Libyen im August
Was geschah… eine
unvollständige Auflistung
August 2015
04.08. Amnesty International gibt bekannt, dass in
Libyen zwischen Februar 2014 und April 2015 etwa 600 Menschen verschleppt
wurden. Viele der Entführten würden gefoltert und hingerichtet, von vielen Opfern
sei das Schicksal ungeklärt.
04.08. Sputniknews Deutschland verweist auf ein youtube-Video, in
dem gezeigt wird, wie der Sohn Muammar al-Gaddafis, Saadi al-Islam, gefoltert wird. Zunächst sitzt Saadi
al-Islam im grünen Trainingsanzug und mit schwarzer Augenbinde auf einem Stuhl,
später wird er auf den Boden gelegt, seine Beine werden an ein Eisengestell
gebunden und er wird auf die Fußsohlen geschlagen; später erhält er – wieder
sitzend – auch Schläge ins Gesicht.
Es ist deutlich erkennbar, dass im Nebenraum ein anderer Häftling gefoltert
wird, seine Schreie sind hörbar. Saadi al-Islam ist gezwungen, diese Folterung
mitzuverfolgen.
Das Gesicht der ausführenden Folterer ist nicht erkennbar.
https://www.youtube.com/watch?t=16&v=wkRbhfqJX5E
Das Video wurde von einem Wärter im Hochsicherheitsgefängnis al-Hadba in
Tripolis aufgenommen, das dem libyschen Fadschr (Morgendämmerung) untersteht,
eine islamistische Milizenallianz, die gegen die international anerkannte
Regierung mit Sitz in Tobruk kämpft.
Saadi al-Islam wird unter anderem vorgeworfen, während seiner Zeit als
Vorsitzender der libyschen Fußballvereinigung für den Tod eines Fußballspielers
verantwortlich zu sein. Vor seiner Zeit als Vorsitzender der libyschen
Fußballvereinigung spielte er für einige italienische Fußballclubs und hatte
einen Ruf als Playboy. Nach dem Sturz seines Vaters Muammar al-Gaddafi floh
Saadi in den Niger und wurde von dort 2014 an Tripolis ausgeliefert.
Das Folter-Video wurde nur eine Woche nach der Bekanntgabe des
Todesurteils des Bruders von Saadi al-Islam, Saif al-Islam, veröffentlicht. Saif
al-Islam befindet sich allerdings in Sicherheit. Weitere acht
Angeklagte, unter ihnen Libyens ehemaliger Premierminister al-Baghdadi
al-Mahmoudi, wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt und andere 24 ehemalige
Dschamahirija-Funktionäre zu langjährigen Haftstrafen. Die Vollstreckung der
Urteile wird in etwa zwei Monaten erwartet. Beim Obersten Gericht kann Berufung
eingelegt werden.
Die Anwälte der
Gefangenen und Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch sind tief besorgt
über das Schicksal der ehemaligen Gaddafi-Funktionäre.
Im Bericht des
BBC-Korrespondenten Rana Jawad zum Prozess steht folgender bemerkenswerter
Satz: „Perhaps it would be more convenient for countries such as France and the
UK if these men were executed.“ („Es wäre für Länder wie Frankreich und
Großbritannien sicher praktischer, wenn diese Leute exekutiert würden.“) Das
Ausbleiben jeder offiziellen Reaktion des Westens auf das augenfällig unfaire
Gerichtsverfahren und die gefällten Todesurteile wirft die Frage auf, ob die
Verurteilten nicht einfach zu viel wissen.
Die Anwälte der Verurteilten beklagen, dass ihre Mandanten geschlagen worden
seien und nicht ärztlich betreut würden. Ein enger Vertrauter Muammar
al-Gaddafis ist erst vor kurzem in der Haft verstorben.
Doch nicht nur die Angeklagten, auch die Anwälte der Beschuldigten müssen
ständig um ihr Leben fürchten, einem Anwalt wurde kürzlich ins Bein geschossen.
Das gesamte Justizpersonal in Tripolis wird bedroht und mit Waffengewalt unter
enormen Druck gesetzt. Richter wurden in den vergangenen Monaten entführt,
einige auch ermordet. Die Durchführung fairer Prozesse ist völlig unmöglich,
nur den Machthabern in Tripolis genehme politische Urteile werden akzeptiert.
06.08. Weit weniger Aufmerksamkeit als dieser
politische Schauprozess in Tripolis findet das bedrohliche Schicksal von etwa
3.700 Frauen, die seit 2011 in Misrata unter entsetzlichen Bedingungen
eingekerkert sind. Auch an anderen Orten werden politische Gefangene
festgehalten und gefoltert.
Dieses Jahr wurden in der Stadt Misrata zwar schon dreimal Eingekerkerte aus
dem Jawiya-Gefängnis freigelassen, insgesamt 170. Es werden aber allein in
diesem Gefängnis noch weitere 430 politische Gefangene seit über vier Jahren
festgehalten. Ihnen wird vorgeworfen, für Gaddafi gekämpft zu haben.
06.08. Breaking News: Ein Video zeigt, wie in Bengasi Anhänger der
Dschamahirija mit lauten „Muammar, Muammar“-Rufen demonstrieren, Grüne Fahnen
schwenken und Bilder des ehemaligen libyschen Machthabers Gaddafi hochhalten.
Sie fordern die Freilassung von Saif al-Islam.
Wegen Kämpfen zwischen der libyschen Regierung und islamistischen Gruppen wurde
der Hafen von Bengasi geschlossen. In der Stadt mangelt es an Weizen und
anderen Nahrungsmitteln sowie Benzin.
06.08. Vor Libyen ist ein Flüchtlingsboot gekentert, bisher konnten etwa 400
Menschen gerettet werden, hunderte Tote werden befürchtet. Die italienische
Polizei hat fünf mutmaßliche Schleuser festgenommen.
Es muss immer wieder die Frage
nach den Verantwortlichen für diese Tragödien gestellt werden. Wer ist
verantwortlich für die ganzen Kriegsflüchtlinge? Wer hat Libyen von einem
stabilen, reichen Land in den Abgrund gebombt? Wer lässt den afrikanischen Ländern
durch die ungerechten, erzwungenen Handelsabkommen keine Luft zum Atmen?
Wer hat den IS erfunden und groß gemacht und steht einer effektiven Bekämpfung
im Weg?
07.08. Nach seinem Besuch in Ägypten ließ der französische Präsident
Holland vermelden, dass Ägypten und Saudi-Arabien die beiden an Russland
nicht ausgelieferten Mistral-Schiffe kaufen wollen. Ein saudischer Diplomat
gab bekannt: „König Saud will … eine maritime Streitmacht zum Schutz der Region
im Roten Meer und im Mittelmeer aufbauen.“ Dahinter stehe die Idee einer
gemeinsamen arabischen Streitmacht, die in Krisenzonen wie Libyen eingreifen
könne.
09.08. Bei der Explosion einer Autobombe in Derna sterben neun
Menschen, weitere 19 werden verletzt. Der IS hat eine Offensive gestartet, um
Derna wieder unter seine Kontrolle zu bekommen. Vor zwei Monaten ist es
den Bewohnern von Derna gelungen, die Dschihadisten des IS aus ihrer Stadt zu
vertreiben.
11.08. Eine neue Verhandlungsrunde über ein Friedensabkommen unter
UNO-Vermittlung hat heute in Genf begonnen. Nachdem den Machthabern in
Tripolis, dem islamistischen Fadschr, mit Sanktionen gedroht wurde, falls sie
sich weiterhin dem Dialog verweigern, setzten die Muslimbrüder in Tripolis
unter Waffendrohungen durch, dass eine Delegation nach Genf geschickt wird.
Die bisherigen Verhandlungsergebnisse sehen vor, dass das libysche Parlament
seine jetzige Funktion beibehält und die jetzigen Machthaber in Tripolis einen
Staatsrat bilden, der nur geringe Befugnisse erhält. Vorgesehen ist, dass diese
Gremien in einer auf zwei Jahre veranschlagten Übergangszeit das Land führen. Der
dschihadistische Fadschr in Tripolis will aber nicht nur bei der Vergabe von
politischen Posten stärker beteiligt werden, sondern auch bei der Besetzung der
Ämter der National Oil Corporation und der libyschen Zentralbank, er will also
ran an die Futtertröge.
Es stellt sich die
Frage, wieso der Westen den Machthabern in Tripolis mit Sanktionen droht. Dies
bedeutet doch, dass der Westen mit dem libyschen Fadschr Geschäfte macht und
diesen unterstützt, obwohl dieser die anerkannte und gewählte libysche Regierung
mit Waffengewalt bekämpft und außerdem für die unerträglichen
Flüchtlingstragödien im Mittelmeer nicht nur verantwortlich ist, sondern auch
gut daran verdient und die kriminellen Schleuser schützt.
In Libyen soll eine Übergangszeit
die nächste ablösen. Bereits 2011 wurde für eine Übergangszeit ein Übergangsrat
installiert, dann wurden dreimal Wahlen abgehalten und jetzt soll es wieder
eine zweijährige Übergangszeit geben! Und dies, weil ein durch nichts außer
durch Gewaltanwendung autorisiertes Regime in Tripolis mit Hilfe des Westens an
die Macht kommen will!
Völlig außer Acht gelassen werden dabei die in Libyen vorherrschenden
Stammesstrukturen. In den Anfängen schwebte auch Gaddafi vor, aus Libyen einen
starken Nationalstaat zu formen. Doch schon bald musste er die Gegebenheit der
mächtigen Stammesstrukturen zur Kenntnis nehmen und überließ klugerweise das
Sagen im Land den Stammesältesten. Er verstand sich als Vermittler, deshalb
ließ er sich auch nur Oberst titulieren und hatte kein offizielles Amt in
Libyen inne. Das war sein Erfolgsrezept, mit dem er über 40 Jahre das Land
stabil hielt.
Bernardino Léon
drängt auf eine Lösung noch im September, ansonsten könnte das Land im Chaos
versinken. Das Land ist bereits im Chaos versunken! Eine schnelle Lösung soll
sowohl den erfolgreichen Vormarsch des Grünen Widerstands sowie eine weitere
Einflussnahme der Dschamahirija bei den völlig desillusionierten Libyern
verhindern. Schnell muss ein Friedensvertrag her, auch wenn der in der
libyschen Realität nicht die Tinte wert ist, mit der er geschrieben wurde,
denn: In den USA beginnt der Wahlkampf und dabei darf das offenkundig totale
politische Versagen der Außenministerin Hillary Clinton nicht so offensichtlich
werden!
11.08. Die Versorgungslage in Tripolis wird immer dramatischer. Täglich müssen die
Menschen der Stadt zehn Stunden auf Strom verzichten, durch den damit
verbundenen Ausfall der elektrischen Pumpen ist in dieser Zeit die Wasser- und
Benzinversorgung unterbrochen. Vor den Bäckereien bilden sich lange Schlangen,
da es an Mehl mangelt. Einige Krankenhäuser mussten aus Mangel an Medikamenten
und medizinischem Material bereits schließen, Impfstoff ist knapp. Da die
islamistischen Machthaber die Menschen der Stadt nicht mehr versorgen können,
drücken immer mehr Einwohner ihren Unmut durch Demonstrationen aus.
Diese Armut ist eine Schande für das einstmals reichste Land Afrikas, das
andere afrikanische Länder unterstützen konnte!
12.08. Video von Dschamaharija
News: Der Grüne Widerstand schießt in der Stadt Brak ein Militärflugzeug ab,
dass versuchte, Demonstranten zu bombardieren:
In Brak al Shati (im Süden, nicht weit von Sebha gelegen) bildet sich ein mit
grünen Fahnen geschmückter Autokorso. Ein Militärjet nähert sich der
Demonstration. Er wird beschossen, Rauchfahnen steigen auf, der Jet stürzt ab.
Die Menschenmenge jubelt.
https://www.youtube.com/watch?v=qNnLuY6Az-Q
Bereits eine Woche nach der
Verkündung des skandalösen Urteils gegen Saif al-Islam und ehemalige
Gaddafi-Funktionäre begannen die Straßenproteste im ganzen Land, die die
Freilassung der verurteilen Dschamahirija-Funktionäre forderten. Wie das
libysche Fernsehen zeigte, gingen Männer, Frauen und Kinder, den ganzen
Altersquerschnitt repräsentierend, im Westen, Osten und Süden für Gaddafi auf
die Straße, ein Beweis, dass die Gaddafi-Bewegung über einen großen Rückhalt im
ganzen Land verfügt. Die Proteste verliefen im Osten größtenteils
friedlich, während in Gebieten, deren Machthaber dem Regime in Tripolis loyal
gegenüberstehen, den Protesten sogar mit Schüssen begegnet wurde.
In Sebha, der Hauptstadt des Fessan, immer noch eine Hochburg der
Gaddafi-Getreuen, gingen die Demonstrationen bald in bewaffnete
Auseinandersetzungen über. In der Stadt Tarhuna, etwa 60 Kilometer südöstlich
von Tripolis und Heimatstadt des größten libyschen Stammes, schlugen die
zunächst friedlichen Proteste in Zusammenstöße zwischen den Demonstranten und
den mit Tripolis verbündeten Milizen um.
Wie „foreignpolicy“ schreibt, haben diese Pro-Gaddafi-Proteste das
Potential, sich zu einer Nationalbewegung gegen die sogenannte
„2011-Revolution“ zu entwickeln. Inzwischen sind einfach zu viele Libyer zu
tief enttäuscht von der Entwicklung, die das Land seit dem Sturz Gaddafis nahm.
Nach dem Zusammenbruch jeglicher staatlicher Institutionen und dem Zustand der
permanenten Unsicherheit und Gefahr fragen sich viele, was der Sturz Gaddafis
tatsächlich bezwecken sollte, sorgte Gaddafi doch immerhin für einen kontinuierlichen
Anstieg des Wohlstands. In ganz Libyen besteht inzwischen darüber Konsens, dass
die Gräueltaten, der Missbrauch und die Korruption der Anti-Gaddafi-Gruppen,
die seit 2011 das Land beherrschen, weit über das hinausgehen, was Gaddafi
vorgeworfen worden war.
Beklagt wird auch, dass beispielsweise die Bewohner von Derna und Sirte im
Stich gelassen wurden, als sie sich gegen die IS-Kämpfer zu wehren versuchten.
So zogen die Misrata-Brigaden, die in Sirte stationiert waren, einfach ab, als
sie von IS-Kämpfern angegriffen wurden und lieferten die Stadt und deren
Menschen dem IS aus. Ein Stammesführer des Gaddadfa-Stamms (diesem Stamm
gehörte auch Gaddafi an) meinte in einem Interview: „Wir haben keine Waffen, um
gegen den IS zu kämpfen. Und wenn wir um Waffen bitten, werden wir total
ignoriert.“ Die allgemeine Meinung lautet: Die momentanen Machthaber kümmern
sich nicht um die Lage der normalen Menschen.
12.08. Abdullah al-Thennis Rücktritt war ein
Missverständnis. Für Aufregung sorgte die angebliche Ankündigung des
Rücktritts des libyschen Regierungschefs während einer Fernsehsendung. Später
berichtigte al-Thenni, er hätte nur gesagt, er könne zurücktreten, wenn man
jemand anderen finde, der die Probleme in Libyen besser löse.
12.08. Etwa 60 Menschen werden vermisst, nachdem
ein Schlauchboot von Emigranten vor der
Küste Libyens gekentert ist. 54 Flüchtlinge konnten gerettet werden.
Insgesamt wurden am 11.08. mehr als 1.500 Flüchtlinge von sieben Schiffen in
Sicherheit gebracht.
12.08. Hillary Clintons Privatkrieg gegen Libyen. Die
Washington Times berichtet in einem Artikel, welches Tauziehen es 2011 zwischen
Hillary Clinton, die Libyen bombardieren wollte, und dem Pentagon, das davor
zurückschreckte, gab.
Clintons Hauptargument war, dass die Zivilbevölkerung vor einem Massaker durch
Gaddafi geschützt werden müsse. Allerdings gaben Regierungsbeamte der Times
gegenüber an, dass ihr die Geheimdienstmitarbeiter diesbezüglich nicht
zustimmten, sondern im Gegenteil der Meinung waren, dass es äußerst unwahrscheinlich
sei, dass Gaddafi zivile Opfer verantworten wolle. Führende
Verbindungsoffiziere hätten sich strikt gegen Clintons Empfehlung zum Einsatz
von Gewalt ausgesprochen.
Während Clinton 2011 das Pentagon drängte, die Kontakte zum Gaddafi-Regime
abzubrechen, waren Geheimdienstmitarbeiter noch Monate lang in Kontakt mit
libyschen Verbindungsoffizieren. Weiter berichtet die Times, dass ein
US-General anfangs den Versuch unternahm, in direkte Verhandlungen mit seinen
libyschen militärischen Gegenspielern einzutreten; und General Carter Ham,
Oberst im Afrika-Kommando, versuchte, einen 72-stündigen Waffenstillstand zu
erreichen und einen Vermittler einzuschalten. Auch der ehemalige Marineadmiral
Charles Kubic, der sich als Berater in Libyen aufhielt, berichtete, er sei von
den damaligen libyschen Militärführern gebeten worden, sich für eine Waffenruhe
einzusetzen. Er unterbreitete den Vorschlag Oberst Brian Linvill (U.S. AFRICOM
Kontakt für Libyen). Dieser hätte den Vorschlag an General Ham weitergegeben,
der zustimmte. Charles Kubic sagte: „Die Libyer wollten alle Kampfhandlungen
beenden und alle militärischen Kräfte aus den Städten abziehen… man sei mit
Beobachtern von der Afrikanischen Union einverstanden, die den Waffenstillstand
überwachen sollten.“ Und weiter: „Gaddafi kam zurück und sagte, er wäre unter
zwei Bedingungen bereit zurückzutreten und eine Übergangsregierung zu
akzeptieren. Zum einen müssten militärische libysche Kräfte erhalten bleiben,
um gegen al-Kaida vorgehen zu können, zum anderen müssten die Sanktionen gegen
ihn, seine Familie und Getreue aufgehoben und freies Geleit zugesagt werden. In
diesem Moment hielt dies jeder für möglich.“ Laut Charles Kubic musste General
Ham zwei Tage nachdem die Verhandlungen begonnen hatten zurücktreten.
Das Pentagon versuchte zu dieser Zeit, einen Krieg zu vermeiden, aber
Hillary Clinton bestand auf diesem Krieg und drohte sogar mit Rücktritt, obwohl
sich nicht einmal Obama sonderlich für diesen Krieg erwärmen konnte.
CIA-Direkter Leon E. Panetta schreibt in seinem Buch „Worthy Fights“, das
Ziel des Libyen-Konflikts sei ein Regimechange gewesen. Dies hätte zwar jeder
in Washington gewusst, offiziell konnte es aber nicht zugegeben werden.
13.08. Hillary Clinton händigt dem FBI ihren privaten
Mailserver sowie einen USB-Stick mit weiteren tausenden E-Mails aus. Bereits
im Dezember letzten Jahres hatte Clinton einen Speicherstick mit 30.000 Mails
übergeben.
Clinton nutzte während ihrer Zeit als Außenministerin ein privates
E-Mail-Konto, das nur ihr zugänglich war. Dumm nur, dass das US-Recht vorsieht,
dass alle Bürger das Recht haben, Einblick in die Regierungskommunikation zu
nehmen. Bereits bekannt ist, dass Clinton bei der Privatisierung des
mexikanischen Energiesektors die Strippen gezogen hat und auch, dass sie
versuchte, die linksliberale Regierung von Honduras nach einem Staatsstreich
2009 vor der Rückkehr an die Regierung zu hindern. Über Clintons privates
E-Mail-Konto lief die Kommunikation anlässlich der Geschehnisse um Bengasigate,
also den Überfall auf das US-Konsulat in Libyen im September 2012. Hier steht
der Verdacht im Raum, es hätte sich um einen „inside-job“ gehandelt. Pikant
dabei: Clintons privater Mailserver gilt als nicht sicher und stellt somit ein
Sicherheitsproblem dar. Wer könnte also alles über die Informationen verfügen,
wie es zum Tod des Botschafters Chris Stevens kam? Und in welche
Waffengeschäfte mit syrischen Dschihadisten der Botschafter verstrickt war?
14.08. In Sirte, der Geburtsstadt Gaddafis, kommt es
zu gewalttätigen Kämpfen zwischen bewaffneten Einheimischen und
dschihadistischen IS-Kämpfern mit vielen Toten und Verletzten.
Als es in Sirte zu Pro-Gaddafi-Demonstrationen kam, eröffnete der IS das
Feuer auf die Demonstranten. Auch der einflussreiche Imam Khaled al-Forjani,
der sich gegen die IS-Ideologie stellte, wurde vom IS getötet. Der Aufruhr der
Bewohner weitete sich aus, hatte aber gegen den bestens ausgerüsteten und
bewaffneten IS keine Chance. Zur Abschreckung verbreitete der IS nach den
Kämpfen Bilder von gekreuzigten und erhängten Leichen.
Tripolis
kam der massakrierten Bevölkerung von Sirte nicht zu Hilfe; stattdessen
soll zur gleichen Zeit eine
Militärparade in Tripolis abgehalten worden sein. Doch wen wundert das, wenn
man weiß, dass – wie in einem Artikel
vom März 2015 von Eric Draitser ausgeführt – Abdelhakim Belhadsch nicht nur
in Tripolis die politische Hauptrolle spielt, sondern nun auch als der für die
Organisation zuständige Kommandant den ISIS (Islamischer Staat in Syrien) in Libyen führt. Diese Information stammt von einem Geheimdienstmitarbeiter,
der auch bestätigte, dass Belhadsch das ISIS-Ausbildungszentrums in Ostlibyen
bei der Stadt Derna koordinierend unterstützt. Schon lange ist bekannt, dass
Belhadsch für den MI6 arbeitet, der ihn 2011 zum „Freiheitskämpfer“ gegen den
„Tyrannen“ Gaddafi aufgebaut hat. Tatsächlich hatten die Sicherheitskräfte
Gaddafis seinerzeit einige Mitglieder der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG)
inklusive Belhadsch festgenommen. Allerdings wurde er nur mit einem Jahr
Hausarrest bestraft, nachdem er seine Mitkämpfer verraten hatte, und durfte
anschließend seiner Wege gehen. Er wurde niemals gefoltert. Er schloss sich auf
Geheiß des MI6 der Dschamahirija an, so dass die ausländischen Geheimdienste
einen Fuß in der libyschen Tür hatten.
Inzwischen hat sich Belhadsch zum Multimillionär gemausert, der seine eigene
Privatarmee mit Flughafen und Flugzeugen unterhält. Die Mittel dafür stammen
aus libyschem Volksvermögen. Und dieser Mann, der sich mit roher Waffengewalt
an die Macht in Tripolis brachte, wurde von der UN, den USA und anderen
westlichen Staaten dazu ausersehen, sich zukünftig über Libyen als Diktator
aufzuschwingen. Der ehemalige Al-Kaida-Kämpfer von Afghanistan und Irak, der
für Massenmorde an schwarzen Libyern und allen, die verdächtigt wurden, für den
Grünen Widerstand gearbeitet oder gekämpft zu haben, verantwortlich ist, wurde
von republikanischen Senator McCain als Held ausgezeichnet. Dies ist jedoch nur
folgerichtig, wenn man weiß, dass die USA die Hauptförderer extremistischer
Milizen in Libyen, Syrien und in anderen Ländern sind und dass alles Gerede von
„moderaten Rebellen“ nichts anderes als leeres Geschwätz für eine uninformierte
Öffentlichkeit ist. Fast alle sogenannten „moderaten“ Gruppen in Syrien haben
sich inzwischen dem ISIS (Islamischer Staat in Syrien) oder den Nusra-Milizen
angeschlossen, ebenso sind massenhaft Kämpfer der sogenannten Freien Syrischen
Armee zum ISIS übergelaufen und haben ihre von den Vereinigten Staaten
gesponserten, modernen Waffen mitgebracht.
Bereits 1995 wurde die LIFG mit dem Ziel gegründet, Oberst Gaddafi zu stürzen.
Die Gruppe, die es später offiziell gar nicht mehr gab, gehörte zu den ersten,
die unter der Führung von Abdelhakim Belhadsch, damals unter dem Namen Abu
Abdulla Sadik, gegen Gaddafis Sicherheitskräfte kämpften. Die LIFG war es auch,
die den Angriff auf Bab al-Azizija anführte, das ehemalige Gaddafi-Gelände.
Dazu benötigte die LIFG sowohl logistische als auch taktische Unterstützung,
die sie vom US-Geheimdienst und -Militär bekam.
Nach neuen Informationen unterstützt Belhadsch nun direkt die ISIS
Trainingscamps bei Derna. Derna war nicht erst seit 2011 als Zentrum für
Anti-Gaddafi-Terroristen bekannt, sondern schon lange vorher ein Ort militanten
Extremismus. Es ist belegt, dass dem US-Militär seit mindestens zehn Jahren
bekannt ist, dass Derna von Dschihadisten der LIFG kontrolliert wird und von
hier die terroristischen Kämpfer rekrutiert wurden. Auch heute liefert Derna
die Kämpfer für den Terrorkrieg, der Libyen und die ganze Region, speziell
Syrien, peinigt.
14.08. Aus Bengasi wird berichtet, dass IS-Kämpfer
Einheiten der libyschen Armee angegriffen hätten.
Ministerpräsident al-Thinni spricht von
einem Völkermord und ruft die Vereinten Nationen dazu auf, endlich das Waffenembargo
gegen Libyen aufzuheben, damit sich das Land gegen den IS verteidigen kann.
15.08. Milizen
des IS sind in Sirte in ein Krankenhaus eingedrungen, haben 22 Patienten
hingerichtet, deren Leichname verstümmelt und anschließend das Gebäude in Brand
gesetzt.
15.08. Vor dem
Hintergrund der gewalttätigen Vorgänge in Sirte hat die libysche Regierung
seine arabischen Verbündeten aufgefordert, Luftangriffe gegen den IS in Libyen
zu fliegen.
Die Arabische Liga will darüber beraten.
15.08. Das US-Außenministerium veröffentlicht ein
gemeinsames Statement mit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und
Großbritannien, in dem die „barbarischen Akte der mit ISIL verbundenen
Terroristen in Libyen“ scharf verurteilt werden. Des Weiteren wird auf die
Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit gedrängt.
Welche
Heuchelei! Wer hat die dschihadistischen Gruppen und den IS ins Land gebracht und
groß gemacht? Darf daran erinnert
werden, dass unter dem Vorwand, die Zivilbevölkerung vor Gaddafi schützen zu
müssen, ein NATO-Krieg vom Zaun gebrochen wurde, der nachgewiesener Weise auf
falschen Behauptungen beruhte und allein im Jahre 2011 bis zu 600.000 Menschen
das Leben kostete! Seitdem werden weitere 300.000 Menschen vermisst, von denen
keiner weiß, ob sie ermordet wurden oder noch irgendwo gefangen gehalten
werden! Man vermutet, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen insgesamt bis
heute etwa eine Million Tote gefordert haben, die meisten davon Zivilisten! Wer
denkt an die Toten, die an den Folgen der Bombardierung mit abgereicherter
Uran-Munition starben und noch sterben werden! Über drei Millionen Libyer sind
aus dem Land geflohen und befinden sich in Ägypten, Tunesien, Europa und den
USA im Exil! Darf daran erinnert werden, dass es während der Zeiten von Gaddafi
nur 200.000 Menschen vorzogen, aus politischen Gründen im Exil in England,
Frankreich und den USA zu leben? Und was macht der Westen? Er ringt sich zu
einem „Statement“ durch und versucht weiterhin eben jene Kräfte, die den
Alptraum, in den Libyen und die ganze Region gestürzt wurde, zu verantworten
haben, nämlich die Machthaber von Tripolis, allen voran Belhadsch, an die Macht
zu bringen! Belhadsch, al-Kaida-Kämpfer, Mann des CIA- und MI6, nun „Hoffnung
für Libyen“ und gleichzeitig Unterstützer von dschihadistischen Gruppen wie
ISIL und ISIS, nur durch Gewalt und Terror in Tripolis an der Macht.
16.08. In vielen Städten
Libyens sind Unruhen ausgebrochen. Zu blutigen Auseinandersetzungen kam es im
Süden und Westen des Landes, im Fessan und in Tarhuna.
Die Pro-Dschamahirja- und Gaddafi-Demonstrationen halten an:
18.08. Die
Arabische Liga will Libyen gegen den IS militärisch unterstützen. Außerdem
unterstützt sie die Forderung der libyschen Regierung nach einer Aufhebung des
Waffenembargos, wie Generalsekretär Nabil al-Araby am Dienstag bei einem
Treffen der arabischen Außenminister in Kairo sagte. Zusagen für einen Luftangriff auf
IS-Stellungen in Sirte machte die Arabische Liga allerdings nicht.
Libyens Außenminister Mohammed al-Dairi sagte: „Die nationale Sicherheit
Libyens ist die Sicherheit der arabischen Nationen. Libyen leidet und wir haben
genug von den Grausamkeiten der Terrorgruppe.“
Ägypten und die VAE flogen in den vergangenen beiden Jahren bereits einige
Luftangriffe auf Stellungen des IS und anderer Extremistengruppen. Ende August
ist ein Treffen in Kairo geplant, bei dem das weitere Vorgehen besprochen
werden soll.
21.08. Es
wird berichtet, der IS versuche, einen Landkeil zwischen den Westen und
Osten Libyens bis zur sudanesischen Grenze zu treiben. Damit würde Libyen
in drei Teile gespalten werden. Um dies zu erreichen, führt der IS Angriffe auf
die Kufra-Oasen durch.
Die politische Spaltung des Landes soll vorbereitet werden.
26.08. Auf einem Schiff vor der libyschen Küste
werden die Leichen von etwa 50 Menschen entdeckt, die vermutlich im Laderaum an
giftigen Abgasen erstickten. Etwa 400 Menschen konnten gerettet werden.
Bereits vor wenigen Tagen waren 50 Leichen auf einem Schiff unter Deck gefunden
worden.
Insgesamt wurden in diesen Tagen tausende Menschen aus dem Mittelmeer geholt.
27.08. Erneut
kentert ein Flüchtlingsboot vor der lybischen Küste bei der im Westen gelegen
Hafenstadt Suwara. Von den 200
Menschen, die sich an Bord befanden, konnten nur wenige Dutzend gerettet
werden.
28.08. Laut UN-Angaben sind in diesem Jahr bisher
etwa 310.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gekommen, etwa ein Drittel davon über Libyen nach
Italien, vorwiegend Schwarzafrikaner, zwei Drittel über die Türkei nach
Griechenland, vorwiegend Syrer, Afghanen und Iraker. Rund 2.500 Menschen
verloren bei der Überfahrt ihr Leben.
Die Fahrten
von den einzelnen Herkunftsländern wie Nigeria, Elfenbeinküste, Mali, Eritrea,
Burkina Faso und anderen nach Libyen und weiter über das Mittelmeer sind
inzwischen bestens organisiert. Es sind in den Städten der Herkunftsländer
Reiseagenturen entstanden, das Geschäft boomt. Diese einmalige Chance, nach
Europa gelangen zu können, wird von allen Migranten, die dazu in der Lage sind,
ergriffen.
29.08. Der deutsche Außenminister Frank-Walter
Steinmeier erklärte in Berlin unter anderem: „Die Militärintervention in Libyen
führte zum Chaos in diesem Land. Und der Flüchtlingsstrom libyscher Migranten
Richtung europäischer Länder nimmt weiterhin zu.“ Man hätte aber aus dem
Sturz Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 nichts gelernt.
30.08. Die
nächste Verhandlungsrunde zwischen verschiedenen militanten Gruppen in Libyen
und der libyschen Regierung findet am 3. Und 4. September in Genf statt.
Der UN-Sondergesandte für Libyen, Bernardino Léon meint, die anhaltenden
Unruhen und das Blutvergießen setzten das Land zunehmenden Bedrohungen durch den
IS aus.
31.08. In
der Nähe der Stadt Choms östlich von Tripolis sind beim Untergang eines
Flüchtlingsbootes 37 Menschen ums Leben gekommen.
31.08. In
Tripolis explodierte vor dem Hauptquartier der Ölgesellschaft Mellitah Oil
Company eine Autobombe. Der Sachschaden war groß, verletzt wurde niemand.
An Mellitah Oil Company sind der italienische Energiekonzern ENI und Libyens
National Oil Company zu gleichen Teilen beteiligt.
Am Sonntag hatte ENI die Entdeckung des größten bisher bekannten Erdgasfelds im
Mittelmeer, vielleicht sogar weltweit, vor der ägyptischen Küste
bekanntgegeben.
Quellen:
dailymail.co.uk – independent.co.uk – german.irib.ir – zdf.heute.de –
spiegel.de – tagesschau.de – libyanfreepress.wordpress.com – n-tv.de – sat1.de
– neues-deutschland.de – libyaagainstsuperpowermedia.com – voltairenet.org –
telepolis - foreignpolicy.com – de.sputniknews.com – heise.de/tp/ –
welt-im-blick – derstandard.at … und andere
Jürgen Todenhöfers Brandbrief auf Facebook: ein Brief im Zorn
Sehr geehrte Präsidenten und
Regierungschefs!
Ihr habt mit eurer jahrzehntelangen Kriegs- und Ausbeutungspolitik Millionen
Menschen im Mittleren Osten und in Afrika ins Elend gestoßen. Wegen euch
flüchten weltweit die Menschen. Jeder 3. Flüchtling in Deutschland stammt aus
Syrien, Irak und Afghanistan. Aus Afrika kommt jeder 5. Flüchtling. Eure Kriege
sind auch Ursache des weltweiten Terrorismus. Statt ein paar hundert internationale
Terroristen wie vor 15 Jahren haben wir jetzt über 100.000. Wie ein Bumerang
schlägt eure zynische Rücksichtslosigkeit jetzt auf uns zurück.
Wie üblich denkt ihr nicht daran, eure
Politik wirklich zu ändern. Ihr kuriert nur an den Symptomen herum. Die
Sicherheitslage wird dadurch jeden Tag gefährlicher und chaotischer. Immer neue Terrorwellen, Kriege und
Flüchtlingskatastrophen werden die Zukunft unseres Planeten bestimmen.
Auch an Europas Türen wird der Krieg eines Tages wieder klopfen. Jeder Geschäftsmann,
der so handeln würde, wäre längst gefeuert oder säße im Gefängnis. Ihr seid
totale Versager.