Donnerstag, 9. Juni 2022

Kurznachrichten Libyen – 30.05. bis 05.06.2022

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Machtkampf zwischen Dabaiba und Baschagha hält an, dabei spielt Erdöl eine wichtige Rolle / Sitzung in Sirte mit Premier Baschagha und Parlamentspräsident Saleh / Heftige Milizenkämpfe in Tripolis / Demo-Verbot in Tripolis / LNA bekämpft im Süden IS / Muammar al-Gaddafis Witwe Safya wirft ‚internationaler Gemeinschaft‘ moralischen Bankrott vor / In Tripolis neues Migrantenlager eröffnet

+ 31.05.: Parlamentssitzung/Sirte. Ministerpräsident Fathi Baschagha empfing Parlamentspräsidenten Agila Saleh bei seiner Ankunft am Flughafen in der Küstenstadt Sirte.
https://twitter.com/smmlibya/status/1531536231112359937

+ 31.05.: Erste Sirte-Sitzung. Auf der vom Parlamentspräsidenten Agila Saleh in Sirte einberufenen Sitzung begrüßte GNS-(Government of National Stability) Premierminister Baschagha die hochkarätigen Teilnehmer, darunter der stellvertretende Parlamentspräsident Fawzi an-Nuwairi sowie die Parlamentsmitglieder des Ausschusses für Planung, Finanzen und Haushalt.
Weitere Teilnehmer waren die stellvertretenden GNS-Premierminister Ali al-Qatrani und Khaled al-Osta, der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, der Vorsitzende der Verwaltungskontrollbehörde, der Verwaltungsrat der Libyschen Zentralbank (CBL), der Minister für Planung und Finanzen, der Verwaltungsrat der Nationalen Ölgesellschaft (NOC) und die Antikorruptionsbehörde.
Baschagha erklärte, das Treffen sei eine „ehrenvolle Form des nationalen Konsenses, der mit aufrichtigen libyschen Bemühungen zustande gekommen ist, eine solide Grundlage für die Einheit des Staates zu schaffen und den derzeitigen Zustand der Spaltung zu beenden“. Dies werde den Weg für die Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ebnen und dem Willen des libyschen Volkes in freier und transparenter Weise Rechnung tragen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf für das Jahr 2022, der eine gerechte und direkte Verteilung der Mittel an die Gemeinden gewährleiste, soll auf der Sitzung diskutiert und anschließend zeitnah dem Parlament zur Annahme vorgelegt werden. Parlamentspräsident Saleh erklärte, dass „Krieg keine Option mehr ist“ und dass die neue Regierung unter der Leitung von Fathi Baschagha ihre Aufgaben von Sirte aus wahrnehmen werde“. Derzeit werde an einer neuen Verfassung für das Land gearbeitet, die dem Volk in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden solle, um so bald wie möglich umfassende Wahlen abzuhalten. Diejenigen, die nicht mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, würden zur Rechenschaft gezogen werden. Es sei eindeutig, dass die alte GNU-Regierung unter Abdelhamid Dabaiba nicht in der Lage ist, einen korrekten Ablauf von Wahlen zu gewährleisten, da in Tripolis und anderen Orten im westlichen Libyen bewaffnete Gruppen die Durchführung von Wahlen behindern würden.
https://libyareview.com/24147/bashagha-our-government-will-pave-way-for-elections/
Schon länger wird diskutiert, die Regierungsorgane und -institutionen von Tripolis nach Sirte zu verlegen, um sie dem Einfluss der Milizen zu entziehen. Sirte liegt etwa in der Mitte des Landes an der Mittelmeerküste. Sirte könnte damit einen neuen Hauptstadtstatus erlangen.

+ 02.06.: Parlament/CBL. Laut dem Pressesprecher von Agila Saleh, Fathi al-Marimi, sollen der Haushalt der Baschagha-Regierung und die neue libysche Regierung von der Libyschen Zentralbank (CBL) finanziert werden. Sollte dies die CBL verweigern, werde sie „wegen Verstoßes gegen die Verfassungserklärung des Landes und die geltenden Gesetze strafrechtlich verfolgt“.
Der Chef der CBL, as-Siddiq al-Kebir, und der CBL-Verwaltungsrat waren nicht zu der von Saleh einberufenen Sirte-Sitzung erschienen.
https://libyareview.com/24200/libyan-parliament-warns-central-bank-of-failure-to-finance-new-government/
Die wissen schon, warum sie nicht erschienen sind. Mit Dabaiba werden diese Herrschaften auch ihre Pfründe verlieren.

+ 01.06.: US-Militär. Das US-Sondereinsatzkommando C146A Wolfhound 11-3031 wurde vor der libyschen Küste gesichtet.
https://twitter.com/GDarkconrad/status/1531938707598675969
Es wird befürchtet, dass sich die USA mit GB auf eine große Militäroffensive in Libyen vorbereiten.

+ 01.06.: Milizenkämpfe. Erneut kam es in Tripolis zu stundenlangen bewaffneten Zusammenstößen mit fünf Toten zwischen den Milizen. Beteiligt waren die Tripolis Revolutionäre Brigaden von Ayoub Buras und die Deterrence Judicial Police (Kriminalpolizei) von Osama Nadschim. Die Nadschim-Miliz hat das Hauptquartier des Geheimdienstes erfolgreich angegriffen und konnte die Kontrolle darüber übernehmen. Ein Rückeroberungsversuch der Tripolis Revolutionäre Brigaden scheiterte.
Der Flugverkehr am internationalen Mitiga-Flughafen von Tripolis wurde aufgrund von Milizenkämpfen in der Nähe des Flughafens eingestellt.
Der von Dabaiba kürzlich abgesetzte Chef des militärischen Geheimdienstes, Osama al-Dschuwaili, hatte dem scheidenden Premierminister Dabaiba eine Frist von fünf Tagen gesetzt, die Macht an den neuen Premierminister Baschagha zu übergeben. Die Milizenkämpfe setzten nach Ablauf dieser Frist ein.
Tripolis gleicht einer „abgeriegelten Militärkaserne“, nachdem die Milizen der  444. Brigade in Erwartung eines Angriffs von Dschuwailis Zintan-Milizen die Kämpfe in Tripolis in den Bezirken Qasr Bin Ghashir, Wadi ar-Rabea, as-Sayeh, Souk al-Khamis, as-Sabi`ah, al-Hira, Salah ad-Din und Khallet al-Furjan sowie auf die westlibyschen Städte Tarhuna, Bani Walid und al-Arban im Westen Libyens ausweiteten.
https://libyarise.com/militias-in-western-libya-ignite-tripoli-and-a-new-attack-on-the-intelligence-headquarters/
https://libyareview.com/24189/5-dead-in-libyan-capital-clashes/
Über die Kämpfe und Vorgänge in Libyen schweigen sich unsere „Qualitätsmedien“ aus.

+ 02.06.: Milizenkämpfe. Es kam vor dem libyschen Außenministerium in Tripolis erneut zu Zusammenstößen zwischen Milizen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1532081490267348993

+ 02.06.: Demo-Verbot. In Tripolis hat die so genannte Constitution and Elections Support Force (Verfassungs- und Wahlstreitkraft) von Dabaiba davor gewarnt, Mahnwachen oder Demonstrationen abzuhalten. Proteste gegen die mangelnde Stromversorgung, für die Rechte von Verwundeten und zu anderen Themen würden deshalb für dreißig Tage verboten.
Befürchtet wird, dass die Milizen mit Waffengewalt gegen Demonstranten vorgehen könnten, was den Konflikt verschärfen und ein völliges Chaos im Land verursachen würde.
Die Bevölkerung wird von den hohen Preise, den Verzögerungen bei Gehaltszahlungen sowie der nicht vorhandenen sozialen Gerechtigkeit schier erdrückt.
https://libyarise.com/tripoli-suffers-from-gag-mouths-dabaiba-fears-peaceful-demonstration/
Man fragt sich sowieso, wie die libysche Bevölkerung dieses seit 2011 über das Land hereingebrochene Chaos aushalten kann.

+ 31.05.: Syrische Söldner. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) halten sich noch immer etwa 7.000 syrische Söldner im westlichen Libyen auf. Sie seien zu „zu Werkzeugen in den Händen der türkischen Regierung geworden“ und müssten unverzüglich nach Syrien zurückkehren.
https://libyareview.com/24112/how-many-syrian-mercenaries-remain-in-libya/

+ 31.05.: Erdgas. Die General Electricity Company of Libya (GECOL) teilte mit, dass die Gaslieferungen aus dem Istiklal-Feld eingestellt wurden. Dies bedeutet den Verlust von 600 MW aus den Kraftwerken Nord-Bengasi und Zuitina.
https://libyareview.com/24108/libyas-gecol-600-mw-lost-due-to-gas-supply-interruption/

+ 31.05.: Erdöl. Es gab ein Leck in der Erdölleitung zwischen dem Sarir-Ölfeld und dem Verladehafen Hariga (Tobruk). Von der General Union of Oil and Gas Workers in Libya hieß es, dass das mangelnde Budget und die Unfähigkeit des Managements der Arabian Gulf Oil Company (AGOCO) für das Leck verantwortlich seien. Die Arbeiten zur Schließung des Lecks werden fortgesetzt.
Laut ACOCO sei mit dem Rückgang der Förderleistung in Höhe von 220.000 Barrel/Tag zu rechnen.
https://libyarise.com/oil-workers-union-media-office-these-are-the-reasons-for-the-oil-spill-near-the-poster-station/
https://libyarise.com/libyan-oil-loses-220-thousand-barrels-per-day-a-new-crisis/
Das Leck dürfte auch Umweltschäden verursachen.

+ 03.06.: Erdölstopp. Laut dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Arbeitnehmer des Ölhafens az-Zuitina, Marei Buridan, wird die Schließung des Hafens und die Aussetzung der Ölexporte fortgesetzt, auch wenn von vielen Nutzern die Öffnung gefordert werde.
https://libyareview.com/24261/libyan-az-zuwaytinah-port-still-closed/

+ 30.05.: LNA/IS/Tibu. Die Libysche Nationalarmee (LNA) gab bekannt, dass sie bei einer Militäroperation in der südlichen Stadt Qatrun mehrere Militärfahrzeuge zerstört und einen IS-Kommandeur festgenommen hat. Kampfflugzeuge der libyschen Luftwaffe unterstützten die am Boden vorrückenden LNA-Truppen. Die LNA werde ihren „Krieg gegen den Terrorismus, die tschadischen Milizen und die Überreste von ISIS“ fortsetzen.
Der Oberste Politische Rat des Tibu-Stammes, der in dieser Gegend beheimatet ist, bekräftigte seine Unterstützung für den libyschen Staat und seine nationalen Institutionen, an dessen Spitze  die Armee und die Sicherheitsorgane stehen, und ihr Recht, jeden Zentimeter des libyschen Staatsgebiets zu kontrollieren.
https://libyareview.com/24087/libyan-army-arrests-is-commander-in-southern-libya-clashes/
https://libyarise.com/a-statement-by-the-tabu-tribes-to-support-the-army-and-security-against-the-background-of-military-developments-in-the-south/

+ 02.06.: LNA/Dabaiba/IS. LNA-Sprecher Generalmajor Ahmed al-Mismari sagte, dass terroristische Organisationen in Libyen „ihre Gelder durch Menschenhandel und illegale Einwanderung verdienen“. Er warf Abdelhamid Dabaiba vor, „Gelder für terroristische Milizen bereitgestellt zu haben“.
Es gebe eine Verbindung zwischen den IS-Mitgliedern in Libyen und denen auf dem Sinai in Ägypten. Der IS versuche auch, sich in den Grenzgebieten zum Tschad und zum Niger auszubreiten. LNA-Operationen gegen terroristische Organisationen an der tschadischen Grenze dauerten an. Auch im Gebiet des Tschad nahe der libyschen Grenze sei es zu bewaffneten Zusammenstößen gekommen. Militärische Einheiten seien in Qatrun und Murzuq vor Ort, um die Grenzen zu sichern.
https://libyareview.com/24182/libyan-army-accuses-dbaiba-of-funding-terrorist-militias/

+ 01.06.: Stephanie Williams/CDA. Der Leiter des Gremiums zur Erstellung des Verfassungsentwurfs (Constitution Drafting Assembly/CDA), ad-Dschilani Arhuma, hat sich in einem Brief an den UN-Generalsekretär Guterres über die Sonderberaterin für Libyen, Stephanie Williams, beschwert. Arhuma warf Williams vor, ihre Macht zu missbrauchen und Kompetenzen zu überschreiten. Williams weigere sich, „mit der CDA zu kommunizieren, die sie nicht als eine souveräne Institution anerkennt“.
Williams habe sich „geweigert, die CDA, die mit dem Verfassungsprozess befasst ist, in Dialoge und bei Konferenzen miteinzubeziehen, auch nicht in die laufenden Kairo-Gespräche“.
Williams habe „vor kurzem ein parallel arbeitendes Komitee gebildet, um den von dem gewählten Gremium ausgearbeiteten Verfassungsentwurf zu ändern, was gegen die Bestimmungen der Interimsverfassungserklärung, des Libyschen Politischen Abkommens und der entsprechenden Urteile der libyschen Justiz verstößt“. Williams Vorgehen laufe den Zielen der UN zuwider und stelle eine „eklatante und offensichtliche Einmischung für die Interessen bestimmter Parteien dar, um politische Vorteile zu erzielen“.
Der Brief war auch an die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie an die Botschafter der USA, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Deutschlands, Ägyptens, der Türkei, Algeriens, Tunesiens, Katars und der VAE gerichtet.
https://libyareview.com/24144/libyan-official-urges-un-to-stop-williamss-misuse-of-power/
Die USA wollen mit Hilfe von Stephanie Williams und den Moslembrüdern die neue Verfassung für Libyen schreiben.

+ 03.06.: Baschagha/USA. Premierminister Fathi Baschagha führte in Washington „positive Gespräche“ mit hochrangigen Vertretern der USA.
https://libyareview.com/24232/libyas-bashagha-senior-us-officials-meet-in-washington/

+ 04.06.: GreatMan-Made-River. Der GMMR ist durch den Krieg stark beschädigt worden. Nun müssten 40 Milliarden USD investiert werden, um das riesige Leitungssystem wieder instand zu bringen. Insgesamt seien für das gesamte Projekt 85 Milliarden USD aufzuwenden. Die Städte in der Dschufra-Region leiden unter einem schweren Wassermangel.
Der GMMR leitet fossiles Grundwasser aus der Sahara in die Küstenstädte und in die landwirtschaftlichen Bewässerungssysteme. Libyens Wasserversorgung ist vom GMMR abhängig.
https://libyarise.com/douma-al-jufra-project-aims-to-transfer-1-6-million-cubic-meters-of-water-to-the-north/

+ 31.05.: AU/Terrorismus. Mussa Faki von der Afrikanischen Union (AU) erklärte bei einem außerordentlichen AU-Gipfel, dass der Terrorismus mit dem Beginn der Libyen-Krise 2011 auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zugenommen hat. Ausländische Söldner hätten in die Sahelzone vordringen können ebenso wie Terrorgruppen, die im Nahen Osten besiegt worden waren. „Seitdem hat der Terrorismus weite Teile Afrikas erreicht, von Libyen über Mosambik, Mali, Guinea, Somalia und die Sahelzone, sowie den Tschad und die Demokratische Republik Kongo“.
https://libyareview.com/24102/african-union-libyan-crisis-increased-terrorism-in-africa/

+ 30.05.: Gaddafi-Familie/UN. Nachdem der UN-Sicherheitsrat der Ehefrau des ermordeten Muammar al-Gaddafi, Safiya Farkasch, sowie Gaddafis Sohn Muhammad und Tochter Aisha eine Reisegenehmigung für Reisen aus humanitären Gründen für sechs Monate vom 1. Juni an erteilt hat, hat die Gaddafi-Familie ihr tiefes Bedauern über die „anhaltende internationale Verfolgung“ der Familie durch den UN-Sicherheitsrat zum Ausdruck gebracht. Die Entscheidung wurde als „ungerecht“ bezeichnet, ihre fortgesetzte Verfolgung spiegele „nur den Zustand des moralischen und ethischen Bankrotts der internationalen Gemeinschaft und ihrer Institutionen“ wider. Weiter heißt es: „Zu einem Zeitpunkt, an dem wir ein Ende dieser ungerechten Maßnahmen erwarteten, beschloss der Sicherheitsrat, diese ungerechten Beschränkungen fortzusetzen, wobei er die Augen vor den Verbrechen der Terrormilizen und Warlords und der katastrophalen Lage in unserem Land, Libyen, verschloss“.
2011 verbot der Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrats der Witwe von Oberst Muammar al-Gaddafi, Safiya Farkasch, und anderen Familienmitgliedern, die heute im Oman leben, Reisen und ordnete die Beschlagnahme ihres gesamten Auslandsvermögens an. Die Resolution verpflichtet Länder, die ihnen die Einreise oder den Transit durch ihr Hoheitsgebiet gestatten, den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft oder ihrem Transit schriftlich zu benachrichtigen und dabei das Datum ihrer Einreise und die voraussichtliche Dauer ihres Aufenthalts anzugeben.
https://libyareview.com/24084/gaddafi-family-deplores-their-international-pursuit-by-un/
Fürchtet sich der Westen immer noch so sehr vor Gaddafi, dass er solche ungerechte Sippenhaft gegen zwei Frauen und den Sohn Gaddafis aus erster Ehe immer noch meint, aufrechterhalten zu müssen? Jämmerlich!

+ 02.06.: Morde. Laut dem Leiter der Nationalen Kommission für Menschenrechte in Libyen (NCHRL), Ahmed Abdelhakim wurden zwischen Januar und Mai dieses Jahres landesweit 172 außergerichtliche Tötungen begangen. Dies beweise, dass die Straflosigkeit immer mehr um sich greife und die Strafverfolgungsbehörden keine Rolle spielten. Der Schutz des Lebens und des Eigentums von Bürgern müsse besser geschützt werden.
https://libyareview.com/24163/libya-documents-172-extrajudicial-killings-in-2022/

+ 01.06.: Migrantenlager. Obwohl sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch von der UN immer wieder gefordert wird, dass die im westlichen Libyen bestehenden Migrantenlager aufgrund massiver Menschenrechtsverletzungen dringend geschlossen werden müssten, wurde in Tripolis ein neues Lager eröffnet.
Im Januar hatte UN-Generalsekretär Guterres berichtet, dass offiziell mehr als 12.000 Gefangene in Lagern festgehalten werden. Weitere werden illegal und oft unter unmenschlichen Bedingungen in geheimen Einrichtungen, die von Milizen kontrolliert werden, festgehalten.
https://libyareview.com/24151/new-migrant-detention-center-opens-in-libyan-capital/

+ 01.06.: Migration. Die libysche Küstenwache hat 64 Insassen eines Schlauchbootes, die auf dem Weg nach Europa waren, vor der Küste bei Mellita „gerettet“. In der vergangenen Woche waren vier Migranten ertrunken, 17 weitere wurden gerettet, nachdem ihr Boot nordwestlich von Libyen sank.
https://libyareview.com/24158/64-migrants-rescued-off-libyan-coast/
Das neue Lager muss ja gefüllt werden.

+ 02.06.: Migration. Wie Ärzte ohne Grenzen feststellte, werden „jeden Monat im Durchschnitt etwa 2.000 Migranten aus Libyen und Algerien ausgewiesen, darunter auch Schwerverletzte, Vergewaltigungsopfer und Menschen mit schweren Traumata. Nach der Abschiebung werden diese Migranten mitten in der Wüste an der algerisch-nigerianischen Grenze ausgesetzt, an einem Ort, der Point Zero genannt wird, 15 km von der Stadt Assamaka entfernt.“
Laut Ärzte ohne Grenzen habe die Zahl der aus Libyen abgeschobenen Menschen in den letzten Jahren zugenommen. In Libyen wurden allein von Januar bis Mai dieses Jahres 14.196 Menschen abgeschoben, darunter auch Frauen und Kinder.
Im Jahr 2015 verabschiedete Niamey ein Gesetz, das den Menschenhandel unter Strafe stellt und mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bedroht.
https://libyareview.com/24168/msf-denounces-inhumane-treatment-of-migrants-in-libya/
Die Migrantenrouten führen durch Wüsten- uns Grenzgebiete, die kaum kontrollierbar sind, auch weil es sich um Stammesgebiete handelt, die sich über mehrere Ländergrenzen hinweg erstrecken.

+ 30.05.: Russland/Westen/Heuchelei. In einem Interview sagte der russische Außenminister Lawrow: „Die Heuchelei des Westens zeigte sich in den Reaktionen auf die Entscheidungen der Vereinigten Staaten und der NATO in Situationen wie Jugoslawien 1999, Irak 2003 und Libyen 2011.“ Und weiter: „Diese Bedrohungen befanden sich mehr als 10.000 Kilometer von der amerikanischen Küste entfernt, aber alle folgten Washington, um zuerst Jugoslawien, dann den Irak und dann Libyen zu zerstören“.
Lawrow wies auch darauf hin, dass das russische private Militärunternehmen Wagner in Libyen und Mali auf „kommerzieller Basis“ tätig sei. In Libyen sei die Wagner-Gruppe von den Behörden in Tobruk eingeladen worden. Sie habe nichts mit dem russischen Staat zu tun.
https://libyareview.com/24096/lavrov-west-destroyed-libya/

+ 02.05.: Italien/Freundschaftsvertrag. Die Präsidentin des italienischen Senats, Stefania Craxi, betonte, die Regierung dürfe den zwischen dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und Muammar al-Gaddafi unterzeichneten Freundschafts- und Kooperationsvertrag zwischen Italien und Libyen nicht ignorieren. Craxi sagte, laut dem Vertrag „hätten wir im Falle eines Angriffs an der Seite Libyens in den Krieg ziehen müssen, aber wir haben das Gegenteil getan. Auf Betreiben der Franzosen und Amerikaner haben wir etwas getan, was unsere Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt geschwächt hat. Diese Sache war fatal, denn dieser Vertrag war im Interesse unseres Landes“.
https://libyareview.com/24172/italian-senate-rome-should-not-ignore-friendship-treaty-with-libya/
Hört, hört! Dieses heutige Eingeständnis ist den wirtschaftlichen Interessen Italiens geschuldet, dass auch im östlichen Libyen nach bilateralen Kontakten sucht. In der ganzen arabischen Welt haben die westlichen, insbesondere auch die europäischen Länder Ansehen und Reputation eingebüßt.

+ 05.06.: IRINI. Der UN-Sicherheitsrat hat die EU-Marineoperation IRINI um ein Jahr verlängert. IRINI soll auf hoher See vor der libyschen Küste Schiffe inspizieren, die verdächtig sind, Waffen nach Libyen zu bringen und damit gegen das UN-Waffenembargo zu verstoßen.
Erst vor wenigen Tagen hatte ein UN-Expertengremium festgestellt, dass das Waffenembargo von 2011 nach wie vor „völlig unwirksam“ ist.
https://libyareview.com/24230/un-extends-operation-irini-in-libya/

 

Aus anderen Ländern

+ Palästina/Israel. „Wieder eine Journalistin. Israels Armee erschießt binnen 24 Stunden eine Palästinenserin und zwei Palästinenser.“ Wiederum haben „israelische Soldaten auf der besetzten Westbank unweit von Al-Chalil (hebräisch: Hebron) die 31jährige Journalistin Ghufran Warasna erschossen. Warasna sei von […] einer Kugel knapp neben dem Herzen in die Brust getroffen worden.“ Die Armee habe die Nothelfer fast 20 Minuten daran gehindert, die Schwerverletzte medizinisch zu versorgen. „Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sind seit Anfang des Jahres 62 Palästinenserinnen und Palästinenser auf der Westbank durch israelische Kugeln umgekommen. Die Autonomiebehörde sprach in der Vergangenheit von »außergerichtlichen Hinrichtungen«.“
https://www.jungewelt.de/artikel/427688.pal%C3%A4stina-und-israel-wieder-eine-journalistin.html

+ Iran/Israel. „Die Spannungen zwischen Iran und Israel nehmen nach der jüngsten Eskalation um den ermordeten iranischen Oberst Sajjad Chodai in Teheran wieder zu. Israel hat seinen Bürgern nun davon abgeraten, in die Türkei zu reisen, während das Land seine Alarmbereitschaft angesichts iranischer Drohungen als Reaktion auf die Ermordung des iranischen Offiziers erhöht. Zwei Motorradfahrer griffen Chodai am 22. Mai auf offener Straße an und töteten ihn mit fünf Schüssen.“
https://rtde.live/der-nahe-osten/139741-nach-ermordung-von-iranischem-offizier/

+ VAE/Israel. „Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate haben am Dienstag ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, durch das auf etwa 96 Prozent des Warenaustausches zwischen beiden Ländern kein Zoll mehr gezahlt werden muss. Es ist die erste derartige Vereinbarung zwischen Israel und einem arabischen Staat. Das Handelsvolumen der beiden Länder seit der »Normalisierung« ihrer Beziehungen im September 2020 beläuft sich auf 2,5 Milliarden US-Dollar. Für die Jahre 2023 und 2024 wird ein Warenaustausch im Wert von fünf Milliarden US-Dollar angestrebt.“
https://www.jungewelt.de/artikel/427619.verrat-an-pal%C3%A4stinensern-schleichweg-zur-normalisierung.html

+ Iran/Griechenland/USA. „Zwei griechische Tanker befinden sich unter Kontrolle der Revolutionsgarde. Dabei spielen auch die USA und griechische Behörden zentrale Rollen.
Behörden des Irans haben zwei griechische Tanker festgesetzt, um sich gut 100.000 Tonnen Rohöl zurückzuholen, die zuvor auf einem anderen Schiff in Griechenland konfisziert worden waren.“ Dies geschah, nachdem sich die griechische Regierung als besonders >berechenbarer Verbündeter< der USA erweisen wollte und von einem in Griechenland festgesetzten Tanker iranisches Öl umgeladen und in die USA verschifft hat. „Piraterie gegen Piraterie.“
https://www.heise.de/tp/features/Geklaut-und-zurueckgeklaut-Das-steckt-hinter-dem-griechisch-iranischen-Oelkrieg-auf-offenem-Meer-7130301.html?seite=all

+ Griechenland/Iran/Ölversorgung. Griechenland hat „einen Tanker mit iranischem Öl gekapert und das Öl den USA übergeben. Daraufhin hat der Iran zwei griechische Tanker im Persischen Golf gestoppt und festgesetzt. Sollte der Iran mit solchen Vergeltungsmaßnahmen fortfahren, wäre der Persische Golf für griechische Tanker de facto geschlossen.
Griechenland hat aber die größte Tankerflotte der Welt. Was würde es für die europäische Ölversorgung bedeuten, wenn griechische Tanker kein Öl mehr aus den arabischen Ländern holen können?
https://www.anti-spiegel.ru/2022/was-haben-das-zugunglueck-in-bayern-und-griechische-tanker-miteinander-zu-tun/

+ Syrien/Türkei. „Die syrische Armee hat ihre Stellungen in Nordsyrien in der Nähe von Gebieten, die von türkischen Streitkräften und bewaffneten protürkischen Milizen kontrolliert werden, mit militärischem Personal und Ausrüstung verstärk. Die syrische Regierung hatte am Vortag erneut ihre Ablehnung einer möglichen weiteren türkischen Militäroperation in Syrien erklärt.  Syrien lehne die feindseligen militärischen Handlungen ab, die von den türkischen Besatzungstruppen vor einigen Tagen auf Teile des syrischen Territoriums im Norden gestartet worden seien, so das Außenministerium in Damaskus, das diese Handlungen als >Kriegsverbrechen< und >Verbrechen gegen die Menschlichkeit< verurteilte, da sie eine geografische und ethnische Säuberung darstellten. […] Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität Syriens könne nicht zum Gegenstand von „Erpressung“ durch oder Handel mit dem „extremistischen türkischen Regime“ gemacht werden. […] Seit dem Jahr 2016 führte die Türkei bisher drei völkerrechtswidrige Militäroperationen auf syrischem Gebiet durch und besetzt seitdem weite Teile des Landes.“
https://rtde.live/der-nahe-osten/139890-angesichts-moeglicher-turkischer-offensive-syrien-schickt-verstaerkung-in-den-norden/

+ Marokko/Westsahara/Deutschland. „Wertegeleitete Außenpolitik? Die Bundesregierung ist auf dem Weg, die illegale Besatzung der Westsahara durch Marokko faktisch anzuerkennen. Das hat Konsequenzen für die Energieversorgung. […] Marokko hatte den Botschafter aus Berlin zurückgezogen, da die Merkel-Regierung auf die Erpressungsversuche nicht einging und sich in der Frage der Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara quergestellt hatte. Berlin hatte stets auf die Resolutionen der Vereinten Nationen (UN) verwiesen und sich besorgt über die Menschenrechtslage in den besetzten Gebieten gezeigt. Dann kam der Regierungswechsel.“ Auch Berlin bewegt sich [unter einer Außenministerin Baerbock] „auf eine faktische Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara“ zu und ist bereit, das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis gegenüber wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen zu opfern“.
Sevim Dagdelen, Obfrau für „Die Linke“ im Auswärtigen Ausschuss: „Die faktische Ignoranz der Bundesregierung gegenüber der fortwährenden Besatzung der Westsahara durch Marokko spricht der selbsterklärten menschenrechtsbasierten Außenpolitik Hohn. […] Es ist eine einzige große Heuchelei, wenn Baerbock eine wertegeleitete Außenpolitik proklamiert, die Ministerin aber gleichzeitig eine klare Benennung der Annexion und Besetzung der Westsahara durch Marokko als illegale Okkupation sowie als Verstoß gegen das Gewaltverbot verweigert.“
https://www.heise.de/tp/features/Voelkerrechtliche-Prinzipien-werden-billig-fuer-gruenen-Wasserstoff-verkauft-7128221.html?seite=all

+ WHO/Afrika. Afrika hat uns erst einmal gerettet: „Ein radikaler Vorschlag der US-Regierung zur Verschärfung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) ist auf der 75. Weltgesundheitsversammlung der WHO in Genf am Widerstand afrikanischer und anderer Länder gescheitert, die sich einer Gesundheitsdiktatur aus Washington und Genf nicht so einfach unterwerfen wollten. Nun wird bis 2024 verhandelt parallel zum geplanten globalen Pandemievertrag. […]  Grund des vorläufigen Scheiterns war der Widerstand der ärmeren und schwächeren Länder, die sich keine sie entmachtende Reform bieten lassen wollten, ohne überhaupt am Reformprozess beteiligt worden zu sein. Das Scheitern ist allerdings nur vorläufig.“
https://norberthaering.de/macht-kontrolle/wha75-ihr-verschaerfung/

+ Türkei/Griechenland. „Die türkische Regierung verschärfte ihren Ton gegenüber Griechenland bereits unlängst, als Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Dienstag das Nachbarland aufforderte, sein Militär von Inseln in der Ägäis – wie Rhodos, Kos, Lesbos und Samos – abzuziehen. Das griechische Außenministerium sagte, Çavuşoğlus Kommentare zeigten, dass die Türkei Athen bedrohe. Griechenland wiederum hatte in den vergangenen Wochen verstärkt scharfe Kritik an Überflügen türkischer Kampfjets über griechische Inseln in der östlichen Ägäis geäußert.“
https://rtde.live/international/139960-spannungen-flammen-wieder-auf-turkei/

 

 A. Gutsche

 

 

 

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