Freitag, 29. Januar 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Ghana: Tochter von Staatsgründer Nkrumah will Präsidentin werden!
29.1.2016. Samia Nkrumah, die Tochter des legendären Staatsgründers und großen Panafrikanisten Kwame Nkrumah (Premier 1951-60, Präsident 1960-66) will in die Fußstapfen ihres Vaters treten und bewirbt sich für die von Papa gegründete Convention People´s Party (CPP) als Präsidentschaftskandidatin bei den Wahlen im Dezember. Kwame Nkrumah war in den Zeiten der Entkolonialisierung Afrikas neben Seko Touré (Guinea) und Kaiser Haile Selassie (Äthiopien) eine der herausragendsten Führer des schwarzen Kontinents und befürwortete den Zusammenschluß der afrikanischen Länder zu einem einzigen Staat (Panafrikanismus).





Elfenbeinküste und Den Haag: Prozeßfarce gegen gestürzten Präsidenten Gbagbo hat begonnen – Oppositionelle demonstrieren vor Gericht
29.1.2016. Dem 2011 durch eine Militärintervention Frankreichs und der UNO gestürzten, demokratisch gewählten Staatspräsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, wird seit gestern vor dem sogenannten „Internationalen Strafgerichtshof“ (IStGH) – einem juristischen Instrument des Westens, um dessen neokoloniale Afrikapolitik zu unterstützen -  der Schauprozeß gemacht, während hunderte von Anhängern des Sozialisten Gbagbo in Den Haag protestierten. Dass der Prozeß nicht rechtsstaatlichen Prinzipien folgen wird, gilt als ausgemacht, denn einerseits wird seit 2011 versucht, Gbagbo die alleinige Schuld für die Gewalteskalation nach den Wahlen 2010 in die Schuhe zu schieben, während die weit zahlreicheren und gut dokumentierten Kriegsverbrechen der bewaffneten Opposition um den heutigen Machthaber Alessane Ouattara völlig ignoriert werden und die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, ließ den Prozeß extra einige Wochen verschieben, weil sie nach eigener Aussage noch „Zeugen vorbereiten“ mußte.



Libyen: Tobruk-Parlament lehnt Einheitsregierung ab
29.1.2016. Das international anerkannte und von säkularen Kräften dominierte Parlament in Tobruk hat die von der UNO aufgenötigte sogenannte „Einheitsregierung“ unter dem vom Ausland ausgesuchten „Premierminister“ Fayaz al-Serraj, einem ehemaligen, politisch unbeteiligten  Mitarbeiter im Wohnungsbauministerium Ghaddafis, abgelehnt. Obwohl das Tobruk-Parlament in etlichen Punkten dem vorgelegten Plan zustimmte, dürfte wohl einer der Ablehnungsgründe sein, daß er de facto die Entmachtung des „Tobruker Militärchefs“ Khalifa al-Haftar vorsieht – eines Warlords, der viele Anhänger in Ostlibyen hat, verbissen gegen die Ausbreitung des Islamismus kämpft und von dem es als offenes Geheimnis gilt, daß er bereits seit den 80iger Jahren für die CIA arbeitet.

Dienstag, 26. Januar 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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NATO-Staaten sollen Luftraum Bulgariens verteidigen – Widerstand von links und rechts
26.1.2016. Weil es auf Druck der NATO und der USA keine Ersatzteile mehr für seine MiG-29-Kampfjets in Rußland kaufen soll, ist die Einsatzbereitschaft der bulgarischen Luftabwehr so stark gesunken, daß das Parlament in erster Lesung die Novellen zum Verteidigungsgesetz verabschiedete, welches Drittstaaten ermöglicht, den bulgarischen Luftraum zu verteidigen – ein Freifahrtschein für die NATO, sich in Bulgarien einzunisten. Die bulgarischen Sozialdemokraten (BSP) – die aus der kommunistischen Einheitspartei hervorgegangen sind - die nationalistische Partei Ataka und die Mitte-Links-Partei Alternative für die Bulgarische Wiedergeburt (ABW) lehnten dieses Ansinnen der rechtskonservativen Koalition umgehend ab.



Niger: Wichtigster Gegenkandidat schmort im Knast
26.1.2016. Der frühere pan-afrikanisch orientierte Premierminister Hama Amadou wird nicht an den Präsidentschaftswahlen im Februar teilnehmen, da er in einen angeblichen Handel mit Babys aus Nigeria verwickelt sein soll, was aber in Wirklichkeit recht fraglich ist. Auf diese Weise hat der „sozialistische“ Präsident Mahamadou Issoufou seinen wichtigsten Gegner (und früheren Koalitionspartner) ausgeschaltet – er trifft jetzt in der Wahl u.a. auf den ehemaligen sozialdemokratischen Präsidenten Mahamane Ousmane (1993-96) und den Oppositionellen  Seyni Oumarou von der Nationalen Bewegung für die Entwicklungsgesellschaft (MNSD), einer großen Partei, die sich den Ideen des früheren Militärherrschers Seyni Kountché (1974-87) verschrieben hat.




Slowakischer Premier Fico: EU hat Angst über die Ursachen für das Entstehen der Flüchtlingskrise zu sprechen
26.1.2016. Der sozialliberale Premierminister der Slowakei, Robert Fico, erklärte, daß die EU sich scheue einen Gipfel zur Flüchtlingskrise einzuberufen, weil dann auch über die Ursachen für diese Krise gesprochen werden müßte. Und dann müßte eben darüber gesprochen werden, daß einige EU-Staaten „den Bürgerkrieg in Syrien unterstützen“ oder daß „italienische, französische und spanische Flieger Libyen bombardiert haben“, so der slowakische Regierungschef, der sich auch weigert, die von der EU aufdiktierten Flüchtlingsaufnahmequoten zu erfüllen.



Trotz Bombenhagel: Verteidiger Jemens rücken langsam vor
21.1.2016. Während die mit saudi-arabischem Geld zusammengehaltene Invasionstreitmacht weiter Krankenhäuser und Schulen bis zum Exzess bombardieren läßt, konnte die patriotische Zweckallianz zur Verteidigung des Jemens – bestehend aus Huthi-Rebellen, Militärs, die Ex-Präsident Saleh (1978-2012) treu sind und den Volkskomitees – einige kleine taktische Siege erringen. So wurde ein Angriff der Invasoren in der Provinz Taiz zurückgeschlagen, der strategisch wichtige Berg al-Kola in der Provinz Marib sowie mehrere kleinere Hügel erobert und fünf ausländische Söldner, die für Saudi-Arabien kämpfen, festgenommen – darunter ein Äthiopier.




Montag, 18. Januar 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Trotz Bombenhagel: Verteidiger Jemens rücken langsam vor
21.1.2016. Während die mit saudi-arabischem Geld zusammengehaltene Invasionstreitmacht weiter Krankenhäuser und Schulen bis zum Exzess bombardieren läßt, konnte die patriotische Zweckallianz zur Verteidigung des Jemens – bestehend aus Huthi-Rebellen, Militärs, die Ex-Präsident Saleh (1978-2012) treu sind und den Volkskomitees – einige kleine taktische Siege erringen. So wurde ein Angriff der Invasoren in der Provinz Taiz zurückgeschlagen, der strategisch wichtige Berg al-Kola in der Provinz Marib sowie mehrere kleinere Hügel erobert und fünf ausländische Söldner, die für Saudi-Arabien kämpfen, festgenommen – darunter ein Äthiopier.






Burkina Faso: Haftbefehl gegen Blaise Comparoré wegen Präsidentenmord
18.1.2016. Gegen den früheren Machthaber von Burkina Faso, den profranzösischen Blaise Comparore, der im Exil in der Elfenbeinküste lebt und von dem dortigen Putschisten Alessane Ouattara gedeckt wird, ist ein internationaler Haftbefehl erlassen worden und von der Militärjustiz seines Landes wurde ein Auslieferungsantrag an das Nachbarland gestellt. Comparoré wurde im Dezember 2014 durch Bürgerproteste nach 27-jähriger Herrschaft gestürzt – ihm wird vorgeworfen, bei seiner Machtübernahme 1987 den linken,  revolutionären Staatschef und Nationalhelden Thomas Sankara ermordet zu haben.




Libyen: Khalifa al-Hiftar begrüßt Zusammenarbeit mit Rußland
18.1.2016. Der libysche Militärchef Khalifa al-Hiftar, ein ehemaliger hochrangiger Offizier Ghaddafis, der in den 80iger Jahren nach seiner Gefangennahme im Tschad zur CIA überlief und mit dem Ausbruch des Krieges 2011 aus den USA zurückkehrte, um auf Seiten der Opposition in die Schlacht zu ziehen, hat das russische Engagement in Syrien zur Bekämpfung des islamischen Terrorismus begrüßt und die Bereitschaft Libyens erklärt, ein ähnliches Engagement Moskaus in dem nordafrikanischen Land gutheißen zu wollen. Al-Hiftar gilt als säkular orientierter Warlord, der die islamischen Fundamentalisten haßt und es geschafft hat, sich als Militärchef der schwachen, international anerkannten Regierung in Tobruk zu inszenieren.

Dienstag, 12. Januar 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Syrien: Regierungsarmee erobert wichtige Gebiete in Latakia zurück – Öltanker bombardiert
12.1.2016. Die syrische Luftwaffe hat einen Konvoi der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) mit rund 20 Tanklastzügen bei Deir al-Zawr bombardiert, in denen der IS Erdöl aus eroberten Raffinerien ins Ausland verkauft und sich so finanziert. Ferner gelang es den syrischen Regierungstruppen die Kontrolle über mehrere Gebiete der Küstenprovinz Latakia zurückzugewinnen, darunter die Dörfer von al-Sarraf und Beit Fares und den al-Harra-Berg zusammen mit mehreren Farmen in der Latakia-Landschaft.




Jemen: Saudi-Arabien bombardiert abermals Krankenhaus – Ex-Präsident Saleh verweigert Friedensgespräche
12.1.2016. Obwohl er 2016 einer der ersten war, die  Friedensverhandlungen zwischen den Huthi-Rebellen und der pro-saudischen Marionettenregierung forderten, will der frühere jemenitische Staatspräsident Ali Abdullah Saleh (1978-2012), dem ein  Großteil der jemenitischen Armee loyal ist und die Huthis unterstützt, sich plötzlich nicht an den Friedensverhandlungen beteiligen. Einer der Gründe dafür könnte die Verwendung von der weltweit geächteten Streumunution durch Saudi-Arabien und die abermalige Bombardierung eines Krankenhauses der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ sein, bei dem es mehrere Tote gab.












Libyen: Ghaddafi warnte Tony Blair 2011 vor den Flüchtlingsströmen nach Europa und der Terrorgefahr
12.1.2016. In seinen verzweifelten Telefongesprächen mit dem britischen Ex-Premier Tony Blair, mit dem sich der libysche Revolutionsführer Muammar al-Ghaddafi offenbar so etwas wie befreundet wähnte, warnte er am 24. Februar 2011, also noch einige Tage vor Beginn des NATO-Angriffs, den Labour-Politiker davor, daß ein Angriff auf Libyen gewaltige Flüchtlingsströme auslösen würde, die auch islamische Terroristen nach Europa spülen würde, so die britische Zeitung „The Telegraph“. Ferner erklärte Ghaddafi, daß die Aufständischen keine Demokraten seien, die gegen eine Diktatur kämpfen, sondern dominiert und geführt würden von Radikalen, welche einen islamischen Gottesstaat errichten wollen und forderte die westliche Presse auf, nach Tripolis zu kommen und selbst festzustellen, daß es die von der Opposition behaupteten Massaker nicht gäbe – doch die Presse kam nicht, sie fuhr nach Benghasi, um sich dort von den Ghaddafi-Gegnern einlullen zu lassen.









Elfenbeinküste: Putschist Ouattara begnadigt u.a. politische Gegner
8.1.2016. Der 2011 durch einen von Frankreich und der UNO unterstützten Bürgerkrieg an die Macht gekommene Herrscher der Elfenbeinküste, Alessane Ouattara, hat 3.100 Häftlinge begnadigt bzw. ihr Strafmaß reduziert. Darunter befinden sich auch viele Anhänger des von Ouattara gestürzten linken Staatspräsidenten Laurent Gbagbo, die sich damals gegen den pro-französischen Umsturz gewehrt hatten.

Donnerstag, 7. Januar 2016



Libyen im Dezember – Teil 2

Was geschah… eine unvollständige Auflistung

Dezember 2015 – Teil 2
17.12.  In einem Interview mit Info-Arte.tv nimmt der Nahostexperte Michael Lüders zu der erzwungenen Übereinkunft der beiden Parlamente in Libyen Stellung: „Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Abkommen erneut scheitert, ist sehr groß. Es gibt zwei Regierungen in Libyen und beide haben nicht wirklich die Kontrolle über das Land. Es gibt sehr verschiedene Milizen, die sich untereinander bekämpfen. Da geht es um die Vorherrschaft. Es geht auch um die Kontrolle des Erdöls.“
[…] Die beiden Regierungen „sind immer noch zerstritten und sie kontrollieren kaum Territorium. Das heißt, was diese beide Regierungen beschließen, ist im Zweifel nicht viel wert. Es sind andere Akteure, die das Sagen haben: verfeindete Milizen und Stammesverbände, die in der Vereinbarung nicht weiter miteinbezogen wurden.
[…] Die Europäer wollen die Flüchtlingsströme von Libyen in Richtung Italien unterbrechen. Aber dafür braucht die Union einen klaren Vertragspartner auf libyscher Seite.
Das Chaos in dem Land ist ganz klar das Ergebnis der westlichen Intervention, die Gaddafi 2011 gestürzt hat. Seitdem wird das Land zu einem zweiten Somalia… Das ist die Lage in Libyen heute: Sie ist ähnlich wie in Syrien oder wie im Irak, ein ‚Failed State‘.
[…] Libyen bleibt eine offene Wunde im südlichen Mittelmeerraum, das muss man mal klar sagen. Letztendlich erntet die Europäische Union hier die Früchte ihrer eigenen Politik. Es waren Frankreich, Großbritannien und die USA, die Gaddafi unbedingt stürzen wollten. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Libyen und der Mittelmeerraum sind durch den Sturz Gaddafis destabilisiert, das betrifft das gesamte westliche Afrika bis hin nach Mali. Das einzige, was den Europäern in dieser Situation einfällt ist, noch mehr Soldaten zu entsenden, noch mehr in den Krieg zu investieren. Europa hat die Lektion nicht gelernt. Stattdessen müsste es eigentlich erkennen, dass die Regimewechsel im Irak oder in Libyen nicht zu besseren Verhältnissen geführt haben.“
http://info.arte.tv/de/libyen-eine-erzwungene-uebereinkunft#sthash.wX1FvQQC.dpuf
18.12.  Global Research gibt bekannt, dass seit dem Zweiten Weltkrieg in den von den USA angezettelten Kriegen über 20 Millionen Menschen getötet wurden, davon waren 90 Prozent Zivilisten. Demnach übersteigt die Zahl der Opfer der US-Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl aller Toten in allen anderen Kriegen, die in den letzten 240 Jahren stattgefunden haben.
Laut Global Research setzen die USA die Entsendung von Truppen in schwache Länder fort. Als Vorwand dient der Kampf gegen den IS.
18.12.  In Tripolis und Misrata kommt es zu Protestmärschen gegen die in Marokko beschlossene Einsetzung einer Einheitsregierung unter Faiez al-Serraj.
Die Sprecher forderten einen libysch-libyschen Dialog. Solange die legitimen Parteien des Friedensdialogs das Abkommen nicht mitunterzeichnet hätten, wäre die UN-Vereinbarung bedeutungslos. Die Demonstranten lehnten auch eine ausländischen Intervention in Libyen ab.
18.12.  Die schweren Zusammenstöße in Aidabija zwischen Proislamisten und dem libyschen Militär unter Führung von General Hefter halten an.
18.12.  In Libyen sind 300 Schulen geschlossen, wovon 150.000 Schulkinder betroffen sind. Die Zahl der Schuleinschreibungen ist abgesackt.

Laut dem United Nations Development Program (UNDP) hatte Libyen bis zum Nato-Bombenkrieg des Jahres 2011 den höchsten Human-Development-Index, die niedrigste Kindersterblichkeit und die höchste Lebenserwartung in ganz Afrika. Im UNDP-Bericht von 2010 wurde dazu vermerkt: „Mit einer Lebenserwartung von 74,5 Jahren, einer Alphabetisierungsrate von 88,4 Prozent und einer Schuleinschreibungsrate von 94,1 Prozent ist Libyen das Land mit dem höchsten Human-Development-Index im ganzen Mittleren Osten und in Nordafrika.“
Professor Garikai Chengu, ein Nahostexperte der renommierten Harvard Universität schrieb 2013 in einem Artikel für das „Foreign Policy“-Magazin: „Während der Bombardierung Libyens durch die NATO vergaßen die westlichen Medien praktischerweise zu erwähnen, dass die Vereinten Nationen gerade ein umfangreiches Dossier erarbeitet hatten, das den Einsatz Mr. Gaddafis für die Menschenrechte lobte.“ Und weiter: „Der UN-Bericht zeichnete Libyen dafür aus, dass es den gesetzlichen Schutz seiner Bürger verbessert hatte und den Menschenrechten eine hohe Priorität einräumte. Dies umfasste auch die Rechte der Frauen, Bildungschancen und die Verfügbarkeit von Wohnraum. Während der Zeiten von Mr. Gaddafi war Wohnen ein Menschenrecht, folgerichtig gab es keine Obdachlosen oder Libyer, die unter Brücken schlafen mussten.“
Tatsächlich lebten in Libyen weniger Menschen in Armut als in den Niederlanden.
            Unter Muammar Gaddafi war Bildung ein Menschenrecht und für alle Libyer kostenlos. Prof. Chengu meint dazu: „Überall auf der Welt erlangen junge Menschen durch Bildung Freiheit. Jeder Staat, bei dem man für Bildung zahlen muss, ermöglicht Freiheit nur den Reichen, nicht aber den Armen.“

Auszüge aus dem Human Rights Watch Bericht „watchdog 2015“, der zeigt, wie das einst prosperierende Libyen ins Chaos gestürzt wurde: „Die Kämpfe verursachten weiträumige Zerstörung, Zivilisten wurden verletzt oder getötet. Etwa 400.000 Menschen sind innerhalb Libyens auf der Flucht, darunter etwa 100.000 Einwohner von Tripolis. Weitere 150.000 Menschen, darunter auch Ausländer, flohen aus dem Land. Die meisten ausländischen Botschaften, die Vereinten Nationen, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes und andere internationale Gesellschaften zogen ihre Mitarbeiter ab und schlossen im Juli ihre Vertretungen. Milizen attackierten, bedrohten, entführten oder verhafteten Journalisten, Richter, Aktivisten, Politiker und einfache Bürger ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der fehlende Schutz für die Gerichtsbarkeit führte fast zum völligen Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit in den Städten Tripolis, Bengasi, Sirte, Sebha und Derna. Libyens Gerichtsbarkeit geriet schwer unter Druck. Milizen attackierten Richter, Staatsanwälte, Anwälte und Zeugen, erzwangen die Schließung von Gerichten und Anwaltsbüros in Bengasi, Derna, Sirte und Sebha. All dies führte zum Beinahe-Zusammenbruch des Justizsystems.
[…] Angesichts des Zerfalls von Recht und Ordnung und der fehlenden Bestrafung von Rechtsbrüchen sahen sich Frauen besonderer Diskriminierung ausgesetzt. Bewaffnete Gruppen führten aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen Restriktionen gegen Frauen ein. Wachmänner belästigten Studentinnen in Tripolis, die keinen Hijab trugen. Ebenfalls wurden Frauen schikaniert, die ohne männliche Begleitung aus Libyen ausreisen wollten. […] Fehlende Grenzkontrollen und Stammeskämpfe verschlimmerten die Sicherheitssituation und ermöglichten den Schmuggel von Menschen, Drogen und Waffen über die Grenzen zwischen Libyen und dem Tschad, dem Sudan, Ägypten und Algerien.
Aus all dem zieht Prof. Chengu den Schluss, dass ungezügelte Märkte und echte freie Wahlen einander widersprechen: „Wie sollen Kapitalismus und Demokratie nebeneinander existieren können, wenn ersterer Wohlstand und Macht in der Hand von wenigen konzentriert, während die Demokratie danach trachtet, Wohlstand und Macht auf viele zu verteilen?“
19.12.  Ein ehemals hochrangiger Sicherheitsoffizier Gaddafis sagte, dass IS-Terroristen beim Sturz Gaddafis große Mengen C-Waffen mit Sarin-Gas aus den Lagern gestohlen und in den Norden verkauft hätten. Bei den jüngsten Auseinandersetzungen in Tripolis seien von Sicherheitskräften in einem Fahrzeug nahe der al-Kuds Moschee große Mengen von Waffen mit Sarin-Gas gefunden worden.
Dieses Sarin-Gas soll am 21. August 2013 in Syrien beim Kampf um die Vororte von Damaskus eingesetzt worden sein. Dabei kamen hunderte Personen ums Leben.
20.12.  Der englische Guardian beschreibt, was die neue Übereinkunft für Libyen vorsieht: eine Einheitsregierung, ein einziges Parlament, ein internationales Programm zum Wiederaufbau von Armee und Polizei, die Errichtung von neuen Institutionen und ein Wiederhochfahren der am Boden liegenden Wirtschaft. Daneben wird erwartet, dass die Bitte um eine militärische Intervention ausländischer Kräfte durch die Einheitsregierung legalisiert wird.
Doch Libyen steht nicht deshalb wieder ganz oben auf der westlichen Agenda, weil die Bevölkerung leidet oder die libysche Nation am Zerbrechen ist, sondern drei andere Gründe sind dafür ausschlaggebend: der erste ist das Erscheinen des IS in Libyen, der zweite ist Libyens Schlüsselstellung als Fluchtroute von afrikanischen Emigranten nach Europa und der dritte Grund sind die für den Westen [ insbesondere für Italien] wichtigen Ölreserven sowie die Verfügungsgewalt über den Reichtum des Landes. [Letzterer Punkt dürfte wohl an erster Stelle stehen, deshalb musste Gaddafi ja gestürzt werden.]
Für den Guardian ergeben sich dabei vor dem erneuten Sprung David Camerons in den libyschen Treibsand folgende Fragen: Ist die neue Einheitsregierung wirklich eine realistische Alternative oder eine diplomatischem Wunschdenken entsprungene Fata Morgana? Auf welchem demokratischen Mandat beruht diese Einheitsregierung? Die Einigung wurde ohne die Einbeziehung des libyschen Volkes erzielt. Was also spricht dafür, dass die Libyer sie als legitim anerkennen sollten? Und falls sie sie nicht anerkennen, wie sollte dann eine Anfrage an diese Regierung bezüglich einer militärischen Hilfe dabei helfen, dieses militärische Eingreifen zu legalisieren?
1.000 Mann sollen nach Libyen entsandt werden, um die neuen Sicherheitskräfte zu schulen und zu beraten. Nur: Diese Sicherheitskräfte existieren überhaupt nicht und werden auch in Zukunft nicht existieren. Diplomaten erwarten schon bald, dass Großbritannien den IS in Libyen bombardiert und damit den britischen Irak-Syrien-Krieg auf eine dritte Front ausweitet. Selbst wenn dies legal wäre, ist es auch klug?
Libyen wieder in ein Schlachtfeld zu verwandeln, erscheint merkwürdig, wenn man die Nation angeblich neu aufbauen will. Die Frage dabei ist: Wenn eine neue libysche Regierung die Ölfelder zurückgewinnt, wer wird am Boden die allgegenwärtigen, schwer bewaffneten Milizen, Stammesverbände und Kriminellen, die auf das Öleinkommen angewiesen sind und viele Ölquellen und Pipelines kontrollieren, verdrängen?
Will Cameron jetzt überall auf der Welt, wo Fanatiker auftauchen, Bomben schicken? Wie soll das enden? Das ist nicht Politik. Das ist kein Plan. Das ist Panik. [Soweit der Guardian…]
21.12.  Der Hohe Rat der Libyschen Stämme gibt bei einer Sitzung in Tunis bekannt, dass über 75 Prozent der Libyer von der extern eingesetzten „Einheitsregierung“ ausgeschlossen sind.
Der tunesische Nobelpreisträger Abdessatar Ben Moussa hat gegenüber den Teilnehmern der Sitzung gefordert, den politischen Gefangenen in Libyen [gemeint sind die ehemaligen Gaddafi-Anhänger] Amnestie zu gewähren.
21.12.  Die libysche Regierung (Tobruk) hat mit Ägypten einen Vertrag über den Verkauf von zwei Mio. Barrel Erdöl geschlossen.
Da sich die Nationale Erdölgesellschaft und die Libysche Zentralbank im Westen des Landes und somit unter der Kontrolle der Gegenregierung (Tripolis) befinden, ist es für die international anerkannte Regierung im Osten des Landes schwierig, Ölgeschäfte abzuwickeln.
21.12.  Das Libysche Rote Kreuz gibt bekannt, dass mit mehr als 600.000 Menschen die Zahl der Libyer, die sich im Land wegen der anhaltenden Kämpfe auf der Flucht befinden, einen neuen Höchststand erreicht hat. Es wird erwartet, dass sich diese Zahl noch erhöht, da die bewaffneten Auseinandersetzungen im ganzen Land weiter zunehmen. Vor allem die bewaffneten Auseinandersetzungen in al-Kufra, Sirte, Bengasi und Aidabija haben eine neue Flüchtlingswelle hervorgerufen.
Daneben dauern die heftigen Kämpfe in Bengasi seit über einem Jahr an. Unter der Führung von General Khalifa Hefter werden auch in Aidabija die islamistischen Milizen heftig bekämpft. General Hefter strebt einen Militärrat an, der Libyen regieren soll.
22.12.  Der libysche Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ibrahim al-Debeshi, erklärte gegenüber einer arabischen Zeitung, er erwarte, dass in Libyen in Kürze Luftschläge von den USA, Großbritannien und Italien ausgeführt werden.
Seiner Meinung nach wäre ein solches Vorgehen durch die UN-Resolution 2214 gedeckt, da darin alle Länder aufgefordert werden, den Terrorismus in Libyen zu bekämpfen. Erforderlich wäre nur, dass die ausländischen Mächte die libysche Regierung im Voraus über ihr Vorgehen informierten und sich mit ihr abstimmten.
Aus Großbritanniens Auswärtigem Amt verlautete dagegen, dass im Moment nicht über Luftschläge in Libyen nachgedacht würde.
Es wäre auch noch kein Entscheidung getroffen worden bezüglich einer zukünftigen britischen Beteiligung bei der Stationierung internationaler Streitkräfte in Libyen.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte in einem Telefongespräch mit Faiez al-Serraj, der als neuer libyscher Premierminister vorgesehen ist, dass Frankreich „bei den aktuellen Herausforderungen an der Seite des libyschen Volkes stehen wird. Zunächst müsse die Hauptstadt gesichert, dann Stabilität wieder hergestellt und gegen den Terrorismus gekämpft werden.“
Frankreich angeblich an der Seite des libyschen Volkes – ein Grund für höchste Beunruhigung! Jetzt wird abgewartet, bis die „Einheitsregierung“ steht, dann wird militärisch interveniert, und dann bleibt man in Libyen stationiert! Afghanistan und Irak lassen grüßen! Auf ein gutes neues Jahr!
22.12.  Der am 15. Dezember entführte Hauptgeschäftsführer des St. James-Hospitals in Tripolis, Pierre Baldacchino, ist wieder auf freiem Fuß. Ob die hohen Lösegeldforderungen erfüllt wurden, ist nicht bekannt.
22.12. In Tripolis wurde ein Sufi-Schrein auf dem Bu-Mischmascha-Friedhof zerstört.
23.12.  Da Russland eine Schlüsselrolle im UN-Sicherheitsrat einnimmt, kommt es als Vermittler bei der Libyenkrise in Betracht und könnte so die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens gewährleisten. So äußerte sich jedenfalls Abuzaakouk, Entsandter der „Tripolis-Regierung“ bei einem Interview mit dem russischen Nachrichtenmagazin „Sputnik“.
Dazu meint Alexej Malaschenko vom Carnegie-Zentrum in Moskau, dass sich viele Länder wie Syrien, Libyen, der Irak und Ägypten vom Westen enttäuscht zeigten und es begrüßten, wenn Russland in der Region präsent bleibe, um ein politisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.
23.12.  Laut der Zeitung „Le Figaro“ werden im Führungsstab der französischen Armee Pläne zur militärischen Intervention in Libyen durchgespielt. Wichtige Partner dabei sind Großbritannien und Italien, auch Algerien, Ägypten und Tunesien sowie die Golfstaaten sollen beteiligt werden.
24.12.  Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat eine Resolution einstimmig verabschiedet, in der das Friedensabkommen für Libyen begrüßt wird. Er unterstützt die Bildung eines sogenannten Präsidialrats und ruft dazu auf, innerhalb von 30 Tagen eine Einheitsregierung zu bilden.
24.12.  Die Europäische Union wird Libyen mit 6,6 Millionen Euro unterstützen. 3,6 Millionen davon sind für das völlig zusammengebrochene Gesundheitswesen vorgesehen und 3 Millionen sollen in die Förderung von Jugendprojekten fließen.
Weitere 100 Millionen Euro sollen nach der Konstituierung der Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord GNA) dem Land zur Verfügung gestellt werden.

Da darf man ja heute schon gespannt sein, in welche Taschen dieses Geld tatsächlich fließen wird!
28.12.  Heftige bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen in Tripolis halten an. Die Milizen errichteten in den Kampfgebieten Straßensperren.
Dies verspricht nichts Gutes für die Pläne der Internationalen Gemeinschaft, den Sitz der neuen Einheitsregierung in Tripolis einzurichten.
28.12.  Der designierte Premierminister Faiez al-Serraj hat sich in Rom mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi getroffen.
Bereits am 25. Dezember traf Faiez al-Serraj in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi zusammen.
29.12.  Zum zweiten Mal erreichte das Tobruk-Parlament (House of Representatives HoR) nicht die notwendige Anzahl von Anwesenden, um eine Abstimmung durchführen zu können. Bereits am 28. Dezember musste die Sitzung mangels anwesender Parlamentarier verschoben werden. Abgestimmt werden sollte über die von der UN unter Martin Kobler forcierte Übereinkunft zur Einsetzung einer Einheitsregierung (Government of National Accord GNA), die von Premierminister Faiez al-Serraj geführt werden soll.
Das Votum würde nur eine einfache Mehrheit benötigen. Voraussichtlich wird das Parlament erst wieder am 4. Januar zusammentreffen.
29.12.  Der Chef des polizeilichen Geheimdienstes in Zliten fiel einem Bombenattentat zum Opfer.
Die Stadt stand der Moslembruderschaft und den Milizen von Misrata nahe. Allerdings unterstützt Misrata jetzt die Einsetzung einer Einheitsregierung unter Faiez al-Serraj. Dies könnte der Hintergrund für den Bombenanschlag auf den Geheimdienstchef gewesen sein.
31.12.  Jamal Musa, Sicherheitschef des Außenministeriums, soll an einem Checkpoint östlich von Sirte von Kämpfern des IS erschossen worden sein. Dabei kamen auch sein Bruder und dessen Frau ums Leben.
31.12.  Es wird berichtet, dass sich der UN-Beauftrage Martin Kobler heute in Baida mit der international anerkannten Tobruk-Regierung trifft.
Am 1. Januar will er in Tripolis den GNC-Präsidenten Abu Sahmain treffen. Begleitet wird Kobler von m UN-SMIL Sicherheitsberater Generalmajor Paolo Serra.
Die Behörden in Tripolis hatten sich vor einiger Zeit geweigert, eine Landeerlaubnis für Kobler auf dem Mitiga-Flughafen zu erteilen.





Quellen: info.arte.tv – german.irib.it – theguardian.com – de.sputniknews.com – heise.de – tagesschau.de – libyaherald.com – jamahiriyanewsagency.wordpress.com –   libyaobserver.ly - und andere

Dienstag, 5. Januar 2016



Das mysteriöse Verschwinden des libanesischen Imams Musa as-Sadr

Libanon. Die Entführung Hannibal al-Gaddafi im Libanon und das Verschwinden eines schiitischen Imams vor 37 Jahren
Der 1928 im Iran geborene und aus einer angesehenen Ajatollah-Familie stammende Musa Sajed as-Sadr war bei seinem Verschwinden im Jahr 1978 eine hochgeachtete Führerfigur der Schiiten im Libanon. 1969 wurde er zum Vorsitzenden des höchsten libanesischen schiitischen Gerichtshofs ernannt. Im Rahmen seines Engagements für die Besserstellung der Schiiten im Libanon hatte As-Sadr neben Schulen und Krankenhäusern eine „Bewegung der Benachteiligten“ gegründet.
Zur Zeit des libanesischen Bürgerkriegs rief der Imam einen islamisch-christlichen-Dialog ins Leben, politisch stand al-Sadr in starker Gegnerschaft zu Israel und gründete im Libanon die erste bewaffnete Gruppierung für den Kampf gegen den Nachbarstaat unter dem Namen „Bewegung der Libanesischen Widerstandsbrigaden Amal“.
Obwohl man Imam Sadr keine direkten Beziehungen zum libyschen Revolutionsführer Gaddafi nachsagte, verband beide die unversöhnliche Feindschaft zu Israel.
Als die Israelis im März 1978 in den vornehmlich von Schiiten bewohnten Südlibanon einmarschierten, zweitausend Menschen töteten und 280.000 Einwohner vertrieben, riet der algerische Präsident Hawari Boumediène dem Imam, Allianzen mit anderen arabischen Ländern, so auch mit Libyen, zu schmieden. Aus diesem Grund flog al-Sadr in Begleitung von Imam Mohamad Jaakoub und dem Journalisten Abbas Badreddine am 25. August 1978 von Beirut ab, um in Libyen Gaddafi zu treffen. Das Trio war in Tripolis im „Ash-Shath Hotel“ untergebracht, wo Gaddafi die Libanesen auf einen Termin mit ihm erst einmal warten ließ. Am 31. August verließen sie das Hotel wieder – laut einem Augenzeugen in einem offiziellen Konvoi.
Ab diesem Tag verliert sich die Spur der drei Libanesen, die niemals nach Beirut zurückkehrten. Über ihr Verschwinden gibt es verschiedene Darstellungen, die bis heute umstritten sind.
Ein Bericht besagt, für diesen 31. August sei das Treffen des Imams mit Gaddafi angesetzt gewesen. Die gleiche Quelle behauptete auch, dass es während des Treffens zwischen Gaddafi und dem Imam zu einer Auseinandersetzung wegen unterschiedlicher Einschätzung der Libanonkrise gekommen sei.
Im Gegensatz dazu bestritt Gaddafi, dass ein Treffen überhaupt stattgefunden habe, und die libyschen Behörden erklärten, al-Sadr, Jaakoub und Badreddine hätten Tripolis Richtung Rom mit dem Alitalia-Flug AZ 881 verlassen. Sollte diese Darstellung richtig sein, kann man vermuten, dass die Libanesen des Wartens auf Gaddafi überdrüssig waren. Nicht bekannt ist der Grund für ihre Reise nach Rom.
Es wurden in Tripolis und Rom Untersuchungskommissionen gebildet, die herausfinden sollten, was wirklich geschehen war.
Laut dem Untersuchungsergebnis von Tripolis waren alle drei Personen am Flughafen in Rom angekommen. Dies erklärte auch der Stellvertreter Gaddafis, Abdas-Salam Dschallud, bei einer Reise in den Iran im April 1979: Imam Sadr sei in Italien verschwunden und nicht in Libyen. Am 1. Februar 1979 war Khomeini aus dem französischen Exil zurückgekehrt, hatte die Islamische Republik Iran ausgerufen und bereits nach kurzer Zeit diplomatische Beziehungen zu Libyen aufgenommen. Khomeini scheint also durchaus die Darstellungen Libyens für glaubhaft gehalten zu haben. Auch innerhalb des Libanons war es zu Veränderungen gekommen: Die schiitische Hisbollah sah sich in der wirklichen Nachfolge von Imam Sadr und hatte sich von der Amal-Bewegung abgespalten.
Dagegen führten die Untersuchungen in Rom zu dem Ergebnis, dass Imam Sadr und seine Begleiter Libyen nicht verlassen hätten, sondern dort verschwunden wären. Zwar habe eine Person namens Musa as-Sadr im Holiday Inn am Parco die Medici in Rom eingecheckt, die Beschreibung des Äußeren und das Auftreten des Hotelgastes stimmten aber nicht mit dem tatsächlichen Aussehen und Auftreten des echten Musa as-Sadrs überein. Mit folgender Begründung ging die italienische Regierung von einer libyschen Täterschaft aus: „Musa as-Sadr hat jahrelang für die Schiiten im Libanon Unterstützung aus Libyen bezogen. Die schiitische Volksgruppe hat sich aber im libanesischen Bürgerkrieg auf die Seite der Maroniten geschlagen… Von Seiten der libyschen Geldgeber sei dieses Verhalten der Schiiten als ein Verrat an der muslimischen Sache betrachtet worden.“[1]
Diese Begründung erscheint fadenscheinig. Wieso sollte Gaddafi einen Feind Israels aus dem Weg schaffen lassen, der gerade die Unterstützung gegen das verhasste Israel suchte? Wenn er den Imam nicht weiter hätte finanzieren wollen, hätte er ihn deswegen nicht verschwinden lassen müssen. Politisch wäre dies eine grobe Dummheit gewesen, wie sich aus den Reaktionen auf das Verschwinden des al-Sadrs bis heute zeigt. Gaddafi war aber kein Hitzkopf, sondern ein kühl kalkulierender Politiker. Auch stand Gaddafi Christen nicht feindlich gegenüber, wie das Vorhandensein einer aktiven christlichen Gemeinde in Libyen während der Ära Gaddafi beweist.
Am 31. August 2001 veröffentlichte Amnesty International seinen ersten Bericht über die Vorgänge um das Verschwinden des Imams und stützte die Behauptung Libyens, dass der Imam und seine Begleiter Libyen verlassen hätten, was eindeutig im Gegensatz zu dem italienischen Untersuchungsbericht stand.
Nach Beginn der Bombardierungen Libyens 2011 wurden 33 Jahre später noch einmal alle Register gezogen, um Gaddafi als Schurken hinzustellen. So wurde die ganze Angelegenheit im Mai 2011 hochgekocht und in Beirut Oberst Gaddafi in Abwesenheit wegen des Verschwindens as-Sadrs angeklagt. Verschiedene Versionen machten die Runde, in denen jedoch stets Gaddafi für das Verschwinden des Imams verantwortlich sein sollte. So behauptete Ahmed Ramadan, einst ein Vertrauter Gaddafis, dass Imam Sadr 1978 nach dem Gespräch mit Gaddafi getötet worden sei. Dagegen behauptete eine Quelle aus dem Nationalen Übergangsrat, dass as-Sadr in Libyen gefangen gehalten worden war und erst 1998 in Haft verstorben ist. Der DNA-Test eines angeblichen Leichnams verlief jedoch negativ.
Eine Nachricht des Senders AlArabiya.net berief sich 2011 auf eine Quelle, die behauptete, Imam Sadr sei noch immer am Leben und in Libyen inhaftiert. Angeblich hätten dies auch nach Ägypten geflohene Beamte der Ära Gaddafi bestätigt. Daraufhin bildete die Familie al-Sadrs einen Komitee, die die Wahrheit über den Verbleib des Imams herausfinden sollte.
Mitte Dezember 2015 wurde Muammar al-Gaddafis Sohn Hannibal im Libanon von Bewaffneten entführt, misshandelt und anschließend den libanesischen Sicherheitskräften übergeben. Bekannt hatte sich dazu die Gruppe Amal, die einst von as-Sadr ins Leben gerufen worden war. Hannibal ist mit einer Libanesin verheiratet, war nach dem Sturz seines Vaters zunächst nach Algerien geflohen, hielt sich dann aber im Libanon auf. In einem von der Gruppe Amal Movement veröffentlichten Video musste der durch Folterspuren gezeichnete Hannibal in einer Botschaft fordern, dass alle Beweise bezüglich des Falles Mussa Sadr unverzüglich veröffentlicht werden.[2]
Konnte es wirklich im Sinne Libyens gewesen sein, al-Sadr, der dabei war, eine breite arabische Koalition gegen Israel zu schmieden, ermorden und/oder verschwinden zu lassen? Dies erscheint kaum glaubhaft angesichts der massiven Unterstützung, die Gaddafi der Palästinensischen Front zur Befreiung Palästinas zukommen ließ und der tiefen Feindschaft, die er dem Staat Israel entgegenbrachte. Im Libanon hatte al-Sadr eine Allianz zwischen den christlichen Maroniten, den sunnitischen Palästinensern und den Schiiten zustande gebracht. Wenn dieser machtvolle Bund nun noch die finanzielle Unterstützung des reichen Libyens erhalten hätte, erscheint es naheliegender, dass westliche Kreise ein Interesse daran hatten, den charismatischen und hoch angesehenen schiitischen Imam zu beseitigen, der sich zu einer wirklichen Bedrohung für Israel hätte auswachsen können. Außerdem darf bezweifelt werden, dass ein so mit allen Wassern gewaschener Staatsmann wie Gaddafi – sollte er wirklich den Imam hätte beseitigen wollen – dies im eigenen Land getan und die Spuren auf sich selbst gelenkt hätte. Wie man weiß, war der libysche Geheimdienst durchaus in der Lage, im Ausland tätig zu werden und dort missliebige Personen aus dem Weg zu räumen.
Für den Westen und insbesondere für Israel hatte das Verschwinden des Imams den Vorteil, dass man von der neuen charismatischen Führungsfigur nichts mehr zu befürchten hatte und dass sich die Annäherung zwischen schiitischen Libanesen und Libyern, beides Feinde des westlichen Lagers und des Staates Israels, zerschlagen hatte. Indem man Gaddafi die Entführung des Imams in die Schuhe schob, konnten die Spannungen bis heute aufrechterhalten werden, wie die Entführung von Hannibal al-Gaddafi durch die schiitische, einst von as-Sadr gegründete Amal-Miliz zeigt.
Aufschluss über den tatsächlichen Verbleib von Imam Sadr dürfte nur die Offenlegung italienischer Geheimdienstarchive bringen. Die Archive Libyens wurden nach dem Sturz Gaddafis von seinen Gegnern vernichtet.
Die Entführung Hannibal al-Gaddafis verbunden mit der Forderung nach Aufdeckung der Hintergründe zum inzwischen 37 Jahre zurückliegenden Verschwinden des Imams hat einen aktuellen geopolitischen Bezug. Ressentiments und Feindschaft gegen Volks- und Glaubensgruppen werden vor dem Hintergrund des Irak-, Syrien-, Jemen- und Libyenkrieges geschürt. Den aktuellen Höhepunkt bildete gerade die Vollstreckung des Todesurteils gegen den schiitischen Geistlichen Scheich Nimr Baker al-Nimr in Saudi Arabien, was zu weltweiten Protesten der schiitischen Glaubensgemeinde und Stürmung der saudi-arabischen Botschaft in Teheran führte.






[1] Tim Geiger, Amit Das Gupta, Tim Szatkowski: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1980 Bd. II: 1. Juli bis 31. Dezember 1980. R. Oldenbourg Verlag, München 2011, S. 1420

Montag, 4. Januar 2016



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.

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Irsinnig: Ausgerechnet die USA kritisieren tote Zivilisten bei russischem Bombardement in Syrien!
4.1.2016. Das US-Regime hat Rußland Luftangriffe auf zivile Ziele in Syrien vorgeworfen, wie z.B. Märkte, Schulen und medizinische Einrichtungen. Dies wirkt ganz besonders grotesk, da die USA selbst ständig Krankenhäuser (wie kürzlich in Afghanistan) oder Schulen und Märkte, wie 2011 beim NATO-Überfall auf Libyen, durchführen und offensichtlich diese Art von „Kollateralschäden“ für in Ordnung befinden, frei nach dem Motto, daß ein von einer russischen Bombe getöteter Zivilist ein guter Zivilist war, während der von einer US-amerikanischen Bombe getötete Zivilist ein böser gewesen sein muß.



Jemen: Wieder erfolgreicher Gegenschlag gegen Invasoren
4.1.2016. Der Invasionskrieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen hat den Krieg schon lange wieder auf saudisches Territorium zurückgebracht. Jemenitische Streitkräfte, welche dem 2012 gestürzten Präsidenten Ali Abdullah Saleh nahestehen und mit den Huthi-Rebellen kooperieren, haben mit Raketen und Artillerie saudische Militärposten in  Jizan und Asir angegriffen und mehrere gepanzerte Fahrzeuge zerstört, darunter einen US-Panzer vom Typ M1 Abrams.




Libyen und die Migranten



von  Angelika Gutsche 

Libyen war über Jahrzehnte sowohl Endstation als auch Durchgangsland für Migranten aus Schwarzafrika. An den Rändern der Städte bildeten sich schwarze „communities“, deren Bewohner in zusammengeschusterten Hütten und Häusern lebten. Ab und an wurden diese Behausungen von der Regierung wieder platt gemacht. Als Wohnstätten für die Emigranten waren auch die aufgelassenen Lehmsiedlungen alter Städte beliebt, deren einstmals libyschen Bewohner in neu gebaute, moderne Siedlungen umgezogen waren. In den alten Gemäuern bildete sich nun eine eigene schwarze Infrastruktur mit Läden und Dienstleistungsanbietern wie Friseurläden.
Obwohl es auch unter Gaddafi Arbeitslosigkeit gab, war es unter der Würde eines Libyers, niedrige Arbeiten am Bau, in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungsgewerbe auszuüben. All diese Arbeiten wurden von Emigranten aus den arabischen Nachbarstaaten wie Tunesien, Ägypten und Algerien und von Schwarzafrikanern, die aus Ländern südlich der Sahara stammten, geleistet. Für die libysche Wirtschaft waren Gastarbeiter in fast allen Branchen und Wirtschaftsbereichen unersetzlich. Dies trug auch zur wirtschaftlichen Stabilität der Länder bei, aus denen die Arbeitssuchenden kamen, darunter an erster Stelle Ägypten, gefolgt von den subsaharischen Ländern. Weitere Arbeitsemigranten kamen aus den benachbarten Ländern Tunesien und Algerien, etliche auch aus Asien, aus Pakistan, Bangladesch, Vietnam oder von den Philippinen. Sie alle suchten ihr Arbeitsglück in Libyen.
An den Einfallstraßen der libyschen Städte standen beim Kreisverkehr schwarze Tagelöhner, die auf Arbeit warteten. Heute finden sich diese Bilder in Süditalien, das nun zum nördlicher gelegenen Transit- und Einwanderungsland vor allem für Schwarzafrikaner geworden ist. Auch ähneln die Unterkunftsstrukturen in Italien denen des ehemaligen Libyen: Aufgelassene Gehöfte in Apulien und verlassene Dörfer in Kalabrien bieten Unterschlupf für die hier Gestrandeten. Und die Probleme, die sich in Süditalien herauskristallisieren, ähneln ebenso jenen, die in Libyen zu Tage traten: Die meist schwarzafrikanischen Emigranten werden für Kriminalität, Drogenhandel und Prostitution verantwortlich gemacht. Und so wie es auch in Süditalien immer wieder zu gewalttätigem Vorgehen Einheimischer gegen die oft illegal Zugewanderten kommt, hatte mit diesem Problem auch Libyen zu kämpfen. So kamen dort im Jahr 2000 bei Ausschreitungen gegen Migranten 130 Menschen zu Tode.
Insgesamt wird geschätzt, dass sich in Libyen bis zum Krieg 2011 etwa zwei Millionen Emigranten aufhielten.
Im Jahr 2005 hatte die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“, kurz Frontex, ihre Arbeit aufgenommen und lotete 2007 bei einem Besuch in Tripolis die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Libyen hinsichtlich der Beschränkung der Migrantenströme nach Europa aus. Libyen war und ist gemäß der UN-Definition als Transitland dazu verpflichtet, Migranten daran zu hindern, sein Territorium zu durchqueren, um illegal in ein anderes Land zu gelangen. Bei den Gesprächen mit Frontex wies Libyen darauf hin, dass es selbst stark unter der illegalen Einreise zu leiden habe und dass die Sicherung der Grenzen sowohl in der südlichen Sahara als auch am Mittelmeer beträchtliche Kosten verursache. Libyen forderte daher von der EU sowohl Hilfe bei der technischen Ausrüstung wie auch bei der Schulung von Experten. Die dem Innenministerium unterstellte Marine inklusive der Küstenwache war von besonderer Wichtigkeit. Um nur ein paar Zahlen zu nennen: Im Jahr 2006 fasste Libyen 357 Menschenschmuggler, konfiszierte 51 Fahrzeuge und 17 Boote, fand 360 angespülte Leichen und griff 32.164 illegale Immigranten auf[1].
Die Europäer machten sich natürlich nicht selbst die Hände schmutzig. Da Europa Flüchtlinge nicht zurückweisen darf, verhinderte man, dass diese Europa überhaupt erst erreichten. Dieser Ansatz wurde, obwohl nicht mit dem europäischen Asyl- und Flüchtlingsrecht in Einklang, seit 2005 von Frontex umgesetzt. Darüber hinaus bestanden geheime Abmachungen zwischen Libyen und Italien, von denen die Öffentlichkeit nichts erfahren sollte. In Libyen gab es Auffang- und Abschiebelager, die nicht unbedingt den westlichen Menschenrechtsvorstellungen entsprachen. Deshalb hatte noch 2010 EU-Kommissar António Vitorino ein Pilotprojekt für Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien angekündigt, das zusammen mit dem UN-Flüchtlingswerk helfen sollte, europäische Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen einzuhalten. Libyen wurde noch am 29.11.2010 von der „Zeit“ als „Türsteher Europas“ bezeichnet und im Januar 2011 wollte die EU mit Libyen ein Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge schließen.
Aus heutiger Sicht können die damaligen Auffanglager in Libyen im Vergleich zu jenen Lagern, die seit dem Zusammenbruch des libyschen Staates betrieben werden, nur als human bezeichnet werden. Die aktuellen Berichte sprechen von unhaltbaren, menschenunwürdigen Zuständen mit katastrophalen hygienischen Bedingungen. In den Lagern herrsche Gewalt, Folter und Vergewaltigungen seien an der Tagesordnung. Aber auch außerhalb der Lager seien vor allem die Emigranten aus Schwarzafrika Freiwild, die wie Sklaven ausgebeutet würden und ständig um Geld und Leben fürchten müssten.
Bei Beginn des Krieges in Libyen wurde aufgrund der Verfolgung dunkelhäutiger Menschen durch die Aufständischen von März bis Ende Mai 2011 über eine halbe Million Ausländer an den Grenzen registriert, die Libyen schnellstmöglich verlassen wollten. Die meisten versuchten, sich nach Tunesien oder Ägypten abzusetzen, etliche flohen Richtung Süden in den Niger. In Tunesien kam es zu erschreckenden Vorgängen in den provisorischen Flüchtlingslagern. Auch dort herrschten entsetzliche Zustände.
Die Zahl derer, die ohne Registrierung schwarz über die Grenzen flohen, dürfte weit über einer halben Million gelegen haben. Es strömten all die Ägypter, Tunesier und Marokkaner, die vorher in Libyen ein Auskommen gefunden hatten, zurück in jene Heimatländer, die schon vorher von hoher Arbeitslosigkeit geplagt waren. In diesen politisch und ökonomisch schwierigen Zeiten stellten sie für die Staaten, die sich nach den politischen Umstürzen neu zu orientieren versuchten, eine weitere Belastung dar.
Nach dem Sturz Gaddafis mussten auch dessen Anhänger, die auf brutale Weise von den nun an die Macht gekommenen Milizen verfolgt wurden, flüchten. Die meisten setzten sich nach Tunesien und Ägypten oder in andere arabische Länder ab, viele flohen in den Niger oder auch nach Europa. Von den etwa sechs Millionen Libyern dürfte etwa ein Drittel das Land verlassen haben. Noch im Juli 2014 berichtete Arte in einer Reportage von den mindestens 600.000 Dschamahirija-Anhängern, die sich in Tunesien versteckt halten, da sie von den neuen Machthabern in Libyen verfolgt werden.[2]
Die meisten Tuareg, von denen viele in der libyschen Armee gedient hatten, flohen nach dem Sturz Gaddafis mitsamt ihren Waffen in den Niger und weiter nach Nordmali. Dies führte zur Destabilisierung einer ganzen Region, die bis heute anhält.
2011 war auch der Beginn der großen Migrationsströme nach Europa. Bisher konnten Barrieren wie Mauern, Zäune, Militärkontrollen, elektronische und Infrarotkontrollen und Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern in Afrika den Schengenraum mit Hilfe von Frontex für afrikanische Flüchtlinge relativ dicht machen. Als im April 2011 die Grenzen Nordafrikas nicht mehr kontrolliert wurden, kamen zunächst in wenigen Wochen über 20.000 Tunesier in zumeist kleinen Fischerbooten auf der italienischen Insel Lampedusa an. Die migrationswilligen Menschen nutzten natürlich die einmalige Möglichkeit, die sich ihnen durch die offenen maritimen Grenzen in Libyen und Tunesien bot und flohen über das Meer nach Italien.
So berichtete der junge, in einem italienischen Auffanglager gestrandete Tunesier Farid, wie er viele Jahre in Libyen in einem Hotel gearbeitet und nun in Tunesien kein Auskommen mehr hätte. Für die Überfahrt habe er über tausend Euro bezahlt, 45 junge Männer hätten auf einem vier Meter langen Fischerboot das Mittelmeer überquert. Natürlich hätte ein lebensgefährliches Risiko bestanden, doch das wäre eine einmalige Chance gewesen, die einfach jeder nutzen müsse.
Die Emigranten wurden von Lampedusa aus auf verschiedene Lager innerhalb Italiens verteilt. Das größte Auffanglager befand sich im apulischen Bari, aber es wurden Flüchtlinge auch in anderen provisorischen Flüchtlingslagern untergebracht, so in einer auf einem ehemaligen Militärflughafen errichteten Zeltstadt bei Oria. Zwischenzeitlich befanden sich dort über 1700 Tunesier, fast ausschließlich junge Männer.[3] Ein Satz machte in Italien die Runde: „Frankreich bekommt jetzt das libysche Öl und wir bekommen die Flüchtlinge“.
Im April 2012 versuchte die italienische Regierung, mit Libyen den italienisch-libyschen Freundschaftsvertrag fortzuführen, der besagte, Libyen solle seine Grenzen sichern und dafür Unterstützung von der EU erhalten. Doch das war aufgrund des anhaltenden Chaos‘ in Libyen reine Illusion. Die Anzahl der Menschen, die von Libyen aus versuchten, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, steigerte sich weiter von Jahr zu Jahr. In den ersten vier Monaten 2013 erreichten rund 30.000 Flüchtlinge Italien, 1.500 kamen auf der Insel Malta an[4]. Dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf das noch Kommende war, ahnten damals wohl die wenigsten.
Ende 2014 beschloss Europa, das Seenothilfsprogramm Mare Nostrum, das vor allem vor den Küsten Libyens Menschen aus Seenot rettete, einzustellen. Man hoffte, dass dies als Abschreckung für die Fluchtwilligen dient. Keine Rettung mehr auf offener See und keine sichere Überfahrt in die Häfen von Lampedusa und Malta. Wer nach Europa wollte, musste sich ab jetzt auf seeuntüchtigen Fischerbooten lebensgefährlichen Gefahren aussetzen.
Doch schon Anfang 2015 musste diese Strategie des „Absaufenlassens“ aufgegeben werden. Die Situation in Libyen hatte sich dermaßen verschlechtert, dass die Menschen ohne zu zögern bereit waren, auf den Seelenverkäufern der Menschenschlepper ihr Leben zu riskieren. Der Fernsehsender Arte berichtete, wie im ehemaligen Zoo von Tripolis jetzt Emigranten an Stelle von Tieren hinter Gittern gehalten wurden, bewacht von der Miliz Abdel Rezag. Die ehemaligen „Rebellen“ wollten Libyen von Fremden säubern.[5]
Als im April 2015 bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste über 900 Menschen vor allem aus Schwarzafrika ertranken und das UN-Flüchtlingswerk bekanntgab, dass seit Jahresbeginn 2015 insgesamt knapp 1000 Menschen auf dem Mittelmeer den Tod gefunden hätten, führte dies in der westlichen Öffentlichkeit zu einem gewaltigen Aufschrei. Am 16. April 2014 stimmte das Europäische Parlament über eine neue Seeaußengrenzenverordnung ab. Dabei wurde betont, dass Frontex die Pflicht zur Seenotrettung hat und Einwandererboote nicht mehr abdrängen oder zur Umkehr ins offene Meer zwingen darf. Aufgegriffene Flüchtlinge dürften auch nicht mehr in jene Länder verbracht werden, in denen ihnen eine Gefahr für Leben oder Freiheit drohe. Anstelle der eingestellten Seenotrettungsmission „Mare Nostrum“ wurde eine neue, wenngleich eingeschränkte und bedeutend schlechter ausgestattete Mission zur Rettung von Schiffbrüchigen namens „Triton“ aufgelegt. Gleichzeitig hatten es über 11.000 Menschen allein in einer Aprilwoche des Jahres 2015 geschafft, von Libyen aus die italienische Küste zu erreichen. Die Strategie der Abschreckung durch die Einstellung von „Mare Nostrum“ war komplett gescheitert.
Der Regierungschef der libyschen Regierung in Tobruk machte die westlichen Staaten für das Chaos verantwortlich, das in Libyen herrschte. Eine libysche Armee sei ebenso wie Sicherheitskräfte praktisch nicht mehr existent und so wäre es nicht möglich, staatliche Strukturen wiederherzustellen. Nur ein funktionsfähiger libyscher Staat sei in der Lage, die lange Küste zu kontrollieren und dem mafiösen Bandenschlepperwesen einen Riegel vorzuschieben.
Es kamen immer mehr Menschen von Libyen nach Italien, denn Libyen war zur Hölle geworden. Weg wollten alle, nicht nur jene, die Libyen von jeher nur als Transitland ansahen, sondern auch alle Arbeitsemigranten, die in Libyen vormals als Hausmädchen, Gärtner, Landarbeiter und Ähnlichem eine Beschäftigung gefunden hatten, die nun weggebrochen war.
Es war offensichtlich, dass sich dschihadistische Kämpfer unter den Augen der islamistischen Gegenregierung in Tripolis mit Menschenschmuggel ihr Geld verdienten. Der Spiegel zitierte einen libyschen Berber, der seine Geschäfte mit Menschenhandel vom tunesischen Dscherba aus steuerte und erklärte, seine Auftraggeber wären die Anführer des dschihadistischen libyschen Fadschr (Morgendämmerung),  mit denen die Milizen seiner Heimatstadt Zuwara zusammenarbeiteten, um die Flüchtlingsgeschäfte abzuwickeln.[6] Die Flüchtlingsboote starteten alle im Westen des Landes, in der Gegend um Zuwara und Zawija, Khoms, Misrata und Tripolis, Gebiete, die vom libyschen Fadschr kontrolliert wurden. Der italienische Geheimdienst schien genau zu wissen, um welche Banden und Milizen es sich handelte, sogar wer die Bosse der Organisationen waren. Der Spiegel schreibt: „Im Schatten des Flüchtlingsdramas ist das Seegebiet vor Westlibyen zum Drehkreuz einer neuen Mittelmeermafia geworden, hier werden neben Menschen auch Waffen, Drogen und Benzin geschmuggelt. Und in der Hauptstadt Tripolis ist eine explosive Mischung von Extremisten und Mafianetzwerken entstanden.“[7] Und die ehemalige Kultusministerin von Mali, Aminata D. Traoré ergänzte: „So manche, die in Libyen keine Arbeit mehr finden konnten, sind zu Fluchthelfern, zu Dschihadisten oder zu Drogenschmugglern geworden.“[8]
An den Flüchtlingen verdienten viele. Das große Geschäft mit der Flucht boomte nicht nur in Libyen, sondern auch in Italien. So wurden im Juni 2015 in Italien 44 Personen festgenommen, die in einen Korruptionsskandal um den Betrieb von Aufnahmelagern für Flüchtlinge verwickelt waren. Mit korrupten Geschäften in Zusammenhang mit der Versorgung von Flüchtlingen verdiente die italienische Mafia inzwischen mehr Geld als mit Waffel- und Drogendeals.[9] Das einträgliche Geschäft mit den Flüchtlingen stand auch einer Aussöhnung der verfeindeten Gruppen in Libyen entgegen, denn der libysche Fadschr war tief in das Menschenschmuggelgeschäft verstrickt und wollte auf seine Einnahmen nicht verzichten.
Inzwischen wurden Befürchtungen laut, dass sich IS-Kämpfer unter die Migranten mischen könnten, um über das Mittelmeer nach Europa zu kommen und dort ihr Unwesen zu treiben. Es kursierte die These, dass das bedauernswerte Schicksal der Emigranten die Europäer moralisch wehrlos machen soll und diese so dazu zwinge, die Grenzen für Emigranten zu öffnen.
Als Julian Assange sein Buch „The WikiLeaks Files“ (Die WikiLeaks-Akten) vorstellte, das von US-Diplomaten verfasste Dokumente öffentlich machte, war in diesen Mails auch die Rede von Flüchtlingen als „Destabilisierungsfaktor“.[10] Damit war allerdings gemeint, dass die geflüchteten Fachkräfte dem Land fehlen, aus dem diese Emigranten stammen und dass dieser Staat ohne die Menschen mit einer guten Ausbildung nicht mehr funktionieren könne. Eine Situation, wie sie schon bald in Syrien entstehen könnte. Bei den aus den subsaharischen Ländern stammenden Emigranten, die über Libyen nach Europa kommen, dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Meist entspricht ihre schulische und berufliche Ausbildung nicht europäischen Standards, so dass sie für den Arbeitsmarkt nicht ausreichend qualifiziert sind, und sind sie erst einmal in Europa angekommen, stellen ihre Geldüberweisungen an die zurückgebliebenen Angehörigen eine unverzichtbare wirtschaftliche Stütze für die Herkunftsländer dar. Ein Grund, warum sich diese Länder häufig weigern, ihre Staatsangehörigen bei Ausweisung aus der EU zurückzunehmen. Deshalb ist dem Westen vorrangig daran gelegen, die über Libyen kommenden Flüchtlingen zu stoppen und nicht die Syrier, die über die Türkei einreisen.
Im Sommer 2015 verlagerte sich der öffentliche Fokus auf jene Flüchtlingskarawane, die sich über die Türkei und die sogenannte Balkanroute nach Europa, insbesondere nach Deutschland bewegt und bei der es sich vorrangig um syrische Bürgerkriegsflüchtlinge handelt. Die Türkei kann die Emigranten an der Flucht über das Mittelmeer in das europäische Griechenland hindern oder es kann sie ziehen lassen und so nutzt die Türkei diesen Flüchtlingsstrom geschickt als politisches Druckmittel. Es geht der Türkei dabei nicht in erster Linie um EU-Ausgleichszahlungen und Visaerleichterungen für türkische Bürger, sondern vor allem darum, das europäische Stillschweigen gegenüber dem gewalttätigen Vorgehen gegen die Kurden im eigenen Land zu erkaufen. Und die Türkei erwartet, dass Europa beide Augen zudrückt, wenn von ihr dschihadistische Gruppierungen in Syrien und Libyen mit Geld, Waffen und Kämpfern unterstützt werden. Öffentlich bekannt wurde inzwischen der schwunghafte Ölhandel, den die Türkei mit dem IS betreibt und in den ein Sohn des türkischen Präsidenten Erdogans verstrickt scheint, sowie die Versorgung von Verwundeten des IS in türkischen Krankenhäusern, die von einer Tochter Erdogans unterhalten werden. Das Vorgehen der Türkei scheint mit den USA abgesprochen und von Nato-Staaten gedeckt.
Die hohe Anzahl von Flüchtlingen wurde für Europa zu einer enormen Belastung. Flüchtlinge können nicht nur für deren Herkunftsland ein Destabilisierungsfaktor werden, sondern auch für das Land, das die Flüchtigen aufnimmt. Beschrieben wird dieser Vorgang, der zu einer Spaltung der Bevölkerung, einer Überforderung der Sozialsysteme, ernsthaften Sicherheitsproblemen sowie zu Frustrationen unter den Geflüchteten führen kann, in einer Studie der amerikanischen Harvard-Universität.[11]
Auch wenn nun die Balkanroute das öffentliche Interesse beherrschte, versiegte zu keiner Zeit der Strom der über Libyen kommenden Emigranten. Im Laufe des Jahres 2015 wurden die Pläne bezüglich eines europäischen Vorgehens gegen die Flüchtlingsströme immer konkreter. Für den EU-Einsatz vor der libyschen Küste war der italienische Konteradmiral Enrico Credendino zuständig, der im Oktober 2015 eine zweite Phase des Kampfes gegen kriminelle Schlepper ausrief. Diese beinhaltete den Einsatz von sieben Kriegsschiffen, U-Booten, Drohnen, Flugzeugen und bewaffneten Soldaten, die im Rahmen der Mission EUNAFVOR außerhalb des libyschen Hoheitsgebiets Dienst taten. Die Schiffe von Schleppern sollten aufgebracht, beschlagnahmt und zerstört werden, die Schlepper festgenommen. Der Sinn dieser Maßnahme war mehr als fraglich. Denn in der Regel wurden die Boote ohne die Begleitung von Schleppern losgeschickt. Und sollten sich tatsächlich einmal Schlepper an Bord befinden, würden sich diese wohl kaum zu erkennen geben. Für die Bootsflüchtlinge wurde die Fahrt über das Mittelmeer durch diese EU-Maßnahmen noch gefährlicher.
Wie abzusehen, war dieser Einsatz erfolglos. Eine dritte Phase sieht den Einsatz von EU-Kräften innerhalb libyscher Hoheitsgewässer und sogar an Land vor. Allerdings sind dafür ein UN-Mandat und die Zustimmung der libyschen Regierung unabdingbar. Um eine Intervention in Libyen zu legalisieren, braucht der Westen unbedingt eine Einheitsregierung, die sich mit der Bitte um Hilfe an die Europäer wendet. In diesem Zusammenhang müssen die Bemühungen im Rahmen einer Friedenskonferenz in diesem Monat in Rom gesehen werden, bei der mit Brachialgewalt die Bildung einer Einheitsregierung durchgesetzt wurde. Von dieser Regierung der Nationalen Einheit, die weder wirklich demokratisch legalisiert, noch die gesellschaftlichen und politischen Kräfte des Landes repräsentiert, erhoffen sich die europäischen Staaten das baldige Gesuch nach einer Intervention in Libyen, um sowohl gegen die Menschenschmuggler als auch gegen den IS vorgehen zu können. Ein weiterer, wenn nicht sogar der wichtigste Punkt ist jedoch die Sicherung der libyschen Ölquellen für den Westen.
Wie hatte doch gleich Muammar Gaddafi  in einem Interview mit einer französischen Zeitschrift 2011 im Vorfeld der drohenden militärischen Intervention gewarnt: „Wenn Ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet Ihr Verwirrung stiften, al-Kaida in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen: Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa schwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten. Al-Kaida wird sich in Nordafrika einrichten, während Mullah Omar den Kampf um Afghanistan und Pakistan übernimmt. Al-Kaida wird an Eurer Türschwelle stehen… Die Islamisten können heute von dort aus bei Euch eindringen. Der Heilige Krieg wird auf Eure unmittelbare Nachbarschaft am Mittelmeer übergreifen… Die Anarchie wird sich von Pakistan und Afghanistan bis nach Nordafrika ausdehnen.“ Wahrhaft prophetische Sätze.



[1]  Almut Besold: „Libyens gezielte Annäherung an den Westen“ in: „Libyen“, Promedia 2009
[4] Website Heinrich-Böll-Stiftung, 18.11.2013
[5] http://info.arte.tv/de/libyen-die-jagd-auf-die-fremden
[6] Der Spiegel 18/2015: „Die Toten von Garabulli“
[7] Der Spiegel 18/2015: „Die Toten von Garabulli“
[8] Le Monde Diplomatique, Sept. 2015
[9] http://monde-diplomatique.de/artikel/!242050
[10] www.youtube.com/watch?v=wLRjtrRv7FE  (Interview mit Julian Assange)

[11] http://belfercenter.hks.harvard.edu/publication/18120/strategic_engineered_migration_as_a_weapon_of_war.html