9 Jahre Verheerung: Was 2011 wirklich geschah
Libyen/Krieg. Im Februar 2011 begann der
Krieg gegen Libyen – kein Grund zum Feiern.
In Bengasi kam es am 15. Februar 2011 zu ersten Anti-Gaddafi-Protesten von
wenigen hundert Personen. Es erfolgte ein von im Ausland lebenden Libyern
initiierter Aufruf zum ‚Tag des Zorns‘ am 17. Februar 2011. Ihm folgten in
einigen Städten mehrere Tausende Demonstranten. Bereits fünf Jahre vorher war
es in Bengasi am 17. Februar bei Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen zu
Gewalttätigkeiten gekommen, als von Islamisten das italienische Konsulat in
Brand gesteckt wurde. Bei den damaligen Unruhen waren zehn Personen ums Leben
gekommen. Es war also klar, aus welcher Richtung auch 2011 die Proteste kamen.
Die Demonstrationen schlugen 2011 umgehend in Gewalttätigkeiten um. Die FAZ
berichtete am 18. Februar 2011 von 200 Demonstranten in Bengasi, die des Nachts
Brandsätze gelegt, Steine geworfen und den Rücktritt der Regierung gefordert
hatten. Von den 14 Verletzten seien zehn Angehörige der Sicherheitskräfte
gewesen. Am 21. Februar schrieb die Presseagentur AFP, bewaffnete Islamisten
hätten in Derna, das schon immer eine Hochburg der Dschihadisten gewesen war, den
Hafen und ein nahe gelegenes Armeedepot gestürmt, Soldaten und Zivilisten als
Geiseln genommen und zu erschießen gedroht, falls sich die libysche Armee nicht
aus der Stadt zurückziehe. Und die britische BBC zitierte Bauarbeiter aus der
Türkei, die berichteten, wie achtzig Mitarbeiter ihrer Firma aus dem Tschad mit
Äxten von ‚Aufständischen‘ niedergemetzelt wurden. Man beschuldigte sie,
Söldner Gaddafis zu sein. Nicht berichtet wurde, dass bereits am 15. Februar in
Zinten und al-Baida Polizeistationen brannten und Polizisten nach späteren
Aussagen von Ärzten mit schweren Brandwunden in die Krankenhäuser eingeliefert
werden mussten. Zwei Polizisten wurden in Bengasi gelyncht. Mit dieser
brachialen Vorgehensweise gelang es den extremistischen Islamisten, Bengasi
schon nach fünf Tagen unter ihre Gewalt zu bekommen.
[1]
Diese gezielten Aktionen von
agents provocateurs, die in
Demonstrationen schossen, Polizisten ermordeten, Polizeireviere in Flammen
aufgehen ließen, forderten die Staatsmacht heraus, die eingreifen musste.
Daniele Ganser bemerkt, dass „in allen drei NATO-Kriegen [Libyen, Syrien und
Ukraine] auf verdeckte Kriegsführung gesetzt wurde… es waren Geheimoperationen,
welche die Situation eskalieren ließen, während die Drahtzieher im Hintergrund
blieben. Für den UNO-Sicherheitsrat und die Bevölkerung in den NATO-Ländern
sind solche Konflikte schwer zu durchschauen, da die an der verdeckten Kriegsführung
beteiligten Länder jegliche Kontakte zum Kriegsschauplatz leugnen und ihre
Spuren verwischen.“
[2]
In dieser Lage ging das libysche Militär mit Maschinenpistolen gegen die
‚Aufständischen‘ vor. Auch wenn es unter den Aufständen jetzt Todesopfer gab,
bestätigten weder die UNO, noch das Pentagon oder westliche Botschaften, dass
Gaddafi – wie von der westlichen Presse behauptet – friedliche Demonstranten
aus der Luft angreife. Auch der Bundesregierung lagen keine Beweise für eine
Bombardierung vor.
Laut den westlichen Medien schoss in Bengasi die libysche Polizei in die
Menschenmenge. Es folgte die Verbreitung der Nachricht, dass die libysche
Staatsmacht auf alles schieße, was sich bewegt, um den Aufruhr, der das ganze
Land erfasst habe, niederzuschlagen.
Während des sogenannten ‚Arabischen Frühlings‘ hatten der amerikanische
Geheimdienst CIA und der britische Geheimdienst MI6 Aufständischengrupen unterstützen
und gezielt Spannungen zwischen den verfeindeten Gruppen geschürt. Die Vorgänge
in Libyen waren vom Ausland gesteuert, laut Jürgen Todenhöfer gelangten Waffen
und Geld ins Land, „Hauptsponsor war […] in Libyen das kleine Katar.“
[3]
Muammar al-Gaddafi hielt eine emotionale Rede, in der er sagte, „es sind nur
sehr wenige“, „es sind ein paar Terroristen“. Er verwies auf al-Kaida-Führer
und bezeichnete diese als „Ratten“. In den westlichen Medien wurden Aussagen
Gaddafis nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern er wurde auch falsch
zitiert. Seine Aussage, er werde „Libyen Stück für Stück, Haus für Haus,
Wohnung für Wohnung, Gasse für Gasse“ von diesen ‚Rebellen‘ säubern, wurde in
einem geschmacklos abgemischten Video eines israelischen Reporters weltweit
verbreitet und der britische Außenminister William Hague behauptete, Gaddafi
hätte damit gedroht, „von Haus zu Haus, von Zimmer zu Zimmer zu gehen und sich
an der Bevölkerung von Bengasi zu rächen“. „Viele Leute werden sterben.“
[4]
Gaddafi hatte zwar den gewalttätigen ‚Rebellen‘ massiv gedroht, frei
erfunden war jedoch die Behauptung, seine Drohungen hätten sich gegen die
Zivilbevölkerung gerichtet. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Richard Falk
meinte, der „Grad der Unterdrückung“ in Libyen sei nicht „durchdringender und
schwerer“ als in anderen autoritär regierten Staaten gewesen.
[5]
Muammar al-Gaddafis Sohn, Saif al-Gaddafi, beschreibt die damaligen Vorgänge
Jahre später
[6]: „
Die Agonie Libyens begann am 15.
Februar 2011 mit den üblichen Protesten und Demonstrationen für die im
Abu-Salem-Gefängnis Inhaftierten. Die Demonstrationen wurden schon bald von
Mitgliedern dschihadistischer Gruppen wie der Libyan Islamic Fighting
Group
LIFG gekapert. Sie griffen Polizeistationen und Armeeunterkünfte in
Derna, Bengasi, Misrata und al-Zawaj an, um Waffen für den geplanten Krieg
gegen das libysche Volk und seine rechtmäßige Regierung zu erbeuten.
Gleichzeitig wurde eine Propagandamaschinerie in Gang gesetzt. Daran
beteiligt waren Al-Jazeera, Al-Arabia, BBC, France 24 und andere Sender, die
das libysche Volk aufforderten, sich gegen die Staatspolizei zu stellen, als
diese versuchte, Regierungsgebäude und Volkseigentum vor Angriffen und
Plünderungen zu schützen.
Auf Straßen, Brücken und in den Gebäuden der Sicherheitskräfte spielten
sich entsetzliche Szenen ab, in deren Verlauf die Demonstranten unvorstellbare
Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen. Sicherheitskräften,
Militärpersonal und Polizisten wurden die Kehlen durchschnitten, es wurde ihnen
das Herz herausgerissen und ihre Körper zerstückelt. Es war eine Show von
tierischer Brutalität.
Nur ein Beispiel: Am 16. Februar 2011, dem ersten Tag der Unruhen, haben
die sogenannten friedlichen Demonstranten einen Mann namens Musa al-Ahdab
ermordet und verbrannt. Am selben Tag wurde in Bengasi ein Polizeioffizier
ermordet und seine Extremitäten in Stücke geschnitten.
Solche barbarischen Handlungen wurden von den bewaffneten Demonstranten
ausgeführt, genauso wie sie Panzer, Maschinengewehre und Flags in den Städten
Misrata, Bengasi und al-Azawija einsetzten. Diese Handlungen und weitere solche
Szenen sind gut dokumentiert und können auf youtube und anderen sozialen Medien
angesehen werden.
Die tatsächlichen Opferzahlen standen im Gegensatz zu dem, was von den
voreingenommenen Medien berichtet wurde. […] Die behauptete hohe Anzahl von
Opfern blieb eine rein statistische Zahl, ohne Bekanntgabe der Namen oder
Identitäten, ebenso wenig wie Wiedergutmachung von den Regierungen gefordert
wurde.
Die Propagandakampagne und die Lügen, die mit Verunglimpfungen des
Militärs einhergingen, betrafen nicht nur die erhöhten Opferzahlen, sondern man
behauptete auch, das Regime benutze Militärflugzeuge, um Zivilisten
anzugreifen. Es wurde von Vergewaltigungen durch Armeeangehörige und
Sicherheitskräfte berichtet. Es hieß, in den Panzern sei Viagra gefunden worden,[7]
auch sollten afrikanische und algerische Söldner in der libyschen Armee kämpfen
und Piloten sich nach Malta abgesetzt haben. Bis heute konnte für keine einzige
dieser Behauptungen ein Beweis gefunden werden. Die Vereinten Nationen, Amnesty
International, Human Rights Watch sowie Untersuchungen des Westens konnten
keinen einzigen der insgesamt 8.000 Fälle bestätigen, die von den libyschen
Oppositionellen gemeldet worden waren.
So wie heute immer noch stellten sich die damaligen Vorgänge in den
internationalen Medien völlig anders dar als vor Ort in Libyen. Thierry Meyssan
schreibt: „Im Gegensatz zu den Informationen aus Bengasi und von den Vereinten
Nationen versicherten die in Tripolis anwesenden Diplomaten und Journalisten,
dass dort nichts auf eine Revolution hindeutete.“ Meyssan weist noch einmal
ausdrücklich darauf hin, dass die Grundlagen für das
Grüne Buch von
Muammar al-Gaddafi, das die theoretische Grundlage der Regierungsform einer
libyschen Dschamahirija bildete, maßgeblich durch die Lektüre der französischen
freiheitlichen Sozialisten des 19. Jahrhunderts beeinflusst worden war. Charles
Fourier und Pierre-Joseph Proudhon hätten Gaddafis Denken geprägt.
Selbst die
Washington Post musste widerstrebend eingestehen: „Viele
Libyer scheinen Gaddafi zu unterstützen.“ Und: „Aber nach sechs Tagen
alliierter Bombenangriffe auf libysche Militärziele ist klar, dass Gaddafi in
den weiträumigen Gebieten, die jenseits der von Rebellen beherrschten Enklaven
im Osten des Landes liegen, auf die kämpferische Loyalität eines bedeutenden
Teils der Bevölkerung zählen kann.“ Weiter: „Sogar Gaddafis Gegner, die sich
ihren Unmut nur außerhalb der Hörweite von Regimebefürwortern äußern trauten,
räumen ein, dass der Mann, der Libyen für mehr als 42 Jahre regierte, nun
wirklich Unterstützung braucht.“
[8]
Dessen ungeachtet wurde in Genf eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats
einberufen. Dort behauptete die
Libysche Liga für Menschenrechte, dass
der „Diktator“ sein „eigenes Volk massakriere“. Eine plötzlich erschienene
libysche Delegation bestätigte diese Zeugenaussagen und erklärte sich mit dem
libyschen Volk und seiner Erhebung gegen den Diktator solidarisch.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete daraufhin die Resolution 1970, die auch
den Einsatz von Gewalt vorsah. Über Libyen wurde ein Embargo verhängt und die
Sache an den Internationalen Strafgerichtshof weitergeleitet. Das Credo der
internationalen Medien lautete: „Der Diktator muss weg.“
In Bengasi wurde am 27. Februar der
Libyen National Transitional Council
(LNTC), der Nationale Übergangsrat, eingesetzt, der sich aus Mitgliedern der
Muslimbruderschaft, Exilpolitikern zweifelhaften Rufes, königstreuen
Idris-Anhängern und einigen Überläufern aus der Gaddafi-Regierung
zusammensetzte. Immer mit dabei: ein
special representative der USA
namens Christopher Stevens, der später in Bengasi von Islamisten ermordete
US-Botschafter für Libyen. Der Nationale Übergangsrat, der unverzüglich vom
Westen als legitime Vertretung der ‚libyschen Bevölkerung‘ anerkannt wurde,
forderte im Einklang mit Stevens mit Nachdruck eine Flugverbotszone über
Libyen. Auch wollte Stevens ein erhöhtes militärisches Engagement in Libyen
mittels Lufteinsätzen und Spezialkräften am Boden.
[9]
Der libysche Justizminister Abdul Dschalil stellte eine provisorische
Regierung auf. Dschalil setzte ein Krisenkomitee ein, dessen Vorsitz Mahmud
Dschibril einnahm, der bis vor kurzem noch die Nummer zwei in Gaddafis Kabinett
gewesen war. Die Moslembrüder hatten sowohl im LNTC als auch in der Regierung
das Sagen. Die alte monarchische Flagge wurde aus der Mottenkiste geholt und
der Sohn des ehemaligen König Idris, Mohamed Senussi, erklärte sich bereit, in
Libyen wieder die Macht zu übernehmen.
Dschalil gab im Mai 2014 in einem Interview des Senders
al-Arabia zu, 2011
gelogen zu haben: „Gaddafi gab niemals den Befehl, Demonstranten zu töten. Das
taten Scharfschützen aus dem Westen. Die Getöteten, die wir vorzeigten, waren
Ausländer, die wir in libysche Kleidung gesteckt hatten.“
[10] Dschalil
hatte 2011 auch behauptet, dass in Kabinettssitzungen der Dschamahirija die
Anwerbung von Söldnern aus dem Tschad und Niger zur Niederschlagung des
Aufstands beschlossen worden war. Noch am 13. März warnte er, die Länder, die
sich nicht am Sturz Gaddafis beteiligten, würden keinen Zugang zu den libyschen
Ölvorkommen bekommen
[11]. Später gab
er zu, bewusst falsch ausgesagt zu haben. Er habe mit seinen Aussagen die
Gaddafi-Unterstützer verunsichern wollen. Sein wichtigster Beweggrund sei
gewesen, die Scharia als die Grundlage der Gesetzgebung im ‚neuen‘ Libyen
einzuführen. Es soll auch ein von Israel und Abd al-Dschalil unterzeichnetes
Dokument existieren, in dem Israel Dschalil seine Unterstützung versichert.
Eine Militärbasis an der libysch-algerischen Grenze wurde geplant.
Obwohl das reiche Libyen inzwischen den höchsten Lebensstandard in ganz
Afrika erreicht hatte und in Bezug auf Frauen- und Menschenrechte innerhalb der
arabischen Ländern führend war, und obwohl viele Afrika- und Libyenkenner vor
der Gefahr eines
failed state in Libyen warnten, forderte Mahmud
Dschibril vor dem Europaparlament in Straßburg eine „humanitäre“ Intervention
in Libyen.
In der UN-Resolution 1973 heißt es, dass „die in der Libysch-Arabischen
Dschamahirija derzeit stattfindenden ausgedehnten und systematischen Angriffe
gegen die Zivilbevölkerung möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit
darstellen.“ Es heißt ausdrücklich „möglicherweise“, d.h. diese Vorwürfe waren
nicht durch unabhängige Quellen bestätigt. Es wurde eine „sofortige Waffenruhe
und ein vollständiges Ende der Gewalt und aller Angriffe und
Missbrauchshandlungen gegen Zivilpersonen“ gefordert und es sollte eine Lösung
für die Krise gefunden werden, die den legitimen Forderungen des libyschen
Volkes gerecht wird – diese Aufforderung richtete sich an alle an dem Konflikt
beteiligten Parteien, nicht ausschließlich an die Kräfte der Dschamahirija.
Gefordert wurde explizit ein Dialog. Dies wurde von den kriegsführenden Mächten
und ihren Mitstreitern unterlaufen, obwohl auch die AU, Venezuela, Russland und
die Türkei versuchten, Verhandlungen in Gang zu setzen. Zu keiner Zeit deckte
die UN Resolution einen Regime-Change und den Sturz Gaddafis, d.h. im Klartext:
Es handelte sich beim Nato-Krieg gegen Libyen um einen Völkerrechtsbruch und
einen völkerrechtswidrigen Krieg.
Jean-Paul Pougala schreibt
[12]: „Es ist
bestürzend, um es milde auszudrücken, dass zum ersten Mal in der Geschichte der
Vereinten Nationen Krieg gegen ein Volk erklärt worden ist, ohne dass auch nur
der leiseste Versuch zu einer friedlichen Lösung der Krise erkundet worden
ist.“
Bereits vor Verhängung einer Flugverbotszone waren Spezialeinheiten aus den
USA, Großbritannien und Frankreich im Lande und unterstützten die
‚Aufständischen‘, die ihre Waffen von den USA, Katar und Saudi Arabien bezogen.
Bereits am 6. März berichtete der
Guardian, dass vier Tage vorher eine
britische Spezialeinheit im Osten Libyens festgenommen worden war. Der
britische SAS (Special Air Service) wurde in Bengasi gegen die Flugabwehr der
libyschen Armee eingesetzt.
[13] Daniele Ganser
zitiert den
Mirror vom 20. März 2011: „Hunderte britische SAS-Soldaten
haben seit drei Wochen zusammen mit Rebellengruppen in Libyen operiert. Die
Elitesoldaten wurden mit Hubschraubern im Land abgesetzt und setzten die
Landesverteidigung außer Kraft.“ Und: „Die Elitesoldaten haben die wichtigste
strategische Waffe der libyschen Armee ins Visier genommen, das
SAM-5-Raketensystem.“
Auch der
Independent berichtete am 7. März 2011, dass Agenten des
MI6 im Raum Bengasi den Machtwechsel unterstützt hätten. Und die
New York
Times schreibt am 30. März: „[Es] haben kleine CIA-Einheiten als eine
westliche Schattenarmee seit mehreren Wochen in Libyen gearbeitet.“ Daniele
Ganser stellt klar „ dass auch die CIA vor der Verabschiedung der
UNO-Resolution 1973 illegal in Libyen aktiv war.“ Und ein Mitarbeiter der
US-Regierung erklärt: „Präsident Obama hat vor mehreren Wochen einen geheimen
Beschluss unterzeichnet, welcher der CIA den Auftrag gibt, die Rebellen mit
Waffen zu unterstützen.“ Über Obamas Außenministerin Hillary Clinton ist seit
ihrer E-Mail-Affäre bekannt, dass sie über einschlägig bekannte Waffenhändler
Waffen an al-Kaida-Leute liefern ließ, die auf der Terroristenliste der USA
standen.
Da der UNO-Sicherheitsrat erst am 4. März 2011 die Flugverbotszone gefordert
hatte, bedeutet dies, dass die Spezialeinheiten ohne UNO-Mandat und illegal die
Souveränität Libyens missachteten und einen aggressiven Akt gegen das Land
begingen.
Am 17. März 2011 startete Frankreich den ersten Angriff auf Libyen. Die
vorher über Libyen verhängte Flugverbotszone stellte eine ausländische
militärische Oberhoheit über Libyen her, in deren Folge französische und
britische Maschinen ungehindert das Land bombardieren konnten. Nicht nur
libysche Militärstellungen und die Infrastruktur des Landes wurden zerstört,
sondern unter dem Label „Schutz der Bevölkerung“ auch die Städte Sirte und Bani
Walid als Hochburgen von Gaddafi-Anhängern. Die damals begangenen
Kriegsverbrechen kamen bis heute nicht zur Anklage. Dagegen wurden Gaddafi
immer hanebüchenere Verbrechen zur Last gelegt, kein Griff in die unterste
Verleumdungsschublade war zu schmutzig. Karin Leukefeld schreibt: „Keine
Recherche, keine Überprüfung, Medien werden Teil der Manipulation.“
Wie sehr der Krieg gegen Libyen auf Falschinformationen und Lügen fußte,
bestätigte 2016 ein Untersuchungsbericht des britischen Parlaments.
[14] Er kam zu
dem Ergebnis, dass „diese Politik nicht von einer genauen Geheimdienstarbeit
geprägt war. Beispielsweise überschätzte die Regierung fälschlicherweise die
Bedrohung der Zivilisten und sie sahen nicht, dass ein signifikanter Teil der
Rebellen aus Islamisten bestand. Im Sommer 2011 wurde die begrenzte
‚Intervention zum Schutz von Zivilisten‘ zur opportunistischen Politik des
Regimewechsels mit militärischen Mitteln ausgeweitet. [...] Das Ergebnis war
der politische und ökonomische Kollaps, Kämpfe zwischen Milizen und zwischen
Stämmen, eine humanitäre und eine Migrantenkrise, umfangreiche
Menschenrechtsverletzungen, die Verbreitung des Waffenarsenals von Gaddafi in
der ganzen Region und das Anwachsen des IS in Nordafrika.“ Alison Pargeter
[15] äußerte sich
in dem Bericht schockiert über den Mangel an Wissen „über die historische und
regionale Komplexität in Libyen“. Es sei nie gefragt worden, wieso der Aufstand
in Bengasi und nicht in der Hauptstadt Tripolis begonnen habe und die Bedeutung
der Stämme und Regionen sei unberücksichtigt geblieben.
Der Bericht folgert: Die Luftangriffe durch die NATO haben die Bedrohung
durch islamistische Extremisten noch verschlimmert, der Aufstand der ‚Rebellen‘
hätte kaum Erfolg gehabt, wenn er keine militärische Unterstützung durch das
Ausland erfahren hätte, Medien wie Al-Jazeera und Al-Arabiya verbreiteten
unbewiesene Gerüchte über Gaddafi und die libysche Regierung, die
NATO-Bombardierungen stürzten Libyen in eine humanitäre Katastrophe, tötete
tausende Menschen und vertrieb hunderttausende, wodurch Libyen aus dem Land mit
dem höchsten Lebensstandard zu einem vom Krieg zerrütteten,
failed state
wurde. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten erklärt: „Trotz seiner
Rhetorik wurde die Annahme, Muammar Gaddafi hätte das Massaker an Zivilisten in
Bengasi angeordnet, nicht durch verfügbare Beweise belegt.“
Hätte sich die NATO-Intervention an die Vorgabe der UN gehalten, Zivilisten
zu schützen, hätte sie laut dem Bericht ihren Einsatz bereits nach zwei Tagen
beenden können. Denn bereits am 20. März 2011 zogen sich die libyschen
Regierungstruppen etwa 40 Meilen (60 km) aus Bengasi zurück.
[16] Es wurde
jedoch dieser ‚Schutz der Bevölkerung‘ nicht in einen ‚Regimewechsel‘
umgewandelt, sondern er war von Anfang an das Ziel. Während der damalige
Premierminister David Cameron noch am 21. März 2011 dem
House of Commons
versicherte, dass mit der Intervention kein Regimewechsel herbeigeführt werden
soll,
[17]
unterzeichnete er gemeinsam mit Barack Obama und Nicolas Sarcozy bereits im
April 2011 ein Schreiben, in dem das Ziel eine „Zukunft ohne Gaddafi“ sei.
[18]
In der Untersuchung kommt auch
Amnesty International zu Wort, das
feststellte: „die Berichterstattung in vielen westlichen Medien vermittelte von
Anfang an eine sehr einseitige Sichtweise des Geschehens. Die Protestbewegung
wurde als völlig friedlich dargestellt, während die Sicherheitskräfte des
Regimes unbewaffnete Demonstranten massakrieren.“ AI fand auch keine Beweise,
dass Viagra an die Soldaten ausgegeben und Frauen vergewaltigt wurden.
Als Lord Richards
[19] gefragt
wurde, ob er gewusst habe, dass Abdelhakim Belhadsch und andere al-Kaida
Mitglieder, die Verbindungen zur
Libyan Islamic Fighting Group LIFG
hatten, an der Rebellion im März 2011 teilgenommen haben, sagte er nur, dies
sei eine „Grauzone“ gewesen.
Am Ende des britischen Parlamentsbericht heißt es: „Das Ergebnis war der
politische und wirtschaftliche Zusammenbruch, Krieg zwischen Milizen und
Stämmen, humanitäre Krisen und Migrantenkrisen, weit verbreitete
Menschenrechtsverletzungen, die Verbreitung von Waffen des Gaddafi-Regimes in
der Region und das Wachstum des IS in Nordafrika.“
Insgesamt flog die NATO in Libyen 26.000 Einsätze, und zerstörte bei 9.500
Angriffen 6.000 Ziele. Frankreich allein flog 5316 Einsätze und warf 1000
Bomben und 100 Missiles bei 1000 Angriffen ab.
[20]
Das Ziel war erreicht: Libyen war in einen kaputten Staat mit einer
zerstörten Infrastruktur gebombt geworden und, was sich in der Zukunft noch
schlimmer auswirken sollte, auch seine politische Struktur war zerstört. Nun
sollte der nächste Schritt angegangen werden: Ein den westlichen Mächten
höriges Marionetten-Regime zu etablieren, das deren ökonomische und
geopolitische Interessen bedient. Daran wird bis heute gearbeitet.
Ulrich Kienzle zieht das Resümee
[21]: „Das libysche Chaos ist zu einer viel größeren
Bedrohung für Europa geworden, als Gaddafi es je war. Immer mehr Flüchtlinge
aus Afrika drängen nach Europa, das hilflos reagiert. Libyen, ein
Paradebeispiel für das Versagen westlicher Politik. Ein Pulverfass am
Mittelmeer. Direkt vor den Toren Europas.“
Und Vijay Prashad schreibt: „Libyer - ein Volk, das diesem Krieg überlassen
ist, der niemals enden wird. Ein Volk, das in Öl und Angst begraben ist, ein
Volk, das auf der Suche nach der Heimat ist, die ihnen genommen wurde.“
[22]
[1] Joachim Guilliard „Hand in Hand. Bewaffneter
Aufstand in Libyen.“ In: Junge Welt, 18.2.2011
[2] Daniele Ganser „Illegale Kriege. Wie die
NATO-Länder die UNO sabotieren“, Zürich 2016
[3] Jürgen Todenhofer „Volk gegen Volk“ in:
Süddeutsche Zeitung, 3.9.2012
[4]
https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/11902.htm
[5] Thierry Meyssan, „Before our
very Eyes. Fake Wars and Big Lies. From 9/11 to Donald Trump“, ProgRessive
2019
[6]
https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-philippika-von-saif-al-islam-gaddafi
[7] https://humanrightsinvestigations.org/2012/11/14/amnesty-international-and-the-human-rights-industry/ RAPE CLAIMS
[8] Liz Sly: Many Libyans appear to
back Gaddafi, Washington Post, 24. März 2011
[9]
www.thedailybeast.com/articles/2012/09/12/remembering-libyan-ambassador-christopher-stevens.html
[10] Freitag.de/autoren/gela/ 2014????
(Interview!)
[11] Wikipedia „Mustafa abd al-Dschalil“
[12]
https://www.pambazuka.org/human-security/lies-behind-wests-war-libya
[13] Daniele Ganser „Illegale Kriege. Wie die
NATO-Länder die UNO sabotieren“, 2016
[14]
https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/11902.htm
[15] Alison Pargeter - Spezialistin für Libyen
am Royal United Services Institut
[16]
http://edition.cnn.com/2011/WORLD/africa/03/21/libya.civil.war/index.html?hpt=T1&iref=BN1
[17] HC Deb, 21 March 2011, col. 703
[Commons Chamber]
[18]
http://www.bbc.com/news/world-africa-13090646
[19] Lord Richards – ehemaliger Chef des
Verteidigungsstabs (GB)
[20]
https://vivalibya.wordpress.com/2017/11/03/khaled-k-al-hamedi-prosecuting-nato-for-war-crimes-in-libya/
[21] Ulrich Kienzle „Tödler Naher Osten: Eine
Orientierung für das arabische Chaos“, 2017
[22] Vijay Prashad in: https://www.counterpunch.org/2020/01/31/the-war-in-libya-will-never-end/