CIA-Putsch in Libyen!
Mit Waffengewalt versuchen die Kampfverbände eines alten
Bekannten in Libyen die Macht zu übernehmen. General Khalifa al-Haftar
arbeitete einst für die CIA.
22.5.2014. Raketenbeschuß in Benghasi. Das
Hauptquartier der mächtigen, islamistischen Miliz Ansar al-Scharia, deren
Anhänger u.a. für die Ermordung des US-Botschafters Christopher Stevens
verantwortlich sind, wurde angegriffen. In Tripolis wurde das Parlament
beschossen und für aufgelöst erklärt. Seit letztem Freitag gibt es Angriffe auf
Institutionen des zerfallenden Staates von einer bewaffneten Formation, die
sich Libysche Nationale Armee (LNA) nennt und unter dem Kommando von
General Khalifa al-Haftar stehen soll. Über ihre zahlenmäßige Stärke ist nichts
bekannt, wohl aber, daß sie von den säkulären Milizen der Kleinstadt Zintan
unterstützt, welche über rund 100 Kampfpanzer verfügen, den Flughafen von
Tripolis und Teile der Hauptstadt kontrollieren.
Die Zintan-Milizen, welche auch Saif al-Islam, den Sohn des
2011 ermordeten libyschen Revolutionsführers und de-facto-Staatsoberhauptes
Muammar al-Ghaddafi gefangen halten und sich weigern, ihn an das Regime in
Tripolis zu überstellen, da ihm dort ein Todesurteil droht, stehen dem vor
wenigen Wochen entmachteten, liberalen, parteilosen Übergangspremier Ali Zeidan
nahe. Abgesetzt wurde er von Parlamentariern, die der konservativ-islamischen
Muslimbruderschaft nahe stehen und sich eine Parlamentsmehrheit zur Entmachtung
Zeidans organisierten. Dieser floh ins Exil, nannte seine Absetzung illegal,
kündigte seine baldige Rückkehr nach Libyen an und behauptete, daß Teile der
Armee ihn dabei unterstützten würden. Zeidan hielt sich mit 18 Monaten zwar
länger als jeder andere „Übergangspremier“ der Nach-Ghaddafi-Ära im Amt, doch
es gilt als unwahrscheinlich, daß dieser farblose und bisweilen recht hilflos
wirkende Ex-Diplomat, der nach 10 Jahren im Dienste der Jamahiriya
(basisdemokratisches Rätesystem Ghaddafis) in den 80igern zur Exilopposition
wechselte, Drahtzieher des Putschversuches gegen das Parlament, den
Nationalkongreß, ist.
Vielmehr ist diese Rolle Khalifa al-Haftar zuzutrauen.
Dieser ist eine durch und durch dubiose Figur und Diener vieler Herren, nur
nicht des libyschen Volkes.
In den 80iger Jahren führten Libyen und das südliche Nachbarland
Tschad Krieg um einen rohstoffreichen Grenzstreifen. Khalifa al-Haftar, der zur
libyschen Interventionsstreitmacht gehörte, wurde mit seinen Soldaten von den
Truppen des prowestlichen Diktators Hissene Habré 1987 gefangengenommen. Er
ließ sich von der CIA anwerben und unternahm vom Tschad aus terroristische
Aktionen, um Ghaddafi zu stürzen oder zu töten.
Das Blatt wendete sich, als sich Hissene Habré mit seinem
Chefstrategen Generaloberst Idriss Déby überwarf. Déby mußte fliehen und
scharte eine Guerilla-Armee um sich, mit der er Ende 1990 Habré stürzte und die
Hauptstadt N´Djamena eroberte. Der neue Machthaber verstand es, die
widersprüchlichen Interessen Sudans, Libyens, der USA und Frankreichs, welche
alle im Tschad-Krieg mitmischten, auszubalancieren und Schritt für Schritt die
Kriegsspirale zurückzudrehen. So verwies Déby al-Haftar des Landes, weigerte
sich aber, ihn an Libyen auszuliefern, sondern ließ ihn und seine Soldaten
durch die USA evakuieren. Dort ließ dieser sich nur 11 km vom CIA-Hauptquartier
in Langley nieder und lebte mit seiner Familie in wohlhabenden Verhältnissen,
ohne das klar ist, wie er zu diesem Vermögen kam, zumal al-Haftar, der auch
US-Bürger ist, über kein nennenswertes Einkommen verfügt.
Als 2011 die Rebellion gegen Ghaddafi ausbrach, kreuzte
al-Haftar wieder in Libyen auf und versuchte, sich bei den von der NATO
angeheuerten „Rebellen“ als Militärchef anzudienen. Die Aufständischen setzten
ihn aber nur auf Platz drei in der Militärhierarchie.
Nach der Ermordung Ghaddafis tauchte al-Haftar erst einmal
für 2 Jahre ab, meldete sich aber Anfang 2014 mit einer TV-Botschaft zu Wort,
in der er das Militär – damals noch erfolglos – zum Putsch anstachelte. Der
TV-Auftritt blieb folgenlos für den Ex-Militär, was auf mächtige Beschützer
hinweist.
Nun hat al-Haftar inzwischen selbst eine Truppe aufgebaut,
nachdem er in mehreren Orten öffentlich gesprochen hat und dafür warb, daß es
in Libyen – offenbar inspiriert vom Putsch in Ägypten gegen Mohammed Morsi –
wieder einen starken Mann braucht. Dies hat angesichts der völlig verfahrenen
Lage und handlungsunfähigen „Regierungen“ auf viele Libyer Eindruck gemacht.
Ein Großteil der Bevölkerung heißt das Handeln al-Haftars daher gut.
Verbal distanzierten sich die USA von den militärischen
Aktivitäten ihres Staatsbürgers und einstigen Schützlings. Man dulde und
unterstütze das Vorgehen al-Haftars nicht und habe „in der letzten Zeit“ keinen
Kontakt zu ihm gehabt, war die knappe Antwort aus Washington. Die Libyer
sollten ihre Konflikte friedlich regeln – als ob der Westen dieses 2011 nicht
absichtlich hintertrieben hätte!
Dennoch nützt den USA das Vorgehen von Khalifa al-Haftar. Es
schwächt nämlich jene Kräfte, wie die Muslimbruderschaft, welche als
verlängerter Arm des Scheichtum Katar gelten. Das kleine Terrornest am
Persischen Golf hat nicht nur Waffen an die NATO-Söldner geliefert, welche
Ghaddafi stürzten und ermordeten, sondern deren Kampf auch mit mindestens 600
Elitesoldaten unterstützt. In Syrien trat Katar ebenfalls als Förderer der
Terroristen auf. Damit ist es in Konkurrenz zu dem ultra-konservativen Regime
Saudi-Arabiens getreten, welches bisher der privilegierte, verlängerte Arm der
US-Politik im Nahen Osten war. Über die international in zahlreichen
islamischen Ländern agierende Muslimbruderschaft versuchte das schwerreiche
Katar seinen Einfluß tentakelartig auszuweiten. Deshalb wurde der Militärputsch
in Ägypten 2013 auch von Saudi-Arabien unterstützt, da es für die
mittelalterlich-islamistische Diktatur in Riad offenbar eher akzeptabel ist, in
Ägypten ein säkuläres Militärregime zu haben, als eine Regierung, die von den
verhaßten Muslimbrüdern gestellt wird.
Die USA betreiben das zynische Spiel, sich zurückzulehnen
und zuzuschauen, wie sich die Verbündeten Saudi-Arabien und Katar untereinander
befehden. Auf diese Weise halten sie sich gegenseitig klein. Wer hat schon
Interesse an einen Verbündeten, dessen Einfluß kontinuierlich immer größer
wird?
Und noch einer könnte zu den Unterstützer der
Putsch-Aktivitäten al-Haftars gehören: Tschads Präsident Idriss Déby! Der hatte
zwar 2011 als einziger militärische Hilfe für Tripolis geleistet und 1.000
Scharfschützen nach Libyen zur Unterstützung Ghaddafis beordert, aber nach dem
er einsah, daß Libyen den Konflikt mit dem Westen verliert, seine Unterstützung
eingestellt. (Simbabwe und Guinea wollten ebenfalls Truppen für Ghaddafi
schicken, doch es ist unklar, ob diese überhaupt ankamen.)
Déby ist sichtlich genervt von der Instabilität und dem
Chaos in Libyen, was sich zu einer Brutstätte des islamischen Terrorismus
entwickelt. Man kann sagen, daß der Tschad der einzige Sahelstaat ist, dem es
bisher mühsam gelungen ist, radikal-islamische Milizen, die mit Al-Qaida
verbündet sind, kleinzuhalten. Es käme Déby durchaus gelegen, wenn eine eher nicht-religiöse
Kraft unter den islamistischen Milizen in Libyen aufräumt. Daß er bereit ist,
sich in anderen Ländern – auch mit eigenen Truppen – einzumischen, bewies Déby
bereits letztes Jahr in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), als er den
Sturz seines langjährigen Verbündeten Francois Bozizé unterstützte und sich mit
der Hilfe für die unfähigen Seleka-Rebellen verkalkulierte.
Kay Hanisch
Mai 2014
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