Ein Winter mit Stromausfälle in Tripolis
Libyen: Diesen Text
hat Muaad el-Sharif aus Tripolis für seinen Blog verfasst, im Original zu lesen
unter:
https://muaadelsharif.blogspot.de/2017/01/winter-in-tripoli-with-power-cuts.html
Die kalte Jahreszeit hatte in Libyen Einzug gehalten und mit
ihr waren weitere unangenehme Dinge verbunden: Eine Grippewelle hatte die
Bewohner heimgesucht. Jeder wurde wenigstens einmal von ihr heimgesucht. Auch
ich stellte da keine Ausnahme dar.
Wieder einmal der
Strom!
Noch eine andere unangenehmes Erscheinung trat zeitgleich
mit dem Wintereinbruch auf: lange Stromausfälle. Ist es nicht lustig, dass
ausgerechnet ein erdölproduzierendes Land unfähig ist, die Stromversorgung in
der Hauptstadt sicherzustellen? Aber genauso ist es. Wenn ich schreibe „in der
Hauptstadt“, dann meine ich auch „in der Hauptstadt“ und nicht „im Land“. Denn
tatsächlich haben andere Städten dieses Problem nicht. Das hat nur Tripolis.
Dümmer geht’s nicht – wenn ich das mal so sagen darf – denn
in Tripolis befinden sich alle Dienstleister: Banken, Ministerien,
Kommunikationsgesellschaften. Das heißt, wenn man Tripolis den Strom abdreht,
schießt man sich im Grunde genommen selbst ins Knie.
Jedes Jahr wird’s
kälter
Dieser Winter war besonders kalt. Ich weiß, jeder Winter
scheint der aller kälteste gewesen zu sein. Aber heuer war es wirklich
besonders kalt. Bei dieser Kälte bedeuteten Stromausfälle, dass es keine
Heizung und nicht nur kein Warmwasser, sondern überhaupt kein Wasser gab, weil
die Wasserpumpen elektrisch betrieben werden.
Alternative Möglichkeiten,
sich warmzuhalten
Alle, die wegen der anhaltenden Konflikte in Libyen ihr Heim
verlassen mussten, tun mir leid. Es ist schrecklich, einen Winter im Freien
verbringen zu müssen. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, wie es ist, wenn man
nicht weiß, wohin. Man sollte nicht vergessen, immer für alles, was man hat,
dankbar zu sein.
Wegen der Stromausfälle improvisierten wir. Wir wandelten
einen alten Grill zu einer provisorischen Feuerstelle um. Oder wie wir in Libyen
sagen, zu einem „Kannon“, der mit Kohle beheizt wird.
Das einzig Gute an den Stromausfällen war, dass die Familie
rund um das Feuer zusammensaß während draußen der Wind heulte. Man erzählte
sich Geschichten und lachte, wenn das Feuer aufloderte und knisterte.
Es sei streng davor gewarnt, den „Kannon“ in einem
geschlossenen Raum anzuheizen, da dies zu einer Kohlenmonoxidvergiftung führen
kann, der schon viele Menschen zum Opfer fielen. Wie viele Menschen wohl in
diesem Winter an der Kälte und an Kohlenmonoxidvergiftung gestorben sind? Wer
weiß. Was ich aber weiß, das ist, wer die Schuld daran trägt: GECOL[1].
Nachdem ich diese Zeilen geschrieben hatte, musste ich
erfahren, dass sieben Menschen in der Stadt Ghyran mit einer
Kohlenmonoxidvergiftung in das örtliche Krankenhaus eingeliefert wurden.
Weitere zweihundert Menschen mussten wegen einer Lungenentzündung behandelt
werden, sieben davon waren sehr schwer erkrankt.
Fehlende Gebäudedämmung
Ich muss auch die fehlende Gebäudedämmung erwähnen. So etwas
gibt es bei uns nicht. Unsere Häuser werden allein aus Zementblöcken gebaut. Deshalb
ist es in den Räumen im Sommer extrem heiß (bei Tagestemperaturen bis 50° C)
und im Winter richtig kalt. Um unsere Häuser zu wärmen, verwenden wir
Elektroheizungen, die einen höllisch hohen Stromverbrauch haben.
Das Comeback eines
ehemals sehr beliebten Getränkes
Doch nun ein angenehmeres Thema. Ein ehemals beliebtes
Wintergetränk aus Hirsemehl hat wieder Eingang in unsere Küchen gefunden. Es
ist in Libyen und in anderen Ländern unter dem Namen „Sahleb“ bekannt. Dieses
Getränk wird aus Hirsemehl, Zucker, Wasser und Milch hergestellt. Warm serviert
schmeckt es köstlich! Eine gute Art, sich gegen die Kälte zu wappnen.
Ein schwerer Schlag
gegen das Leistungsvermögen
Es ist immerzu sehr anstrengen, seine Sachen zu erledigen. Ich
habe schon alles Mögliche versucht, mein Leben an die Stromausfälle anzupassen
und mich irgendwie mit ihnen zu arrangieren. Allerdings sind die Versuche,
meine Schlafenszeiten den Stromausfällen anzupassen, kläglich gescheitert.
So viel zum Leistungsvermögen. Ich fühle mich ins 19.
Jahrhundert zurückversetzt (und schaue, wann immer wir Strom haben, „Sherlock“[2],
um mich mit dieser Idee anzufreunden).
Wie soll ich nur alles in den sieben Stunden schaffen, in
denen es angeblich Strom gibt und in denen ich schlafe?
Fazit
Wir befinden uns in Libyen, wo wir nur mit knapper Not
überleben und versuchen, uns ohne Geld und ohne Strom durch den Alltag zu
kämpfen, auch wenn wir den Eindruck haben, als hätte sich alles gegen uns
verschworen. Ich weiß nicht, wie lange dieser Kampf noch dauern wird. Ich bin
zuversichtlich, dass er nicht mehr allzu lange dauert (denn lange überleben wir
nicht mehr).
Übersetzung:
Angelika Gutsche München, April 2017
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