Freitag, 28. Februar 2020



Kurznachrichten aus Libyen – 23.02.2020

Libyen. Libysche Stämme – Erdöl – Militärische Lage – ‚Einheitsregierung‘ – LNA – USA – UNO – EU –Russland – Algerien – Moslembrüder 

Libysche Stämme
+ Der Leiter der Nationalen Aktionsgruppe, Khaled al-Tordschuman, sagte in einem Gespräch mit dem ägyptischen Kanal Extra News, dass die Stämme das Land von allen Banden und Milizen befreien und die Ölblockade aufrechterhalten werden, bis Libyen vollständig befreit ist.
Das Ergebnis des Stammestreffens in Tarhuna hätte die internationale Gemeinschaft in eine peinliche Situation gebracht. An dem Tarhuna-Treffen hätten alle libyschen Stämme teilgenommen, einschließlich diejenigen, deren Gebiete sich derzeit noch unter der Kontrolle von Milizen befinden. Alle Stämme seien sich darin einig gewesen, dass die einzige Lösung bezüglich der Milizen darin bestehe, sie vollständig aus Tripolis zu entfernen.
Er erklärte, dass der türkische Präsident Erdogan in Libyen sein eigenes Grab schaufeln werde, weil er weder mit dem Land noch den Menschen vertraut ist, mit denen er es dort zu tun habe. Tordschuman betonte: „Wenn international die Bereitschaft besteht, die Milizen aufzulösen und sie ohne Gewalt zu entwaffnen, sollen sie uns zeigen, wie dies funktioniert. Andernfalls werden wir gezwungen sein, Gewalt anzuwenden.“ Und weiter: „Wir werden Erdogan nicht erlauben, Libyen zu einem Krisenherd zu machen, um den Nachbarländern, insbesondere Ägypten, Probleme zu bereiten. Erdogan hat keine andere Lösung, als seine Söldner aus Tripolis abzuziehen, weil die libyschen Streitkräfte das Land vom Terrorismus befreien werden“.
https://almarsad.co/en/2020/02/22/torjuman-oil-fields-must-remain-closed-until-libya-is-liberated-from-erdogans-mercenaries/

LNA
+ Laut ihrem Sprecher al-Mismari will die LNA kein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen, bevor sich nicht die Söldner und das türkische Militär aus Libyen zurückgezogen haben.
+ Al-Mismari begrüßte die Ankündigung der EU, mit einer neuen Mission im Mittelmeer das Waffenembargo zu überwachen.
+ Die LNA sagte, sie werde alle auf dem Stammestreffen in Tarhuna getroffenen politischen Entscheidungen akzeptieren und sich den Beschlüssen der Stammesführer unterwerfen.
Allerdings werde es keinen Frieden geben, keinen Waffenstillstand, keine Verhandlungen mit Terrorgruppen oder mit türkischem Militär auf libyschen Boden.
+ Al-Mismari sagte auch, nach den letzten Statements von Erdogan habe man den Eindruck, er sei der Bürgermeister von Tripolis. Es könne mit den Invasoren (Türkei und syrische Söldner) kein Waffenstillstandsabkommen geben.
+ Am 19. Februar traf der Oberkommandierende der Libyschen Nationalarmee (LNA), Khalifa Haftar, zu Gesprächen mit dem russischen Verteidigungsminister Sergei Shoigu in Moskau ein. In einer Presseerklärung des Moskauer Verteidigungsministeriums hieß es, dass es keine Alternative zu einer politischen Lösung und zum Eintreten für Libyens „Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität“ gebe.

Erdöl
+ Der libysche Außenminister der Übergangsregierung (Tobruk), Abdelhadsch al-Houij (auch: Abdul Hadi al-Hweij) sagte, die Schließung der Erdölanlagen würde beendet werden, „wenn den Libyern die gerechte Verteilung ihrer Ressourcen garantiert wird“.
Laut Abdelhadsch al-Houij werden die Ölressourcen „von unserer Regierung und ihrer Armee geschützt“. „Wir bezahlen die Bewachung der Anlagen und schützen die Ausländer, die in den Ölanlagen arbeiten.“
Houij nahm an einer Konferenz über den Nahen Osten teil, die vom in Moskau ansässigen Think Tank Waldai-Klub veranstaltet wurde.
Die Libysche Zentralbank in Tripolis wird von der ‚Einheitsregierung‘ kontrolliert. Es wird ihr vorgeworfen, die syrischen Söldner und die türkischen Waffen zu finanzieren.
Die Erdölanlagen des ganzen Landes sind seit Wochen durch einen Beschluss der libyschen Stämme geschlossen.
+ Abdelhadsch al-Houij traf in Moskau auch mit dem Beauftragten für den Nahen Osten und stellvertretenden russischen Außenminister, Mikhail Bogdanow, zusammen. https://apnews.com/4947f4dc2cb346ca0f8d92cf1972af37

Militärische Lage
+ Die LNA erklärt, ihre Aufklärung habe die Ankunft von türkischen Waffen und Militärfahrzeugen im Hafen von Misrata beobachtet.
+ Wie Sputnik News meldete, wurden 16 türkische Militärs und mehr als hundert syrische Söldner bei Kämpfen in Tripolis getötet.
https://sputniknews.com/africa/202002231078386645-at-least-16-turkish-servicemen-die-in-clashes-in-libyas-tripoli—reports/
Der türkische Präsident Erdogan hat in einer Rede vor seinen Anhängern den Tod von türkischen Soldaten in Libyen bestätigt.
+ Die Libysche Nationalarmee (LNA) flog Angriffe in Westlibyen auf Ziele im Mellitah-Erdöl- und Gaskomplex, im Hafen, im Zuwara-Flughafengelände und am Grenzübergang nach Tunesien Ras Jedir.
+ Heftige Zusammenstöße mit schweren Waffen werden in Richtung al-Zayyana (südöstlich von Tripolis) gemeldet
+ Die LNA hat im südlich von Misrata gelegenen Wadi Zamzam Luftangriffe gegen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ geflogen.
+ Die LNA bestätigt, dass beim Beschuss der türkischen Fracht (Waffen und Militärausrüstung) im Hafen von Tripolis am 18. Februar ein türkischer Offizier, ein türkischer Geheimdienstler und ein syrischer Übersetzer ums Leben gekommen sind.

‚Einheitsregierung‘ in Tripolis
+ In ihrer Verzweiflung scheint die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis zu allem bereit. Ihr Innenminister Fathi Bashagha hat die USA aufgefordert, einen US-Militärstützpunkt in Libyen zu errichten, um den Einfluss Russlands in dieser Region zurückzudrängen. Dies dürfte die Libyer genauso auf die Palme bringen wie die Abmachung der ‚Einheitsregierung‘ mit der Türkei über eine Militärhilfe.
Bashagha scheint sich auf einen in diesem Monat veröffentlichten Bericht des leitenden Generalinspektors des Pentagon zu beziehen, in dem es heißt, dass die Aktivitäten Russlands in Libyen und Nordafrika „erhebliche Herausforderungen für die Vereinigten Staaten und ihre Partner“ darstellten und die militärischen Beziehungen zu den Ländern in der Region untergraben.
https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-02-22/libya-wants-the-u-s-to-set-up-a-military-base-to-counter-russia
+ Milizen in Tripolis griffen Beamte im Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ an und entführten sie, darunter Oberst Nadschi as-Zoubi, der die gegen Milizen erhobenen Anklagen wegen Verrats leitet.
+ Der Premier der ‚Einheitsregierung‘, Sarradsch, hat sich mit dem US-amerikanischen Botschafter in der Türkei (!), David Satterfield, in Istanbul getroffen. Die LNA wirft ihm diesbezüglich die vollständige Aufgabe jeglicher libyscher Souveränität vor.
+ Wie die New York Post aufdeckte, will der von der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis eingesetzte und umstrittene UN-Botschafter für Libyen in New York, Taher el-Sonni, eine Immobilie des libyschen Staates in New York vermieten. Das sogenannte Libyenhaus diente bisher als Residenz für libysche Gesandte bei UN-Besuchen in New York. El-Sonni dürfte nicht dazu berechtigt sein, eine Vermietung zu veranlassen. Ungeklärt ist auch, in welche Kasse die Mieteinnahmen fließen werden. Es wird vermutet, dass die Vermietung vor der libyschen Öffentlichkeit geheim gehalten werden sollte.
https://almarsad.co/en/2020/02/22/hassan-al-saghir-offering-libya-missions-property-in-new-york-for-rent-contravenes-libyan-law/
+ Am 20. Februar ist der Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Sarradsch, zu Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul eingetroffen.
+ Der türkische Präsident Erdogan hat von der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis gefordert, 1,5 Milliarden US-$ innerhalb einer Woche auf türkische Banken zu überweisen. Der Geldtransfer soll über libysche Bankkonten in Großbritannien, Frankreich und Italien abgewickelt werden.

USA
+ Der Vorsitzende des libyschen Institute for Advanced Studies (LIAS), Dr. Aref Ali Nayed, traf sich im Weißen Haus in Washington mit dem US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsteam, um die Ergebnisse des Stammestreffens in Tarhuna und die Anwesenheit syrischer Söldner in Libyen zu besprechen.
+ Der US-amerikanische Botschafter Richard Norland traf sich am 19. Februar mit dem Chef der NOC, Mustafa Sanella, in Tripolis. Gesprächsthema war auch die Schließung der Ölanlagen durch die libyschen Stämme. Norland habe noch einmal zur Wiederöffnung der Anlagen und zur Wiederaufnahme der Genfer-Gespräche aufgerufen.

UNO
+ Die politischen Gespräche zwischen den verschiedenen politischen Akteuren in Libyen sollen am 26. Februar in Genf fortgesetzt werden.
+ In Genf wurden die Gespräche über einen Waffenstillstand zwischen militärischen Vertretern der LNA und der ‚Einheitsregierung‘ wieder aufgenommen.
+ Die LNA teilte auf Twitter mit: Sollte der Genf-Dialog nicht zu Sicherheit und Frieden führen und sollten die Söldner nicht dahin zurückkehren, woher sie gekommen sind, dann werden die Streitkräfte ihre nationale und verfassungsmäßige Pflicht erfüllen und die Bürger ebenso wie die libysche Souveränität zu schützen wissen.

EU
+ Der Europarat forderte die italienische Regierung dazu auf, jede Unterstützung für die Küstenwache der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis einzustellen und die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten.
+ Der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des libyschen Parlaments, Youssef al-Agouri, begrüßte die europäische Entscheidung über die Überwachung des Schiffsverkehrs im östlichen Mittelmeer, um das Waffenembargo des UN-Sicherheitsrats durchzusetzen.

Russland
+ Der russische Außenminister Lawrow sagte, dass die außerlibyschen Akteure keine konkurrierenden Initiativen entwickeln, sondern die Maßnahmen untereinander abstimmen sollten, damit eine stabile libysche Regelung gefunden werden könne.

Algerien
+ Der algerische Präsident Abdelmadschid Tebboune sagte, er sei unvoreingenommen und stehe allen Parteien in Libyen gleich nahe.

Moslembrüder
+ Der Vorsitzende des Verteidigungs- und Nationalen Sicherheitskomitees des ehemaligen Nationalkongresses, Abdel Moneim El-Yossir, sieht große Gefahren für die libysche Jugend durch die Übernahme dschihadistischen Gedankenguts.
„Seit 2005 schafft es die Moslembruderschaft, im libyschen Staat Fuß zu fassen. Nachdem die geheime terroristische Moslembruderschaft in den 90er Jahren damit gescheitert war, das Regime zu stürzen, versuchte sie es mit Täuschung. Der Arabischen Frühling bot ihr die günstige Gelegenheit, arabische Regierungen zu stürzen. Dies war der erste Schritt, der Rest der Region sollte folgen.“ Und weiter: „Sie nutzten die Schwäche der nationalen politischen Kräfte und das fast vollständige Fehlen von entsprechenden Organisationen. Außerdem wurden die Sicherheits- und Militäreinrichtungen des Staates komplett zerstört. Die meisten Milizen wurden erst nach Beendigung der Kämpfe 2011 aufgebaut.“
https://almarsad.co/en/2020/02/21/yossir-muslim-brotherhood-delivered-extremist-ideology-to-libyan-youth/


Die Beschlüsse der großen Stämme

Libyen. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte trafen sich Stammesführer, Städtedelegierte und Frauenvertreterinnen aus ganz Libyen, um über die Zukunft Libyens zu entscheiden 


Ein mutiges Land steht auf gegen Kolonialismus und Imperialismus
Etwa dreitausend Stammesführer, Stadtdelegierte und Frauenvertreterinnen aus der Kyrenaika, dem Fessan und Tripolitanien kamen in der im Nordwesten Libyens gelegenen Stadt Tarhuna am 19. und 20. Februar 2020 zu einem nationalen Dialog zusammen. Beratschlagt wurde, wie die Hauptprobleme Libyens gelöst werden können. Ein wahrhaft historisches Ereignis.
Dr. Abd ar-Rahim al-Barki, Mitglied des Rates von Tarhuna, sagte in seiner Eröffnungsrede, dass alle Libyer ihre Differenzen vergessen und mit den Streitkräften gegen die türkische Kolonisation zusammenstehen müssten: „Wir müssen zu unseren Streitkräften stehen, nachdem die Libysche Zentralbank und die National Oil Corporation unser Vermögen und unseren Wohlstand an Erdogan und die ‚Einheitsregierung‘ aushändigten, um Drohnen und terroristische Söldner zu finanzieren. Das muss ein Ende haben.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1230466941476798464

In einer Stellungnahme des Stammesrates von Tarhuna heißt es, ab heute sei eine neue Seite der libyschen Geschichte aufgeschlagen. Es ginge nicht mehr um die September-Revolution (von Gaddafi) oder die Februar-‚Revolution‘ (gegen Gaddafi), sondern ausschließlich um den Widerstand gegen die türkischen Invasoren.
https://twitter.com/LiBya_73/status/1230203328467959808

Die Stammesführer und Stadtdelegierten, die das Rückgrat der libyschen Gesellschaft bilden, forderten unter anderem den Sturz der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, absolute soziale Gleichheit sowie die Fortsetzung der Schließung der Öl- und Gasanlagen. Sie versicherten der Libyschen Nationalarmee (LNA) ihre volle Unterstützung im Krieg gegen die Türkei und ihre terroristischen Söldner.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1230743465811574786/photo/1
Das Abschlussdokument des Großen Stammestreffens umfasst 16 Punkte:
  1. Libyen ist ein souveräner und unabhängiger Staat.
    2. Das politische Isolationsgesetzes muss aufgehoben werden.[1]
    2. Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden.
    3. Soziale Aussöhnung ist für das Land und die Aufrechterhaltung seiner Institutionen unabdingbar.
    4. Die Demokratie muss abgesichert werden.
    5. Ethnische und kulturelle Vielfalt gehören zur menschlichen Natur. Die historischen Beziehungen, die zwischen den libyschen Menschen bestehen, müssen auf der Grundlage vollkommener Gleichheit respektiert werden.
    6. Es muss sichergestellt sein, dass keine Resolutionen akzeptiert werden, die auf außerhalb Libyens geführten Dialogen beruhen, bis sie nicht in Libyen selbst diskutiert wurden.
    7. Die internationale Gemeinschaft muss die Anerkennung der ‚Einheitsregierung‘ zurücknehmen. Sie darf niemanden anerkennen, der keine Zustimmung durch das demokratisch gewählte Parlament (Repräsentantenhaus/HoR) als die legitime Vertretung Libyens und der Libyer hat.
    8. Die libyschen Stämme erklären ihre Unterstützung der Streitkräfte der LNA und die sie unterstützenden freiwilligen Streitkräfte. Gott erbarme sich aller Märtyrer. Wir erhoffen die rasche Genesung der Verwundeten. Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, das gegen die LNA verhängte Waffenembargo aufzuheben.
    9. Diese Erklärung stellt die offizielle nationale Erlaubnis für die Streitkräfte der LNA dar, die Kämpfe in Tripolis und in allen anderen Kampfgebieten schnell zu einem Ende zu bringen und ganz Libyen zu befreien.
    10. Es wird gefordert, Widerstand zu leisten gegen alle Formen einer Invasion von ausländischen Kräften, insbesondere gegen die türkischen.
    11. Es wird weder ein Dialog noch ein Waffenstillstand akzeptiert, es sei denn, alle Söldner und Terroristen verlassen das Land.
    12. Die libyschen Stämme halten es für notwendig, vor internationalen Gerichten Klage gegen jene Länder einzureichen, die sich an der Verschärfung des Libyenkrieges beteiligten, dazu zählen vor allem die Türkei und Katar.
    13. Es wird betont, dass die Schließung der Ölanlagen aufrechterhalten wird, bis die Libyer eine einheitliche Regierung gebildet haben und die ‚Einheitsregierung‘ abgesetzt ist.
    14. Es besteht die Notwendigkeit, alle Führungskräfte der libyschen Institutionen auszuwechseln und sie schnellstmöglich aus der Hauptstadt zu entfernen. Begonnen werden muss bei der Libyschen Zentralbank (Central Bank of Libya / CBL), der Auslandsinvestitionsgesellschaft (Foreign Investment Corporation) und der Nationalen Ölgesellschaft (National Oil Corporation / NOC)
    15. Es müssen dringend Maßnahmen gegen die von der ‘Einheitsregierung’ ernannten Botschafter getroffenen werden, insbesondere gegen den Sarradsch-Vertreter bei den Vereinten Nationen, da dieser an der Vermittlung von Söldnern beteiligt ist.
    16. Die libyschen Stämme haben heute beschlossen, einen Rat aus Delegierten und Stammesführern zu bilden, der alle für Libyen repräsentativen Gesellschaftsteile berücksichtigt und für die Wahrung des sozialen Friedens und die Schaffung einer umfassenden nationalen Interessenvertretung des Volkes verantwortlich ist.
    https://twitter.com/LNA2019M/status/1230506424167518208
Die Ölanlagen bleiben geschlossen

Der Vertreter des Obersten Rates der Erdöllbeckenregion, Salah Bumatary, sagte auf Independent Arabia, die Ziele, die durch die Schließung der Ölanlagen erreicht werden sollen, würden vom libyschen Volk als patriotischer Akt unterstützt. Er wies darauf hin, dass die Stammesräte zwar die LNA unterstützten, die Entscheidung zur Schließung der Ölanlagen von den libyschen Stämmen aber eigenständig und von der LNA unabhängig getroffen worden sei. Die Volksbewegung werde bald Stammesführer als Ansprechpartner für internationale Organisationen benennen.
Mit der Schließung der Ölanlagen sollen die staatlichen Institutionen von einer korrupten Lobby und von ‚Kreditbanden‘ befreit werden, die Milizen und terroristische Gruppen finanzieren. Die Verteilung der Erdöleinnahmen dürfe nicht allein der Regierung vorbehalten sein, da sich dies negativ ausgewirkt habe.
Es sei zu befürchten, dass die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis versuchen werde, Druck auf die libyschen Stämme auszuüben, indem sie die Kochgasvorräte verknappe und die Zeiten von Stromausfällen verlängere unter dem Vorwand, das nicht genügend Gas zur Verfügung stünde. Verknappt könnte auch das Bargeld der Banken werden.
https://almarsad.co/en/2020/02/19/oil-basin-region-supreme-council-closing-oil-fields-and-ports-decision-is-popular-and-patriotic/

Und zum Schluss
Dutzende Kamele sind in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar durch die libysche Hauptstadt Tripolis gezogen. Ein Gruß aus Tarhuna?
https://twitter.com/LibyaReview/status/1230265502913695744
https://twitter.com/LibyaReview/status/1230263061761679361/photo/1
[1] Es besagt, dass alle ehemals mit der Dschamahirija-Regierung in Verbindung stehenden oder für sie arbeitenden Personen (auch Personal der Ämter und Verwaltungen) keine Stellen in Libyen besetzen dürfen. Dieses Gesetz hat maßgeblich zum Zusammenbruch des libyschen Staates beigetragen.



Das Rote Kastell in Tripolis

Libyen. Oder wie ein Wahrzeichen der Stadt von den Moslembrüdern fälschlich vereinnahmt wird. 


Libyer und insbesondere die Bewohner der Hauptstadt Tripolis sind empört über die Geschichtsklitterung des radikalen Islamisten Egwillah, der innerhalb einer Dokumentation über das Rote Kastell und Bab al-Azizia fälschlich behauptete, das Rote Kastell in Tripolis sei von Osmanen erbaut worden.
Egwilla, der Mitglied der Muslimbruderschaft und des Fatwa-Rates in Tripolis ist, verschwieg nicht nur die Rolle der Nato-Bombardements bei der Zerstörung von Bab al-Azizia, das Muammar al-Gaddafi bis 2011 als Hauptquartier diente, sondern stellte auch die weit zurückreichende Geschichte des Kastells vollkommen falsch dar.
Der türkische und für seine Kartographie berühmte Seefahrer Piri Reis besuchte Tripolis in den Jahren 1525 und 1526. Er fertigte eine Karte des Roten Kastells mit all seinen Mauern und Türmen an, das damals Westliches Tripolis-Kastell hieß. Doch diese Reise Piris erfolgte ganze 26 Jahre vor der Eroberung Tripolis‘ durch die Osmanen.

Die Geschichte des Roten Kastells
 
Das Rote Kastell thront seit Jahrhunderten als Wahrzeichen von Tripolis über der Altstadt und dem Hafen. Es diente sowohl der Landesverteidigung als auch der Verteidigung zu Wasser. In jeder Geschichtsperiode wurde das Kastell, das heute in etwa eine Fläche von 1.300 qm umfasst, von den jeweiligen Herrschern um- und ausgebaut.
Das Kastell wurde im 11. und 12. Jahrhundert auf einer römischen Ruine erbaut, von der noch Marmorsäulen und Bögen aus dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. erhalten blieben. In byzantinischer Zeit war Tripolis durch eine mächtige Umfassungsmauer geschützt, so dass die Stadt im Jahre 642 von arabischen Stämmen unter Führung von Amr bin al-Aas erst nach einmonatiger Belagerung eingenommen werden konnte. Die Stadtbefestigung mit dem Kastell wurde von den Arabern weiter ausgebaut. So stehen heute noch an der Westseite des Kastells Türme aus dieser Zeit und auch einige Mauern blieben erhalten.
Nachdem am 25. Juli 1510 die Spanier Tripolis eroberten hatten, erfolgte ein weiterer Ausbau der Befestigungsanlagen. 1530 verkaufte Kaiser Karl V. die Stadt Tripolis zusammen mit den Inseln Malta und Gozzo an den Malteserorden (später auch Johanniterorden). Der größte Teil der heute noch erhaltenen Außenanlagen stammen aus der Zeit der spanischen Herrschaft und der Zeit der Malteser.

In dieser Zeit, nämlich 1525, entstand auch die Piri-Reis-Karte, die – obwohl die Osmanen die Stadt erst 1551 eroberten – die Befestigungsanlagen mit Burg und Wachtturm und mit wehender osmanischer Flagge zeigt. Hier äußerte sich der Wunsch Piris nach einer baldigen Eroberung von Tripolis durch den damaligen osmanischen Herrscher Suleiman al-Qanuni.
Die Spanier hatten den Südwestturm und den Südostturm des Kastells erbaut, um dort ihre Kanonen aufzustellen. Die Malteser fügten den Turm der heiligen Barbara in der nordöstlichen Ecke hinzu. Karten aus dem 17. Jahrhundert zeigen, dass ein Wassergraben das Kastell umgab, dessen Eingang sich an der südlichen Umfassungsmauer befand. Schon die Spanier hatten dem Kastell einen roten Anstrich verpasst, auf dem sich sein Name bezog.

Die Osmanen eroberten 1551 die Stadt Tripolis. In der Folgezeit bezogen die osmanischen Herrscher im Kastell Wohnung und wandelten die Kirche innerhalb des Kastells in eine Moschee um. Nachdem Pascha Ahmed Karamanli 1711 Herrscher des Landes geworden war, wurden insbesondere die Befestigungsanlagen ausgebaut. Als Empfangsraum für ausländische Gäste diente ein großer Saal innerhalb der Zitadelle. Aus der Osmanischen Zeit stammen auch eine Münzprägeanstalt, ein Gerichtshof, eine Apotheke, ein Gefängnis, Mühlen und einige Läden.

Während der italienischen Besatzung ab 1911 wurde das Kastell zum Hauptsitz der italienischen Machthaber. Während einige Räumlichkeiten als Museum genutzt wurde, nahmen die Italiener etliche bauliche Veränderungen in den Außenbereichen vor; so entstand eine neue Verbindungsstraße zum Hafen. Im Jahre 1920 wurden alle Nebengebäude des Kastells abgerissen und das gesamte Kastell in ein Museum umgewandelt, das 1930 vom faschistischen Generalgouverneur Italo Balbo eröffnet wurde. Balbo zeigte sich von dem alten Kastell so fasziniert, dass er seine Amtsräume hinein verlegte. Extra aus Altstadthäusern herbeigeschafft, fanden Brunnen aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Schlosshof Aufstellung.
Seit 1952 ist das Kastell auch der Hauptsitz der Altertümerverwaltung und während der Gaddafi-Zeit kam das Museum der Massen hinzu. Auf den vier Etagen eines der modernsten Museen des afrikanischen Kontinents wird anhand ausgewählter Exponate die Geschichte Libyens dargestellt.

Die Libyer sind stolz auf ihr Rotes Kastell, das ihre Geschichte widerspiegelt. Die falsche Zuschreibung der Erbauung durch die Ottomanen, wie dies durch den Islamisten Abdul Baset Egwillah geschah, hat sie erzürnt.
Es kann nur gehofft werden, dass Tripolis bald auch wieder Touristen gefahrfrei offensteht, damit sie in den Kunstgenuss dieses außergewöhnlichen Museums gelangen.
Mit Fotos:
https://almarsad.co/en/2020/02/19/islamist-radical-egwillah-attributes-the-red-castle-to-the-ottomans-what-does-history-say/

Donnerstag, 27. Februar 2020

As-Sonni als Botschafter bei UNO unhaltbar

Libyen. Die Ernennung des neuen libyschen Vertreters bei den Vereinten Nationen verstößt gegen libysches Recht. Sonni verstrickte sich auch in unhaltbare Widersprüche. 



Nachdem UN-Generalsekretär Antonio Guterres der Ernennung von Taher es-Sonni zum libyschen UN-Botschafter zugestimmt hatte, lehnte am 7. Januar der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des libyschen Parlaments die Ernennung von Sonni zum libyschen Botschafter ab und forderte Guterres stattdessen auf, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Laut der libyschen Gesetzgebung bedarf die Entsendung des UN-Botschafters der Zustimmung des Parlaments. Selbst das Skhirat-Abkommen sieht die Zustimmung des Parlaments vor und nicht die des Präsidialrats. Als Grund für die Ablehnung Sonnis durch den parlamentarischen Ausschuss wurden dessen Inkompetenz und mangelnde Erfahrung für den sensiblen Posten angegeben. Wie richtig die Einschätzung der Parlamentarier war, zeigen die jüngsten Vorkommnisse.
Sonni sollte auf Wunsch des Premiers der ‚Einheitsregierung‘, Fajez as-Sarradsch, Mahdi al-Mudschrabi als Botschafter bei der UNO nachfolgen. Schon die Wahl Sonnis brachte Sarradsch wegen der engen Verbindungen, die zwischen beiden bestehen, den Vorwurf des Nepotismus ein.
Sonni stand seit 2016 Sarradsch ebenso wie dem libyschen Parlament als Berater zur Seite. Dokumente belegen, dass Sonni während seiner Zeit als Sarradsch-Berater ein doppeltes Gehalt bezog: einmal von der ‚Einheitsregierung‘ für seinen Beraterposten und einmal von der libyschen Mission bei der Arabischen Liga (Kairo).
Der ehemalige libysche Diplomat bei der UN, Ibrahim al-Dabbashi, meinte spöttisch in Bezug auf Sonni, dieser werde wohl als Botschafter zu der schwierigen Entscheidung gezwungen werden, ob er sich mit seinem US-amerikanischen Pass an die Anweisungen von Trump oder an jene des türkischen Präsidenten Erdogan via Sarradsch halten solle.
In die Kritik geriet Sonni kürzlich, als die New York Post aufdeckte, dass Sonni eine Immobilie des libyschen Staates in New York vermieten möchte. Das sogenannte Libyenhaus diente bisher als Residenz für libysche Gesandte bei UN-Besuchen in New York. Sonni dürfte nicht dazu berechtigt gewesen sein, eine Vermietung zu veranlassen. Ungeklärt ist auch, in welche Kasse die Mieteinnahmen fließen sollten. Es wird vermutet, dass die Vermietung vor der libyschen Öffentlichkeit geheim gehalten werden sollte.
Doch nun sorgt Sonni erneut für Schlagzeilen. Während eines Interviews mit BBC-Arabic erklärte er auf die Frage, warum die ‚Einheitsregierung‘ keine Armee und keine Sicherheitskräfte habe, es gebe gar keine Milizen, die für die ‚Einheitsregierung‘ kämpfen. Anstatt ehemals vierzig Milizen seien es jetzt nur noch wenige Gruppen, etwa vier, die alle mit staatlichen Institutionen zusammenarbeiteten. Damit widersprach Sonni den Ausführungen des Innenministers der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, der über die Spannungen gesprochen hatte, für die Milizen in Tripolis wegen ihrer Plünderungen und Morde verantwortlich seien.
Damit nicht genug, bestritt Sonni auch die Anwesenheit syrischer Kämpfer und dschihadistischer Extremisten in Libyen, die von der Türkei ins Land gebracht wurden, um die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ zu unterstützen. Dabei hatte Erdogan selbst deren Anwesenheit zugegeben. Auch Sarradsch hatte deren Anwesenheit bestätigt, ebenso wie ein Kommandeur der Nawasi-Miliz, Ali ar-Ramli, der darüber hinaus den Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Bashagha, beschuldigte, diese Kämpfer nach Libyen gebracht zu haben.
Sonni widersprach mit seinen Ausführungen sogar dem UN-Sondergesandten, der ebenfalls in einem Fernsehinterview erklärt hatte, dass sich in Tripolis syrische Terroristen, darunter eventuell auch IS-Mitglieder, aufhalten.
Sonni beweist mit seinen unqualifizierten Aussagen eindrücklich, dass er nicht in der Lage ist, das ihm überantwortete diplomatische Amt, das höchstes Fingerspitzengefühl erfordert, auszufüllen. Sonni wurde vorher schon für das Scheitern des Präsidialrats in Tripolis verantwortlich gemacht. Seine Abberufung ist das Gebot der Stunde.
Daneben deckt Sonni auch die tiefen Risse auf, die sich innerhalb der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis gebildet haben. Das Hauen und Stechen innerhalb der ‚Einheitsregierung‘ aufgrund der völlig unhaltbaren Lage in Tripolis dürfte sich noch verstärken.
Erstaunlich auch, wie sich sowohl die Vereinten Nationen als auch die internationale Gemeinschaft über libysche Rechtsordnung und Beschlüsse des demokratisch gewählten Parlaments hinwegsetzen.

https://almarsad.co/en/2020/01/09/hor-foreign-affairs-committee-el-sonni-accreditation-as-libyas-delegate-to-the-un-is-a-violation-of-libyan-legislation/
https://almarsad.co/en/2020/02/24/el-sonni-claims-all-factions-existing-in-tripoli-are-professional-and-integrated-into-the-interior-ministry/
+ https://almarsad.co/en/2020/02/22/hassan-al-saghir-offering-libya-missions-property-in-new-york-for-rent-contravenes-libyan-law/


Montag, 24. Februar 2020



Kurznachrichten aus Libyen – 17.02.2020

Libyen. EU – Münchner Sicherheitskonferenz – Militärische Lage – Tunesien –Diplomatie – Terrorismus – Migranten 


Viele Libyer gedenken heute des 17. Februars 2011, an dem das Martyrium des libyschen Volkes in Bengasi seinen Anfang nahm.

Europäische Union
+ „Die Europäische Union will das Waffenembargo gegen Libyen künftig mit einer neuen Marinemission überwachen. Es habe eine Grundsatzentscheidung für einen neuen EU-Einsatz gegeben, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas am Montag in Brüssel.“
https://deutsch.rt.com/europa/98118-auf-zum-naechsten-militaereinsatz-eu-will-waffenembargo-gegenlibyen-mitmarinemission-ueberwachen
„Um das seit Jahren wirkungslose Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen, will die EU die Mission "Sophia" wiederbeleben und neu ausrichten: Satelliten, Aufklärungsdrohnen und Seeaufklärungsflugzeuge sollen künftig verhindern, dass sich die libyschen Konfliktparteien mit Waffen versorgen - aus der Türkei, aus Ägypten oder den Arabischen Emiraten. […]
der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell pocht darauf: Keine Marinemission ohne Schiffe. >Es muss auf jeden Fall auch um Schiffe gehen. Man kann über das genaue Einsatzgebiet nachdenken. Aber wenn Sie im Rahmen von 'Sophia' im Mittelmeer Waffenschmuggel verhindern wollen, brauchen Sie einen Einsatz auf See<.“
Die Mittelmeereinsätze stießen zunächst vor allem in Ungarn, Italien und Österreich auf heftige Ablehnung. Es wird befürchtet, dass die Schiffe Migranten aufnehmen und nach Europa bringen.
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-libyen-sophia-101.html

Libysche Stämme
Obwohl die Schließung aller Ölanlagen beträchtliche Sorgen bei den davon betroffenen Ölkonzernen wie Wintershall, ENI und auch OMV hervorrufen dürfte, wird darüber geschwiegen. Es wird ein Treffen mit den libyschen Stammesführern vermieden, um die Stämme unter keinen Umständen als Machtfaktoren in Libyen anzuerkennen, denn die über hundert Stämme und ihre Untergruppierungen sind von außerhalb nicht zu kontrollieren. Den ausländischen Mächten ist sogar die Kontrolle der beiden im Moment in Libyen vorhandenen Regierungen entglitten.
https://www.freitag.de/autoren/gela/die-eu-hats-kapiert-ohne-staemme-geht-nichts

Münchner Sicherheitskonferenz
+ „Vier Wochen nach dem Berliner Libyen-Gipfel fällt das Fazit niederschmetternd aus: "Das Waffenembargo ist zu einem Witz geworden", sagte die stellvertretende UN-Sondergesandte für Libyen, Stephanie Williams. Immer noch kämen per Flugzeug und Schiff und auf dem Landweg massenhaft Waffen nach Libyen.
Auch Außenminister Heiko Maas, Gastgeber der Gespräche heute hier in München, musste zugeben: Das Waffenembargo funktioniert nicht. […]

EU-Truppen nach Libyen? Illusorisch
Doch kann es klappen, dass die EU eines Tages Luft-, Land- und Seewege nach Libyen komplett überwacht? Sicherheitsexperte Markus Kaim glaubt nicht daran: >Das ist theoretisch vorstellbar, aber würde einen gewaltigen militärischen Aufwand nach sich ziehen.< So müssten Truppen dafür gestellt werden in einem unbefriedeten Umfeld. >Dazu ist kein EU-Staat bereit. Und vor dem Hintergrund halte ich das für illusorisch<.
https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-folgekonferenz-siko-101.html
Man kann nur hoffen, dass sich Deutschland nicht darauf einlässt, militärisch in Libyen zu intervenieren, auch und gerade mit sogenannten ‚Friedenseinsätzen‘. In Libyen herrscht kein Friede. Deutschland hat diesen Krieg nicht begonnen, sondern sich 2011 lobenswerter Weise enthalten. Es waren vor allem die USA, Frankreich und Großbritannien, die 2011 Libyen ins Verderben stürzten. Angesichts der komplizierten libyschen Verhältnisse würde Deutschland genauso dumm aussehen, wie es Martin Kobler in seiner Zeit als UN-Sondergesandter für Libyen tat. Es wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.

+ Anderwelt schreibt: „Jetzt sind es wieder Sozialdemokraten, die auf der Münchner Siko fordern, Deutschland solle sich endgültig von der Friedenspflicht des Grundgesetzes verabschieden. […] Nach dem Sündenfall Jugoslawien ist es zur Routine geworden, deutsche Soldaten in alle Welt zu entsenden und die Meinungsmedien schweigen dazu. Auch jetzt erfolgt kein Aufschrei, wenn Maas und Steinmeier auf der Siko fordern, Deutschland müsse sich >mehr engagieren und Verantwortung übernehmen<. Diplomatisch und militärisch und deswegen natürlich mehr Geld für Militär ausgeben. Explizit wurde dazu sogar die Sahelzone genannt. Man betrachte dazu einen Globus und versuche zu erkennen, inwieweit es die Verteidigung Deutschlands erfordern könnte, dort militärische Aktionen durchzuführen. […] Ist es Demokratie, wenn SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP andauernd gegen das Grundgesetz verstoßen, indem sie Auslandseinsätze der Bundeswehr befürworten? […] Full Spectrum Dominance ist das erklärte Ziel der USA und auf Deutsch heißt das Weltherrschaft. Jeder, der sich diesem Ziel nicht bedingungslos unterwerfen will, gehört zu den „Schurkenstaaten“ und wird zum Feind erklärt, der wie Russland „eingehegt“ werden muss oder wenn er wehrlos ist, gleich zerstört wird. “
https://www.anderweltonline.com/index.php?id=1154


+ Der Außenminister der VAE, Anwar Gargash, der am Ministertreffen in München teilnahm, sagte, dass die arabischen Länder bei den internationalen Bemühungen zur Lösung der Libyenkrise eine wichtige Rolle spielten. „Wir arbeiten mit Freunden und Partnern zusammen, um eine politische Lösung zu finden, die sich mit der Bedrohung durch Extremismus und Terrorismus befasst.“
+ Der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry nahm ebenfalls am Ministertreffen teil. Er betonte die Wichtigkeit der Wiederherstellung legitimer libyscher Institutionen und eine Neuaufstellung des Präsidialrats, der alle libyschen Gruppierungen miteinbeziehe.
+ Das nächste Nachfolgetreffen der Libyenkonferenz soll laut dem deutschen Außenminister Heiko Maas im März in Rom stattfinden.

Militärische Lage
+ Die LNA verlegte Truppen nach al-Ajaylat in Westlibyen und nach Sabrata
+ Laut dem Kreml gibt es in Libyen keine russischen Truppen. Putin habe diesbezüglich keine Befehle erteilt.
+ Die LNA behauptet, dass laut Geheimdienstberichten verschiedener Länder die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis plane, mit Hilfe der Türkei den Oberkommandierenden der Libyschen Nationalarmee Khalifa Haftar und andere hochrangige Offiziere der LNA zu ermorden.
Erst vor wenigen Tagen hatte der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, in einem Interview mit dem britischen Telegraph gesagt: „Niemand kann den Krieg gewinnen. Wir haben nur zu warten, bis der Oberkommandierende Haftar tot ist.“
+ Der stellvertretende Vorsitzende der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Ahmed Omar Maiteq, verteidigt die Entscheidung, die Hilfe von syrischen Söldnern angenommen zu haben, auch wenn diese im Verdacht stehen, Verbindungen zu al-Kaida und dem IS zu haben. Er sagte in der Washington Times, es sei keine andere Wahl geblieben, da die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis von den USA ignoriert werde. Die syrischen Kämpfer würden verhindern, dass die ‚Einheitsregierung‘ von der LNA gestürzt wird.
Es sollen inzwischen bis zu 4000 syrische Söldner in Libyen kämpfen, etliche davon sind Mitglieder extremistischer Gruppierungen. Einige haben sich schon auf den Weg über das Mittelmeer nach Europa gemacht.

Tunesien
+ Vier türkische Kriegsschiffe sind im tunesischen Hafen La Goulette bei Tunis eingelaufen. Erst Ende Dezember hatte der türkische Präsident Erdogan Tunesien besucht und um Unterstützung für seine Intervention in Libyen gebeten. Der neue tunesische Präsident Kais Saeed hatte abgelehnt.

Diplomatie
+ Während eines Telefongesprächs warnte US-Präsident Donald Trump seinen türkischen Amtskollegen Erdogan, dass eine Fortsetzung der Intervention in Libyen die Situation nur weiter verschärfen werde.
+ Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hat die Türkei aufgefordert, sich an die Beschlüsse der Berliner Libyen-Konferenz zu halten, in denen dazu aufgefordert wird, sich nicht in den Krieg in Libyen einzumischen und das gegen Libyen verhängte UN-Waffenembargo der Vereinten Nationen einzuhalten.

Terrorismus
+ Die LNA listet einige der auf den Angriff der US-amerikanischen Botschaft in Bengasi Verantwortlichen mit Fotos auf. Viele seien von der LNA getötet worden, andere kämpften an der Seite der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und wieder andere hätten nun ihren Wohnsitz in Istanbul.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1228919073284788225

Migranten
+ In dem Artikel „Drohnen für Frontex“ in LeMondeDipolomatique vom Februar 2020 wird beschrieben, wie die EU die Grenzüberwachung auch vor der libyschen Küste ausbaut. Die neuen Frontex-Drohnen sollen an der Küste vor Libyen, Ägypten und Tunesien aufklären. Die so gesammelten Daten können auch den nordafrikanischen Staaten zur Verfügung gestellt werden. Schon jetzt werden an die sogenannte Küstenwache Daten von Flüchtlingsbooten übermittelt. „Mit EU-Finanzierung errichtet Italien seit zwei Jahren eine solche Leitstelle in Tripolis.“ Es gibt auch die Kooperation der EU-Militärmission Eunavfor Med Sophia mit der libyschen Küstenwache. Als erster Drittstaat ist ausgerechnet Libyen über das Netzwerk Seepferdchen Mittelmeer an Systeme zur Überwachung des Mittelmeers angeschlossen. Dies führt zu „völkerrechtswidrigen Zurückweisungen (Pushbacks)“, da Menschen „nicht in Staaten zurückgebracht werden dürfen, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.“ Um diesen Vorwurf zu entgehen, übergibt die Küstenwache die Migranten an die Milizen der sogenannten ‚Einheitsregierung‘ (Pullbacks) und bringt sie nicht selber zurück. Doch dies ist genauso ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil diese Menschen „gewaltsam an den Ort zurückgebracht werden, von dem sie geflohen sind“. Deshalb wurde vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Klage gegen die Verantwortlichen in der EU eingereicht.

Donnerstag, 20. Februar 2020



9 Jahre Verheerung: Was 2011 wirklich geschah

Libyen/Krieg. Im Februar 2011 begann der Krieg gegen Libyen – kein Grund zum Feiern. 

In Bengasi kam es am 15. Februar 2011 zu ersten Anti-Gaddafi-Protesten von wenigen hundert Personen. Es erfolgte ein von im Ausland lebenden Libyern initiierter Aufruf zum ‚Tag des Zorns‘ am 17. Februar 2011. Ihm folgten in einigen Städten mehrere Tausende Demonstranten. Bereits fünf Jahre vorher war es in Bengasi am 17. Februar bei Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen zu Gewalttätigkeiten gekommen, als von Islamisten das italienische Konsulat in Brand gesteckt wurde. Bei den damaligen Unruhen waren zehn Personen ums Leben gekommen. Es war also klar, aus welcher Richtung auch 2011 die Proteste kamen.
Die Demonstrationen schlugen 2011 umgehend in Gewalttätigkeiten um. Die FAZ berichtete am 18. Februar 2011 von 200 Demonstranten in Bengasi, die des Nachts Brandsätze gelegt, Steine geworfen und den Rücktritt der Regierung gefordert hatten. Von den 14 Verletzten seien zehn Angehörige der Sicherheitskräfte gewesen. Am 21. Februar schrieb die Presseagentur AFP, bewaffnete Islamisten hätten in Derna, das schon immer eine Hochburg der Dschihadisten gewesen war, den Hafen und ein nahe gelegenes Armeedepot gestürmt, Soldaten und Zivilisten als Geiseln genommen und zu erschießen gedroht, falls sich die libysche Armee nicht aus der Stadt zurückziehe. Und die britische BBC zitierte Bauarbeiter aus der Türkei, die berichteten, wie achtzig Mitarbeiter ihrer Firma aus dem Tschad mit Äxten von ‚Aufständischen‘ niedergemetzelt wurden. Man beschuldigte sie, Söldner Gaddafis zu sein. Nicht berichtet wurde, dass bereits am 15. Februar in Zinten und al-Baida Polizeistationen brannten und Polizisten nach späteren Aussagen von Ärzten mit schweren Brandwunden in die Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. Zwei Polizisten wurden in Bengasi gelyncht. Mit dieser brachialen Vorgehensweise gelang es den extremistischen Islamisten, Bengasi schon nach fünf Tagen unter ihre Gewalt zu bekommen.[1]

Diese gezielten Aktionen von agents provocateurs, die in Demonstrationen schossen, Polizisten ermordeten, Polizeireviere in Flammen aufgehen ließen, forderten die Staatsmacht heraus, die eingreifen musste. Daniele Ganser bemerkt, dass „in allen drei NATO-Kriegen [Libyen, Syrien und Ukraine] auf verdeckte Kriegsführung gesetzt wurde… es waren Geheimoperationen, welche die Situation eskalieren ließen, während die Drahtzieher im Hintergrund blieben. Für den UNO-Sicherheitsrat und die Bevölkerung in den NATO-Ländern sind solche Konflikte schwer zu durchschauen, da die an der verdeckten Kriegsführung beteiligten Länder jegliche Kontakte zum Kriegsschauplatz leugnen und ihre Spuren verwischen.“[2]
In dieser Lage ging das libysche Militär mit Maschinenpistolen gegen die ‚Aufständischen‘ vor. Auch wenn es unter den Aufständen jetzt Todesopfer gab, bestätigten weder die UNO, noch das Pentagon oder westliche Botschaften, dass Gaddafi – wie von der westlichen Presse behauptet – friedliche Demonstranten aus der Luft angreife. Auch der Bundesregierung lagen keine Beweise für eine Bombardierung vor.
Laut den westlichen Medien schoss in Bengasi die libysche Polizei in die Menschenmenge. Es folgte die Verbreitung der Nachricht, dass die libysche Staatsmacht auf alles schieße, was sich bewegt, um den Aufruhr, der das ganze Land erfasst habe, niederzuschlagen.

Während des sogenannten ‚Arabischen Frühlings‘ hatten der amerikanische Geheimdienst CIA und der britische Geheimdienst MI6 Aufständischengrupen unterstützen und gezielt Spannungen zwischen den verfeindeten Gruppen geschürt. Die Vorgänge in Libyen waren vom Ausland gesteuert, laut Jürgen Todenhöfer gelangten Waffen und Geld ins Land, „Hauptsponsor war […] in Libyen das kleine Katar.“[3]
Muammar al-Gaddafi hielt eine emotionale Rede, in der er sagte, „es sind nur sehr wenige“, „es sind ein paar Terroristen“. Er verwies auf al-Kaida-Führer und bezeichnete diese als „Ratten“. In den westlichen Medien wurden Aussagen Gaddafis nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern er wurde auch falsch zitiert. Seine Aussage, er werde „Libyen Stück für Stück, Haus für Haus, Wohnung für Wohnung, Gasse für Gasse“ von diesen ‚Rebellen‘ säubern, wurde in einem geschmacklos abgemischten Video eines israelischen Reporters weltweit verbreitet und der britische Außenminister William Hague behauptete, Gaddafi hätte damit gedroht, „von Haus zu Haus, von Zimmer zu Zimmer zu gehen und sich an der Bevölkerung von Bengasi zu rächen“. „Viele Leute werden sterben.“[4]

Gaddafi hatte zwar den gewalttätigen ‚Rebellen‘ massiv gedroht, frei erfunden war jedoch die Behauptung, seine Drohungen hätten sich gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Richard Falk meinte, der „Grad der Unterdrückung“ in Libyen sei nicht „durchdringender und schwerer“ als in anderen autoritär regierten Staaten gewesen.[5]

Muammar al-Gaddafis Sohn, Saif al-Gaddafi, beschreibt die damaligen Vorgänge Jahre später[6]: „Die Agonie Libyens begann am 15. Februar 2011 mit den üblichen Protesten und Demonstrationen für die im Abu-Salem-Gefängnis Inhaftierten. Die Demonstrationen wurden schon bald von Mitgliedern dschihadistischer Gruppen wie der Libyan Islamic Fighting Group LIFG gekapert. Sie griffen Polizeistationen und Armeeunterkünfte in Derna, Bengasi, Misrata und al-Zawaj an, um Waffen für den geplanten Krieg gegen das libysche Volk und seine rechtmäßige Regierung zu erbeuten.
Gleichzeitig wurde eine Propagandamaschinerie in Gang gesetzt. Daran beteiligt waren Al-Jazeera, Al-Arabia, BBC, France 24 und andere Sender, die das libysche Volk aufforderten, sich gegen die Staatspolizei zu stellen, als diese versuchte, Regierungsgebäude und Volkseigentum vor Angriffen und Plünderungen zu schützen.

Auf Straßen, Brücken und in den Gebäuden der Sicherheitskräfte spielten sich entsetzliche Szenen ab, in deren Verlauf die Demonstranten unvorstellbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen. Sicherheitskräften, Militärpersonal und Polizisten wurden die Kehlen durchschnitten, es wurde ihnen das Herz herausgerissen und ihre Körper zerstückelt. Es war eine Show von tierischer Brutalität.
Nur ein Beispiel: Am 16. Februar 2011, dem ersten Tag der Unruhen, haben die sogenannten friedlichen Demonstranten einen Mann namens Musa al-Ahdab ermordet und verbrannt. Am selben Tag wurde in Bengasi ein Polizeioffizier ermordet und seine Extremitäten in Stücke geschnitten.
Solche barbarischen Handlungen wurden von den bewaffneten Demonstranten ausgeführt, genauso wie sie Panzer, Maschinengewehre und Flags in den Städten Misrata, Bengasi und al-Azawija einsetzten. Diese Handlungen und weitere solche Szenen sind gut dokumentiert und können auf youtube und anderen sozialen Medien angesehen werden.
Die tatsächlichen Opferzahlen standen im Gegensatz zu dem, was von den voreingenommenen Medien berichtet wurde. […] Die behauptete hohe Anzahl von Opfern blieb eine rein statistische Zahl, ohne Bekanntgabe der Namen oder Identitäten, ebenso wenig wie Wiedergutmachung von den Regierungen gefordert wurde.
Die Propagandakampagne und die Lügen, die mit Verunglimpfungen des Militärs einhergingen, betrafen nicht nur die erhöhten Opferzahlen, sondern man behauptete auch, das Regime benutze Militärflugzeuge, um Zivilisten anzugreifen. Es wurde von Vergewaltigungen durch Armeeangehörige und Sicherheitskräfte berichtet. Es hieß, in den Panzern sei Viagra gefunden worden,[7] auch sollten afrikanische und algerische Söldner in der libyschen Armee kämpfen und Piloten sich nach Malta abgesetzt haben. Bis heute konnte für keine einzige dieser Behauptungen ein Beweis gefunden werden. Die Vereinten Nationen, Amnesty International, Human Rights Watch sowie Untersuchungen des Westens konnten keinen einzigen der insgesamt 8.000 Fälle bestätigen, die von den libyschen Oppositionellen gemeldet worden waren.

So wie heute immer noch stellten sich die damaligen Vorgänge in den internationalen Medien völlig anders dar als vor Ort in Libyen. Thierry Meyssan schreibt: „Im Gegensatz zu den Informationen aus Bengasi und von den Vereinten Nationen versicherten die in Tripolis anwesenden Diplomaten und Journalisten, dass dort nichts auf eine Revolution hindeutete.“ Meyssan weist noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass die Grundlagen für das Grüne Buch von Muammar al-Gaddafi, das die theoretische Grundlage der Regierungsform einer libyschen Dschamahirija bildete, maßgeblich durch die Lektüre der französischen freiheitlichen Sozialisten des 19. Jahrhunderts beeinflusst worden war. Charles Fourier und Pierre-Joseph Proudhon hätten Gaddafis Denken geprägt.
Selbst die Washington Post musste widerstrebend eingestehen: „Viele Libyer scheinen Gaddafi zu unterstützen.“ Und: „Aber nach sechs Tagen alliierter Bombenangriffe auf libysche Militärziele ist klar, dass Gaddafi in den weiträumigen Gebieten, die jenseits der von Rebellen beherrschten Enklaven im Osten des Landes liegen, auf die kämpferische Loyalität eines bedeutenden Teils der Bevölkerung zählen kann.“ Weiter: „Sogar Gaddafis Gegner, die sich ihren Unmut nur außerhalb der Hörweite von Regimebefürwortern äußern trauten, räumen ein, dass der Mann, der Libyen für mehr als 42 Jahre regierte, nun wirklich Unterstützung braucht.“[8]

Dessen ungeachtet wurde in Genf eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats einberufen. Dort behauptete die Libysche Liga für Menschenrechte, dass der „Diktator“ sein „eigenes Volk massakriere“. Eine plötzlich erschienene libysche Delegation bestätigte diese Zeugenaussagen und erklärte sich mit dem libyschen Volk und seiner Erhebung gegen den Diktator solidarisch.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete daraufhin die Resolution 1970, die auch den Einsatz von Gewalt vorsah. Über Libyen wurde ein Embargo verhängt und die Sache an den Internationalen Strafgerichtshof weitergeleitet. Das Credo der internationalen Medien lautete: „Der Diktator muss weg.“
In Bengasi wurde am 27. Februar der Libyen National Transitional Council (LNTC), der Nationale Übergangsrat, eingesetzt, der sich aus Mitgliedern der Muslimbruderschaft, Exilpolitikern zweifelhaften Rufes, königstreuen Idris-Anhängern und einigen Überläufern aus der Gaddafi-Regierung zusammensetzte. Immer mit dabei: ein special representative der USA namens Christopher Stevens, der später in Bengasi von Islamisten ermordete US-Botschafter für Libyen. Der Nationale Übergangsrat, der unverzüglich vom Westen als legitime Vertretung der ‚libyschen Bevölkerung‘ anerkannt wurde, forderte im Einklang mit Stevens mit Nachdruck eine Flugverbotszone über Libyen. Auch wollte Stevens ein erhöhtes militärisches Engagement in Libyen mittels Lufteinsätzen und Spezialkräften am Boden.[9]

Der libysche Justizminister Abdul Dschalil stellte eine provisorische Regierung auf. Dschalil setzte ein Krisenkomitee ein, dessen Vorsitz Mahmud Dschibril einnahm, der bis vor kurzem noch die Nummer zwei in Gaddafis Kabinett gewesen war. Die Moslembrüder hatten sowohl im LNTC als auch in der Regierung das Sagen. Die alte monarchische Flagge wurde aus der Mottenkiste geholt und der Sohn des ehemaligen König Idris, Mohamed Senussi, erklärte sich bereit, in Libyen wieder die Macht zu übernehmen.
Dschalil gab im Mai 2014 in einem Interview des Senders al-Arabia zu, 2011 gelogen zu haben: „Gaddafi gab niemals den Befehl, Demonstranten zu töten. Das taten Scharfschützen aus dem Westen. Die Getöteten, die wir vorzeigten, waren Ausländer, die wir in libysche Kleidung gesteckt hatten.“[10] Dschalil hatte 2011 auch behauptet, dass in Kabinettssitzungen der Dschamahirija die Anwerbung von Söldnern aus dem Tschad und Niger zur Niederschlagung des Aufstands beschlossen worden war. Noch am 13. März warnte er, die Länder, die sich nicht am Sturz Gaddafis beteiligten, würden keinen Zugang zu den libyschen Ölvorkommen bekommen[11]. Später gab er zu, bewusst falsch ausgesagt zu haben. Er habe mit seinen Aussagen die Gaddafi-Unterstützer verunsichern wollen. Sein wichtigster Beweggrund sei gewesen, die Scharia als die Grundlage der Gesetzgebung im ‚neuen‘ Libyen einzuführen. Es soll auch ein von Israel und Abd al-Dschalil unterzeichnetes Dokument existieren, in dem Israel Dschalil seine Unterstützung versichert. Eine Militärbasis an der libysch-algerischen Grenze wurde geplant.

Obwohl das reiche Libyen inzwischen den höchsten Lebensstandard in ganz Afrika erreicht hatte und in Bezug auf Frauen- und Menschenrechte innerhalb der arabischen Ländern führend war, und obwohl viele Afrika- und Libyenkenner vor der Gefahr eines failed state in Libyen warnten, forderte Mahmud Dschibril vor dem Europaparlament in Straßburg eine „humanitäre“ Intervention in Libyen.
In der UN-Resolution 1973 heißt es, dass „die in der Libysch-Arabischen Dschamahirija derzeit stattfindenden ausgedehnten und systematischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.“ Es heißt ausdrücklich „möglicherweise“, d.h. diese Vorwürfe waren nicht durch unabhängige Quellen bestätigt. Es wurde eine „sofortige Waffenruhe und ein vollständiges Ende der Gewalt und aller Angriffe und Missbrauchshandlungen gegen Zivilpersonen“ gefordert und es sollte eine Lösung für die Krise gefunden werden, die den legitimen Forderungen des libyschen Volkes gerecht wird – diese Aufforderung richtete sich an alle an dem Konflikt beteiligten Parteien, nicht ausschließlich an die Kräfte der Dschamahirija. Gefordert wurde explizit ein Dialog. Dies wurde von den kriegsführenden Mächten und ihren Mitstreitern unterlaufen, obwohl auch die AU, Venezuela, Russland und die Türkei versuchten, Verhandlungen in Gang zu setzen. Zu keiner Zeit deckte die UN Resolution einen Regime-Change und den Sturz Gaddafis, d.h. im Klartext: Es handelte sich beim Nato-Krieg gegen Libyen um einen Völkerrechtsbruch und einen völkerrechtswidrigen Krieg.

Jean-Paul Pougala schreibt[12]: „Es ist bestürzend, um es milde auszudrücken, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen Krieg gegen ein Volk erklärt worden ist, ohne dass auch nur der leiseste Versuch zu einer friedlichen Lösung der Krise erkundet worden ist.“
Bereits vor Verhängung einer Flugverbotszone waren Spezialeinheiten aus den USA, Großbritannien und Frankreich im Lande und unterstützten die ‚Aufständischen‘, die ihre Waffen von den USA, Katar und Saudi Arabien bezogen. Bereits am 6. März berichtete der Guardian, dass vier Tage vorher eine britische Spezialeinheit im Osten Libyens festgenommen worden war. Der britische SAS (Special Air Service) wurde in Bengasi gegen die Flugabwehr der libyschen Armee eingesetzt.[13] Daniele Ganser zitiert den Mirror vom 20. März 2011: „Hunderte britische SAS-Soldaten haben seit drei Wochen zusammen mit Rebellengruppen in Libyen operiert. Die Elitesoldaten wurden mit Hubschraubern im Land abgesetzt und setzten die Landesverteidigung außer Kraft.“ Und: „Die Elitesoldaten haben die wichtigste strategische Waffe der libyschen Armee ins Visier genommen, das SAM-5-Raketensystem.“

Auch der Independent berichtete am 7. März 2011, dass Agenten des MI6 im Raum Bengasi den Machtwechsel unterstützt hätten. Und die New York Times schreibt am 30. März: „[Es] haben kleine CIA-Einheiten als eine westliche Schattenarmee seit mehreren Wochen in Libyen gearbeitet.“ Daniele Ganser stellt klar „ dass auch die CIA vor der Verabschiedung der UNO-Resolution 1973 illegal in Libyen aktiv war.“ Und ein Mitarbeiter der US-Regierung erklärt: „Präsident Obama hat vor mehreren Wochen einen geheimen Beschluss unterzeichnet, welcher der CIA den Auftrag gibt, die Rebellen mit Waffen zu unterstützen.“ Über Obamas Außenministerin Hillary Clinton ist seit ihrer E-Mail-Affäre bekannt, dass sie über einschlägig bekannte Waffenhändler Waffen an al-Kaida-Leute liefern ließ, die auf der Terroristenliste der USA standen.

Da der UNO-Sicherheitsrat erst am 4. März 2011 die Flugverbotszone gefordert hatte, bedeutet dies, dass die Spezialeinheiten ohne UNO-Mandat und illegal die Souveränität Libyens missachteten und einen aggressiven Akt gegen das Land begingen.
Am 17. März 2011 startete Frankreich den ersten Angriff auf Libyen. Die vorher über Libyen verhängte Flugverbotszone stellte eine ausländische militärische Oberhoheit über Libyen her, in deren Folge französische und britische Maschinen ungehindert das Land bombardieren konnten. Nicht nur libysche Militärstellungen und die Infrastruktur des Landes wurden zerstört, sondern unter dem Label „Schutz der Bevölkerung“ auch die Städte Sirte und Bani Walid als Hochburgen von Gaddafi-Anhängern. Die damals begangenen Kriegsverbrechen kamen bis heute nicht zur Anklage. Dagegen wurden Gaddafi immer hanebüchenere Verbrechen zur Last gelegt, kein Griff in die unterste Verleumdungsschublade war zu schmutzig. Karin Leukefeld schreibt: „Keine Recherche, keine Überprüfung, Medien werden Teil der Manipulation.“

Wie sehr der Krieg gegen Libyen auf Falschinformationen und Lügen fußte, bestätigte 2016 ein Untersuchungsbericht des britischen Parlaments.[14] Er kam zu dem Ergebnis, dass „diese Politik nicht von einer genauen Geheimdienstarbeit geprägt war. Beispielsweise überschätzte die Regierung fälschlicherweise die Bedrohung der Zivilisten und sie sahen nicht, dass ein signifikanter Teil der Rebellen aus Islamisten bestand. Im Sommer 2011 wurde die begrenzte ‚Intervention zum Schutz von Zivilisten‘ zur opportunistischen Politik des Regimewechsels mit militärischen Mitteln ausgeweitet. [...] Das Ergebnis war der politische und ökonomische Kollaps, Kämpfe zwischen Milizen und zwischen Stämmen, eine humanitäre und eine Migrantenkrise, umfangreiche Menschenrechtsverletzungen, die Verbreitung des Waffenarsenals von Gaddafi in der ganzen Region und das Anwachsen des IS in Nordafrika.“ Alison Pargeter[15] äußerte sich in dem Bericht schockiert über den Mangel an Wissen „über die historische und regionale Komplexität in Libyen“. Es sei nie gefragt worden, wieso der Aufstand in Bengasi und nicht in der Hauptstadt Tripolis begonnen habe und die Bedeutung der Stämme und Regionen sei unberücksichtigt geblieben.
Der Bericht folgert: Die Luftangriffe durch die NATO haben die Bedrohung durch islamistische Extremisten noch verschlimmert, der Aufstand der ‚Rebellen‘ hätte kaum Erfolg gehabt, wenn er keine militärische Unterstützung durch das Ausland erfahren hätte, Medien wie Al-Jazeera und Al-Arabiya verbreiteten unbewiesene Gerüchte über Gaddafi und die libysche Regierung, die NATO-Bombardierungen stürzten Libyen in eine humanitäre Katastrophe, tötete tausende Menschen und vertrieb hunderttausende, wodurch Libyen aus dem Land mit dem höchsten Lebensstandard zu einem vom Krieg zerrütteten, failed state wurde. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten erklärt: „Trotz seiner Rhetorik wurde die Annahme, Muammar Gaddafi hätte das Massaker an Zivilisten in Bengasi angeordnet, nicht durch verfügbare Beweise belegt.“

Hätte sich die NATO-Intervention an die Vorgabe der UN gehalten, Zivilisten zu schützen, hätte sie laut dem Bericht ihren Einsatz bereits nach zwei Tagen beenden können. Denn bereits am 20. März 2011 zogen sich die libyschen Regierungstruppen etwa 40 Meilen (60 km) aus Bengasi zurück.[16] Es wurde jedoch dieser ‚Schutz der Bevölkerung‘ nicht in einen ‚Regimewechsel‘ umgewandelt, sondern er war von Anfang an das Ziel. Während der damalige Premierminister David Cameron noch am 21. März 2011 dem House of Commons versicherte, dass mit der Intervention kein Regimewechsel herbeigeführt werden soll,[17] unterzeichnete er gemeinsam mit Barack Obama und Nicolas Sarcozy bereits im April 2011 ein Schreiben, in dem das Ziel eine „Zukunft ohne Gaddafi“ sei.[18]
In der Untersuchung kommt auch Amnesty International zu Wort, das feststellte: „die Berichterstattung in vielen westlichen Medien vermittelte von Anfang an eine sehr einseitige Sichtweise des Geschehens. Die Protestbewegung wurde als völlig friedlich dargestellt, während die Sicherheitskräfte des Regimes unbewaffnete Demonstranten massakrieren.“ AI fand auch keine Beweise, dass Viagra an die Soldaten ausgegeben und Frauen vergewaltigt wurden.

Als Lord Richards[19] gefragt wurde, ob er gewusst habe, dass Abdelhakim Belhadsch und andere al-Kaida Mitglieder, die Verbindungen zur Libyan Islamic Fighting Group LIFG hatten, an der Rebellion im März 2011 teilgenommen haben, sagte er nur, dies sei eine „Grauzone“ gewesen.
Am Ende des britischen Parlamentsbericht heißt es: „Das Ergebnis war der politische und wirtschaftliche Zusammenbruch, Krieg zwischen Milizen und Stämmen, humanitäre Krisen und Migrantenkrisen, weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, die Verbreitung von Waffen des Gaddafi-Regimes in der Region und das Wachstum des IS in Nordafrika.“
Insgesamt flog die NATO in Libyen 26.000 Einsätze, und zerstörte bei 9.500 Angriffen 6.000 Ziele. Frankreich allein flog 5316 Einsätze und warf 1000 Bomben und 100 Missiles bei 1000 Angriffen ab.[20]
Das Ziel war erreicht: Libyen war in einen kaputten Staat mit einer zerstörten Infrastruktur gebombt geworden und, was sich in der Zukunft noch schlimmer auswirken sollte, auch seine politische Struktur war zerstört. Nun sollte der nächste Schritt angegangen werden: Ein den westlichen Mächten höriges Marionetten-Regime zu etablieren, das deren ökonomische und geopolitische Interessen bedient. Daran wird bis heute gearbeitet.

Ulrich Kienzle zieht das Resümee[21]: „Das libysche Chaos ist zu einer viel größeren Bedrohung für Europa geworden, als Gaddafi es je war. Immer mehr Flüchtlinge aus Afrika drängen nach Europa, das hilflos reagiert. Libyen, ein Paradebeispiel für das Versagen westlicher Politik. Ein Pulverfass am Mittelmeer. Direkt vor den Toren Europas.“
Und Vijay Prashad schreibt: „Libyer - ein Volk, das diesem Krieg überlassen ist, der niemals enden wird. Ein Volk, das in Öl und Angst begraben ist, ein Volk, das auf der Suche nach der Heimat ist, die ihnen genommen wurde.“[22]

[1] Joachim Guilliard „Hand in Hand. Bewaffneter Aufstand in Libyen.“ In: Junge Welt, 18.2.2011
[2] Daniele Ganser „Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren“, Zürich 2016
[3] Jürgen Todenhofer „Volk gegen Volk“ in: Süddeutsche Zeitung, 3.9.2012
[4] https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/11902.htm
[5] Thierry Meyssan, „Before our very Eyes. Fake Wars and Big Lies. From 9/11 to Donald Trump“, ProgRessive 2019
[6] https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-philippika-von-saif-al-islam-gaddafi
[7] https://humanrightsinvestigations.org/2012/11/14/amnesty-international-and-the-human-rights-industry/ RAPE CLAIMS
[8] Liz Sly: Many Libyans appear to back Gaddafi, Washington Post, 24. März 2011
[9] www.thedailybeast.com/articles/2012/09/12/remembering-libyan-ambassador-christopher-stevens.html
[10] Freitag.de/autoren/gela/ 2014???? (Interview!)
[11] Wikipedia „Mustafa abd al-Dschalil“
[12] https://www.pambazuka.org/human-security/lies-behind-wests-war-libya
[13] Daniele Ganser „Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren“, 2016
[14] https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/11902.htm
[15] Alison Pargeter - Spezialistin für Libyen am Royal United Services Institut
[16] http://edition.cnn.com/2011/WORLD/africa/03/21/libya.civil.war/index.html?hpt=T1&iref=BN1
[17] HC Deb, 21 March 2011, col. 703 [Commons Chamber]
[18] http://www.bbc.com/news/world-africa-13090646
[19] Lord Richards – ehemaliger Chef des Verteidigungsstabs (GB)
[20] https://vivalibya.wordpress.com/2017/11/03/khaled-k-al-hamedi-prosecuting-nato-for-war-crimes-in-libya/
[21] Ulrich Kienzle „Tödler Naher Osten: Eine Orientierung für das arabische Chaos“, 2017
[22] Vijay Prashad in: https://www.counterpunch.org/2020/01/31/the-war-in-libya-will-never-end/

Dienstag, 18. Februar 2020



LIBYEN-KURZMELDUNGEN


Die Kurzmeldungen zu Libyen sind der Website www.welt-im-blick.de entnommen und laufen dort unter der Rubrik "Kurz und knapp in zwei Sätzen".
Der Libyen-Krieg stellte den Beginn einer neokolonialen Offensive des Westens gegen Afrika dar. Ihm vorangegangen war 2011 bereits der französische Kampfeinsatz gegen die Elfenbeinküste. Nun ist Syrien das nächste Opfer. Deswegen werden wir auch über diese Konflikte und die westliche Destabilisierungspolitik in Afrika berichten.
Nun wird gegen Venezuela in der gleichen Strategie verfahren wie einst 2011 gegen Libyen.
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Venezuela: Proteste gegen Rückkehr von US-Marionettenpräsidenten Guaido

18.2.2020. Der politische Selbstdarsteller und Scharlatan Juan Guaido, der sich mit US-Unterstützung selbst zum „Präsidenten“ Venezuelas ernannt hatte, wurde von einer wütenden Menschenmenge am Flughafen empfangen, die ihn als »Verräter«, »Vaterlandsverkäufer«, »Faschisten« und »Mörder« bezeichneten. Guaido war gerade wieder von einer Auslandstournee im Westen zurückgekehrt, wo er sich die die neuesten Richtlinien für seine Zersetzungsarbeit abgeholt hatte und befürwortete weiterhin die Wirtschaftssanktion gegen Venezuela, die das Land immer stärker erdrosseln.


Philippinen kündigen Militärabkommen mit den USA

18.2.2020. Die Regierung des Präsidenten und Krawallpopulisten Rodrigo Duterte hat ein Miltärabkommen mit den USA einseitig gekündigt, da sich Washington nach Ansicht Dutertes zu sehr in die inneren Angelegenheiten der Philippinen mischen würde. Das Abkommen ist die Voraussetzung für gemeinsame Militärübungen mit US-Truppen und regelt auch Truppenbesuche auf dem Inselstaat.

 

Deutschland: Friedensaktivisten besetzen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle

11.2.2020. Rundert 100 Aktivisten des Bündnisses „Krieg beginnt hier“ haben letzte Woche  das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im hessischen Eschborn besetzt.
Die Friedensaktivisten forden das Amt auf »umgehend alle Genehmigungen für Rüstungsgüter auszusetzen«, da das Bafa über die Ausfuhr von Waffen aller Art entscheidet.

 

Niger: Libyscher Botschafter läuft zur Benghasi-Regierung über

11.2.2020. Der libysche Botschafter in Niger hat sich von der umstrittenen „Einheitsregierung“ in Tripolis, die auf die Unterstützung radikal-islamischer Milizen angewiesen ist, losgesagt und ist in die Reihen der „Übergangsregierung“ von Premierminister Abdullah al-Thani übergelaufen. Dessen Regierung sitzt in Ostlibyen im Raum Benghasi, wird vom gewählten Parlament und vielen Stämmen unterstützt, ihr Militärchef ist der bekannte General Khalifa al-Haftar.

 

 

 

 


Donnerstag, 13. Februar 2020



Kurznachrichten aus Libyen – 11.02.2020

Libyen. Türkei / USA / UNO / Erdöl / Wirtschaft / Diplomatie / Krieg 


Türkei und Libyen
+ ISI-Geheimdienstbericht (Pakistan) bestätigt: Am Mitiga-Flughafen von Tripolis befinden sich türkische Bayraktar TB2 UAS (Kampf- und Aufklärungsdrohnen)
https://twitter.com/ImageSatIntl/status/1227254600656392192
+ „Laut einer Meinungsumfrage im Januar ist die die Popularität von Erdoğan auf den bisher niedrigsten Stand gesunken. Seine Beliebtheit liegt nur noch bei 43,7%, während er im Juli 2016 noch auf 67,6% Zustimmung kam. Würden jetzt Wahlen anstehen, käme das Bündnis zwischen der Erdoğan-Partei AKP und der rechtsnationalistischen MHP auf 49,1%.
Noch ist die politische Position von Erdoğan ungefährdet, dennoch gibt es eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. 54,6% bezeichnen ihre persönlich wirtschaftliche Lage als schlecht, viele sehen auch die der ganzen Türkei in der Zukunft eher negativ. Die Ratingagentur »Standard & Poor's« erwartet für 2020 keine Besserung der hohen Inflation, die aktuell bei 12,15% liegt.“ Die türkische Lira habe im vergangenen Sommer innerhalb weniger Wochen 40% ihres Wertes verloren, seitdem kämpfe das Land mit einer Rezession. Die Arbeitslosigkeit liege offiziell bei 13,8%.
https://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/erdogan-als-brandstifter/
[Der Artikel geht leider nicht darauf ein, dass die Türkei ihre Wirtschaft mit Hilfe der Gelder aus Libyen zu stabilisieren sucht: „Ramzi Al-Agha, Leiter des Liquiditätskrisenausschusses der libyschen Zentralbank, gab bereits vergangene Woche bekannt, dass die libysche Zentralbank in Tripolis in den letzten Tagen vier Milliarden US-$ ihrer Barreserven als Einlage an die türkische Zentralbank überwiesen hat, ohne dafür eine Rendite zu bekommen.]“

USA
+ Eine US-Air Force C-17 ist vom deutschen Ramstein kommend in Bengasi gelandet und nach drei Stunden wieder abgeflogen. Bereits Ende 2019 hatte das gleiche Flugzeug dreimal Bengasi angeflogen.
Details (sehenswert): https://www.itamilradar.com/2020/02/10/usaf-c-17a-mission-in-benghazi/
+ Der US-amerikanische Botschafter in Libyen, Richard Norland: Milizen sind eine ernsthafte Bedrohung für den Aufbau eines starken, demokratischen und einheitlichen libyschen Staates.
+ In einem Interview mit einem ägyptischen Fernsehsender äußerte sich der Befehlshaber des US-Zentralkommandos, General Kenneth McKenzie, zur Anwesenheit türkischen Militärs in Libyen und erklärte, dass ausländische Interventionen die Situation in jedem Fall komplizieren würden und daher reduziert werden sollten. Das US-amerikanische Zentralkommando werde die von der UNO ergriffenen Maßnahmen unterstützen.

Vereinte Nationen
+ Standpunkt der LNA: Verhandlungen werden als unakzeptabel abgelehnt, da dem demokratisch gewählten Parlament nur eine Minoritätenposition von 13 Stimmen bei insgesamt 40 Stimmen zugestanden wird, während terroristische Organisationen und nicht mehr im Amt befindliche Parlamentarier und andere, die von Ghassan Salamé persönlich ausgesucht wurden, eine Stimme haben.
Die Vereinten Nationen und Ghassan Salamé beleidigen das libysche Volk, das libysche Parlament und den Hohen Rat der Stammesführer. Fakten: Das Parlament kontrolliert 90 % des libyschen Territoriums, 90 % der libyschen Ressourcen und verfügt hundertprozentig über die libyschen Streitkräfte mit 174.000 Angehörigen.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1226985609874616325

Libysches Erdöl
+ Die Gewerkschaft der libyschen Erdölarbeiter bekundet ihre Solidarität mit den libyschen Stämmen und deren Schließung der Ölanlagen. Sie fordert auch die Absetzung von Mustafa Sanella als Vorsitzenden der National Oil Corporation (NOC).
+ Die libysche Zentralbank in Tripolis teilte mit, dass es im Januar aufgrund der Schließung der Ölanlagen durch die libyschen Stämme zu einem Totalausfall der Öleinnahmen gekommen ist. Deshalb seien keine Gehälter an Angestellte des öffentlichen Dienstes gezahlt worden. In Libyen betragen die Lohnkosten im öffentlichen Bereich etwa 55 Prozent des BIP. Das Erdöl ist die Haupteinnahmequelle des Landes. Laut dem Parlamentspräsidenten Aguila Saleh wurden die Ölanlagen von den Stämmen geschlossen, um eine gerechte Verteilung der Öleinnahmen zu erzwingen, die Finanzierung von Terroristengruppen, Söldnern und anderen Extremisten, die von der Türkei ins Land geholt wurden, zu unterbinden.

Libysche Wirtschaft
+ In Kairo traf sich eine libysche Wirtschaftskommission. Es bestand Einigkeit, dass sich die Fragmentierung der libyschen Institutionen und die unterschiedliche Politik nachteilig auf die Wirtschaft, insbesondere auf den Bankensektor auswirken. Die Kommission will bis zur Einsetzung einer einheitlichen nationalen Regierung weiter zu wichtigen Wirtschaftsfragen Stellung beziehen.

Diplomatie
+ Wie Sputnik berichtet, haben Russlands Außenminister Lawrow und sein deutscher Amtskollege Heiko Maas am 11. Februar in einem Telefongespräch Resolutionsentwürfe des UN-Sicherheitsrates zur Lösung des anhaltenden bewaffneten Konflikts in Libyen besprochen. Während der Gespräche bekräftigte Lawrow die Notwendigkeit, „die Aussöhnung zwischen den libyschen Kriegsparteien zu fördern, ohne die keine internationalen Initiativen erfolgreich sein können.“
+ Der italienische Außenminister Luigi Di Maio ist zu einem Besuch in Paris eingetroffen, um mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian im Anschluss an die Berliner Konferenz verschiedene internationale Fragen, insbesondere zu Libyen, zu erörtern.

Krieg
+ Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, fordert ein aggressiveres Auftreten Berlins und Brüssels in der Weltpolitik. „Dem diesjährigen Munich Security Report lassen sich nicht nur weitere Hinweise auf den beginnenden Abstieg des Westens und Appelle zu einer entschlosseneren Verteidigung von dessen bisheriger globaler Dominanz entnehmen, sondern auch Narrative, die den geforderten Kampf um eine führende Stellung in der Weltpolitik legitimieren sollen. […] Die Behauptung, mit der schwindenden globalen Dominanz des Westens drohten sich gewalttätige, das Recht verachtende Mächte die Welt zu unterwerfen, beginnt zwar in die massenmediale Weltpolitik-PR aufgenommen zu werden; sie geht allerdings mit einer erstaunlichen Großzügigkeit gegenüber den westlichen Verbrechen der Jahre seit 1990 einher. Tatsächlich wurden die drei großen offen völkerrechtswidrigen Angriffskriege der vergangenen drei Jahrzehnte von westlichen Mächten geführt: der Jugoslawien-Krieg von 1999 auf maßgebliches Drängen der Bundesrepublik; der Irak-Krieg des Jahres 2003 vor allem von den USA; der Libyen-Krieg von 2011 insbesondere von Großbritannien und Frankreich. Die Zerstörung des Irak und Libyens sowie die Kriege im Sahel gehen ursächlich auf die erwähnten westlichen Angriffskriege zurück. Die Zahl der Opfer ist immens.“

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8183/