auf brutale Weise gelyncht wurde.
Lindsey Snell berichtet über ihren Besuch im März dieses Jahres in Sirte und von der damals herrschenden guten Sicherheitslage und den inzwischen begonnenen Wiederaufbauarbeiten. Der Bewohner Abu Bakr asch-Schargawi berichtete Snell über die Zeit, als in Sirte die Misrata-Milizen herrschten: „Bis heuer stahlen die Milizen das Geld, das ihnen für den Wiederaufbau der Stadt gegeben worden war. Und die Menschen hier wurden von ihnen entsetzlich schlecht behandelt.“

Als im Mai 2015 Sirte, das vorher unter Kontrolle der Shield-Force-Miliz der ‚Einheitsregierung‘ stand, vom IS übernommen wurde, ist asch-Schargawi mit seiner Familie aus Sirte geflohen. „Wir haben nichts mitgenommen, nur die Kleider, die wir am Leib trugen. Wir gingen nach Bengasi und ich war dort als Blogger tätig. Die Lage war so unsicher, dass nicht einmal ein Besuch in Sirte möglich war.“
Als eine Misrata-Miliz, unterstützt durch US-Luftangriffe, im Dezember 2016 die Stadt einnahm, kehrte asch-Scharqawi bald darauf zurück. „Die Lage in der Stadt war immer noch schlecht. Die Milizen kontrollierten alles, auch die Banken, und es wurden keine Gehälter mehr gezahlt. An der Universität von Sirte wurden die Studentinnen schikaniert, Kritiker willkürlich verhaftet. Wenn jemand sich in den sozialen Medien negativ über die Milizen äußerte, konnte er verhaftet werden und für Monate oder Jahre verschwinden. Es waren keine offiziellen, sondern geheime Gefängnisse und Folterstätten“.
Scharqawi zählte zeitweise bis zu vierzig verschiedene bewaffnete Gruppen in der Stadt, viele davon extremistisch, bis die Misrata-Milizen alles kontrollierten. Die Unterstützung der UNO für die ‚Einheitsregierung‘ vermittle der ‚internationalen Gemeinschaft‘ den Eindruck, dass die ‚Einheitsregierung‘ etwas Gutes sei. „Aber es bedeutet tatsächlich, dass die UNO den Terrorismus unterstützt. Die UNO und die europäischen Länder sahen, wie die Türkei Tausende syrischer Terroristen nach Libyen brachte und sie taten nichts, um sie zu behindern oder aufzuhalten.“

Im April letzten Jahres hatte die LNA eine Offensive mit dem Ziel gestartet, Tripolis zu erobern. Als die LNA kurz vor dem Sieg stand, schloss die ‚Einheitsregierung‘ im November 2019 ein Sicherheits- und Militärabkommen mit der Türkei, das es dieser ermöglichte, massive Militärhilfe für die ‚Einheitsregierung‘ zu leisten. Bereits im Dezember 2019 wurde mit der Überstellung von syrischen Söldnern nach Libyen begonnen, denen 2000 US-$ Sold versprochen wurde. Diese hohe Summe scheint aber tatsächlich nie ausbezahlt worden zu sein. Um ihre Gehälter aufzubessern, begannen die syrischen Söldner mit Plünderungen von Privathäusern. Einer von ihnen sagte, er habe mehr Zeit damit verbracht, verlassene Häuser zu durchsuchen, als zu kämpfen.

Ein anderer Söldner berichtete Snell, die Kämpfer, die nun für die ‚Einheitsregierung‘ den Kampf um Sirte führen sollen, hätten Angst. Beim gescheiterten Vormarsch im Juni habe es viele Tote gegeben. Die LNA und ihre Verbündeten würden nur darauf warten nur darauf, dass die Offensive beginne. Als der Syrer die Aussage eines türkischen Luftwaffenoffiziers hört, dass die syrischen Kämpfer im Gegensatz zu den Kämpfern der LNA in den Himmel kommen würden, habe er nur gelacht: „Für ihn ist das leicht zu sagen, denn es gibt keine Türken, die mit uns kämpfen. Die Türken wohnen in den Stützpunkten und in Hotels. Die Syrer sind diejenigen, die in den Tod geschickt werden“.
Wann die Offensive gegen Sirte beginnen soll, ist nicht bekannt. Es heißt jedoch, dass die neu aus Syrien eingetroffenen Söldner andere Verträge haben. In den alten Verträgen sei es um den Schutz von Tripolis gegangen, jetzt seien die Verträge auf Sirte ausgestellt.

Die ‚Einheitsregierung‘ hat diese neue Offensive auf Sirte angekündigt, obwohl der ägyptische Präsident Abdel-Fattah as-Sisi dies am 20. Juni als rote Linie bezeichnet hatte. Inzwischen haben sowohl das libysche Parlament als auch die libyschen Stämme Ägypten autorisiert, in Libyen militärisch einzugreifen, sollte die 'Einheitsregierung' mit ihren Verbündeten tatsächlich versuchen, Sirte einzunehmen.
Die beiden international und von der UNO anerkannten libyschen Organe, das Parlament im Osten des Landes und die ‚Einheitsregierung‘ im Westen, haben ihre ausländischen Unterstützer nun auch militärisch innerhalb Libyens an ihrer Seite, mit unabsehbaren Folgen nicht nur für Libyen, sondern für die gesamte Region und auch für Europa.

Während sich das libysche Parlament neben der internationalen Anerkennung auch die Legitimation von demokratischen Wahlen zu Gute halten kann, wurde die ‚Einheitsregierung‘ von ausländischen Mächten in Tripolis eingesetzt, um mit deren Hilfe die eigenen Interessen durchzudrücken. Um die drohenden militärischen Auseinandersetzungen zu verhindern, wäre es daher ein wichtiger Schritt der ‚internationalen Gemeinschaft‘, dieser ‚Einheitsregierung‘ die Unterstützung zu entziehen und auf der Aufnahme von Friedensverhandlungen, so wie Ägypten sie angeboten hat, zu bestehen. Doch da es die EU bei ihrem letzten Treffen nicht einmal geschafft hat, die Türkei ernsthaft zu verurteilen, ist davon auszugehen, dass es sowohl Deutschland als auch die Nato billigen, dass die Türkei massiv in Libyen interveniert.
Allerdings handelt es sich nun nicht mehr um lokale Streitkräfte und Milizen, sondern um den Krieg zwischen militärischen Schwergewichten wie Ägypten und Türkei, jeweils auch mit deutschen Waffen aufgerüstet. Und hinter Ägypten stehen Saudi Arabien und die VAE mit ihrem Geld und ihren Waffen und hinter der Türkei steht das reichste Land der Welt, Katar, und die internationale Moslembruderschaft.
Die Nato, die UNO und die EU sind bereit, die ganze Region in Brand zu setzen und der Moslembruderschaft mit ihren al-Kaida- und IS-Verbündeten die koloniale Herrschaft im östlichen Mittelmeer zu überlassen, damit man die geostrategische Kontrolle und die libyschen Ressourcen behalten kann. Der Westen scheint darauf zu hoffen, dass sich die militärischen Kräfte in Libyen gegenseitig aufreiben und sie selbst der lachende Dritte sind.

Dabei geht es den beteiligten Ländern um die Vorherrschaft in der islamischen Welt und die werden Saudi Arabien, die VAE und Ägypten nicht der Türkei und den Moslembrüdern überlassen.
Und was sagte dazu Abu Bakr asch-Scharqawi: „Bei meinem Gehalt kann ich es mir nicht leisten, wieder zu gehen, also habe ich keine andere Wahl, als in Sirte zu bleiben. Wir haben so lange unter den Milizen gelitten. Ich bete, dass sie nicht wieder unsere Stadt kontrollieren werden.“
https://ahvalnews-com.cdn.ampproject.org/c/s/ahvalnews.com/libyan-conflict/battle-libyas-sirte-residents-fear-return-turkish-backed-militias?amp



Ernennung eines UN-Sondergesandten überfällig

Libyen. Sputnik-Interview mit dem Sondergesandten des libyschen Parlaments Aref Ali Nayed zur aktuellen Situation in Libyen.


Der Posten des UN-Sondergesandten für Libyen ist seit dem Rücktritt des frustrierten Ghassan Salamé im März 2020 unbesetzt und wird von der ehemaligen Salamé-Stellvertreterin, der US-Diplomatin Stephanie Williams, stellvertretend ausgeübt.
Der Sondergesandte des libyschen Parlaments bei den USA, Großbritannien, der EU und der Afrikanischen Union, Aref Ali Nayed, meinte dazu in einem Sputnik-Interview, dass die Verzögerung bei der Ernennung eines neuen UN-Sondergesandten für Libyen die Aussichten auf Frieden in dem vom Krieg zerrissenen Landes zunehmend gefährde.

Nayed: „Diese Ernennung sollte eine rein professionelle und technokratische Entscheidung des [UN-] Generalsekretärs [Antonio Guterres] sein. Leider wurde sie zum Spielball internationaler Politik und zum Inhalt von Intrigen“. Die Libyer würden als Afrikaner einen Afrika-Experten als neuen Sondergesandten begrüßen. Libyen brauche mehr afrikanisches Engagement, um den blutigen Bürgerkrieg zu beenden und Frieden zu schaffen. „Auch glauben wir, dass die Arabische Liga und die gegenseitigen arabischen Verteidigungsabkommen dringend zum Einsatz kommen sollten. Vielleicht wird die Entscheidung des ägyptischen Parlaments, für die Souveränität und Unabhängigkeit Libyens einzutreten, zu mehr arabischem und afrikanischem Engagement führen“.

Nayed weiter: „Tatsache ist, dass die Türkei, die auf illegale Art und Weise, d.h. ohne Zustimmung des Parlaments, von der ‚Einheitsregierung‘ ins Land geholt wurde, zwei existenzbedrohende Dinge tat. Erstens brachte die Türkei fast 16.000 Kämpfer, von denen viele al-Kaida- und IS-Mitglieder sind, nach Libyen. Zweitens beanspruchte die Türkei in sehr arroganten Bekanntmachungen und Reden ihres Verteidigungsministers und anderer Beamter die totale Hegemonie über Libyen und seine Ressourcen.“
Seitdem die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis Ende 2019 während des Machtkampfes mit dem libyschen Parlament und der LNA die Türkei um Hilfe ersuchte, werde sie von der Türkei umfassend militärisch unterstützt. Berichten zufolge plane Ankara auch die Einrichtung von zwei ständigen Militärstützpunkten in Libyen. Dem libyschen Parlament sei daher keine andere Wahl geblieben, als Ägypten um Hilfe zu rufen.
Nayed: „Die Aussichten auf einen größeren Konflikt zwischen Ägypten und der Türkei auf libyschem Boden sind keine Kleinigkeit und inzwischen greifbar nahe. Das libysche Parlament und unsere angesehensten Stammesältesten und sozialen Führer haben in Ägypten um eine direkte Intervention gebeten, nicht weil sie Krieg, sondern weil sie Frieden wollen.“

Die Rede des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar Anfang des Monats in Tripolis, werde als Beweis dafür gewertet, dass man es mit „einer neuerlichen osmanischen Besatzung“ zu tun hat.
„Deshalb sind sich das libysche Parlament und die sozialen Führer einig in ihrer Bitte um eine direkte ägyptische Intervention, die sich gegen die türkische Besatzung richtet. Das ist natürlich sehr gefährlich, aber die arrogante türkische Aggression ließ uns keine andere Wahl“, so Nayed.
Letzte Woche erteilte das in Tobruk ansässige libysche Parlament den ägyptischen Streitkräften die Erlaubnis, in Libyen zu intervenieren, sollte eine unmittelbare Bedrohung der nationalen Sicherheit beider Staaten gegeben sein. Das ägyptische Parlament gab am Montag grünes Licht für einen möglichen Auslandseinsatz seiner Streitkräfte.
https://sputniknews.com/africa/202007221079951060-delay-in-appointment-of-un-envoy-hurts-libyas-peace-prospects---tobruk-parliament-envoy/



Größenwahn und Realitätsverlust

München/Wien/Libyen Das international gesuchte Wirecard-Vorstandsmitglied Jan Marsalek wollte unter anderem 15.000 Milizionäre anwerben 

Bevor er verschwand ist der Österreicher und Chief Operating Officer des Dax-Konzerns Wirecard, Jan Marsalek, zum letzten Mal am 18. Juni am Hauptsitz von Wirecard in Aschheim bei München gesehen worden. Marsalek ist eine schillernde Persönlichkeit mit verschiedenen Geheimdienstkontakten, darunter der russische und österreichische. So soll er sich Informationen des österreichischen Geheimdienstes beschafft haben, um diese an die österreichische FPÖ weiterzugeben. Die britische Financial Times wusste zu berichten, dass er sogar im Besitz der Geheimformel des Nervengiftes Novitschok gewesen ist, mit dem angeblich der russische Spion Skripal und seine Tochter in London vergiftet wurden. Seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Zahlungsdienstleister Wirecard, wird unterdessen Bilanzfälschung, Aktienkursmanipulation, Geldwäsche und womöglich Unterschlagung vorgeworfen und das untergetauchte Wirecard-Vorstandsmitglied Marsalek ist international zur Fahndung ausgeschrieben.

Marsalek war in der Welt der Geheimdienste und dunklen Geschäfte ein abenteuerlustiger Tausendsassa, der sogar seine Fühler nach dem von einem blutigen Bürgerkrieg erschütterte Libyen ausstreckte. Recherchen der Financial Times zufolge, die Einsicht in E-Mails und Dokumente hatte sowie Gespräche mit Personen führte, die mit Marsalek an Projekten in Libyen arbeiteten, belegten, dass seine Tätigkeiten weit über die bei einem multinationalen Unternehmen üblichen hinausgingen. So zeigte sich Marsalek im Jahr 2018 daran interessiert, 15.000 libysche Milizionäre zu rekrutieren. Dazu lud er Experten in seine luxuriöse Stadtvilla im Münchner Stadtteil Bogenhausen ein, deren Innenausstattung laut Financial Times an eine Mischung aus „Apple-Store und einer extrem teuren Anwaltskanzlei“ erinnerte.
Schon Monate vorher hatte Marsalek über Kontakte mit der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, deren Zweck es ist, politische Entscheidungsträger beider Länder zu vernetzen, österreichische und internationale Entwicklungsexperten für das Projekt „Wiederaufbau Libyens“ gewinnen können. Marsalek habe ihnen 200.000 Euro für ihre Arbeit angeboten. Sie sollten gemäß einer informellen Vereinbarung einen Bericht erstellen. Wie Dokumente offenlegen, wurde ihm von österreichischen Regierungsministerien, einschließlich des Verteidigungsministeriums, eine zusätzliche Finanzhilfe in Höhe von 120.000 Euro zugesagt.
Allerdings war immer weniger von einem „Wiederaufbau Libyens“ und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes die Rede als vielmehr von der Sicherung der libyschen Grenzen im Süden. Inzwischen schwante auch einigen der in das Projekt involvierten Experten, dass sie nur als „Feigenblatt für das, was er tat“ dienten und der Mission des Herrn Marsalek einen „humanitären Anstrich“ geben sollten.
Marsalek schwebte vor, mit 15.000 libyschen Milizionären die Südgrenze Libyens und somit die Migrationsströme zu kontrollieren. Seine diesbezüglichen Pläne legte er während des Treffens in seiner Münchner Villa im Februar 2018 den Teilnehmern vor, wie aus einem dabei verfassten Protokoll hervorgeht. Ein Teilnehmer: „Dies könnte seiner Meinung nach von der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis als Druckmittel gegen die Machthaber im Osten eingesetzt werden. Die Schließung der Grenze kann der EU als ‚Lösung der Migrationskrise‘ verkauft werden...“.

Allein diese Vorstellung zeigt, dass Marsalek weder von den politischen und sozialen Strukturen des Landes, noch von den geographischen Gegebenheiten vor Ort eine Ahnung hatte und es stellt sich die Frage, ob diese Idee wirklich auf dem Mist von Marsalek gewachsen war oder aus einer ganz anderen Ecke kam. Bei dem Münchner Treffen soll auch die Lieferung von „Ausrüstung“ besprochen worden sein. Und es soll mit Körperkameras aufgenommenes Filmmaterial mit extrem gewalttätigen Inhalten von einem Überfall bewaffneter Gruppen angesehen worden sein.

Keine Kontakte zu Nachrichtendiensten

Marsalek schlug vor, Andrej Chuprygin, ein Arabist, der an der Moskauer Hochschule für Wirtschaft lehrt und eine lange militärische Laufbahn aufzuweisen hat, hinzuzuziehen. Dies hätte bei einigen Teilnehmern des Treffens Besorgnis ausgelöst, da Chuprygin Nähe zum russischen Geheimdienst unterstellt wurde.
Gegenüber der Financial Times sagte Chuprygin, er habe mit Jan Marsalek die Sicherheitslage in Libyen besprochen. Die sich verändernde Politik und die Stammesdynamik des Landes seien sein spezielles Thema. Seine Kontakte zu Marsalek seien aber auf seine Kenntnisse „als Wissenschaftler und Linguist beschränkt" gewesen. Kontakte zu irgendeiner Art von Nachrichtendiensten stritt er ab.
Jan Marsalek gab wiederholt an, Miteigentümer einer Zementfabrik, der Libyan Cement Company (LCC) im Osten Libyens zu sein. Für Minenräumaktionen in diesen Industrieanlagen wurde die russische RSB-Group, eine private Militärfirma, unter Vertrag genommen. Ein Sprecher der RSB erklärte, das Unternehmen wisse nichts über Marsalek und habe nur mit dem Direktor der LCC Kontakt.

LCC befindet sich heute in Besitz der in London ansässigen Libya Holding Group (LHG) und behauptet, von 15 Investoren aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt zu werden. Die LHG geht Partnerschaften mit Drittinvestoren ein, die eine Möglichkeit für Geschäftsbeteiligungen in Libyen suchen, bestreitet aber jegliche Verbindung zu Marsalek. Vor dem Kauf durch LHG im Jahr 2015 war die Zementfabrik im Besitz des österreichischen Mischkonzerns Asamer. Financial Times schreibt, dass jedoch fünf verschiedene Quellen in Österreich, Deutschland, Libyen und Russland sagten, Marsalek habe behauptet, er sei einer der neuen Eigentümer der LCC.
Daneben geht aus Dokumenten der Münchner Beratungsfirma Wieselhuber & Partner, die für Asamer arbeitete, hervor, dass Marsalek einen Schuldenverzicht in Höhe von 20 Millionen Euro beantragt hat, den der österreichische Staat 2017 als Darlehen für LCC gewährte. Das Geld wurde an Marsalek ausbezahlt.
Marsalek scheint des Öfteren betont zu haben, es sei für ihn dank seiner Beziehungen kein Problem, in Libyen bewaffnete Kräfte aus Russland zu bekommen. Als Beispiel dafür nannte er seine libyschen Geschäftsaktivitäten, darunter Zementfabriken.

Allerdings sind im Osten, wo sich die LCC-Zementfabrik befindet, die russischen Militär- und Sicherheitsfirmen für die LNA, General Haftar sowie das libysche Parlament tätig, während die von Marsalek geplante Sicherung der libyschen Südgrenzen im Auftrag der in Tripolis sitzenden ‚Einheitsregierung‘, also deren Feinden, durchgeführt hätte werden sollen. Dafür russische Militärfirmen zu verpflichten, wäre ein illusorisches Unterfangen gewesen. So wird Marsalek versucht haben, auf 15.000 libysche Milizionäre auszuweichen. Dass auch dies illusorisch sei, dürfte ihm vermutlich Andrej Chuprygin gesagt haben.
Alles, was kürzlich über Jan Marsalek ans Licht gekommen ist, deutet darauf hin, dass er nicht nur unter Größenwahn, sondern auch unter Realitätsverlust gelitten haben dürfte. Möglicherweise hat nicht nur er selber, sondern haben auch verschiedenste Gruppen und Personen ein Interesse daran, dass er von der Bildfläche verschwindet.
https://www.ft.com/content/511ecf86-ab40-486c-8f76-b8ebda4cc669
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/marsalek-wirecard-flucht-1.4963074

Dienstag, 21. Juli 2020



Kriegsangst geht um, nicht nur in Sirte

Libyen. Nicht mehr lokale Streitkräfte und Milizen, sondern militärische Schwergewichte bereiten sich auf einen Krieg auf libyschem Boden vor. 


Wie Lindsey Snell in AhvalNews berichtet, versuchten nur einen Tag nach der Einnahme der Stadt Tarhuna am 6. Juni 2020 im westlichen Libyen die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis) auch die Stadt Sirte einzunehmen. Der Angriff wurde von der Libyschen Nationalarmee (LNA) abgewehrt. Während die ‚Einheitsregierung‘ unter Feldmarschall Haftar von Ägypten, der VAE und bedingt Russland und Frankreich unterstützt wird, ist die Türkei militärisch mit syrischen Söldnern und Drohnen sowie Angriffen von Fregatten massiv auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ in die Kämpfe eingestiegen.
Sirte liegt an der Mittelmeerküste, etwa in der Mitte zwischen dem östlichen und dem westlichen Libyen, und ist von großer strategischer Bedeutung, da die Stadt als Tor zum libyschen Erdölhalbmond gilt. Die Stadt war mehrmals von Kämpfen und Bombardierungen in Mitleidenschaft gezogen worden, so 2011 beim Nato-Krieg gegen Libyen. 2015 wurde die Stadt vom IS eingenommen und bei dessen Vertreibung durch Milizen aus Misrata und US-Bombardierungen noch einmal schwer beschädigt. Seit Januar ist Sirte unter Kontrolle der LNA.
Zwischen Sirte und Misrata besteht eine lange währende Feindschaft. Sirte war die Geburtsstadt Muammar al-Gaddafis und sein letzter Zufluchtsort, bevor er von Misrata-Kämpfern auf brutale Weise gelyncht wurde.
Lindsey Snell berichtet über ihren Besuch im März dieses Jahres in Sirte und von der damals herrschenden guten Sicherheitslage und den inzwischen begonnenen Wiederaufbauarbeiten. Der Bewohner Abu Bakr asch-Schargawi berichtete Snell über die Zeit, als in Sirte die Misrata-Milizen herrschten: „Bis heuer stahlen die Milizen das Geld, das ihnen für den Wiederaufbau der Stadt gegeben worden war. Und die Menschen hier wurden von ihnen entsetzlich schlecht behandelt.“
Als im Mai 2015 Sirte, das vorher unter Kontrolle der Shield-Force-Miliz der ‚Einheitsregierung‘ stand, vom IS übernommen wurde, ist asch-Schargawi mit seiner Familie aus Sirte geflohen. „Wir haben nichts mitgenommen, nur die Kleider, die wir am Leib trugen. Wir gingen nach Bengasi und ich war dort als Blogger tätig. Die Lage war so unsicher, dass nicht einmal ein Besuch in Sirte möglich war.“
Als eine Misrata-Miliz, unterstützt durch US-Luftangriffe, im Dezember 2016 die Stadt einnahm, kehrte asch-Scharqawi bald darauf zurück. „Die Lage in der Stadt war immer noch schlecht. Die Milizen kontrollierten alles, auch die Banken, und es wurden keine Gehälter mehr gezahlt. An der Universität von Sirte wurden die Studentinnen schikaniert, Kritiker willkürlich verhaftet. Wenn jemand sich in den sozialen Medien negativ über die Milizen äußerte, konnte er verhaftet werden und für Monate oder Jahre verschwinden. Es waren keine offiziellen, sondern geheime Gefängnisse und Folterstätten“.
Scharqawi zählte zeitweise bis zu vierzig verschiedene bewaffnete Gruppen in der Stadt, viele davon extremistisch, bis die Misrata-Milizen alles kontrollierten. Die Unterstützung der UNO für die ‚Einheitsregierung‘ vermittle der ‚internationalen Gemeinschaft‘ den Eindruck, dass die ‚Einheitsregierung‘ etwas Gutes sei. „Aber es bedeutet tatsächlich, dass die UNO den Terrorismus unterstützt. Die UNO und die europäischen Länder sahen, wie die Türkei Tausende syrischer Terroristen nach Libyen brachte und sie taten nichts, um sie zu behindern oder aufzuhalten.“
Im April letzten Jahres hatte die LNA eine Offensive mit dem Ziel gestartet, Tripolis zu erobern. Als die LNA kurz vor dem Sieg stand, schloss die ‚Einheitsregierung‘ im November 2019 ein Sicherheits- und Militärabkommen mit der Türkei, das es dieser ermöglichte, massive Militärhilfe für die ‚Einheitsregierung‘ zu leisten. Bereits im Dezember 2019 wurde mit der Überstellung von syrischen Söldnern nach Libyen begonnen, denen 2000 US-$ Sold versprochen wurde. Diese hohe Summe scheint aber tatsächlich nie ausbezahlt worden zu sein. Um ihre Gehälter aufzubessern, begannen die syrischen Söldner mit Plünderungen von Privathäusern. Einer von ihnen sagte, er habe mehr Zeit damit verbracht, verlassene Häuser zu durchsuchen, als zu kämpfen.
Ein anderer Söldner berichtete Snell, die Kämpfer, die nun für die ‚Einheitsregierung‘ den Kampf um Sirte führen sollen, hätten Angst. Beim gescheiterten Vormarsch im Juni habe es viele Tote gegeben. Die LNA und ihre Verbündeten würden nur darauf warten nur darauf, dass die Offensive beginne. Als der Syrer die Aussage eines türkischen Luftwaffenoffiziers hört, dass die syrischen Kämpfer im Gegensatz zu den Kämpfern der LNA in den Himmel kommen würden, habe er nur gelacht: „Für ihn ist das leicht zu sagen, denn es gibt keine Türken, die mit uns kämpfen. Die Türken wohnen in den Stützpunkten und in Hotels. Die Syrer sind diejenigen, die in den Tod geschickt werden“.
Wann die Offensive gegen Sirte beginnen soll, ist nicht bekannt. Es heißt jedoch, dass die neu aus Syrien eingetroffenen Söldner andere Verträge haben. In den alten Verträgen sei es um den Schutz von Tripolis gegangen, jetzt seien die Verträge auf Sirte ausgestellt.
Die ‚Einheitsregierung‘ hat diese neue Offensive auf Sirte angekündigt, obwohl der ägyptische Präsident Abdel-Fattah as-Sisi dies am 20. Juni als rote Linie bezeichnet hatte. Inzwischen haben sowohl das libysche Parlament als auch die libyschen Stämme Ägypten autorisiert, in Libyen militärisch einzugreifen, sollte die 'Einheitsregierung' mit ihren Verbündeten tatsächlich versuchen, Sirte einzunehmen.
Die beiden international und von der UNO anerkannten libyschen Organe, das Parlament im Osten des Landes und die ‚Einheitsregierung‘ im Westen, haben ihre ausländischen Unterstützer nun auch militärisch innerhalb Libyens an ihrer Seite, mit unabsehbaren Folgen nicht nur für Libyen, sondern für die gesamte Region und auch für Europa.
Während sich das libysche Parlament neben der internationalen Anerkennung auch die Legitimation von demokratischen Wahlen zu Gute halten kann, wurde die ‚Einheitsregierung‘ von ausländischen Mächten in Tripolis eingesetzt, um mit deren Hilfe die eigenen Interessen durchzudrücken. Um die drohenden militärischen Auseinandersetzungen zu verhindern, wäre es daher ein wichtiger Schritt der ‚internationalen Gemeinschaft‘, dieser ‚Einheitsregierung‘ die Unterstützung zu entziehen und auf der Aufnahme von Friedensverhandlungen, so wie Ägypten sie angeboten hat, zu bestehen. Doch da es die EU bei ihrem letzten Treffen nicht einmal geschafft hat, die Türkei ernsthaft zu verurteilen, ist davon auszugehen, dass es sowohl Deutschland als auch die Nato billigen, dass die Türkei massiv in Libyen interveniert.
Allerdings handelt es sich nun nicht mehr um lokale Streitkräfte und Milizen, sondern um den Krieg zwischen militärischen Schwergewichten wie Ägypten und Türkei, jeweils auch mit deutschen Waffen aufgerüstet. Und hinter Ägypten stehen Saudi Arabien und die VAE mit ihrem Geld und ihren Waffen und hinter der Türkei steht das reichste Land der Welt, Katar, und die internationale Moslembruderschaft.
Die Nato, die UNO und die EU sind bereit, die ganze Region in Brand zu setzen und der Moslembruderschaft mit ihren al-Kaida- und IS-Verbündeten die koloniale Herrschaft im östlichen Mittelmeer zu überlassen, damit man die geostrategische Kontrolle und die libyschen Ressourcen behalten kann. Der Westen scheint darauf zu hoffen, dass sich die militärischen Kräfte in Libyen gegenseitig aufreiben und sie selbst der lachende Dritte sind.
Dabei geht es den beteiligten Ländern um die Vorherrschaft in der islamischen Welt und die werden Saudi Arabien, die VAE und Ägypten nicht der Türkei und den Moslembrüdern überlassen.
Und was sagte dazu Abu Bakr asch-Scharqawi: „Bei meinem Gehalt kann ich es mir nicht leisten, wieder zu gehen, also habe ich keine andere Wahl, als in Sirte zu bleiben. Wir haben so lange unter den Milizen gelitten. Ich bete, dass sie nicht wieder unsere Stadt kontrollieren werden.“
https://ahvalnews-com.cdn.ampproject.org/c/s/ahvalnews.com/libyan-conflict/battle-libyas-sirte-residents-fear-return-turkish-backed-militias?amp



Kurznachrichten Libyen – 16.07.2020

Libyen/Krieg. Krieg rückt immer näher / LNA und ‚Einheitsregierung‘ mit ihren jeweiligen ausländischen Unterstützern scheinen zu militärischer Auseinandersetzung bereit 


Militärische Lage
+ 15.07.: Laut Militärinformationen hat die LNA aktive Schritte zur Sicherung der Lufthoheit des Gebiets Sirte-al-Dschufra mittels des S300-Luftverteidigungssystems, gesichert mit dem russischen Raketensystem Buk, unternommen.
Die LNA befürchtet einen Angriff der ‚Einheitsregierung‘ mittels türkischer Drohnen und syrischen Söldnern.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57796
+ In einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Hadath sagte der LNA-Sprecher, Generalmajor Ahmed al-Mismari am 14.07, dass in Kürze eine große Schlacht zwischen der LNA und der von der Türkei unterstützten ‚Einheitsregierung‘ um Sirte und al-Dschufra erwartet werde. Die LNA selbst werde nicht mit den Feindseligkeiten beginnen, aber jeden Versuch der ‚Einheitsregierung‘, nach Sirte und al-Dschufra vorzudringen, zu verhindern wissen.
Die LNA schütze die Interessen des libyschen Volkes und auch der ausländischen Ölgesellschaften, die für die libysche Wirtschaft unabdingbar seien. In dem bevorstehenden Kampf seien auch regionale und internationale Mächte involviert. Die Türkei stürze die gesamte Region ins Chaos. https://libyareview.com/?p=4838
+ Die Türkei sendet weiterhin militärisches Material nach Libyen. Ein Boeing-Frachtflugzeug des Typs C-130E 71-01468 Filo 222 der türkischen Luftwaffe landete am 16.07. auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Watiya, nachdem es vom türkischen Stützpunkt Konya gestartet war. Bereits am 15.07. war der Airbus A400-180 17-0080 Filo 221, ein Frachtflugzeug der türkischen Luftwaffe, vom türkischen Flughafen Kayseri Erkilet kommend auf dem Luftwaffenstützpunkt Misrata gelandet.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57870
+ Addresslibya berichtet, dass sich Milizen in Misrata, die der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis angeschlossen sind, auf den Angriff auf Sirte vorbereiten. Sie würden als Krankenwagen getarnte mobile Drohnenkontrollzentren einsetzen. https://www.addresslibya.co/en/archives/57824
+ Der ägyptische Militäraufmarsch an der libyschen Ostgrenze geht weiter.

Libysche Stämme und Städte
+ 16.07.: Die Vertreter der libyschen Stämme und Städte haben sich mit dem ägyptischen Präsidenten as-Sisi getroffen. Der Vorsitzende des Obersten Rates der Scheichs und Honoratioren der libyschen Stämme sagte: „Wir forderten den ägyptischen Präsidenten einstimmig auf, im Falle eines Angriffs der Türkei auf Sirte zu intervenieren.“
As-Sisi selbst sagte im Vorfeld, dass es Ägyptens vorrangiges Ziel in Libyen sei, den Willen des libyschen Volkes umzusetzen.
https://libyareview.com/?p=4870
+ Das Mitglied des Obersten Rates der Scheichs, Scheich Mansour al-Manfi, bestätigte, dass die libyschen Stämme die Erklärung des Parlaments, in der Ägypten aufgefordert wird, zur Unterstützung des libyschen Volkes militärisch in Libyen zu intervenieren, befürworten.
In einem Interview mit Sky News sagte al-Manfi, dass Libyens Ressourcen von der ‚Einheitsregierung‘ zum Kauf von Söldnern und Waffen verwendet werden, die dazu bestimmt seien, das libysche Volk zu töten. Er rief die Bürger dazu auf, gemeinsam hinter der LNA und dem Parlament zu stehen und sich gegen eine türkische Intervention im Land zu stellen: „Wir rufen zu konzertierten Anstrengungen zwischen Libyen und Ägypten auf, um die Niederlage des eindringenden Besatzers sicherzustellen, die nationale Sicherheit zu wahren und Sicherheit und Stabilität in unserem Land und der Region zu erreichen. Wir rufen die ägyptischen Streitkräfte zum Eingreifen auf, wenn sie eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit unserer beiden Länder sehen“.
https://libyareview.com/?p=4844
+ Der Führer der libyschen Tibu, Ali Barka: „Wir stehen heute hier, um die Welt daran zu erinnern, dass der einzige legale Vertreter Libyens das demokratisch gewählte Parlament und unsere Armee die LNA ist“.
https://twitter.com/MLNA2020/status/1283786135475552257

Libysches Parlament/Übergangsregierung (Tobruk)
+ Nachdem sich der italienische Außenminister Luigi Di Maio eindeutig auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ positionierte und bekannt gab, die militärische Präsenz im Land verstärken zu wollen, traf er sich am 14.07. in Rom mit dem libyschen Parlamentspräsidenten Aguila Saleh. Bei dem Gespräch sei auch die vom ägyptischen Präsidenten as-Sisi vorgestellte Kairoer Erklärung diskutiert wurden. Saleh verwies auch darauf, dass die libyschen Öleinnahmen nicht weiter zur Finanzierung von Söldnern verwendet werden dürften.
Saleh traf auch mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella und dem Parlamentspräsidenten Roberto Fico zusammen. Einer italienischen Nachrichtenagentur sagte Saleh, er habe Italien um Unterstützung bei der Lösung des libyschen Konflikts gebeten. Es solle eine neue Regierung eingesetzt werden, die einen Präsidialrat mit drei Vertretern der libyschen Regionen vorsieht.
https://libyareview.com/?p=4813
https://almarsad.co/en/2020/07/15/chancellor-aguila-saleh-meets-di-maio-and-italian-parliamentary-speaker/
https://libyareview.com/?p=4829

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei
+ Die Frage, wie sich die Türkei den weiteren Verbleib der syrischen Dschihadisten vorstellt, ist beantwortet. Sie werden in die Milizen integriert und sollen auf Dauer in Libyen bleiben. Bravo!
https://twitter.com/LibyaReview/status/1283034164263092225
+ Auf Twitter erschienen Bilder, auf denen Tripolis-Milizen mit modernen, gepanzerten US-amerikanischen Humvees zu sehen sind. Frage: Wie gelangten diese Fahrzeuge zu den Milizen nach Tripolis?
https://twitter.com/AbuSaleemDF/status/1282424541558579200
+ AlMarsad veröffentlicht Fotos aus dem Yarmouk-Militärlager der ‚Einheitsregierung‘. Es sind dort etwa tausend pro-türkische syrische Söldner, Milizionäre und Mitglieder terroristischer Organisationen aus Tripolis versammelt, einige gerade frisch eingetroffen (über die Türkei nach Misrata und Mitiga), andere schon seit Januar in der Hauptstadt. Den Kämpfern wurde ihr Sold in Höhe von 2000 US-$ ausgezahlt, bevor sie in den Kampf um Sirte und al-Dschufra ziehen werden. Einigen Söldnern war bisher die Auszahlung ihres Solds verweigert worden. Die Gesamtkosten für die syrischen Söldner, bezahlt von der libyschen Zentralbank, werden auf fast 200 Millionen US-$ geschätzt.
https://almarsad.co/en/2020/07/14/report-salary-payment-ceremony-for-hundreds-of-syrian-mercenaries-and-terrorists-at-gnas-yarmouk-camp/

Verschiedenes
+ 16.07.: Der ägyptische Präsident as-Sisi: „Wir werden niemandem erlauben, auf die bewaffneten Milizen in Libyen zu setzen. Wir sind in der Lage, die gegenwärtige militärische Situation entscheidend und sehr schnell zu ändern.“
https://twitter.com/LibyaReview/status/1283763978565550080
+ Russland sagt, es werde die Gesprächskanäle zu allen Seiten offen halten und für Vermittlungen bereit stehen. Der Kreml bestreitet jede Beteiligung an militärischen Operationen.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57865
+ Am 15.07. forderte der Kommandeur des US-Zentralkommandos, General Kenneth F. McKenzie, alle ausländischen Streitkräfte auf, libysches Territorium zu verlassen.
https://libyareview.com/?p=4865
+ Am 15.07. diskutierten Putin und Merkel die Lage in Libyen, Iran und die Ukraine in einem Telefongespräch.
+ Bei einem Telefongespräch am 16.07. stimmten der französische Präsident Macron und der ägyptische Staatschef as-Sisi, darin überein, wie wichtig es ist, „illegale, von außen durchgeführte Interventionen auf libyschen Gebiet zu unterbinden.“ Bewaffnete Milizen und terroristische Organisationen würden auf Kosten der Stabilität in Libyen und der regionalen Sicherheit eingesetzt.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57867
+ Der Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten: "Ankaras Aktionen zielen auf die arabische nationale Sicherheit als Ganzes ab, und die Liga kann dies nicht akzeptieren".
In eigener Sache: Aus technischen Gründen kann ich mich voraussichtlich erst wieder nächster Woche auf meinem Blog zu Wort melden.



Kurznachrichten Libyen – 14.07.2020

Libyen. Kriegstrommeln immer lauter / Parlament autorisiert militärisches Eingreifen Ägyptens / Türkei lehnt Waffenstillstand ab / Ölfelder weiterhin geschlossen 


Libysche Stämme und Städte
+ Am 11.07. bekräftigte Scheich as-Senussi al-Haliq, der im Obersten Rat der Scheichs und Älteren für den Öl- und Gassektor zuständig ist, dass die Ölfelder weiterhin geschlossen sind. „Die Wiederaufnahme der Ölverladung hängt von der Umsetzung der eingegangenen Verpflichtung ab, die Öleinnahmen in einen noch einzurichtenden Fonds einzuzahlen. Falls dies nicht geschieht, wird die Ölverladung wieder eingestellt und die Felder bleiben geschlossen“.
Das libysche Parlament sei ermächtigt, über die Wiederaufnahme der Ölverladung zu verhandeln. Die Raffinerie Sarir sei in Betrieb und pumpe täglich 10.000 Barrel Öl für die Kraftwerksversorgung innerhalb Libyens. Alle anderen Felder, einschließlich des Masalla-Feldes blieben geschlossen.
Ölverladungen in Sidra erfolgten aus Lagerbeständen.
Der Parlamentsabgeordnete Ziad Dghaim sagte, die Genehmigung der LNA, eine Ladung Rohöl aus den Öltanks im Hafen von Sidra zu exportieren, sei ein Akt des guten Willens und soll ein positives Signal setzen.
Die National Oil Corporation (NOC) hatte letzte Woche angekündigt, den Ausnahmezustand aufzuheben und die Produktion schrittweise erhöhen zu wollen. Dieser Schritt wurde sowohl von Italien als auch von Frankreich begrüßt.
Im vergangenen Monat boten die Stämme an, die Schließung der Ölanlagen als Teil einer politischen Lösung zu beenden. Sie beauftragten die LNA, über die Öffnung der Öleinrichtungen zu verhandeln.
https://libyareview.com/?p=4712
+ Die Forderungen der libyschen Stämme umfassen auch die Prüfung der Einnahmen und Ausgaben der libyschen Zentralbank der letzten Jahre. Es sollen Gelder veruntreut und die Einnahmen ungerecht verteilt worden sein. Dieser Forderung nach einer Überprüfung hat sich die sogenannte ‚internationale Gemeinschaft‘ angeschlossen. Dem Chef der CBL, Sadiq al-Kebir, wird vorgeworfen, diese Prüfung systematisch zu hintertreiben, so dass sogar die EU in Erwägung zieht, Sanktionen gegen al-Kebir zu erheben.
https://www.msn.com/en-us/news/world/a-delayed-central-bank-audit-is-fueling-regional-battle-in-libya/ar-BB16G1xr
+ Am 11.07. rief der Bürgermeister von Tadschura, Hussein bin Attia, die Bürger zu einer friedlichen Demonstration vor dem Sitz des Präsidialrats der ‚Einheitsregierung‘ am kommenden Mittwoch auf, um gegen die ständigen Stromausfälle zu protestieren.
https://libyareview.com/?p=4722

Libysche Nationalarmee (LNA)
+ Der Sprecher der LNA, al-Mesmari, erklärte am 11.07., dass die Öleinnahmen auf ein Bankkonto im Ausland fließen sollten, mit einem „klaren Mechanismus“ versehen, wie die Gelder gerecht auf die libyschen Regionen verteilt werden. Ein bestimmtes Land nannte Mesmari nicht. Er forderte auch internationale Garantien, dass die Öleinnahmen nicht zur Finanzierung von „Terroristen und Söldnern“ verwendet würden. Auch sollten die Ausgaben der vergangenen Jahre der Libyschen Zentralbank (CBL) in Tripolis einer Überprüfung unterzogen werden.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57690
+ LNA-Sprecher al-Mismari am 13.07.: „Wir haben in den vergangenen Tagen türkische Bewegungen mit der Absicht beobachtet, in Sirte und Dschufra den Kampf gegen die LNA beginnen zu wollen.“ Alle militärischen Bewegungen würden genauestens beobachtet. Die LNA-Streitkräfte seien bereit.
http://en.alwasat.ly/news/libya/289130
+ LNA-Sprecher al-Mismari sagte am 12.07. in einer öffentlichen Rede, dass die türkische Invasion in Libyen die gesamte arabische Region ins Visier nehme. Die Türkei verbreite Chaos und unterstütze die Milizen. Mismari stellte fest, dass es sowohl in Tripolis als in ganz Libyen an Liquidität mangle. Etwa 12 Milliarden libysche Dinar seien von Sarradsch an die Milizen bezahlt worden. Bezüglich der Ölanlagen sagte er: „Wir kontrollieren das Erdöl nicht. Unseren Militärangehörigen ist es verboten, die Anlagen zu betreten. Allerdings wurde die LNA vom Volk ermächtigt, sie zu schützen.“
https://www.addresslibya.co/en/archives/57719

Libysches Parlament/Übergangsregierung (Tobruk)
+ Das libysche Parlament hat am 13.07. die ägyptische Armee offiziell autorisiert, zum Schutz der nationalen Sicherheit Libyens und Ägyptens militärisch einzugreifen. Die türkische Drohung, im Osten Libyens einzumarschieren bedrohe die nationale Sicherheit Libyens und Ägyptens zu Land und zu Wasser. In der Erklärung heißt es:
„Das libysche Parlament, das einzige vom libyschen Volk rechtmäßig gewählte Vertretungsorgan ihres Willens, bekräftigt hiermit, dass es den Inhalt der Rede des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah as-Sisi in Anwesenheit der Vertreter der libyschen Stämme begrüßt und zu konzertierten Anstrengungen zwischen Libyen und Ägypten aufruft, um den eindringenden Besatzer zu besiegen, unsere gemeinsame nationale Sicherheit zu wahren und Sicherheit und Stabilität in unserem Land und in der Region zu erreichen. In diesem Zusammenhang können die ägyptischen Streitkräfte zum Schutz der libyschen und ägyptischen nationalen Sicherheit eingreifen, wenn sie entscheiden, dass eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit unserer beiden Länder besteht.“
Der volle Wortlaut der Erklärung: https://almarsad.co/en/2020/07/14/libyan-parliament-authorizes-egyptian-army-to-intervene-in-libya-in-response-to-turkeys-threats/
siehe auch: https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-parlament-konflikt-101.html
+ Der Oberster Rat der Scheichs und Honoratioren: „Wir unterstützen die Erklärung des libyschen Parlaments, in der es die ägyptische Armee zum Eingreifen zur Verteidigung des libyschen Volkes auffordert.“
+ Parlamentspräsident Agila Saleh ist am 14.07. in Rom zu politischen Gesprächen mit dem italienischen Premierminister Giuseppe Conte, Außenminister Luigi Di Maio, den Vorsitzenden des Senats und des Repräsentantenhauses eingetroffen.
http://en.alwasat.ly/news/libya/289192
+ Parlamentspräsident Agila Saleh und die amtierende UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Stephanie Williams, diskutierten am 10.07. in Genf die Erklärung von Kairo und deren Umsetzung. Saleh betonte die Notwendigkeit, die Erdöleinnahmen transparent zu verwalten und gerecht zu verteilen, und sie nicht zur Finanzierung von Söldnern und Milizen zu verwenden. Es sei der Wille des Volkes gewesen, die Ölanlagen zu schließen. Ausländische Akteure wurden aufgefordert, ihre Einmischung in Libyen zu beenden, um eine erneute Katastrophe in Sirte und im Ölhalbmond zu verhindern.
Saleh sprach in Genf auch mit Vertretern von Center for Humanitarian Dialogue, eine nach eigenen Angaben neutrale Institution, die sich um die Beilegung internationaler Konflikte bemüht. Sie wolle sich schriftlich an den UN-Sicherheitsrat wenden und die Aufhebung des Waffenembargos für die LNA fordern.
https://almarsad.co/en/2020/07/10/oil-cairo-declaration-and-mercenaries-discussed-at-the-aguila-salehs-meeting-in-geneva-with-williams/

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei
+ Die Türkei wies am 13.07. die Aussichten auf einen bevorstehenden Waffenstillstand in Libyen mit der Begründung zurück, dass ein Abkommen, das die bestehenden Frontlinien des Konflikts einbezieht, der von Ankara unterstützten Regierung der Nationalen Vereinbarung nicht zugute käme.
http://en.alwasat.ly/news/libya/289119
+ Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte am 12.07. der FinancialTime, dass die ‚Einheitsregierung‘ „entschlossen ist, ihren Angriff gegen die Haftar-Milizen wieder aufzunehmen, falls sie sich nicht aus dem strategisch wichtigen Hafen von Sirte und dem Stützpunkt Dschufra, der über das größte Luftabwehrsystem des Landes verfügt, zurückzieht“. Er fuhr fort: „Jetzt, da all dies von der anderen Seite abhängt, müssen diese Voraussetzungen für einen dauerhaften Waffenstillstand akzeptiert werden“. In Bezug auf den LNA-Luftwaffenangriff auf den al-Watija-Stützpunkt in der vergangenen Woche meinte Cavusoglu, dass „der Täter einen hohen Preis zahlen wird“.
Angriffe auf Dschufra und Sirte durch die ‚Einheitsregierung‘/Türkei wurden von Ägypten als rote Linie bezeichnet. Diese Aussagen Cavusoglus zeigen die Gefahr einer weiteren Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Milizen der ‚Einheitsregierung‘/Türkei/Katar und der LNA/libysches Parlament/Übergangsregierung mit Unterstützung von Saudi Arabien, VAE, Ägypten, Russland und Frankreich u.a. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass auch die libyschen Stämme die LNA unterstützen und keine der die LNA unterstützenden Auslandsmächte Militärstützpunkte in Libyen anstrebt und soweit bekannt, auch nicht libysche Gelder in ihre eigenen Länder transferiert, so wie dies die Türkei in großem Maßstab tut. Alle Akteure auf Seiten der LNA betonen die Souveränität und Unteilbarkeit Libyens.
http://en.alwasat.ly/news/libya/288976
+ 12.07.: In Misrata sollen Kämpfe zwischen den tscherkessischen [ursprünglich kaukasisches Volk, in Libyen wohl ägyptisch-mamlukischer Herkunft] und den al-Maadan-Milizen ausgebrochen sein, in deren Verlauf mehrere Menschen verletzt und drei getötet wurden, darunter der Milizenführer Ali Bayou, genannt Mugo.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57693
+ 12.07.: Die saudische Zeitung Al-Sada berichtet, dass in den letzten Tagen über tausend tunesische Extremisten mit libyschen und türkischen Flugzeugen aus den syrischen Städten Aleppo und Idlib über Istanbul nach Misrata geflogen wurden.
+ 13.07.: Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, bat unter Berufung auf die Notstandsgesetzte den Verkehrsminister Milad Maatuq um die Namensliste der Passagiere, die auf den von der ‚Einheitsregierung‘ kontrollierten Flughäfen an- und abfliegen, denn es gebe Terroristen, die Libyen mit Privatjets verlassen oder nach Libyen einreisen möchten. Ausnahmen bestünden für nur für fünf Personen, dem Präsidenten des Präsidialrats Sarradsch und seinen Stellvertretern.
Fast der gesamte Flugverkehr im Westen Libyens, auch der private, besteht aus Türkeiflügen, da im europäischen Luftraum für libysche Flugzeuge ein Flugverbot besteht.
Bashagha selbst steht ein Privatjet zur Verfügung
https://almarsad.co/en/2020/07/12/bashagha-orders-submission-of-flight-manifests-for-all-private-jets/
+ Am 12.07. wurde während eines Feuergefechts in Sabrata Abdul-Ghani al-Aweib (Abdou), ein enger Vertrauter des von der UNO sanktionierten Schleusers Ahmed ad-Dabbashi, getötet. Auslöser waren Streitigkeiten um die Verteilung von Einnahmen für Strandhausvermietungen.
Al-Aweib war im April 2020 nach der Einnahme der Stadt durch Milizen der ‚Einheitsregierung‘ aus dem Gefängnis befreit worden. Seit dieser Zeit wird Sabrata wieder von Kriminellen und Milizen kontrolliert, die stärker als je zuvor ihr Unwesen treiben. https://almarsad.co/en/2020/07/13/sabratha-al-amous-killed-beach-chalets-revenue/

Verschiedenes
+ Die Familie des ehemaligen libyschen Geheimdienstchefs Abdullah Senussi beschuldigte den ehemaligen mauretanischen Präsidenten Mohamed Ould Abdel Aziz, des Verrats an ihrem Vater. Die Familie, die heute in Kairo lebt, will in Nouakchott Klage gegen Abdel Aziz einreichen, weil er im September 2012 Abdullah Senussi an die damaligen libyschen Machthaber ausgeliefert hat. Es soll neben verschiedenen Deals zugunsten Mauretaniens damals auch eine Summe in Höhe von 200 Millionen Dinar geflossen sein.
Senussi wird seitdem in Libyen inhaftiert. Im März 2019 protestierten Verwandte und Mitglieder seines Stammes, der Magerha, in Tripolis und forderten aus gesundheitlichen Gründen seine Freilassung. Senussi war 2015 in einem politischen Schauprozess zum Tode verurteilt worden.
http://en.alwasat.ly/news/libya/288877
+ Der Vorsitzende des National Oil Corporation (NOC), Mustafa Sanella, ist wieder einmal stark unter Beschuss geraten als er behauptete, die VAE steckten hinter der Schließung der Ölanlagen. Bekanntermaßen geht die Schließung auf Beschlüsse der libyschen Stämme und Städte zurück, die darin die einzige Möglichkeit sahen, den Geldfluss an die Milizen und ausländischen Söldner zu unterbinden und sich international Gehör zu verschaffen.
Sanella wird außerdem vorgeworfen, nicht gegen die Androhung der Türkei, militärisch auf die Ölanlagen im Osten Libyens vorzurücken, zu protestieren.
Durch die Schließung der Ölfelder befindet sich Sanella in einem Zahlungsengpass, so dass die syrischen Söldner vergeblich auf ihren Sold warten.
Sanella hat auch behauptet, dass syrische Söldner nicht nur auf türkischer Seite, sondern auch für die LNA eingesetzt sind. Für diese auch von den westlichen Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg verbreiteten Behauptungen lägen aber keinerlei Beweise vor. Eine Rolle bei der Verbreitung dieser Art von Nachrichten scheint auch der ehemalige britische Botschafter in Tripolis, Peter Millett, zu spielen. Dessen Kapitalgesellschaft UK1 sterling hat vom NOC einen tausende von Pfund umfassenden Auftrag erhalten.
Seit Jahren wird die Absetzung von Mustafa Sanella gefordert, der als einer der wichtigsten Förderer des türkischen Wirtschaftsexpansionismus in Libyen gilt.
https://almarsad.co/en/2020/07/14/sanallah-hit-by-mounting-dismissal-demands/
+ Libyen belegt den letzten Platz im Global Real Estate Transparency Index 2020 (GRETI), einem alle zwei Jahre erscheinenden Bericht der US-amerikanischen Immobilien- und Managementberatungsfirma JLL. Der Index bewertet weltweit 99 Länder und 163 Städte.
https://libyareview.com/?p=4733
+ Russlands Präsident Wladimir Putin erörterte mit den ständigen Mitgliedern des russischen Nationalen Sicherheitsrates die aktuelle Lage in Libyen. Während des Treffens betonte Putin, dass es keine Alternative zu einer friedlichen Lösung in dem nordafrikanischen Land gebe.
https://libyareview.com/?p=4700
+ Die Präsidenten Russlands und der Türkei, Putin und Erdogan, diskutierten telefonisch über wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Lage in Syrien und Libyen, berichtet die russische Nachrichtenagentur Sputnik.
Putin und Erdogan betonten die Notwendigkeit, den militärischen Konflikt in Libyen so bald wie möglich zu beenden und die Verhandlungen auf der Grundlage der Beschlüsse der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar dieses Jahres wieder aufzunehmen.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57732
+ Am 10.07 diskutierten US-Außenminister Mike Pompeo und sein deutscher Amtskollege Heiko Maas telefonisch die Situation in Libyen.
https://libyareview.com/
+ In Brüssel forderte der Hohe EU-Vertreter für Sicherheit und Außenpolitik, Joseph Borrell, die Türkei auf, ihre wiederholten Verstöße gegen die UN-Resolution zum Verbot von Waffenlieferungen an Libyen einzustellen.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57742
+ Frankreich, Italien, Griechenland und Zypern kündigten entscheidende Schritte gegen die Intervention der Türkei in Libyen und im östlichen Mittelmeerraum an. Es werde eine Allianz gebildet, um die Arbeit von Energieunternehmen in diesen Ländern zu sichern und zu verhindern, dass Ankara die Erdgas- und Ölfelder im Mittelmeerraum kontrolliert.
Dagegen sagte Ankara, es könne schon in vier Monaten mit der Ölförderung in Libyen beginnen.
Der Krieg um die Ressourcen und die daraus erhofften Milliardeneinnahmen nimmt Fahrt auf.
https://libyareview.com/?p=4796
+ TheArabWeekly schreibt: „Türkischer Expansionismus in Libyen führt zu algerisch-französischer Annäherung“. Häufige Kontakte zwischen dem algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune und seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron signalisieren eine engere Abstimmung zwischen den beiden Ländern in Fragen der Region, insbesondere in Fragen, die die Sahel-Sahara-Region und Libyen betreffen.
Zu der Annäherung dürfte beigetragen haben, dass Algerien das in der Verfassung festgelegte Verbot, außerhalb des eigenen Territoriums militärisch tätig zu werden, aufheben will. Damit wäre der Weg bereitet, sich gemeinsam mit Frankreich in der Sahara und der Sahelzone an militärischen Einsätzen zu beteiligen.
Eine gemeinsame Initiative zwischen Algerien und Frankreich bezüglich Libyen könnte die Forderung nach einer politischen Lösung und den Abzug aller ausländischen Kräfte zum Inhalt haben. Frankreich war besorgt, dass die Türkei mit ihrer Expansionspolitik zunehmend Einfluss in Algerien erlangen könnte. Algerien ist an einer Beilegung der Krise in Libyen gelegen, da diese sicherheitspolitische Auswirkungen auf das eigene Territorium mit seinen Erdgas- und Erdölfeldern haben könnte. Der failed-state Libyen könnte der Nährboden für terroristische Gruppierungen sein.
Laut Beobachtern ist Algerien bemüht, neben Frankreich auch Russland miteinzubeziehen, um der algerischen Initiative eine breitere Grundlage zu geben. Im Juni hatte Tebboune bereits den libyschen Parlamentspräsidenten Agila Saleh und den Premierminister der ‚Einheitsregierung as-Sarradsch zu Gesprächen empfangen.
https://ahvalnews-com.cdn.ampproject.org/c/s/ahvalnews.com/algeria/turkish-expansionism-libya-leads-algerian-french-rapprochement?amp
+ 13.07.: Der algerische Präsident Tebboune sagte: „ Die Libyer möchten Frieden und alle Lösungen, die seit 2011 versucht wurden, sind fehlgeschlagen ... Wir müssen eine neue Road Map schaffen, die innerhalb von zwei oder drei Jahren zu Wahlen führt.“
https://libyareview.com/?p=4789
+ Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen betonte Berlins Rolle in den fatalen Kriegen durch die „skrupellose Exportpolitik“ und kritisierte die Lieferung von Kriegsgerät an Ägypten, das in die Kriege in Libyen und Jemen involviert ist. Im April war das dritte von vier U-Booten aus deutscher Produktion an Ägypten übergeben worden.
https://deutsch.rt.com/inland/104358-frische-lieferungen-berlin-beteuert-frieden/
+ Am 11.07. fand in Berlin ein Symposium des Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Aufklärung mit internationalen Experten statt. Diskutiert wurde die Haltung der türkischen Comunity in Deutschland zur Intervention der Türkei in Libyen.
Die Intervention der Türkei habe den Extremismus in Libyen befeuert und die Sicherheitslage in Deutschland negativ beeinflusst. Erdogan übe mit seinen Versuchen, Migranten nach Europa zu senden, politischen Druck insbesondere auf Deutschland aus. Die Sicherheitslage in Europa hänge weitgehend von der Stabilität im Nahen Osten und im Mittelmeerraum ab. Durch Erdogans Vorgehen in Libyen werde der Einfluss der verbotenen Moslembruderschaft verstärkt, insbesondere wenn es ihm gelänge, die libyschen Ölquellen zu kontrollieren. Europa und Deutschland wurden aufgefordert, sich strikt gegen die Politik Erdogans zu stellen.
https://libyareview.com/?p=4741
+ Der österreichische Innenminister Karl Nehammer drohte am 13.07. der Türkei auch auf diplomatischer Ebene bedeutende Konsequenzen an, da sich Ankara in einer Art und Weise in einen EU-Mitgliedsstaat eingemischt habe, die eine Gefahr für dessen innere Sicherheit darstellte. Bei einer Kurdendemonstration in Wien war es zu Gewaltanwendungen von rechtsextremistischen Gruppen wie der Grauen Wölfe gekommen, hinter denen Nehammer die Türkei sieht.
https://www.vienna.at/tuerkischer-geheimdienst-soll-in-gewalt-bei-kurden-demos-in-wien-involviert-sein/6671294

Donnerstag, 9. Juli 2020



Kurznachrichten Libyen – 05.07.2020

Libyen. Türkei neuer Herrscher in Tripolis /Libyen von Türkei finanziell ausgepresst / Röttgen fordert Einsatz der Bundeswehr in Libyen / Hoher Anstieg der Covid-19-Erkrankungen 


Militärische Lage
+ 02.07. Die LNA hat am 02.07. Luftangriff auf Milizen der ‚Einheitsregierung‘ geflogen, zum einen nördlich von Asch Schwayrif, zum anderen auf eine Miliz, die versuchte, auf Sirte vorzurücken. Bereits am 01.07. wurde westlich von Sirte ein Angriff auf Milizen der ‚Einheitsregierung‘ geflogen.
+ In der Stadt Alrudschban, südwestlich von Tripolis, nahe des Luftwaffenstützpunktes al-Watiya (westliches Libyen) seien Flugzeuge unbekannter Herkunft und aufeinanderfolgende Explosionen zu hören gewesen. Es sei auch zu Einsätzen in den westlichen Bergen gekommen.
Der al-Watiya-Luftwaffenstützpunkt wurde vor kurzem von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ mit Hilfe syrischer Söldner und türkischer Luftunterstützung eingenommen. Er umfasst eine Fläche von etwa 50 Quadratkilometern und verfügt über stark befestigte Militärbauwerk. Seine strategisch günstige Lage nahe der tunesischen und algerischen Grenze sowie des Mittelmeers macht ihn zu einem der wichtigsten libyschen Luftwaffenstützpunkte.
+ Die LNA meldet, dass die Türkei mindestens zwei MIM-23 Hawk-Luftverteidigungssysteme und zwei Radar- und Störsysteme auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Watiya südwestlich von Tripolis stationiert hat.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57463

Libysche Nationalarmee (LNA)
+ 03.07. US-Beamte und Kommandeure der LNA hielten am 01.07. ein virtuelles Treffen ab, um über die Demobilisierung der Milizen zu diskutieren. „Die LNA-Delegation unterrichtete die US-Delegation über ihr Engagement für einen von der UNO unterstützten Dialog und ihre Vorschläge zur Reformierung des Sicherheitssektors und zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung“.
„Die US-Seite bekräftigte erneut, dass bewaffnete Gruppen, die versuchen, den politischen Prozess zu stören oder sich an destabilisierenden Handlungen zu beteiligen, nicht toleriert werden dürfen und internationale Sanktionen riskieren“.
Die US-Delegation betonte ihre Ablehnung jeder ausländischen Einmischung in Libyen. Ein sofortiger Waffenstillstand und die Rückkehr zu sicherheitspolitischen und politischen Verhandlungen unter Leitung der UN seien notwendig.
https://www.state.gov/u-s-lna-discussion-on-militia-demobilization/

Libysche Stämme und Städte
+ Der stellvertretende Vorsitzende des Obersten Rates der libyschen Scheichs und Ältesten, Scheich as-Senussi al-Hlaiq, zu LibyaReview: „Wir hatten wegen des Erdöls Kontakt mit der internationalen Gemeinschaft und mit einigen Ländern, und haben unsere Forderungen präsentiert, die zunächst gebilligt wurden. Als erstes fordern wir ein Konto, auf das alle Öleinnahmen eingezahlt werden, welche dann unter Aufsicht der UNO gerecht auf die drei libyschen Regionen aufgeteilt werden. Andererseits wird es uns nichts ausmachen, die Schließung der Ölanlagen zu beenden und das Parlament und das Generalkommando der LNA zu Verhandlungen bezüglich der libyschen Krise zu mandatieren. Allerdings ist es notwendig, dass die Verwaltungsstrukturen der National Oil Corporation (NOC) und der Libyschen Zentralbank (CBL) geändert werden und zusätzlich ein Raumentwicklungsplan für die Ölfelder des Landes erstellt wird – dies ist eine unserer Hauptforderungen. Entscheidend ist dabei, dass die Gelder nicht zum Kauf von Flugzeugen, Panzern und Missiles verwendet werden oder um Krieg und Milizen zu finanzieren. Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, so schnell wie möglich zu intervenieren, damit eine Regierung mit einem Präsidenten und zwei Stellvertretern gebildet werden kann. Die Libyer sind bereit, diese Krise hinter sich zu lassen und alle Söldner auszuweisen. Wir wiederholen nochmals, dass wir jegliche ausländische Einmischung in libysche Angelegenheiten ablehnen.“
Die Erdölanlagen wurden im Januar 2020 durch die libyschen Stämme geschlossen. Laut NOC belaufen sich die Einnahmenausfälle auf etwa 6,5 Milliarden US-$.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1277568362927849472
+ 113 libysche Stammesführer sind nach Ägypten gereist, um mit dem ägyptischen Präsidenten as-Sisi Gespräche zu führen.

Libysches Parlament/Übergangsregierung (Tobruk)
+ 02.07.: Parlamentspräsident Agila Saleh und der Außenminister der libyschen Übergangsregierung, Abdul Hadi al-Huwaidsch, sind zu einem dreitägigen Besuch und zu Gesprächen mit dem russischen Außenminister Lawrow nach Moskau gereist.
Lawrow erklärte, dass die Kairoer Erklärung des ägyptischen Präsidenten as-Sisi vom 6. Juni zur Grundlage für einen Dialog zwischen den verfeindeten libyschen Parteien werden könnte. Die Erklärung stünde auch im Einklang mit den Beschlüssen der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57460
Lawrow gab auch bekannt, dass die russische Botschaft für Libyen ihre Arbeit von Tunesien aus wieder aufnehmen werde. Zu ihren Aufgaben gehöre „die Vertretung Russlands in ganz Libyen“. Er verwies auf Syrien, wo arabische Länder begonnen hätten, wieder Vertretungen in Damaskus zu eröffnen. Schritte in dieser Richtung seien auch in Libyen zu begrüßen.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57456
+ 02.07.: Griechenland will ein Konsulat in Bengasi eröffnen. Es plant, ein Seerechtsabkommen mit dem gewählten und international anerkannten Parlament (Tobruk) abzuschließen, als Reaktion auf das illegale Abkommen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der Türkei.
+ 02.07.: Libyens Außenminister der Übergangsregierung (Tobruk), al-Hwaidsch, sagte am 02.07. bei SkyNewsArabia, dass sowohl Libyen als auch Griechenland von der Türkei bedroht werden. Er wies darauf hin, dass das zwischen der Türkei und der ‚Einheitsregierung‘ unterzeichnete Abkommen unrechtmäßig sei. Nur die Übergangsregierung sei berechtigt, diesbezügliche Abkommen zu treffen. Hwaidsch: „Die Türkei marschiert in Libyen ein, und wir werden alle Maßnahmen ergreifen, um dieser Aggression entgegenzutreten“.
https://libyareview.com/?p=4418

‚Einheitsregierung‘/Moslembrüder/Türkei/Milizen
+ Am 03.07. kamen der türkische Verteidigungsminister Akar und der Generalstabschef General Güler nach Libyen, um die Aktivitäten im Rahmen des mit der ‚Einheitsregierung‘ abgeschlossenen memorandum of understanding zu überprüfen.
D.h. der ‚Einheitsregierung‘ wird mitgeteilt, wie sich Ankara das weitere militärische und politische Vorgehen in Libyen vorstellt.
+ Am 02.07. hieß es, dass die Türkei in den vergangenen zwei Tagen Waffen und schweres Gerät nach Libyen gebracht habe, um einen Angriff auf die Stadt Sirte vorzubereiten. Die Türkei treibt ihre politische und wirtschaftliche Agenda in Libyen rasant voran.
+ Laut dem österreichischen Standard will Erdogan einen großen Boulevard in der libyschen Hauptstadt Tripolis nach Sultan Süleyman dem Prächtigen benennen lassen: Es soll „in Zukunft ein langer Boulevard in Tajoura, in der libyschen Hauptstadt Tripolis, nach ihm heißen: Hat er doch 1551 von dort die Spanier vertrieben – wie jetzt Erdoğan den von Ägypten und anderen unterstützten General Haftar.“
https://www.derstandard.at/story/2000118322622/tuerken-und-araber-auf-kollisionskurs?ref=nl
+ Das Abkommen zwischen Sarradsch und Erdogan soll den Raub von elf Milliarden US-$ an libyschen Vermögen zur Folge haben. Abdel Rahim Ali, ägyptischer Abgeordneter und Leiter des Centre d'Etudes Moyen-Orient (Zentrum für Nahost-Studien/Paris), Abdel Rahim Ali: „Nachdem Sarradsch mit den Türken unrechtmäßige Öl- und Gasgeschäfte abgeschlossen hat, überweist er erneut libysche Einlagen in Höhe von 8 Milliarden US-$ zur Rettung der türkischen Lira von europäischen Banken an die türkische Zentralbank, wo diese Gelder vier Jahre lang zinsfrei liegen. Abdel Rahim Ali forderte die internationale Gemeinschaft und die Arabische Liga auf, diesen Raub libyschen Vermögens zu stoppen.
Bei dem kürzlichen Besuch von Siddiq al-Kebir, dem Leiter der libyschen Zentralbank, beim türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul, ging es um weitere drei Milliarden US-$, die Libyen an die Türkei als Entschädigung wegen nicht zustande gekommener Projekte durch den Kriegsausbruchs 2011 zahlen soll.
Die Sarradsch-Regierung ermögliche türkischen Unternehmen, ihre Tätigkeiten in Libyen wieder aufzunehmen. Diese Verträge der ‚Einheitsregierung‘ mit der Türkei seien nicht legal zustande gekommen und nicht bindend, da sie vom Parlament hätten gebilligt werden müssen.
https://almarsad.co/en/2020/07/01/cemo-sarraj-erdogan-agreement-plunders-us11-billion-of-libyas-money/
+ Der noch amtierende Leiter der libyschen Zentralbank (CBL, Tripolis), Siddiq al-Kebir, traf am Mittwoch in Istanbul mit Erdogans Schwiegersohn und dem türkischen Finanzminister Berat Albayrak zusammen.
Al-Kebir verwies auch auf sein vorangegangenes Treffen mit Albayrak am 29. Juni ein auf ein weiteres Treffen, an dem auch Erdogan teilnahm, so dass insgesamt drei Treffen in weniger als einer Woche stattfanden. Inhaltlich wurde nur so viel bekannt, dass „Fragen von gemeinsamem Interesse erörtert“ wurden.
Diese Treffen stellen eine Verletzung aller internationaler Gepflogenheiten dar. Solche Treffen finden üblicher Weise innerhalb von Delegationen statt, an denen auch Minister oder Staatsoberhäupter teilnehmen. Hier trat der Leiter der CBL, al-Kebir, direkt zum Rapport bei einer ausländischen Regierung an.
Berat war Energieminister und davor Vorsitzender der Holding Çalık, die hauptsächlich in der Stromerzeugung tätig ist und heute von seinem Bruder geleitet wird.
Der Leiter der General Electricity Company of Libya (GECOL), Ali Sassi, traf derweil mit dem türkischen Botschafter in Tripolis, Sarhan Aksan zusammen. Laut Sassi habe Aksan abgeboten, Stromschiffe von der türkischen Firma Karadeniz zu leasen, um wegen der anhaltenden Stromausfälle diesen für teures Geld von den Schiffen zu beziehen.
https://almarsad.co/en/2020/07/02/three-meetings-in-less-than-a-week-erdogans-son-in-law-meets-siddik-al-kabir-again/
Schon im Dezember 2017 unterzeichnete die Firma Siemens mit der ‚Einheitsregierung‘ einen Vertrag zum Bau von Generatoren in Libyen. Das Geld wurde bezahlt, aber keine Leistung erbracht. Nun plant die ‚Einheitsregierung‘, große Summen für die Stromerzeugung auf Schiffen locker zu machen. Die Gelder dürften fließen und die Leistung wiederum auf sich warten lassen.
https://press.siemens.com/global/en/pressrelease/siemens-signs-contracts-gecol-boost-power-generation-capacity-libya-13-gw
+ Einem Bericht der Deutschen Welle vom 03.07. zufolge bereitet sich die Türkei darauf vor, aus ihren militärischen Unternehmungen in Libyen Nutzen zu ziehen. Die ‚Einheitsregierung‘ habe die Türkei an die erste Stelle bei der Vergabe von milliardenschweren Aufträgen gesetzt.
Die Türkei hat mit einer massiven Inflation, hoher Arbeitslosigkeit und einer schwachen türkischen Lira zu kämpfen, die während der Pandemie auf ihren allzeit niedrigsten Stand gegenüber dem US-$ gefallen ist.
https://libyareview.com/?p=4476
+ Der türkische Minister für Energie und Ressourcen, Fatih Dönmez, sagte am 02.07., dass sein Land die Ölförderung in Libyen fortsetzen werde und eine Zusammenarbeit mit der in Tripolis ansässigen Ölgesellschaft NOC plane.
Die Türkei hat das westliche Libyen mit der Hauptstadt Tripolis besetzt. Die ‚Einheitsregierung‘ ist nur noch Staffage. 

Migration
+ Fast 300 Migranten wurde am 02.07. von der Küstenwache auf See aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht.
+ Am Donnerstag wiederholten die UNO ihre Forderung, die Haftanstalten für Migranten in Libyen zu schließen. Dies fiel mit dem ersten Jahrestag des Angriffs auf das Tadschura-Gefangenenlager zusammen, bei dem mindestens 52 Migranten getötet und 87 verwundet wurden. Da die Lebensbedingungen in den Gefangenenlagern extrem schlecht sind, besteht ein hohes Risiko für Migranten, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren.
Die UN-Sondermission für Libyen stellte fest, dass es nach wie vor Berichte über außergerichtliche Tötungen, Folter, sexuelle Gewalt, willkürliche Inhaftierung sowie über Menschenhandel gebe. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
https://libyareview.com/?p=4442

Coronakrise
+ Die Gesamtzahl der bestätigten Covid-19-Fälle ist auf 874 gestiegen; davon sind 223 Menschen gesundet und 25 verstorben. Die meisten Fällen wurde in Sebha (Fessan) registriert, dann in Tripolis und Misrata.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57427

Verschiedenes
+ Im westlichen und südlichen Libyen kommt es infolge von Beschädigungen der Infrastruktur und Missmanagement bei General Electricity Company of Libya (GECOL) zu lange anhaltenden Stromausfällen, so z.B. am 02.07. zu einem kompletten Stromausfall von Abu Grian bis zur tunesischen Grenze. Verschiedentlich kommt es zu Protesten der Bevölkerung.
+ Wie LibyaAddress meint, gerät der tunesische Präsident Kais Saied unter Druck, seine Haltung zum Libyenkonflikt zu ändern. Nach seinem kürzlichen Besuch in Paris schien sich Saied der französischen Haltung angenähert zu haben, indem er betonte, dass ein Waffenstillstand notwendig sei und dass freie Wahlen abgehalten werden sollten. Saied lehnte auch generell jede ausländische Einmischung in Libyen ab.
Bei einem Treffen des tunesischen Außenministers Erray mit dem US-Botschaftern in Tunesien, Donald Bloom, und dem US-Botschafter in Libyen, Richard Norland, lobte dieser die Anstrengungen der USA. Einzig der politische Weg sei der in Libyen gangbare.
Die Unterstützung der USA für das Innenministerium in Tripolis unter Leitung des Moslembruders al-Bashagha stehe im Widerspruch zur US-Politik des Kriegs gegen den Terror.
Die tatsächliche Rolle Tunesiens im Libyen-Konflikt steht ebenfalls im Widerspruch zu den Aussagen seines Präsidenten.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57453
+ Der zypriotische Präsident befürchtet, Zypern könne durch die Türkei zu einem neuen Libyen, Irak oder Syrien werden. Dies müsse die ‚internationale Gemeinschaft‘ zur Kenntnis nehmen. Er verwies dabei auf den sogenannten türkischen Plan „blaue Heimat“, die darauf abziele, die östlichen Inseln der Ägäis und die Meeresgebiete Griechenlands zu annektieren.
https://libyareview.com/?p=4462
+ RT schreibt am 03.07.: „Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen fordert einen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen einer UN- oder EU-Mission in dem vom Krieg gebeutelten Land.“ Röttgen hatte eine internationale Militärmission, die eine Pufferzone zwischen den beiden Konfliktparteien errichten soll, gefordert: „Die letzten Monate haben gezeigt: Diplomatie ohne eine militärische Friedenskomponente wird den Kampf in Libyen nicht beenden.“ Diese Militärmission könne entweder durch die UN oder auch die EU mandatiert werden, an der sich die Bundeswehr beteiligen sollte.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wollte bereits zu einem früheren Zeitpunkt nicht ausschließen, „dass sich auch die Bundeswehr an der Durchsetzung des Waffenembargos und Überwachung der Waffenruhe beteiligt.“
https://deutsch.rt.com/inland/104128-nach-libyen-konferenz-flop-roettgen/
Eine „militärische Friedenskomponente“? Frieden schaffen mit immer mehr Waffen?
Und wie bitte? Seit wann kann denn die EU internationale Militäreinsätze mandatieren? Das wäre ohne UN-Mandat völkerrechtlich ein eindeutig illegaler Militäreinsatz. UNO-Charta, Artikel 2, Absatz 4, Gewaltverbot: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

+ Bundesaußenminister Heiko Maas betont die Notwendigkeit, zu den 5+5-Verhandlungen in Libyen zurückzukehren. Während einer gemeinsamen Konferenz mit dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu wies Maas darauf hin, dass es in den kommenden Tagen zu einer Abstimmung zwischen verschiedenen Ländern über die Lage in Libyen kommen wird.
https://libyareview.com/?p=4426
+ Die EU-Mission für Libyen gab bekannt, dass ihr Mandat bis Juli 2021 verlängert wurde. Sie fühle sich verpflichtet „die Stabilität des Sicherheits- und Justizsektors in Libyen zu unterstützen und die Sicherheit und Verwaltung der Grenzen zu fördern“.
https://www.addresslibya.co/en/archives/57442
+ Frankreich hat die NATO informiert, dass es seine Beteiligung an der Irini-Marineoperation im Mittelmeer aussetzt. Dies geht auf einen Zwischenfall zwischen französischen und türkischen Kriegsschiffen zurück, der von den beiden Seiten gegensätzlich dargestellt wird. https://libyareview.com/?p=4403
+ Tagesschau: „Das Aufeinandertreffen der französischen Fregatte mit türkischen Kriegsschiffen im Mittelmeer hat zu einer schweren Krise zwischen den beiden NATO-Mitgliedern geführt. Die Türkei beschuldigt Frankreich der bewussten Falschmeldung. Weder der EU noch der NATO habe man die Wahrheit gesagt, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavosoglu bei seinem Aufenthalt in Berlin. Er fordert eine Entschuldigung und wirft Frankreich ‚Türkeifeindlichkeit‘ vor.
Frankreich wiederum beharrt auf seinem Standpunkt. Verteidigungsministerin Florence Parly betonte vor Europaabgeordneten erneut: Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Alliierter versuche, diejenigen zu bedrohen, die sich gegen Regelverstöße wendeten.“
https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-frankreich-nato-101.html
+ Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte: „Auf unser Ersuchen hin wird es am 13. Juli ein Treffen der EU-Außenminister geben, bei dem es ausschließlich um die Türkeifrage geht. Die EU hat wegen der türkischen Bohrungen in der zyprischen Wirtschaftszone bereits Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Weitere Sanktionen könnten ins Auge gefasst werden“.
https://www.reuters.com/article/us-france-turkey-sanctions/frances-foreign-minister-says-new-sanctions-on-turkey-possible-idUSKBN2426J8
+ Die Türkei schießt gegen Russland. Wie RT berichtet, hat die Türkei die monatelange Blockade des Nato-Beschlusses zu den neuen Verteidigungsplänen für das Baltikum und Polen aufgegeben. Für das Inkrafttreten des Beschlusses war Einstimmigkeit nötig, wofür die Türkei Gegenleistungen verlangte, die sie jetzt wohl bekommen hat.
https://deutsch.rt.com/europa/104049-nato-speer-kann-gespitzt-werden/
+ Die Türkei hat von Russland das hochgelobte Luftabwehrsystem S-400 Triumf gekauft, was bei den USA und den Nato-Partnern auf herbe Kritik stieß. Allerdings ging das System noch nicht in Betrieb und es heißt, dass Ankara hinter den Kulissen eine Lösung mit Washington anstrebt. So gibt es den Vorschlag, dass die USA mit Mitteln aus ihrem Verteidigungsetat 2021 das S-400-Luftabwehrsystem der Türkei abkaufen könnte. Die USA könnten das Luftabwehrsystem ausforschen und die klamme Türkei käme zu Geld. Ob auch die Türkei zu so einem Deal bereit wäre, ist umstritten.
https://deutsch.rt.com/international/104079-kaufabsicht-aus-washington-was-macht/
+ Ein Artikel auf Heise.de unter dem Titel „Türkei: Mord im Auftrag des Staates“ beschäftigt sich mit den Einsatz von Kampfdrohnen und deren Angriffe in Libyen und auf Zivilisten in Syrien sowie mit deutschen Rüstungsexporten für die Türkei. „Die Türkei maßt sich immer mehr an, ohne Beachtung territorialer Grenzen nicht nur Angehörige bewaffneter Gruppen, sondern auch ihr unliebsame Politiker und Zivilisten mit Drohnen ‚hinzurichten‘“.
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Mord-im-Auftrag-des-Staates-4800416.html
+ Auf NZZ heißt es unter der Überschrift: „Und wieder führt Erdogan die Europäer an der Nase herum“: „Sei es in Nordafrika, sei es in der Ägäis, sei es im Nahen Osten – Europas große Nachbarin, die Türkei, hat sich in einer innenpolitisch stark angespannten Lage dazu entschlossen, ihr äußeres Einflussgebiet zu vergrößern. Für diese geopolitische Ambition gibt es klare politische Ziele, ideologische Überzeugungen (Neoosmanismus) sowie das notwendige Maß an militärischer Kühnheit. […] Erdogan spekuliert auf den weiteren Aufstieg seines Landes. Doch das kann nach hinten losgehen. Und: Auf Europas Handelspartner, Investoren und Touristen bleibt Ankara noch auf lange Zeit angewiesen. Hier haben die Europäer noch nicht einmal annähernd damit begonnen, ihre Trümpfe auszuspielen.“
https://www.nzz.ch/meinung/geopolitik-im-mittelmeer-tuerkei-fuehrt-hilfloses-europa-vor-ld.1564556?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2020-7-4&trco=
+ Thierry Meyssan schreibt auf VoltaireNet über Geheimverhandlungen zwischen Putin und Trump und wie die beiden Großmächte im Nahen Osten und in Nordafrika Frieden herstellen könnten.
https://www.voltairenet.org/article210404.html
+ Im Programmentwurf der Grünen heißt es: „Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik ist das erweiterte VN-Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, Rebuild), das uns als internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.“ Damit wird das Interventionsverbot der UN-Charta ausgehebelt, denn plötzlich darf aus „humanitären Gründen“ interveniert werden, insbesondere in missliebigen, anti-westlich gesinnten Staaten und Regierungen. Was „humanitäre Gründe“ sind, bestimmt der Westen und wo es keine gibt, werden welche konstruiert. Wohin das führt, hat man z.B. in Libyen gesehen. Die Grünen bekennen sich schon lange grundsätzlich zu Militäreinsätzen, in Jugoslawien stimmten sie diesen auch ohne UN-Mandat zu. Ein eklatanter Bruch des Völkerrechts.
https://www.heise.de/tp/features/Gruener-Programmentwurf-mit-Bekenntnis-zu-militaerischen-Interventionen-4799662.html

11:07 05.07.2020