Westberlin in den 80er Jahren: die Libyen-Connection und der Geheimdienstsumpf – ein Agententhriller
Die folgenden
Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf die Bücher von Mark Altten „Das
Gaddafi-Komplott“ und von Manfred G. Meyer „Gaddafi, Koks und Knaben“ sowie auf
Artikel der Zeitschrift ‚Der Spiegel‘.
Nicht nur die Geheimdienste, die sich alle im Berlin des
Kalten Kriegs als der Schnittstelle zwischen Ost und West, zwischen den beiden
Deutschlands, ein Stelldichein gaben, mischten bei den mörderischen Spielchen
kräftig mit, sondern auch die Westberliner Halb- und Unterwelt hatte ihre
Finger beim Gaddafi-Komplott im Spiel. Es tauchten zwielichtige Libyer im
Westberlin der 80er Jahre auf, die 2011 beim Sturz Gaddafis erneut eine Rolle
spielten.
Folgende Spur des Todes führte laut Mark Altten[1]
ins Berlin des Kalten Krieges, wo Geheimdienste, halbseidene Unterwelt und
Exillibyer tödliche Cocktails mixten:
„Am 21. Januar 1984
wurde in Rom der Libyer Ammar Taggazy von Unbekannten erschossen.
Am 28. Februar 1984 starb in Würzburg ein in Libyen tätiger Koch
Am 17. April 1984 verletzten in London Pistolenkugeln die Polizistin Yvonne Fletcher tödlich.
Mitte August 1984 fand das Leben des libyschen Geschäftsmannes Ali el-Gia-hour in einer Londoner Wohnung ein grausames Ende.
Am 14. Oktober 1984 wurde ein Anschlag auf eine libysche Einrichtung in Bonn verübt.
Am 13. Januar 1985 starb bei einem Anschlag in Rom der Libyer Farag Makhyoun.
Am 28. Feburar 1985 wurde in Wien der aus Libyen stammende Ezzedin al-Ghadamsi durch Schüsse schwer verletzt.“
Am 28. Februar 1984 starb in Würzburg ein in Libyen tätiger Koch
Am 17. April 1984 verletzten in London Pistolenkugeln die Polizistin Yvonne Fletcher tödlich.
Mitte August 1984 fand das Leben des libyschen Geschäftsmannes Ali el-Gia-hour in einer Londoner Wohnung ein grausames Ende.
Am 14. Oktober 1984 wurde ein Anschlag auf eine libysche Einrichtung in Bonn verübt.
Am 13. Januar 1985 starb bei einem Anschlag in Rom der Libyer Farag Makhyoun.
Am 28. Feburar 1985 wurde in Wien der aus Libyen stammende Ezzedin al-Ghadamsi durch Schüsse schwer verletzt.“
Keines dieser Verbrechen, begangene zwischen Ende Januar
1984 und Ende Februar 1985, wurde jemals aufgeklärt.
Zu den zwielichtigen Figuren in Berlin gehörte der
Bordellbesitzer Dieter Harbecke, der in einer ARD-Sendung auf die Frage „Ob was
dran sei an dem Gerücht, dass er für ein paar Milliönchen Gaddafi habe
liquidieren sollen?“ antwortete: „Kein Kommentar.“ Dann aber zugab, dass die
Sache eine Schuhnummer zu groß für ihn gewesen sei.[2]
Die wichtigste deutsche Figur in dem ganzen Spiel war der
Berliner Großbauunternehmer Hilmar Hein, dem viele lukrative Aufträge vom
Berliner Senat zuflogen und der gute Beziehungen zum Baukonzern Bilfinger
unterhielt, der in Libyen tätig war. Auf Heins Firmengelände wurden Straftaten
geplant und Diebesgut eingelagert. Den offiziellen Stellen war das Treiben
Heins bekannt, trotzdem konnte sich der Bauunternehmer über Jahre in Sicherheit
wiegen, bis er im März 1985 verhaftet wurde.
Hein wurde von Manfred Meyer[3], mit
dem ihm eine „außergewöhnlich feste Männerfreundschaft“ verband, als
liebestoller, bisexueller und exzentrischer Multimillionär und Zappelphilipp
beschrieben, der sogar mit dem Schah von Persien befreundet war.
Seit Mitte der 70er Jahre hatte Hein Kontakte zu arabischen
Staaten wie Saudi-Arabien und Kuweit sowie zum Iran. Ihm war klar, dass in den
Ölländern das große Geld zu verdienen war. Über einen libanesischen
Staatsbürger konnte er 1977 die ersten Verbindungen nach Libyen knüpfen. Hein
lernte Ragab Mabruk Zatout kennen, der zu dieser Zeit nicht nur im libyschen
Tobruk eine Baufirma besaß, sondern auch beste Kontakte zur libyschen Führung
hatte. Zatout verschaffte Hein ein Treffen mit Muammar al-Gaddafi und dem
ehemaligen libyschen Premierminister Abdel Salem Dschalloud. Anschließend
besuchte Zatout Hein häufig in Berlin; zwischen dem deutschen und dem libyschen
Bauunternehmer entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis.
Ende der 70er Jahre verließ Zatout Libyen. Er kam zunächst
nach Berlin, wo ihm Hein zwanzig falsche Diplomatenpässe von der bolivianischen
Botschaft besorgte. Als Roberto Zatout, bolivianischer Staatsangehöriger,
reiste der Libyer in die USA und ließ sich in Texas nieder. Der Spiegel schrieb: „Zatout bestreitet
später, dass er jemals für die CIA gearbeitet habe, und doch scheint es eine
Verbindung zu geben.“[4] Und
Hein meinte: „dass er es „in Libyen in seinem Streben nach Geld zu weit
getrieben“ habe, weshalb „der libysche Staat sich dagegen gewehrt haben
musste.“[5]
Hein besuchte Zatout in den USA, Zatout kam nach
Deutschland. Zwei Brüder im Geiste, denen es nicht in erster Linie um Politik
ging, sondern um den Kick, der einsetzt, wenn man das ‚große Geld‘ macht, auch
mit kriminellen Methoden. Später dokumentierte die Staatsschutzabteilung des
Bundeskriminalamts die Reiseaktivitäten Zatouts, soweit dies möglich war.
Hein sagte später bei den Ermittlungsbehörden aus, Zatout
habe eine Exportfirma betrieben, die einen Ableger in Südkorea hatte, der
Libyen belieferte. Südkorea, ein Verbündeter der USA und von den USA abhängig,
war ein wichtiger Geschäftspartner Libyens. Als 2011 der NATO-Krieg gegen
Libyen begann, waren 47 südkoreanische Unternehmen, davon 24 Baugesellschaften,
mit 1400 südkoreanischen Arbeitskräften in Libyen aktiv.[6]
Laut Hein hatte sich Zatout mittlerweile zum
Regierungsgegner gewandelt, er hätte „der Politik Gaddafis gegenüber eine
feindliche Haltung“ eingenommen. Zatout habe „aber nicht in erster Linie
politische Überlegungen angestellt“, sondern sei „zum Regimegegner geworden,
weil seine finanziellen Interessen in Libyen vom dortigen Staat nicht mehr
geteilt worden waren.“ Erst später korrigierte sich Hein und meinte, Zatout
hätte vor allem politische Interessen verfolgt. Zatout stilisierte sich
zunehmend zum Regimegegner, doch darf davon ausgegangen werden, dass es ihm in
erster Linie um den eigenen Profit ging.
Mittlerweile hatte Zatout seinen Firmensitz ins
US-amerikanische Virginia verlegt, nicht allzu weit von der CIA-Zentrale in
Langley entfernt. Inzwischen befürwortete er für Libyen eine Monarchie, was
sich mit den Vorstellungen der CIA gedeckt haben dürfte. Man erinnere sich:
Auch 2011 marschierten die ‚Aufständischen‘ unter der monarchistischen Flagge
und liebäugelten mit der Wiedereinsetzung eines Königs. Von den US-Behörden
erhielt Zatout Personenschutz, da er als gefährdete Person galt.
Hein sagte in Berlin aus, dass Zatout auch über gute
Kontakte zu sudanesischen Regierungskreisen verfügte. Im Sudan hatte am 7.
Oktober 1981 die von der CIA unterstützte National
Front for the Salvation of Libya (Nationale Front für die Rettung Libyens –
NFLS), deren Ziel der Sturz Gaddafis war, ihre Gründung bekannt gegeben, laut
CIA die größte und aktivste libysche Oppositionsgruppe. Deren Mitglieder hatten
sich vorab in der Kairoer Wohnung des Libyers Dschaballah Matar getroffen.
Matar war der Kopf des gegen Gaddafi gerichteten Komplotts.
Dschaballah Matar war bei der Berliner Staatsanwaltschaft
und Polizei genauso aktenkundig wie beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim
MAD und BND sowie beim CIA, MI6 und bei Scotland Yard. Ursprünglich war Matar
Libyens Botschafter bei der UNO in New York, legte sein Amt jedoch 1973 nieder,
angeblich aus Protest gegen die Politik Libyens. Die Familie Matar kehrte
zunächst nach Libyen zurück, bevor sie 1979, wie damals viele reiche Libyer,
nach Ägypten emigrierte.
Heins Mitarbeiter, der Waffenspezialist Helmut Nägler,
fertigte aus Deko-Pistolen scharfe Waffen. In der späteren Anklageschrift (AZ
68 Js 43/85) der Westberliner Staatsanwaltschaft heißt es, dass „die
Waffenbesorgungen durch den Angeschuldigten Hilmar Hein [den Schlüssel
lieferten für] die offenkundigen politischen Aktivitäten der gesondert
verfolgten Zatout und Matar.“[7]
Damit wurden eindeutig Hilmar Hein und seine Mitarbeiter in das politische
Komplott gegen Gaddafi miteinbezogen. Nägler sagte aus „mitunter hätte Hein
diese [Waffen] erhalten“.
Der terroristische Geheimbundes der Gaddafi-Gegner nannte
sich ‚El Burkan‘ (Vulkan). Pistolenbastler Nägler von der Berliner
Staatsanwaltschaft danach befragt, gab zu Protokoll, dass Zatout zum inneren
Zirkel dieser Gruppe gehöre.
Ende 1983 kam Zatout gemeinsam mit Matar nach Berlin. Zu
Hein sagte er: „Wenn Gaddafi weg bist, dann bist du unser Mann in Deutschland.
Dann kommst du groß raus.“[8]
Matar hatte gute Kontakte zu einer Düsseldorfer Baufirma, die auch in Libyen
arbeitete. Mit Hilfe von Baufirmen war es möglich, als Mitarbeiter getarnte
Agenten und Regierungsgegner nach Libyen einzuschleusen.
Der stinkreiche Matar besaß neben seiner Wohnung in Kairo
nicht nur einen Landsitz im englischen Yorkshire, sondern auch eine Adresse im
US-amerikanischen Virginia, nur wenige Blocks von Zatouts Haus entfernt. Bei
der CIA, die ihr weltpolitisches Hauptaugenmerk auf Libyen gelenkt hatte, waren
dies bestimmt gern gesehene Nachbarn, nicht nur um Material gegen Libyen zu
sammeln, sondern auch, um Agenten anzuwerben. Mark Altten schreibt: „Zahllose
Agenten wurden auf Gaddafi angesetzt, versuchten, ihm auf den Fersen zu
bleiben, ihm überallhin zu folgen, ihn und seinen Tross zu fotografieren, seine
Streifzüge in die Wüste zu dokumentieren, seinen Nachrichtenverkehr zu
entschlüsseln und seine Telefongespräche und andere Gespräche mitzuhören.“
Hein stand auch zu einem der reichsten Männer der damaligen
Welt, dem aus Saudi-Arabien stammenden Waffenhändler Adnan Kashoggi, in
Beziehung. Auf dessen Luxusyacht, die im Hafen von Nizza vor Anker lag, waren
auch Politiker wie der Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU) gern
gesehene Gäste.
Als Matar wieder einmal in Berlin auftauchte, besuchte das Trio
Hein, Zatout und Matar das Bordell ‚Regina‘, wo sie den Chef des
Etablissements, den ehemaligen Fremdenlegionär Dieter Harbecke kennenlernten.
Laut Mark Altten ein „Mann fürs Grobe“. Der Spiegel vom September 1988
bezeichnete ihn allerdings als ‚Polizeispitzel‘.[9]
Es kursierte das Gerücht, er sei „ein regelrechter V-Mann, die kriminelle
Legende die sichere Tarnung“.
Helmut Nägler gab an, Hein habe ihn gefragt, ob nicht
gewisse Leute bereit wären, für zehn Millionen Mark einen bestimmten Auftrag zu
erledigen. Hein hatte ein Angebot weitergeleitet, das ihm von der Zatout-Gruppe
um die Jahreswende 1983/84 gemacht worden war: Zehn Millionen Mark für die
Eliminierung Gaddafis. Jahre später berichtete Der Spiegel, dass Zatouts und Matars Mittelsmännern in London Hein
den großen Plan erzählt hätten. „Sie wollen Anschläge auf die libyschen
Botschaften, die Volksbüros, in Bonn und Brüssel verüben. Aber das soll nur der
Anfang sein: Es gehe darum, Gaddafi zu beseitigen. Ob er ihnen helfen könne?
>Es gibt 30 Millionen Dollar dafür<.“[10]
Hein begab sich auf Killer-Suche, so von mehreren Personen aktenkundig bezeugt.
Manfred Meyer war der Privatchauffeur Heins, sein Intimus
und daneben eine Art Mädchen für alles. Meyer sagte bei einem
Rundfunkinterview: „Hein und ich… dass wir beide dann irgendwann in Tripolis
sitzen […] und dass wir dann ein Leben haben, und er hat dann das gesamte
Haushaltsbudget, was Libyen praktisch mit Europa hat. Und er würde dann
praktisch in Libyen so ‚ne Art wie Handelsbeauftragten machen.“ Daneben
arbeitete Meyer unter dem Decknamen ‚Cheops‘ für die DDR-Staatssicherheit, die
ihn richtigerweise für einen Doppelagenten hielt, der gleichzeitig Kontakte zur
CIA pflegte. Es lag auf der Hand, dass Meyer die US-Botschaft in Ostberlin mit
Koks belieferte.
Dank Nägler konnten Anfang Januar 1984 die ersten fünf bis
zehn Waffen von Hein an Zatout übergeben werden. Manfred Meyer gab über den
Waffentransport nach Rom öffentlich zum Besten: Hein „fährt mit seinem weißen,
mit dem 500er SEC, ich mit dem blauen 190er hinterher. Sind wir rübergefahren
nach Rom. Also über Wörgl, da haben wir übernachtet […] und dann nach Rom. Und
dann drüben in Rom war dann auch Zatout da … wegen einer Waffe.“[11]
Am 21. Januar wurde in Rom auf Ammar Daw Moktar Taggazy, den
Chef des libyschen Volksbüros, auf offener Straße geschossen. Nach drei Wochen
erlag Taggazy seinen schweren Verwundungen. Zur Zeit des Anschlags hatte sich
auch der Bordellbesitzer Harbecke in der Stadt aufgehalten.
Zwei Tage nach dem Mordanschlag auf Taggazy stand in der Washington Post zu lesen, dass sich die
bis dahin unbekannte Terrorgruppe ‚El Burkan‘ zu dem Attentat bekannt hatte.
Die Westberliner Staatsanwaltschaft stellte zu Heins Beteiligung später fest,
sie sei „nicht belegbar, wenn auch sehr wahrscheinlich.“
Helmut Nägler hatte sich am 28. Febuar 1984 mit vier
Pistolen Walther PP 7,65 mm auf den Weg nach London gemacht. Bei einer
Vernehmung sagte Olaf Janick, ebenfalls ein Mitarbeiter von Hein, er hätte im
Auftrag von Hein die Fahrkarten für Nägler bestellt. Hein habe pro Waffe 25.000
DM bekommen. Die Waffen, die für Zatout bestimmt waren, wurden in London von
Dschaballa Matar in Empfang genommen. Obwohl Hein nachweislich am 28. Feburar
nicht in London war, wurde an diesem Tag dort von einer Person seine Kreditkarte
benutzt. Hein schuf sich damit ein Alibi: Denn am 28. Februar wurde in Würzburg
der Koch Helmut Krug erschossen, der für die Baufirma Bilfinger Berger in
Libyen arbeitete. Er war in einer Wohnung praktisch hingerichtet worden. Erst
Jahre später gab Manfred Meyer der Polizei die Hinweise auf die Verbindungen
zwischen Krug und dem Nachtclub ‚Regina‘ in Berlin. Es wurde vermutet, Krug sei
bei der Terroristengruppe ‚El Burkan‘ in Ungnade gefallen.
Der nächste Anschlag fand in Großbritannien statt, dem Hauptsitz
libyscher Exilgruppen wie National Front
fort he Salvation of Libya (NFSL) oder der Libyschen Befreiungsorganisation, die alle einen ausgezeichneten
Draht zur CIA hatten, von der sie finanzielle Mittel bezogen. Zatout nahm eine
bedeutendende Stellung bei ‚El Burkan‘ ein, zu deren Anführern Dschaballah
Matar gehörte.
Laut dem US-Magazin Newsweek
demonstrierten am 17. April 1984 73 Gaddafi-Gegner vor dem Libyschen Volksbüro
am Londoner St. James‘ Square. Die Demonstration hatte die NFSL organisiert. Plötzlich
waren Schüsse zu hören, von denen die britische Polizistin Yvonne Fletchers
tödlich getroffen wurde. Ein Fernsehteam war wundersamer Weise vor Ort und
hatte den Tod von Yvonne Fletcher gefilmt, der in den Abendnachrichten um die
ganze Welt ging. Es hieß, die Schüsse seien aus dem zweiten Stock des Hauses
abgeben worden, dort, wo sich die Räume des Volksbüros befanden. Die
öffentliche Stimmung kippte. Während sich vorher Gaddafi in der westlichen
Öffentlichkeit durchaus gewisser Sympathien erfreute und ein aggressiver Akt
gegen Libyen auf keinerlei Verständnis gestoßen wäre, kam es nun nicht nur in
Großbritannien, sondern auch in den USA und in Europa zu
Anti-Gaddafi-Protesten. Neben den libyschen Diplomaten wurden auch alle Libyer,
die eine Verbindung zur Dschamahirija hatten, aus Großbritannien ausgewiesen.
Schnell wurde klar, was es mit den Vorgängen um das
Volksbüro am St. James‘ Square in London tatsächlich auf sich hatte. Reagan und
Thatcher erhofften sich, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),
Haupthandelspartner mit Libyen waren Italien, die BRD und Griechenland, nun
dazu bringen zu können, alle Wirtschaftsbeziehungen mit Libyen abzubrechen.
Allerdings war die EWG dazu nicht bereit. Zu undurchsichtig waren die Vorgänge
um den 17. April 1984 in
London.
Erst 1997 wurde der Autopsiebericht der getöteten Yvonne
Fletcher publik gemacht. Aus dem Einschusswinkel ging hervor, dass der Schuss
nicht aus dem zweiten Stock des Hauses abgegeben worden sein konnte, wo sich
das Volksbüro befand, sondern aus mindestens dem sechsten Stockwerk, wenn nicht
aus einer noch höher gelegenen Etage. Als das ARD-Magazin Panorama dazu Manfred
Meyer befragte, sagte dieser: „Wir haben ganz offen darüber gesprochen, dass es
unsere Waffe war. Das ist unser Ding, so haben wir gesprochen damals.“[12]
Ende April des gleichen Jahres 1984 reiste Hilmar Hein nach
Thailand. Dort traf er sich mit Zatout sowie mit John Poindexter,
Sicherheitsberater von Präsident Reagan und in die Iran-Contra-Affaire
verwickelt, und mit Oliver North, Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats
und CIA-Agent, ebenfalls in die Iran-Contra-Affaire involviert. Oliver North
kümmerte sich laut Der Spiegel „um
die Absetzung unliebsamer Staatschefs. Er erinnert sich noch gut an die Memos
von ‚El Burkan‘ und der NFSL, die über seinen Schreibtisch gingen.“[13] In
Bangkok hatten nicht nur die CIA, sondern auch der israelische Geheimdienst
Mossad, Hauptniederlassungen.
In Libyen selbst war es schon im April zu einem
Brandanschlag auf die Universität von Tripolis gekommen, im Mai griff die LNSA
eine militärische Anlage in der Nähe von Tripolis an. Der Journalist Jack
Anderson berichtete in einem Artikel, der in mehreren amerikanischen Zeitungen
erschien, dass die Terroristengruppe von der CIA finanziert und ausgebildet
worden war.
Schon wenige Tage später, am 8. Mai 1984, griffen NFSL-Leute
das Hauptquartier und die Privatwohnung von Gaddafi, die Bab el-Asisija-Kaserne
in Tripolis, an. Laut Süddeutscher Zeitung kam es zu einem fünfstündigen
Feuergefecht, bei der alle Angreifer und Dutzende von Gaddafi-Leibwächtern
getötet wurden. Gaddafi selbst überlebte. In den Berliner Polizeiakten steht:
„Zatout ist der Mitbegründer der libyschen Dissidentenbewegungen ‚Libyan
National Salvation Army‘.“[14]
Und: „Zatout ist als Angehöriger der LNSA anzusehen, der auch Matar zuzurechnen
sein dürfte. Als Deckbezeichnung dieser Gruppierung wurde auch der Name ‚El
Burkan‘ bekannt.“[15]
Sowohl Hein als auch Harbecke brüsteten sich in Berlin mit einer mittelbaren
Urheberschaft an dem Putschversuch.
In Westberlin hatten sich schon Gaddafi-Gegner zur
Siegesfeier versammelt. Daraus wurde nichts. Stattdessen wurden in Libyen etwa
8500 Personen festgenommen.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 16. Mai 1984: „Libysche
Regimegegner haben nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche mehrere
militärische und zivile Einrichtungen in Tripolis und Bengasi zerstört. Wie
eine sudanesische Radiostation unter Berufung auf ein Kommuniqué der Nationalen
Front zur Rettung Libyens (NFSL) meldete, legten Kommandos der NFSL den
Zentralcomputer des Luftwaffenstützpunkts Abrak bei Tripolis lahm. Einen Tag
darauf habe ein zweites Kommando eine Radiostation in der Nähe von Bengasi
gesprengt und den Sendemast von Radio Tripolis beschädigt.“
Mohammed Jussef al-Magariaf war der erste Präsident der
LNSA. Der Spiegel berichtete im Juni 2011, dass sich al-Magariaf nicht nur mit
dem FBI getroffen habe, sondern auch Kontakt zu Zatout hatte. Sowohl Magariaf
als auch Dschaballah Matar wurden 1990 in Kairo festgenommen und der libyschen
Justiz übergeben.
Zwischenzeitlich war das Misstrauen zwischen Zatout und Hein
immer stärker angewachsen. Es ging um 30 Millionen Dollar, die für den Mord an
Gaddafi ausgelobt waren. Zehn Millionen Mark hatte Hein schon aus seiner
Privatschatulle an den Bordellbesitzer Harbecke gezahlt, er wollte mit auf
Zatout ausgestellten Treuhandschecks in Vorlage treten. Doch von Zatout kam
keine ‘Knete‘ rüber. Wie Mark Altten berichtet, „lagern noch heute auf einer
französischen Bank in Genf einige Millionen, an die nur heranzukommen ist, wenn
zwei Unterschriften aus dem Dreigestirn Matar-Zatout-Hein vorgelegt werden
können.
In der Mordsache Gaddafi traute keiner mehr keinem. So
schoss Harbecke, der sich ausgebootet fühlte, zur Warnung auf Heins Auto. Hein
legte sich daraufhin einen Bodyguard zu: den Boutique-Besitzer Moshe Ben Ari,
den das Bundeskriminalamt laut dem Stern zu einer „Schlüsselfigur der
osteuropäischen organisierten Kriminalität in Deutschland“ zählt. [16] Ben
Ari war israelischer Staatsbürger und stand im Dienste des Mossad. Dieser
Geheimdienst konnte, wie andere auch, in Westberlin aufgrund des
Besatzungsstatuts der Stadt unbehelligt schalten und walten. Wenn ein
Mossad-Mann wie Ben Ari Hein beschützte, kann man daraus schließen, dass
Israel, der CIA und dem MI6 die Ermordung Gaddafis ein Herzensanliegen war.
Hein gab später vor Gericht zu, von Ben Ari mindestens eine Pistole erhalten zu
haben.
Ohne von hohen Stellen in der Politik gedeckt zu werden,
waren diese kriminellen Umtriebe in Westberlin schlichtweg undenkbar. Eine
besondere Rolle spielte dabei der CDU-Innensenator Heinrich Lummer, dessen
Mitarbeit beim Bundesnachrichtendienst ein offenes Geheimnis war und dessen
Bekanntschaft Hein sich rühmte: Man habe mit Lummer „schöne Stunden in diversen
Rotlicht-Gaststätten verbracht und ihn als zuverlässigen Freund kennengelernt“.
So erklärt sich, dass Hein keinerlei Probleme hatte, an amtliche Dokumente wie
Führerscheine oder Personalausweise zu gelangen oder sogar Strafakten
verschwinden zu lassen. Lummer wurde auch verdächtigt, in Heins
Waffenschiebereien für die libysche Exilterrorgruppe ‚El Burkan‘ verwickelt zu
sein.
Laut polizeilichen Notizen trafen sich im Frühsommer 1984
Hein, Ben Ari und einige Belgier auf einer Autobahnraststätte in Belgien. In den
Gesprächen soll es um Anschläge in Brüssel, Genf oder Zürich gegangen sein.
Und es folgte der nächste Tote in diesem blutigen Jahr. Am
20. August 1984 wurde Ali el-Dschahur (el-Giahour), ein libyscher
Geschäftsmann, mit einer Walther PP mit aufgesetztem Schalldämpfer in London
durch Genickschuss liquidiert. Dies geschah in einer Wohnung, die vermutlich
von Zatout angemietet worden war. Die Tatwaffe wurde in der mit Wasser
gefüllten Badewanne hinterlassen.
Zum Zeitpunkt des Mordes an el-Dschahur hielten sich sowohl
Hein als auch sein Bodyguard Moshe Ben Ari in London auf; beide kehrten am 20.
August nach Berlin zurück. Manfred Meyer sagte später aus, dass am 25. August
1984 bei einem Gartenfest in Frohnau ganz offen über diesen Mord gesprochen
wurde.
Als ein Jahr später New Scotland Yard für Ermittlungen
bezüglich des el-Dschahur-Mordes in Berlin auftauchte und Nägler die Mordwaffe
vorlegte, bestätigte dieser, sowohl die Pistole als auch den Schalldämpfer
wiederzuerkennen: „Bezüglich der mir vorgelegten Waffe kann ich sagen, dass
dies offensichtlich eine Waffe sein muss, die von mir umgebaut beziehungsweise
verändert wurde. […] bin ich hundertprozentig davon überzeugt, dass die Waffe
von mir umgebaut wurde.“ Diese Aussage wurde auch von Harbecke bestätigt: „Ich
bin mir sicher, dass es sich hier um die Pistole handelt, die ich dem Chef der
Gerüstbaufirma Hein, Herrn Hilmar Hein, übergeben habe.“
Wie die New York Times
berichtete, wurde gegen das Mordopfer el-Dschahur in Zusammenhang mit einer
Serie von Bombenanschlägen ermittelt. El-Dschahur war 1980 aus dem Exil nach
Libyen zurückgekehrt und hatte seine Loyalität zur Dschamahirija erklärt. Er
lebte später wieder in England. Von dort machte er auch einmal einen Ausflug
nach Berlin, um sich mit Hein zu treffen. Wollte er testen, ob Hein umzudrehen
war?
Bei einem USA-Flug hatte Hein seinen Geschäftspartner Werner
Stange gefragt, ob er bereit wäre, Gaddafi für zehn Millionen Mark aus dem Weg
zu räumen. Allerdings hätte Hein auch die Idee geäußert, die Seiten zu wechseln
und Zatout an Gaddafi zu verraten. Mit Ideologie hatte Hein wohl wenig im Sinn,
es ging immer nur um Geld und Koks. Manfred Meyer beschrieb den Zustand Heins,
nachdem dieser ‚ein Näschen genommen‘ hatte. „Wie ein armer Irrer stierte der
Multimillionär Löcher in die Luft, während er sich besorgniserregend von
Schüttelkrämpfen gepackt an der Schreibtischkante festklammerte… Sein wirrer
Blick ließ mich das Schlimmste befürchten.“[17]
Hein wurde von Zatout schon lange nicht mehr als zuverlässig eingestuft.
Hein wurde von Zatout schon lange nicht mehr als zuverlässig eingestuft.
Ein anderer Mitarbeiter von Hein, Olaf Janick, gab später
zu, von Hein als ‚Hitman‘, also Auftragsmörder, angeheuert worden zu sein:
„Hilmar Hein fragte mich auch mal, ob ich bereit sei, für den Betrag von
10.000.000 DM jemanden umzulegen. […] Das Geld sollte auf ein Schweizer Konto
eingezahlt werden. Wer ermordet werden sollte, war mir nicht genannt worden,
Hein sagte mir aber, dass es sich um einen Mann handeln sollte, der viel
Unrecht getan habe, Leute quäle, selbst Leute umbringen ließe und ein Schwein sei.
Ich sagte Hein, dass ich für 10.000.000 DM dazu bereit wäre, jemanden im
Ausland umzubringen. Meine Fluchtwege sollten gesichert werden. Ich sprach
Hilmar Hein später noch einmal darauf an, und zwar im Frühjahr 1984, und er
sagte mir, es habe noch Zeit.“
Im Herbst 1984 lobte Hein einen weiteren Anschlag bei Nägler
aus. Für 30.000 DM sollte ein Brandanschlag auf die libysche Volksvertretung in
Bonn verübt werden. Auch Meyer war in den Anschlag involviert, der zunächst mit
Panzerfäusten, dann mit Handgraten und zu guter Letzt nur noch mit zwei
Molotowcocktails auf das libysche Gesundheitsbüro ausgeführt wurde. Der
Sachschaden betrug tausend DM.
Weniger harmlos war das nächste Attentat. Am 13. Januar 1985
wurde in Rom der libysche Kulturattaché Farag Omar Makhyoun vor seiner Wohnung
von zwei Angreifern erschossen. Zu der Tat bekannte sich die Terrororganisation
‚El Burkan‘. Interpol Wiesbaden schrieb dazu, „dass die Tatwaffe im Mordfall
zum Nachteil des Kulturattachés des libyschen Volksbüros in Rom, Makhyoun,
Farag Omar, … aus einer Berliner Werkstatt stammen dürfte.“ Und weiter: „Nach
hier vorliegenden Erkenntnissen sollte Exillibyer Zatout […] an diesem Mord
beteiligt gewesen sein. Außerdem steht er im Verdacht, bei dem Mord zum
Nachteil Taggazy am 21. Januar 1984 in Rom beteiligt gewesen zu sein.
Die Spur der Tatwaffe für den Mord an Makhyoun führte
zunächst zu dem belgischen Waffenhändler William Apikian, den im Sommer 1984
Hein und Meyer in Belgien aufgesucht hatten. „Aus Belgien sollen in der
Folgezeit auch Waffen geliefert worden sein“, so das BKA. Und im Westberliner
Polizeibericht heißt es, sowohl Nägler als auch Meyer hätten anhand eines Fotos
die Waffe als eine durch die Berliner Werkstatt gegangene Pistole
identifiziert. Der vierte Mord an Libyern, bei dem die Mordwaffe nach
Westberlin wies.
Am 25. Februar 1985 stellte sich Manfred Meyer in Berlin der
Polizei und gab an, mit einem Mord in Wien beauftragt zu sein. Von einem
gewissen Levenzon sei ein Mordanschlag in Zusammenarbeit mit dem Mossad-Agenten
Moshe Ben Ari geplant. Doch die Polizei wollte davon nichts wissen und schickt
Meyer wieder nach Hause. Dabei war der israelische Staatsbürger Gennadij
Levenzon bereits polizeilich bekannt, da bei ihm bei der Ausreise nach Belgien
im September 1984 zwei Pistolen mit Schalldämpfern gefunden worden waren.
So konnte die Anschlagsserie der Mordbuben am 28. Februar
1985 eine Fortsetzung finden. Auf offener Straße wurden sieben Schüsse auf den
ehemaligen Chef der libyschen Botschaft in Wien, Ezzedin al-Ghadamsi,
abgegeben. Ghadamsi überlebte den Anschlag schwerverletzt. Die Täter wurden
nicht gefasst, merkwürdigerweise hinterließen sie aber wiederum in einer
Seitenstraße die Tatwaffe mit Schalldämpfer. Was heute die an Terrortatorten
gefundenen Personaldokumente sind, waren zu damaligen Zeiten die Mordwaffen,
die sich zu bestimmten Personengruppen zurückverfolgen ließen. Im Gegensatz zu
heute wurden die Tatverdächtigen allerdings nicht sofort zwecks
Spurenverwischung unverzüglich erschossen, sondern von der Justiz äußerst milde
behandelt.
Manfred Meyer packte aus und die Berlin-Gang wanderte auf
die Anklagebank. In seinem Buch schreibt er: „Nach insgesamt einem Gesamtjahr
in der Moabiter U-Haft und einem Jahr im offenen Strafvollzug wurde im
September 1989 das dritte und letzte Jahr meiner Freiheitsstrafe zur Bewährung
ausgesetzt. Noch weniger Bestrafung wäre unanständig und wahrscheinlich selbst
mir peinlich gewesen.“ Auf seiner Website www.justizwillkuer-berlin.de,
auf der er auch Originaldokumente veröffentlicht, heißt es heute: „Ich
schäme mich nicht, dass ich die von Westberlin aus in Europa mordende
exillibysch-deutsche Terrororganisation "Al Burkan" 1984 an das
DDR- Ministerium für Staatssicherheit verraten habe.“ „Ich schäme mich,
dass ich erst 1985 bei "Al Burkan" ausgestiegen bin und die
23-jährige englische Polizistin Yvonne Fletcher nicht vor ihrer Ermordung durch
"Al Burkan" in London bewahrt habe.“ „Und ich schäme mich,
dass ich am Freitag den 4. April 1986 vor allem um mein eigenes Leben, aber
nicht intensiver für das Leben der Menschen in der Westberliner Diskothek La Belle gekämpft habe.“
Nachdem die Westberliner Polizei zwei Jahre gegen Hilmar
Hein und dreizehn weitere Angeklagte ermittelt hatte, wurde Hein in 30 von 67
Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.[18]
1991 wurde er vorzeitig auf freien Fuß gesetzt. Legte er die Spuren zu sich und
der ‚El-Burkan‘-Gruppe absichtlich?
Nägler lebt heute in der Schweiz, in einer Villa, die einst
Hilmar Hein gehörte. Hein reist oft in die Schweiz, um Nägler zu besuchen.
Dieter Harbecke wurde im Hein-Prozess für Waffenlieferungen
nur zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und zur Zahlung von 12.000 DM
verurteilt. Bei einer Explosion auf einem Boot an der Rhone-Schleuse bei Lyon
erlitt er schwere Verbrennungen. Es reiste eine Mordkommission aus Westberlin
an, um zu prüfen, ob es sich nicht um einen Mordanschlag gehandelt haben
könnte. Bestätigt wurde dies nicht.
Rageb Zatout, der von der Washington Post als
„Auftragskiller der Libyer, CIA-Doppelagent und Agent provocateur“ eingeschätzt
wurde, gab sich 2011 als Gaddafi-Opfer. Bereits am 11. April 2011 gründete er
mit anderen Exilanten in Bengasi die New
Libya Party, in der wohl nur er selbst eine ‚Hoffnung für die Demokratie‘
sieht. Die Partei habe in den USA, Kanada und Deutschland Anhänger. Das lässt
sich denken, vor allem unter den Geheimdiensten. In Libyen dürfte sich die Zahl
der Anhänger in engen Grenzen halten.
Der Spiegel
schrieb Zatout glatt im Juni 2011 zum heute wichtigen „Mann der libyschen
Opposition“ hoch, „ein Berater der Aufständischen“. Er stellte dies unter
anderem bei einem Interview von CNBC
Arabiya unter Beweis, wo er seine Vorstellungen des ‚neuen Libyens‘ verbreiten
konnte. Ansonsten pendelte Zatout zwischen Bengasi und den USA. Der Mann, der
sofort eine eigene Website[19]
betrieb, weiß, wie man im Geschäft bleibt.
Der Spiegel:
„Hilmar Hein und Ragab Zatout haben sich mit Libyens Diktator Muammar
al-Gaddafi angelegt, lange bevor die UNO tagte und die NATO ihre Bomber
losschickte. Hein hat dafür fünf Jahre im Gefängnis gesessen. Zatout tritt
inzwischen als Politiker in arabischen Nachrichtensendern auf.“[20]
Dort brüstet er sich damit, gemeinsam mit Dschaballah Matar am 6. Januar 1981
die Terrororganisation Libyan National
Salvation Army (LNSA) ins Leben gerufen zu haben. Der Spiegel weiter: „Heute, wo die ganze Welt mit Gaddafi abrechnen
will, sieht es plötzlich so aus, als hätten die beiden von Anfang an auf der
richtigen Seite der Geschichte gestanden, nicht nur der libysche Abtrünnige,
auch der Berliner Gerüstbauer.“ Killer, die sich damit brüsteten, Diplomaten
und eine unschuldige Polizistin auf dem Gewissen zu haben, sollen plötzlich auf
der ‚richtigen Seite‘ gestanden sein? Botschafter zu erschießen kann wohl
niemals die richtige Seite sein, sondern ist in jedem Fall kaltblütiger Mord!
Wie schnell Der Spiegel hier alle
rechtsstaatlichen Bedenken über Bord schmeißt, ist schon erstaunlich.
Dschaballah Matar wurde im März 1990 in Kairo festgenommen
und nach Libyen ausgeliefert, wo er bis 2011 in Tripolis im Gefängnis saß. Ab
2010 war Hischam Matar, der Sohn Dschaballah Matars, ein umworbener
Interviewpartner der westlichen Medien, der seinen Vater, der auf der Liste von
amnesty international stand,
geschickt als Opfer des ‚Gaddafi-Regimes‘ aufbaute. Selbstverständlich kam
dabei die Vorgeschichte des Dschaballah Matars, die zurück in die 70er und 80er
Jahre führt, nicht nur Sprache. Ein anderer Sohn von Dschaballah Matar heißt
Ziad Matar. Er forderte 2011 ebenfalls die Freilassung seines Vaters und wollte
ein schnelleres Tempo der NATO-Operationen in Libyen. Er war, wie auch sein
Vater und sein Bruder, ein führendes Mitglied der NFSL.
Zu simpel klingt die Schlussfolgerung, dass die Gruppe ‚El
Burkan‘ um den Exillibyer Zatout und die halbseidene Gruppe um den Berliner
Bauunternehmer jeweils die Strippenzieher der Anschläge und Morde in den 80er
Jahren waren. Wer stand wirklich hinter diesen Anschlägen? Mark Altten schreibt,
dass „diese Morde für die Westberliner Terror-Gang juristisch folgenlos“
blieben. […] Im ‚El-Burkan‘-Komplott deutete … vieles darauf hin, dass solche
geheimdienstlich-terroristischen Operationen perfekt abgesichert waren.“ Und er
stellt die Frage, „ob der Mossad direkte Hilfestellung für ‚El Burkan‘
leistete.“ Es hatten sicher nicht nur der Mossad, sondern auch die CIA und
andere westliche Geheimdienste ihre Finger im Spiel. Ob auch der libysche
Innenminister Junes Belgassen mit der Anschlagsserie etwas zu tun gehabt haben
könnte, wie Altten andeutet, bleibt fragwürdig. Manfred Meyer meint immer noch,
die Hein-Gangster hätten „die getäuschte CIA wie einen Tanzbären am Nasenring
durch die weltpolitische Arena gezogen.“ Wer da wen am Nasenring gezogen hat,
ist ganz sicher nicht so eindeutig zu klären.
Sicher dagegen ist, dass viele Menschen ihr Leben verloren,
und dass darüber nur solche Informationen und Details in Artikel oder Buchform
an die Öffentlichkeit gelangten, von denen man irgendwann auch wollte, dass die
Öffentlichkeit sie erfährt. Wie immer liegt die Deutungshoheit ausschließlich
in den Händen des politischen und medialen Mainstreams.
[1]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[2]
ARD-Sendung „Mahagony an der Spree“ am 6.8.1989, zitiert in „Die Zeit“, nach:
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“
[3]
Manfred G. Meyer „Gaddafi, Koks und Knaben – ein CIA-Mordkomplott“, Berlin 2012
[4]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79175780.html - Der Spiegel 27.6.2011
[5]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[6]
Laut dem südkoreanischen Rundfunksender KBS, nach: Mark Altten „Das
Gaddafi-Komplott“
[7]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[8]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[9]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13528916.html
[10] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522238.html
Der Spiegel vom 16.2.1987
[11]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[12]
Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“, Berlin 2011
[13]
Der Spiegel, Juni 2011
[14]
Berliner Polizeiprotokoll vom 31.7.1985, nach: Mark Altten „Das
Gaddafi-Komplott“
[15]
Berliner Polizeiprotokoll vom 11.9.1985, nach: Mark Altten „Das
Gaddafi-Komplott“
[16]
Stern vom Oktober 1994, nach: Mark Altten „Das Gaddafi-Komplott“
[17]
Manfred Meyer „Gaddafi, Koks und Knaben“
[18]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522238.html
[19]
http://rmz-kawater.blogspot.com/2011/09/blog-post_30.html
[20] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79175780.html
- Der Spiegel 27.6.2011