Kurznachrichten Libyen – 24.01. bis 31.01.2022
31. Januar 2022 / / Keine Kommentare
Saif al-Islam Gaddafi will zunächst Parlamentswahlen / Parlament will neue Übergangsregierung und legt Kandidatenregeln fest / Kämpfe der LNA im Süden gegen den IS / Gesundheitsminister verhaftet / EU unterstützt weiterhin die höchstumstrittene libysche Küstenwache
+ Saif al-Islam Gaddafi/Wahlen. Saif al-Islam Gaddafi, der
auch als Präsidentschaftskandidat antrat, hat einen neuen Vorschlag
vorgestellt, um die Sackgasse um die Durchführung von Wahlen zu beenden. Es
sollten zunächst nicht Präsidentschaftswahlen, sondern unverzüglich
Parlamentswahlen durchgeführt werden. Eine neu gewählte Legislative könne dem
Land einen Krieg und eine Spaltung ersparen. Das neue Parlament wäre dann für
Vorbereitung und Durchführung von Präsidentschaftswahlen verantwortlich. Dies
würde es dem libyschen Volk ermöglichen, das Land wieder aufzubauen, die
Souveränität wiederherzustellen und den Staat ohne jegliche Einmischung von
außen zu gestalten.
https://libyareview.com/20828/saif-al-islam-gaddafi-suggests-immediate-parliamentary-elections/
https://twitter.com/SaifFuture/status/1486879763558027265
Es würde auch dem Gerangel um die Aufstellung einer Kandidatenliste für die
Präsidentschaftswahlen ein Ende bereiten.
+ 27.01.: US-Senator/Saif
al-Islam Gaddafi. US-Senator Richard Black übermittelt Saif
al-Islam Gaddafi und den libyschen Stämmen seine besten Grüße und sagt: „Es
gibt keine Lösung für die Libyer außer Wahlen und den Erfolg einer Person mit
der Fähigkeit, dem Mut und der Erfahrung wie Dr. Saif al-Islam sie hat: Wir
ermutigen die Libyer, diese Wahl zu treffen“.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1486693584430637057
+ 24.01.: Treffen der Wahlverhinderer. In Tripolis fand ein
Symposium mit dem Titel „Zuerst eine Verfassung“ statt, an dem
Eigentlich-Nicht-Mehr-Premierminister Abdelhamid ad-Dabaiba, der Vorsitzende
des Hohen Staatsrats (HSC) Khaled al-Mishri, der Leiter des Rechnungshofs
Khaled Shakshak und der Chef der libyschen Zentralbank, Sadik al-Kebir,
teilnahmen – allesamt Vertreter des Status quo und der Befürworter der
Verschiebung der Wahlen auf unbestimmte Zeit, d.h. Personen, die um ihr Amt,
ihre Macht und ihr Geld fürchten.
Zu den weiteren Teilnehmern gehörten der stellvertretende Vorsitzende des
Präsidialrats Abdulla al-Lafi, der stellvertretende Parlamentssprecher Fawzi
an-Nuweiri und der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, Mohamed al-Hafi.
Der Bürgermeister der Amazigh-(Berber)Stadt Zuwara bekräftigte, dass die Berber
den vorliegenden Verfassungsentwurf nicht akzeptieren, da ihnen zu wenige
Minderheitenrechte eingeräumt werden.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/some-of-libyas-leading-anti-election-forces-attend-a-tripoli-pro-constitution-event/
Wohl wissend, dass eine Verfassungsdiskussion mit einem anschließend zu
erfolgenden Referendum Wahlen in Libyen auf den Sankt-Nimmerleinstag
verschieben würde, ist das Bekenntnis zu Wahlen eine reine Heuchelei und
Augenwischerei der Beteiligten, um sich die eigenen Posten und Pfründe zu
sichern und den Einfluss des Auslands aufrechtzuerhalten, das wiederum diese
Politiker versucht an der Macht zu halten.
Eine illustre Gesellschaft, die sich da versammelt hat: Dabaiba hatte
entgegen seines Versprechens auf dem Genfer Forum für den politischen
Dialog in Libyen (LPDF), bei den Wahlen am 24. Dezember nicht zu
kandidieren, auf seiner Kandidatur bestanden, obwohl er auch nicht sein Amt als
Premierminister drei Monate vor der Wahl aufgegeben hatte, so wie es das
Wahlgesetzt vorschreibt.
Der Chef der CBL, al-Kebir, wurde bereits zweimal vom Parlament entlassen,
weigerte sich aber, seinen Sessel zu räumen. Der Leiter des
Rechnungsprüfungsamtes, Shakshak, verlängerte seine Amtszeit über den
gesetzlich zulässigen Zeitraum hinaus. Khaled Mishri steht dem nicht gewählten
HSC vor, der eine Schöpfung des politischen Skhirat-Abkommens von 2015 ist, um den
Moslembrüdern nach ihrem Wahldebakel eine Machtbasis zu erhalten.
Keiner der Herren würde nach Wahlen sein Amt behalten können – sehr zum
Leidwesen der ausländischen Unterstützer.
Und was hatte der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs bei diesem Symposium
zu suchen? In Libyen wird nun seine politische Unabhängigkeit bezweifelt und
sein Rücktritt gefordert.
Ein Treffen der Macht- und Geldgierigen unter dem Deckmäntelchen einer
Verfassungsveranstaltung!
+ 24.01.: Wahlen/Roadmap. Das Parlament in
Tobruk hat beschlossen, dass das Roadmap-Komitee des Parlaments einen
verbindlichen Termin für die Durchführung von Wahlen gemäß den beiden vom
Parlament erlassenen Wahlgesetzen festlegen muss. An der Sitzung nahmen 122
Parlamentarier unter Leitung des Parlamentspräsidenten Agila Saleh teil.
Parlamentssprecher Abdulla Belhig berichtete, dass das Parlament in jedem Fall
auf die Abhaltung von Wahlen pocht – ob mit oder ohne Verfassung. Es könnten
allerdings parallel Verhandlungen bezüglich einer Verfassung stattfinden. Das
Verfassungskomitee solle allerdings aus Verfassungsrechtlern gebildet werden
und ohne Zeitdruck arbeiten können.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/hor-road-map-committee-must-set-deadline-for-holding-elections-with-or-without-a-constitution/
Das Schreiben über Wahlen in Libyen verursacht inzwischen Pickel.
+ 24.01.: Parlament/Neuer Übergangspremier. Das Parlament
beschloss, dass ein neuer Premierminister benannt werden soll. Es hatte die
Regierungszeit von Dabaiba und seiner Regierung auf den 24. Dezember 2021, dem
vorgesehenen Wahltag, beschränkt. Bereits im September letzten Jahres war der
Regierung das Vertrauen entzogen worden und sie war nur noch geschäftsführend
im Amt. Dies sehen Stefanie Williams, die UNSMIL und die westlichen Regierungen
anders, da sie die Dabaiba-Regierung im Amt halten wollen.
Gemeinsam erklärten Frankreich, Deutschland, Italien und GB: „Im Einklang mit
der Pariser Erklärung erinnern Frankreich, Deutschland, Italien, das Vereinigte
Königreich und die Vereinigten Staaten daran, dass sie davon ausgehen, dass die
Übertragung der Macht von der derzeitigen Interimsexekutive (Dabaiba-Regierung)
auf die neue Exekutive nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der vorgezogenen und
unverzüglichen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erfolgen wird.“
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/hor-to-present-a-mechanism-for-selecting-a-new-libyan-government-and-prime-minister-tomorrow/
+ 24.01.: Agila Saleh. Parlamentspräsident Saleh während
einer Sitzung: „Wir brauchen Lebensmittel, Medikamente und medizinische
Versorgung, und das ist die Aufgabe der Exekutive. Das Problem der Regierung
ist, dass ihre Amtszeit abgelaufen ist.“ Saleh wies darauf hin, dass sich
Libyen in einer gefährlichen und entscheidenden Phase befindet, in der es
notwendig sei, Probleme zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.
https://libyareview.com/20704/libyan-parliament-speaker-governments-mandate-has-expired/
+ 26.01.: Neuer Übergangspremier. Da das Parlament die
Amtszeit der derzeitigen Regierung Abdelhamid ad-Dabaiba seit dem 24. Dezember
2021 als abgelaufen betrachtet, hat es zwölf Bedingungen für die Annahme der
Kandidatur eines Nachfolgers für Dabaiba festgelegt:
1. Er muss Moslem mit moslemischen Eltern und libyscher Staatsbürger sein.
2. Er darf keine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen.
3. Er darf nicht mit einer Ausländerin verheiratet sein.
4. Er darf nicht jünger als 35 Jahre sein.
5. Er muss einen Hochschulabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss einer
anerkannten Universität besitzen.
6. Er muss ein Führungszeugnis vorlegen.
7. Er darf nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden sein,
das eine moralische Verworfenheit oder Unredlichkeit beinhaltet.
8. Er muss in guter gesundheitlicher Verfassung sein.
9. Er muss sich schriftlich verpflichten, bei den kommenden Wahlen nicht zu
kandidieren.
10. Er muss seinen Rücktritt vor seiner Kandidatur gemäß den gesetzlichen
Bestimmungen über die Tätigkeit des Kandidaten einreichen.
11. Er muss eine Empfehlung von 25 Mitgliedern des libyschen Parlaments
einholen
12. Er muss seine Finanzen offenlegen.
Seine Aufgabe wird es sein, den Wahlprozess voranzutreiben und das Land zu
stabilisieren.
Das Parlament beschloss auch, dass eine Verfassung ausgearbeitet werden soll.
Es wurde auch die Meinung vertreten, dass Stephanie Williams nur noch eine
persönliche Beraterin des UN-Generalsekretärs ist und kein Mitglied oder
Vorsitzende des UNSMIL. Sie spiele daher politisch nur mehr eine sehr
beschränkte Rolle. Die Libyer sollen und können jetzt eine libysch-libysche
Lösung finden.
Es fand eine Debatte über die weitere Rolle des nicht gewählten und
ausschließlich mit einer ‚beratenden‘ Funktion versehenen Hohen Staatsrats
statt. Zur Sprache kam dabei der Putsch der radikal-islamistischen Milizen, die
unter dem Namen Libyan Dawn (LIFG) fungierten, nach verlorener
Wahl im Jahr 2014 in Tripolis. Der Putsch dieser Tripolis-Milizen führte dazu,
dass das Parlament in den Osten des Landes flüchten musste.
https://libyareview.com/20726/libyan-parliament-sets-12-conditions-for-new-prime-minister/
https://www.libyaherald.com/2022/01/26/hor-decides-to-exclude-hsc-from-input-in-appointing-libyas-next-prime-minister-the-whole-continuing-role-of-the-hsc-brought-into-question/
Ursprünglich war vorgesehen, dass auch 15 Mitglieder des von den
Moslembrüdern beherrschten Hohen Staatsrats eine Empfehlung für den Posten des
Premierministers vorgesehenen Kandidaten abzugeben haben. Mit dem Punkt 11 ist
der Hohe Staatsrat außen vor.
+ 31.01.: Parlament/LNA. Dem Präsidentschaftskandidaten
Ismail asch-Schtiwi wurde von der LNA die Einreise aus Ägypten nach Libyen
verweigert. Auch einem zweiten Parlamentarier soll die Einreise verweigert
worden sein. Außerdem kursieren Gerüchte, dass bei den Parlamentssitzungen in
Tobruk Stimmen gekauft wurden.
https://twitter.com/Eljarh/status/1488089316941344770
Video: https://twitter.com/SaifFuture/status/1487487636902088704
+ 27.01.: LNA/IS: In al-Gatrun die LNA hat zwei vermutliche
IS-Kämpfer getötet und mehrere verwundet. Wie die LNA erklärte, seien die noch
anhaltenden Kämpfe Teil einer Operation, die sich gegen eine IS-Schmiede
östlich von al-Gatrun richte und noch fortgeführt werde.
In der vergangenen Woche wurden bei einer Explosion südlich von Sebha ein
LNA-Soldat getötet und zwei weitere verwundet. Zu dieser Tat bekannte sich der
IS. Vorher war im Militärgefängnis Garnada in Bengasi ein Feuer ausgebrochen
und fünf IS-Gefangene entkommen.
+ 29.01.: LNA/IS. Die LNA gab bekannt, dass 24 IS-Kämpfer
bei dreitägigen Gefechten nahe al-Gatrun im Südwesten Libyens getötet wurden.
Ein IS-Kämpfer wurde festgenommen. Vier LNA-Soldaten gelten als vermisst.
https://libyareview.com/20845/libyan-army-kills-24-isis-militants-in-al-qatroun/
+ 30.01.: Erdöl. Die Gewerkschaft der Öl- und Gasarbeiter
sagt, dass die falsche Politik der Dabaiba-Regierung darauf hinausläuft, die
Schließung der Ölanlagen zu erzwingen. Die Gewerkschaft kämpft für höhere
Gehälter und die Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Beschäftigten.
Dabaiba werden falsche Versprechungen vorgeworfen: „Die Regierung hat es
versäumt, auf die Bedürfnisse der Beschäftigten im Ölsektor einzugehen, die
unter einem gravierenden Mangel an sozialen und medizinischen Leistungen
leiden, ganz zu schweigen von ihren niedrigen Gehältern“. Die Gewerkschaft
hofft, dass die Regierung sie nicht dazu zwingen werde, die Ölanlagen
stillzulegen und zu streiken.
https://libyareview.com/20850/oil-gas-workers-union-al-dbaibas-government-forced-oil-shutdowns/
+ Mordanschlag/Justizministerin. Südlich von Tripolis wurde
auf die libysche Justizministerin Halima Abdul Rahman ein Attentatsversuch
ausgeübt. Bewaffnete eröffneten das Feuer auf ihren Wagen. Die Ministerin blieb
unverletzt.
https://libyareview.com/20841/justice-minister-survives-assassination-attempt-in-libyan-capital/
+ 26.01.: Korruption/Verhaftung Gesundheitsminister. Der
Generalstaatsanwalt hat gestern die Festnahme des libyschen
Gesundheitsministers Ali Zenati und seines Stellvertreters angeordnet. Ihnen
werden finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen.
https://www.libyaherald.com/2022/01/26/attorney-general-orders-detention-of-health-minister-zanati-for-corruption/
Das war schon eine Superregierung, die mit Hilfe der ‚internationalen
Gemeinschaft‘ und der UNO in Libyen eingesetzt wurde! Az-Zanati ist
die dritte Person im Ministerrang der Dabaiba-Regierung, gegen den in den
letzten Wochen ermittelt wird, vor ihm waren der Bildungsminister und die
Kultusministerin dran.
+ 27.01.: Korruption. Libyen steht auf der Skala der am
stärksten von Korruption betroffenen Staaten auf Platz 172 von insgesamt 180
Plätzen. Dies geht aus dem Korruptionsindex 2021 (CPI) hervor, der am Mittwoch
von Transparency International veröffentlicht wurde.
https://libyareview.com/20788/libya-ranked-among-worlds-most-corrupt-countries/
+ 26.01.: Migration. „Ein interner EU-Bericht verlangt die
Fortsetzung eines umstrittenen Programms zur Ausrüstung der libyschen
Küstenwache – trotz wachsender Besorgnis über die Misshandlung und Ausbeutung
von Flüchtlingen in libyschen Lagern.“ In dem Bericht wird die >exzessive
Anwendung von Gewalt< der libyschen Behörden gegen Flüchtlinge eingeräumt.
Die EU sei dennoch entschlossen, Küstenwachpersonal auszubilden und Libyens
Möglichkeiten in Sachen Seenotrettung im Mittelmeer zu stärken. Die libysche
Küstenwache wurde bisher mit Millionenbeträgen von der EU gefördert. Diese
bringt die Migranten zurück nach Libyen, wo sie in Lagern den schlimmsten Misshandlungen
ausgesetzt sind und ausgebeutet werden. Im Jahr 2021 waren davon rund 31.000
Migranten betroffen.
Mindestens drei Anträge wurden beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH)
eingereicht, in denen gefordert wird, dass gegen libysche und europäische
Beamte sowie gegen Schlepper, Milizionäre und andere Personen wegen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit ermittelt wird. Eine im Oktober veröffentlichte
UN-Untersuchung ergab ebenfalls Hinweise darauf, dass die in Libyen begangenen
Übergriffe möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
Letzte Woche forderte UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Länder auf, „die
Politik zu überprüfen, die das Abfangen von Flüchtlingen und Migranten auf See
und deren Rückführung nach Libyen unterstützt“.
Im vergangenen Monat ernannte die libysche Regierung Mohamed al-Khoja, einen
Milizenführer, der in Übergriffe gegen Migranten verwickelt ist, zum Leiter der
Abteilung für die Bekämpfung der irregulären Migration. Diese Abteilung
beaufsichtigt die berüchtigten Haftanstalten des Landes.
https://de.rt.com/europa/130566-eu-verlangt-fluechtlings-ruecknahme-trotz-ausbeutung-in-libyen/
https://libyareview.com/20719/controversial-program-training-libyan-coast-guard-to-continue/
+ 26.01.: Migration. Das libysche Innenministerium teilte
mit, dass es von der italienischen Regierung Ausrüstungen für die Küstenwache
erhalten habe. Dies ist Teil des gemeinsamen Kooperationsabkommens zwischen den
beiden Ländern.
https://libyareview.com/20791/italy-provides-libyas-coast-guard-with-marine-equipment-despite-migrant-abuse/
+ 28.01.: Migration. Benjamin Lewis vom Büro des
UN-Hochkommissars für Menschenrechte (UNHCR) sagte, dass Libyen Migranten über
seine Grenzen ins „Niemandsland“ abdränge, d.h. in einsame Wüstenabschnitte, in
denen es kein Wasser gibt. Dies soll verstärkt Migranten davon abhalten, nach
Europa zu gelangen.
https://libyareview.com/20836/unhcr-libya-abandoning-migrants-in-desert-without-water/
+ 30.01.: Migration. Die libysche Küstenwache hat in nur
zwei Tagen fast 500 Migranten aus Seenot ‚gerettet‘. Mehr als 200 Migranten
seien durch Ertrinken oder Unterkühlung gestorben.
https://libyareview.com/20890/500-migrants-rescued-off-libyan-coast/
Interessieren die vielen Toten überhaupt noch irgendjemanden? Hilfe!
+ 24.01.: Belgien/Libysche Vermögenswerte. Nachdem die
Staatsanwaltschaft in Brüssel einen internationalen Haftbefehl gegen den
Vorsitzenden der Libyan Investment Authority (LIA), Ali Mahmoud
Hassan, ausgestellt hat, will der libysche Generalstaatsanwalt Sidiq as-Sour
nach Brüssel und in andere europäische Hauptstädte reisen.
In dem juristischen Streit geht es darum, dass das Unternehmen Global
Sustainable Development Trust (GSDT) die von Libyen in Belgien angelegten
Vermögenswerte beschlagnahmen möchte. GSDT hat enge Verbindungen zu Prinz
Laurent, dem Bruder des belgischen Königs. Im Jahre 2008 hatte das
Landwirtschaftsministerium der Dschamahirija-Regierung mit GSDT ein
Aufforstungsprojekt vereinbart, das aber nicht realisiert wurde. Daraufhin
forderte GSDT 17 Mio. EUR Entschädigung. Diese Forderung hat sich inzwischen
auf etwa 50 Mio. EUR erhöht. Bereits im November 2014 verurteilte ein
belgisches Gericht Libyen zur Zahlung einer Entschädigung.
Die belgischen Gerichte unterstützten die Auffassung der GSDT, dass sie sich an
den LIA-Geldern, die in Belgien eingefroren sind, bedienen könne. Die LIA ist
jedoch der Auffassung, dass sie eine regierungsunabhängige Organisation ist und
die GSDT ihre Forderungen an das libysche Landwirtschaftsministerium richten
solle.
Die LIA hatte weltweit rund 14 Milliarden USD angelegt, die 2011 eingefroren
wurden und von der belgischen Euroclear-Bank verwaltet werden. Die von
den Geldanlagen abgeworfenen rund zwei Milliarden EUR an Zinsen und anderer
Erträgen wurden –unrechtmäßig – von Euroclear für LIA freigegeben.
Unklar bleibt, wohin sie geflossen sind.
Im Februar 2021 lehnte der UN-Sicherheitsantrag den Antrag Belgiens ab, aus in
Belgien angelegten LIA-Geldern die Entschädigung für GSDT in Höhe von rund 50
Mio. EU zu zahlen. Nun versucht GSDT an die an LIA gezahlten Erträge in Höhe
von zwei Milliarden EUR heranzukommen.
Da die LIA sich weigerte, dem Untersuchungsrichter Claise Frage und Antwort zu
stehen, habe dieser den Haftbefehl gegen Ali Mahmoud Hassan ausgestellt. Über
diese politische Einschüchterung zeigte man sich in Libyen sehr ungehalten.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/attorney-general-in-bid-to-end-belgian-legal-moves-to-seize-lia-assets/
Zum einen ist es fragwürdig, ob der GSDT die Zahlungen in Höhe von 17 Mio.
bzw. jetzt fast 50 Mio. EUR überhaupt zustehen. Zum anderen verstieß es gegen
die UN-Resolution, die das Einfrieren der LIA-Gelder im Ausland anordnete, die
daraus resultierenden Dividenden auszuzahlen. Man kann davon ausgehen, dass sie
entweder in private Taschen flossen oder zur Finanzierung von Milizen im
westlichen Libyen benutzt wurden. Nun lässt Belgien gegen den LIA-Vorsitzenden
einen internationalen Haftbefehl ausstellen, obwohl es selbst unrechtmäßig die
Gelder an LIA freigab.
+ 28.01.: UNO. Großbritannien hat einen Resolutionsentwurf
zur Verlängerung der UN-Sondermission in Libyen (UNSMIL) um ein weiteres Jahr
vorgelegt. Darin wird gefordert, dass die libyschen Behörden „Maßnahmen
ergreifen, um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen so bald wie möglich zu
ermöglichen“. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, jegliche Unterstützung
für Söldner in Libyen unverzüglich einzustellen und diese abzuziehen.
Russland und andere Staaten haben den Resolutionsentwurf abgelehnt. Russland
drängt insbesondere darauf, dass der Resolutionsentwurf die Notwendigkeit der
Ernennung eines neuen UN-Beauftragten für Libyen bekräftigt. Der Slowake Jan
Kubis, der das Amt des UNSMIL-Vorsitzenden bis November innehatte, ist aufgrund
von Meinungsverschiedenheiten mit dem UN-Generalsekretär über den Wahlprozess
abrupt von seinem Amt zurückgetreten.
Die USA haben den russischen Antrag abgelehnt. Die US-Amerikanerin Stephanie
Williams übt das speziell für sie erfundene Amt einer persönlichen
Sonderberaterin von UN-Chef Guterres aus, spielt sich allerdings in Libyen als
Quasi-Regierungschefin auf.
Es wird nicht damit gerechnet, dass der Streit über den UN-Sondergesandten für
Libyen zwischen den USA und Russland bis zum 31. Januar beigelegt wird. Zu
diesem Termin läuft das UN-Mandat für Libyen aus. Das Mandat wird aufgrund der
Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA, Großbritannien und Russland
voraussichtlich nur für einen kürzeren Zeitraum verlängert.
https://libyareview.com/20800/security-council-discusses-extending-mission-in-libya/
+ 30.01.: Söldner. Die Syrische Beobachtungsstelle für
Menschenrechte (SOHR) teilte mit, dass in den kommenden Tagen eine neue
Gruppe der von Ankara unterstützten syrischen Söldner nach Libyen geschickt
werden soll.
https://libyareview.com/20888/sohr-turkey-to-send-syrian-mercenaries-to-libya/
+ 30.01.: Covid-19. Wegen des starken Anstiegs von
Covid-19-Fällen durch die Verbreitung der Omikron-Variante werden in Tripolis
für zwei Wochen die Schulen geschlossen.
https://libyareview.com/20848/libya-closes-schools-in-tripoli-following-spike-in-covid-19-cases/
Die Welt macht wegen der leichten Covid-19-Omikron-Variante endlich wieder
auf, Tripolis schließt – und dann auch noch die Schulen!
+ 28.01.: Antike Kunst/Diebstahl. Das amerikanische ArtNews
berichtete, dass gegen Paloma Botín, die Tochter des spanischen Bankchefs
Emilio Botín, und ihren Ehemann Ricardo Gómez-Acebo, Ermittlungen wegen des
betrügerischen Erwerbs eines antiken Objekts aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.
eingeleitet wurden. Es wird vermutet, dass das Kunstwerk, das wohl aus
Libyen/Ägypten stammt, in einer archäologischen Stätte geplündert und
anschließend illegal auf dem Kunstmarkt verkauft wurde.
Bei einer Razzia von Kunsthändlern hatten die spanischen Behörden mehrere
Objekte entdeckte, die wohl von IS-Kämpfern in den Jahren 2011 bis 2016 in
Libyen gestohlen wurden. Die betreffenden Händler stehen nun auch wegen
Terrorismusfinanzierung unter Anklage.
https://almarsad.co/en/2022/01/28/spain-investigates-banking-heir-paloma-botin-over-purchase-of-looted-artifact/
+ 25.01.: Wetter. Starker Schneefall in Baida (östliches
Libyen):
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1486013956862926859
AUS ANDEREN LÄNDERN
+ Burkina Faso. „Burkina Fasos Armee hat den Präsidenten
Roch Marc Christian Kaboré abgesetzt, die Regierung und das Parlament aufgelöst
und die Grenzen des Landes geschlossen. Das erklärte ein Offizier, der am
Montagabend im staatlichen Fernsehen ein Statement verlas. Als Begründung
nannte er die Sicherheitssituation in dem krisengeschüttelten Land sowie
Kaborés Unfähigkeit, Burkina Faso zu einen. Der Offizier, der von einem Dutzend
weiteren Militärs flankiert wurde, sprach im Namen eines zuvor unbekannten
«Mouvement patriotique pour la sauvegarde et la restauration». […] Zuvor hatten
am Sonntag Soldaten in mehreren Militärbasen gemeutert. In der Hauptstadt
Ouagadougou und zwei anderen Städten feuerten Soldaten Schüsse in die Luft. Mit
einer Liste forderten sie unter anderem die Absetzung der Militärführung und
mehr Ressourcen für den Kampf gegen jihadistische Gruppen. […] Demonstranten in
der Hauptstadt gingen auf die Straße, um die meuternden Soldaten zu
unterstützen. Sie zündeten unter anderem das Hauptquartier der Partei des
Präsidenten an. In der Nacht berichteten Anwohner dann von Schusswechseln bei
der Residenz von Kaboré.“
Kaboré, der Burkina Faso seit 2015 regierte, soll in einem Militärcamp
inhaftiert worden sein.
https://www.nzz.ch/international/burkina-faso-soldaten-nehmen-praesident-kabore-fest-ld.1666162?mktcid=nled&mktcval=164_2022-01-25&kid=nl164_2022-1-24&ga=1&trco=
https://de.rt.com/afrika/130430-praesident-nach-meutereien-in-burkina-faso-festgesetzt/
Nach Mali und Guinea hat nun auch in Burkina Faso das Militär die Führung
des Landes übernommen.
Wie in anderen Sahelländern wird auch in Burkina Faso dem Westen
vorgeworfen, heimlich mit dschihadistischen Gruppierungen wie IS und al-Kaida
zusammenzuarbeiten, diese teilweise zu bewaffnen und auszubilden, um einen
Vorwand zu haben, die militärische Präsenz in den Sahelstaaten
aufrechtzuerhalten, zum einen um Rohstoffe zu sichern, zum anderen aus geopolitischen
Gründen.
+ „Mehr als 1.000 Menschen bekundeten am Dienstag auf dem Nationalplatz in
Ouagadougou ihre Unterstützung für die neue Führung. Laut Reuters
wurde dabei auch die französische Nationalflagge verbrannt.“
https://www.jungewelt.de/artikel/419301.islamismus-im-sahel-schutz-gefordert.html
+ Iran/Saudi-Arabien. Thierry Meyssan schreibt auf Voltaire.net:
„Teheran hat sein militärisches Atomprogramm 1988 abgebaut und nie wieder
aufgenommen. Daher scheint es, dass die zweijährigen Verhandlungen in Wien
[2013-15] nicht dafür gedacht waren, eine nichtexistierende nukleare Bedrohung
zu zerstreuen, sondern die geheimen bilateralen US-iranischen Verhandlungen zu
gestalten. […] Wie in den Jahren 2013-15 verschleiern die Verhandlungen zur
Wiederherstellung des 5+1-Abkommens andere Verhandlungen, diesmal jene zwischen
Saudi-Arabien und dem Iran. In diesen Tagen haben diese nun zu einer
grundsätzlichen Einigung geführt.“ Meyssan weist darauf hin, dass sowohl der
Iran als auch Saudi-Arabien „Truppen unter NATO-Befehl zur Unterstützung
Bosnien und Herzegowinas (1992-95) gegen Jugoslawien“ entsandten.
Auch schreibt Meyssan, dass Saudi-Arabien in den Krieg gegen den Jemen zog,
„offiziell von den Vereinigten Arabischen Emiraten und inoffiziell von Israel
unterstützt, das dort taktische Atombomben einsetzte“.
„Derzeit (2021-22) verhandeln die USA und der Iran über ein neues 5 +
1-Abkommen, während Israel und Saudi-Arabien sich auf die Formalisierung ihrer
diplomatischen Beziehungen zubewegen. Gleichzeitig verhandeln der Iran und
Saudi-Arabien auf der Ebene der Chefs ihrer Geheimdienste und ihrer Diplomaten.
Es gilt, ihr Bündnis der frühen 90er Jahre in Bosnien und Herzegowina
wiederherzustellen. Sie stehen kurz davor, dies zu erreichen, was die beiden
anderen Verhandlungen wieder in Gang setzen wird.“ Sollte dieses Bündnis
zustande kommen, wird es in Konflikt geraten mit säkularen Muslimen, die
Religion und Politik trennen. „In erster Linie mit den Vereinigten Arabischen
Emiraten, Syrien und Ägypten. Gleichzeitig wird dieses Bündnis den Anhängern
des politischen Islam, Katar und der Türkei, näherkommen. Es wird eine
komplette Umkehrung des Schachbretts des Nahen Ostens werden.“ „Diese westliche
Neuordnung des Nahen Ostens widerspricht direkt der traditionellen russischen
Vision, die auf der kulturellen Identität der Staaten und nicht nur auf ihrer
Religion beruht. […] Die saudisch-iranische Allianz würde den USA und Großbritannien
ermöglichen, das dschihadistische System, das vorerst ausschließlich sunnitisch
ist, auszuweiten. Man würde dann sehen, wie sich die Fanatiker aller Art gegen
die Säkularen vereinen; eine Teilung, die die Briten während ihrer imperialen
Zeit meisterten und die sich bewährt hatte.“
https://www.voltairenet.org/article215419.html
+ Syrien. „Hunderte Dschihadisten wieder auf freiem Fuß:
Rückeroberung von IS-Gefängnis in Nordostsyrien. Die von den US-Besatzern
unterstützten kurdischen Kräfte in Nordostsyrien sollen nach fast einer Woche
heftiger Gefechte mit IS-Kämpfern die Kontrolle über das Gefängnis in Hasaka
zurückgewonnen haben. Der IS hatte letzte Woche einen Angriff auf das Al
Sina-Gefängnis gestartet, wo tausende IS-Anhänger festgehalten werden. Den
Angriff auf das Gefängnis werten Experten als Machtdemonstration der
Terrorgruppe. […] Die IS-Kämpfer hatten den Stadtteil, in dem das
Gefängnis liegt, zunächst infiltriert, bevor sie ihren Angriff starteten. […]
Etwa 900 US-Soldaten sind weiterhin illegal in Syrien stationiert, ohne
jemals ein Mandat von der syrischen Regierung eingeholt zu haben. In
den Internierungslagern in Hasaka, wo die sogenannten IS-Familien festgehalten
werden, bestehen auch Sicherheitsrisiken: insbesondere das Camp in Al-Hol,
in dem etwa 62.000 Personen unter erbärmlichen Bedingungen leben, die meisten
von ihnen Frauen und Kinder. Das Flüchtlingslager in Hasaka ist faktisch
ein provisorisches Gefängnis, das von den SDF als dortiger Partner der USA
betrieben wird.“
https://de.rt.com/der-nahe-osten/130612-hunderte-dschihadisten-wieder-auf-freien/
+ Mali. „Am Montag [24.01.] hat die malische Regierung in
einem bisher singulären Akt dänische Truppen aufgefordert, unverzüglich das
Land zu verlassen. Hintergrund ist, dass Frankreich seit März 2020 versucht,
mit dem Aufbau der von ihm geführten neuen Interventionstruppe Takuba
Erleichterung für seine Opération Barkhane zu schaffen, die im Sahel
im Kampfeinsatz ist, aber schrittweise reduziert werden soll. Paris bemüht sich
seit einiger Zeit, andere EU-Staaten zur Teilnahme an Takuba zu
bewegen. Vergangene Woche trafen nun rund 100 Soldaten aus Dänemark in Mali
ein. Die Regierung in Bamako teilte am Montag mit, dies sei ohne die
erforderliche Abstimmung mit ihr geschehen: Sie habe >mit Überraschung<
zur Kenntnis genommen, dass nun auch dänische Spezialkräfte in Takuba
eingegliedert werden sollten. Sie sei nicht bereit, Aktivitäten fremder Truppen
über ihren Kopf hinweg zu dulden, und fordere Kopenhagen zum sofortigen Abzug
der Soldaten auf. Dänemark solle sich vor >einigen Partnern< hüten,
>die bedauerlicherweise Probleme haben, ihre kolonialen Reflexe
loszuwerden<, wird Regierungssprecher Maïga zitiert. Dänemark streitet ab,
Truppen ohne Abstimmung mit Mali entsandt zu haben, hat aber gestern ihren
Abzug angekündigt.“
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8824/
+ Libanon. Seyed Alireza Mousavi beschäftigt sich auf RT
mit der Frage, was der Rückzug von Saad Hariri, ehemaliger Ministerpräsident
und Vertreter des sunnitischen Bevölkerungsanteils, und sein Aufruf für eine
Wahlenthaltung im Mai für die politische Situation im Libanon bedeutet. Mousavi
kommt zu dem Schluss, dass dies die sunnitischen Bevölkerungsteile weiter in
die Arme eines extremistischen Islamismus treiben würde. Für den Schritt von
Hariri wird dessen Verbündeter Saudi-Arabien verantwortlich gemacht,
andererseits bestünden auch große Spannungen zwischen Hariri und Mohammad bin
Salman, dem Herrscher von Saudi-Arabien.
https://de.rt.com/der-nahe-osten/130611-libanon-was-verbirgt-sich-hinter/
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