Dienstag, 7. Dezember 2021

Saif al-Islam Gaddafi wird an Wahlen teilnehmen

Libyen. Saif al-Islam Gaddafi wird bei den Präsidentschaftswahlen am 24. Dezember kandidieren – sofern sie denn stattfinden.

Angelika Gutsche |

Am 02. Dezember 2021 gab das Berufungsgericht in Sebha dem Einspruch von Saif al-Islam Gaddafis Anwalt gegen den Ausschluss von Saif al-Islam bei den Präsidentschaftswahlen am 24. Dezember statt und entschied, dass die Kandidatur Saif al-Islam Gaddafis für das Präsidentenamt rechtens ist.

Vorher hatten sich hunderte Libyer vor dem Gerichtsgebäude versammelt, um das Gericht und seine Vertreter vor Übergriffen durch Bewaffnete zu schützen. Als das Urteil bekannt wurde, brach lauter Jubel aus und die Menschenmenge skandierte: „Libyen! Libyen!“.
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1466455563055742981

Die Lage in der Stadt Sebha

Die Lage in der südlibyschen Stadt Sebha war seit Tagen angespannt. Als am 29.11. berichtet wurde, dass am zweiten Tag in Folge das Gerichtsgebäude in Sebha von einer militärischen Einheit umstellt ist, die Richter und Angestellte am Betreten hindert und der Anwalt von Saif al-Islam Gaddafi, Khaled az-Zaydi, deshalb seinen Einspruch gegen den Ausschluss von Saif an den Präsidentschaftswahlen nicht vorbringen kann, versammelten sich zahlreiche Demonstranten vor dem Gericht.
Az-Zaydi bekräftigte, dass die Entscheidung der Hohen Libyschen Wahlkommission, Saif al-Islam von den Präsidentschaftswahlen auszuschließen, ein Rechtsverstoß sei, da gegen Saif kein rechtskräftiges Urteil vorliegt und er somit nicht vorbestraft und seine Kandidatur rechtens ist.
https://libyareview.com/19136/gunmen-prevent-judges-from-hearing-saif-gaddafis-appeal/
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1465339245111951361

Es sollen in Sebha sogar Schüsse gefallen sein. LNA-Generalmajor Fawzi al-Mansuri bestätigte in einer offiziellen Erklärung, dass mit einer PKT-Waffe auf die Demonstranten und die mit der Sicherung des Gerichts beauftragten Schutztruppe gleichermaßen geschossen wurde. Dies hieße, dass es eine dritte Partei gab, die gezielt provozieren und die Situation eskalieren wollte.
https://twitter.com/AbdelMaatok/status/1465409373308690435

Die undurchsichtige Rolle der Vereinten Nationen

Am 01. Dezember hatte sich Omar Abu Scherida, ein Vertreter von Saif Al-Islam Gaddafi, mit dem noch amtierenden Leiter der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL), Jan Kubis, getroffen. Bei dem Gespräch war es um den Ausschluss von Saif al-Islam Gaddafi von den Präsidentschaftswahlen gegangen. Abu Scherida verurteilte die Fortsetzung der politischen Ausgrenzung von Saif al-Islam. Kubis sagte, dass auch die UNSMIL politische Ausgrenzung ablehne. Er wies darauf hin, dass „die nationale Aussöhnung und die Gewährleistung der Beteiligung aller politischen Strömungen [bei den Dezemberwahlen] eine Notwendigkeit ist“.
https://libyareview.com/19188/kubis-meets-saif-al-islams-representatives/

Bemerkenswert ist, dass Jan Kubis von seinem Amt als Leiter der UNSMIL am 17. November, nicht einmal ein Jahr nach seiner Ernennung und nur knapp vier Wochen vor dem angesetzten Wahltermin, nach einem Streit mit UN-Generalsekretär Guterres abrupt von seinem Amt zurücktrat. Der Streit soll sich über Meinungsverschiedenheit an der Art und Weise, wie die UN die Wahlvorbereitungen in Libyen begleitet, entzündet haben. Kubis Mandat endet mit der Annahme seines Rücktritts durch Guterres am 10. Dezember, nur zwei Wochen vor dem angesetzten Wahltermin.

Äußerst eilig sollte der Brite Nicholas Kay laut Wünschen von UN-Generalsekretär Guterres als Nachfolger von Kubis zum neuen UN-Sondergesandten für Libyen ernannt werden. Diese Ernennung wurde am 2. Dezember von Russland blockiert. Schon vor einem Jahr war nicht Kubis, sondern die US-Diplomatin Stephanie Williams als UN-Sondergesandte von der UN vorgesehen gewesen, was aber ebenfalls am Veto Russlands scheiterte. Moskau protestierte damit gegen die zunehmende Zahl britischer Staatsangehöriger in einflussreichen UN-Positionen, von denen viele eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.
Bereits der Vorgänger von Kubis, Ghassan Salamé, war im März 2020 frustriert von seinem Amt zurückgetreten, offiziell aus gesundheitlichen Gründen. https://libyareview.com/19194/russia-blocks-appointment-of-new-british-un-envoy-to-libya/

Weitere Berichte zu den Wahlen am 24. Dezember – sofern sie denn stattfinden

Kandidatur Haftar. Das Berufungsgerichts in Bengasi hat die Klage des von Abdelmadschid Saif an-Nasr gegen die Aufstellung als Präsidentschaftskandidat des LNA-Kommandanten Khalifa Haftar als unbegründet zurückgewiesen.
https://libyareview.com/19128/libyan-court-rejects-petition-to-bar-haftars-presidential-bid/
Kandidatur Dabaiba.
Das Berufungsgericht in Tripolis hatte einen Einspruch gegen die Kandidatur von Interimspremierminister Dabaiba für die Präsidentschaftswahlen in Libyen als unbegründet zurückgewiesen.
https://www.libyaherald.com/2021/12/02/aldabaiba-and-abusahmain-reinstated-by-court-as-presidential-candidates/
Ibrahim Dabbaschi, ehemaliger Vertreter Libyens bei den UN, beschuldigte die Übergangsregierung unter Dabaiba, die staatlichen Institutionen zu missbrauchen, um „einen der Präsidentschaftskandidaten“ zu finanzieren und zu unterstützen. Damit dürfte der GNU-Übergangspremierminister Dabaiba gemeint sein, der kandidiert, obwohl laut Vereinbarungen die im Amt befindlichen Regierungsmitglieder nicht kandidieren dürfen und seine Kandidatur gegen das vom Parlament verabschiedete Wahlgesetz verstößt.
Laut Dabbaschi müsse das Ziel freie, faire und transparente Wahlen mit Chancengleichheit für alle Kandidaten sein. Er forderte alle Präsidentschaftskandidaten auf, „ihre Teilnahme an den Wahlen zu stoppen und die Wahlen zu verschieben, wenn die endgültige Liste bestimmte Kandidaten aufführt bzw. andere ausschließt.“ Die Einsprüche gegen Kandidaturen müssten von „unparteiischen, internationalen Richtern“ geprüft werden.
https://libyareview.com/19190/libyas-former-un-representative-accuses-libyan-government-of-misusing-state-money/

Die US-Botschaft in Libyen twittert: „Inzwischen sinnvolle Konsultationen in Ankara zu einer breiten Agenda, einschließlich des Wahlprozesses“.
https://twitter.com/USAEmbassyLibya/status/1465344478433189900
Dies dürfte nichts anderes heißen, als dass sich der US-Botschafter Norland und der türkische Präsident Erdogan darauf geeinigt haben, wie mit den Dezemberwahlen weiter zu verfahren ist.

Bestimmte Kreise werden nun schwer daran arbeiten, eine Durchführung der Wahlen und damit einen Wahlsieg Saif al-Islam Gaddafis zu verhindern.

03.12.2021

 

 

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