Kurznachrichten Libyen – 25.09. bis 02.10.2022
In eigener Sache: Urlaubsbedingt kann es in den nächsten Wochen zu einer eingeschränkten Libyen-Berichterstattung kommen.
Tote und Verletzte bei Milizenkämpfen / Royal Navi in Tripolis – Sidiq al-Kebir (CBL) mit an Bord / UN-Vollversammlung: Schwere Vorwürfe des Globalen Südens gegen den Globalen Norden
+ 02.10.: „Am 2. Oktober
1986 veröffentlichte die Washington Post eine außergewöhnliche Geschichte,
die von dem legendären Journalisten Bob Woodward geschrieben wurde: >Gaddafi
Ziel eines geheimen US-Desinformationsplans<. Auf Anweisung des Weißen
Hauses verbreitete der US-Geheimdienst falsche Informationen in den US-Medien.
Infolge dieses Skandals setzte sich das Wort >Desinformation< in der
englischen Sprache durch.“
Nur wenige Tage später: „Bernard Kalb trat heute (08. Oktober 1986) als
Hauptsprecher von Außenminister George P. Shultz aus Protest gegen das
Desinformationsprogramm der Regierung gegen den libyschen Führer Muammar
Gaddafi zurück. (…) Er sagte, er habe die Wahl, im Ministerium zu bleiben und
eine Dulderhaltung einzunehmen oder aus Protest zurückzutreten. (LA Times)“
https://inteltoday.org/2022/10/02/on-this-day-gaddafi-target-of-u-s-disinformation-october-2-1986-bob-woodward-disinformation-goes-mainstream/
—
+ 26.09.: Milizenkämpfe. Bei den
Milizenkämpfen vom Sonntag in az-Zawiya, westlich von Tripolis, wurden ein Kind
getötet und fünf weitere verletzt. Insgesamt soll es fünf Tote und 13 Verletzte
gegeben haben. Die Kämpfe fanden am 26.09. eine Fortsetzung. Hilfskräfte
konnten nicht zur Zivilbevölkerung durchkommen.
Der Einsatz schwerer Artillerie in Wohngebieten wird verurteilt.
https://libyareview.com/27404/child-killed-as-armed-groups-clash-in-west-libya/
+ 28.09.: Großbritannien.
Im Hafen von Tripolis (Abu-Sita-Militärbasis) legte das zur britischen
Kriegsmarine gehörige Schiff HMS Albion an. Es ist der erste Besuch der
Royal Navy in Libyen seit acht Jahren. Abends fand an Bord ein geselliges
Zusammensein mit Botschaftern und einigen libyschen Politikern u.a.
‚Außenministerin‘ Mangusch statt. Mitglieder der libyschen Marine erhielten an
Bord auch eine Ausbildung durch die Briten.
https://www.libyaherald.com/2022/09/british-royal-navy-ship-hms-albion-docks-in-tripoli-a-first-in-eight-years/
Großbritannien setzt seine Duftmarken in Libyen. Es besteht auf
seinem vermeintlichen Recht an der Sirte/des Ghadames-Gasbeckens, da BP in den
fünfziger Jahren zur Entdeckung dieser Felder beigetragen hat und als Gaddafi
den Ölsektor verstaatlichte eine
finanzielle Entschädigung erhielt. 2007 verlängerte Gaddafi die Verträge mit BP
im Gegenzug für eine Einigung im Lockerbie-Fall.
+ 28.09.: Großbritannien.
An Bord der britischen HMS Albion erschien auch der Chef der Libyschen
Zentralbank (CBL), Siddiq al-Kebir, begleitet wurde er vom stellvertretenden
Vorsitzenden des Präsidialrats, Musa al-Koni. Al-Kebir war bereits 2014 vom
libyschen Parlament wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten von seinem Posten als
Chef der CBL vom Parlament enthoben worden, weigert sich aber bis heute, seinen
Posten aufzugeben. Die Frage stellt sich nun, was al-Kebir, der bekanntermaßen
die Moslembruderschaft und die Türkei unterstützt, auf dem britischen
Kriegsschiff zu suchen hatte.
https://libyareview.com/27520/why-was-libyas-central-bank-governor-on-a-british-navy-ship/
+ 29.09.: Libysche Stämme. Die
Föderation der libyschen Stämme gab eine Erklärung zum Ankern des britischen
Kriegsschiffes an der libyschen Küste ab: Die Begrüßung der Ankunft des
britischen Kriegsschiffes durch prominente libysche Politiker zeige ohne jeden
Zweifel, dass die durch den internationalen Willen auferlegten politischen
Machthaber in Libyen Werkzeuge in den
Händen ausländischer Geheimdienste sind. Das
libysche Volk, vertreten durch seine Stämme, die sich dem Kolonisator, seinen
Streitkräften und Regeln widersetzten und sich ihm entzogen, weigern sich, dass
die Heimat beleidigt wird, ihre Souveränität kompromittiert und die Würde
seiner Bürger aufgegeben. Das libysche Volk erklärt durch seine Stämme seine
Ablehnung dieser Absurdität, warnt vor seiner Fortsetzung und bekräftigt seine
Bereitschaft zum Kampf angesichts des Kolonisators und seiner Werkzeuge.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1575978253248253952/photo/1
+ 29.09.: Türkische
Besatzung. Libysche und türkische Seestreitkräfte führten gemeinsame
Militärübungen im Mittelmeer durch.
https://libyareview.com/27542/libyan-turkish-naval-forces-carry-out-joint-military-drills/
Ein weiterer Tiefpunkt: Kollaboration mit den Besatzern.
+ 30.09.: LNA/Dschuwaili.
Dass sich das Bündnis zwischen LNA–Feldmarschall Haftar und al-Dschuwaili, dem
General aus Zinten, verstärkt, wird
durch einen Auftritt Haftars in der südlibyschen
Stadt Brak asch-Schati während Rundreise bestätigt. LibyaDesk sieht
darin einen Hinweis, dass eine erneute militärische Aktion starten könnte.
Aus: LibyaDesk, Weekly Political Risk Dossier, Issue #34-22
+ 28.09.: Folter/Mord.
Nach Angaben der Weltorganisation gegen Folter (OMCT) haben libysche
Strafverfolgungsbeamte und Milizen zwischen Januar 2020 und März 2022
mindestens 581 Zivilisten, sowohl Staatsangehörige als auch Migranten, getötet,
darunter auch Menschen, die in Haftanstalten hingerichtet oder zu Tode
gefoltert wurden. Diese Fälle stellten nur die Spitze des Eisbergs dar.
„Außergerichtliche Tötungen von wehrlosen Zivilisten, oft begleitet von
entsetzlicher Folter, sind in Libyen inzwischen an der Tagesordnung.“
https://libyareview.com/27496/report-hundreds-tortured-to-death-in-libya/
+ 26.09.: Emad Trabelsi.
Die Nationale Kommission für Menschenrechte in Libyen (NCHRL),
verurteilte die Ernennung von Emad Trabelsi zum Untergeneralsekretär des
Innenministeriums in der Dabaiba-Regierung, da Trabelsi „einer der
prominentesten Verletzer der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in
Libyen“ sei.
https://libyareview.com/27445/nchrl-denounces-appointment-of-human-rights-abuser-in-libyan-government/
+ 26.09.: 77. UN-Vollversammlung. Der Interimspremierminister von Mali, Abdoulaye Maïga,
verurteilte die französische Intervention in Libyen 2011. Er erinnerte an die
erzwungene Teilnahme Tausender Afrikaner am Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie
an die jüngsten Interventionen Frankreichs. Er warf Paris vor, in jüngster Zeit
wiederholt den malischen Luftraum verletzt und terroristischen Gruppen
Informationen und Waffen geliefert zu haben und beantragte eine
Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates.
Der Außenminister von Venezuela, Carlos Faría Tortosa, berichtete über
die Versuche, sein Land zu destabilisieren, und nahm Bezug zu den unnötigem
Blutvergießen im Irak, auf Haiti, im Jemen, in Somalia, Libyen und Syrien. Der
globale Norden müsse erkennen, „dass das unipolare, kolonialistische System
nicht in der Lage ist, angemessen auf die Probleme und Nöte zu reagieren, die
sie selbst geschaffen haben.“
Der Außenminister von Russland, Sergej Lawrow, verurteilte in seiner
Rede die „Angriffskriege der Vereinigten Staaten im ehemaligen Jugoslawien, im
Irak und in Libyen, die viele Hunderttausende von Menschenleben gefordert
haben.“ Washington versuche, die ganze Welt in seinen eigenen Hinterhof zu
verwandeln“.
https://libyareview.com/27429/malian-pm-criticizes-frances-intervention-in-libya/
+ 30.09.: UN-Sicherheitsrat.
Der UN-Sicherheitsrat verlängerte die Ermächtigungen, die den Mitgliedstaaten
ermöglichen, verdächtige Schiffe, zu inspizieren, um Waffenschmuggel nach
Libyen zu unterbinden.
https://libyareview.com/27539/un-authorises-inspection-of-vessels-off-libyan-coast/
Was für eine Farce, nachdem die Türkei ständig mit militärischen
Frachtmaschinen auf die von ihr besetzten Militärstützpunkte einfliegt, ebenso
wie sich Italien und andere Staaten militärisch in Libyen tummeln.
+ 25.09.: Erdgasleitung.
Öl- und Gasminister Mohamed Aoun stellte eine Studie vor, nach der die geplante
nigerianische Gaspipeline nach Europa, die durch Algerien verlaufen soll,
stattdessen durch Libyen geführt werden könnte.
https://www.libyaherald.com/2022/09/libyas-oil-ministry-counter-proposes-that-nigeria-europe-gas-pipeline-run-through-libya/
Diese Gaspipeline ist Zukunftsmusik. Sie durch einen failed-state wie Libyen
zu verlaufen zu lassen, erscheint mehr als unwahrscheinlich.
+
26.09.: Yusuf al-Qaradawi. Der
Ägypter Yusuf al-Qaradawi, ein als Unterstützer des islamistischen Terrorismus
angesehener, muslimischer Fernsehprediger, der am 21. Februar 2011 auf
al-Jazeera eine Fatwa gegen Muammar al-Gaddafi verhängte und zu seiner
Ermordung aufrief, ist tot. Zuletzt lebte al-Qaradawi in Katar.
https://twitter.com/alsaaa24/status/1574350829376659461
+ 28.09. Volkskongress.
In Bani Walid fand die erste Sitzung des Volkskongresses von Bani Walid statt.
Das Thema ist die Befreiung von der Abhängigkeit von den im Parlament
vertretenen Parteien.
Video: https://twitter.com/SaifFuture/status/1575158539026255891
+ 28.09.: Politische
Gefangene. Nachdem der Libyer Nader ad-Darsi an mehreren Demonstrationen,
bei denen die Abhaltung von Wahlen gefordert wurde, teilgenommen hat, wurde er
am 23.09. in al-Baida vor einem Café von bewaffneten und maskierten Männern
entführt. Sein Schicksal und sein Aufenthaltsort sind immer noch unbekannt.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1575159915857203200
Aus anderen Ländern
+ Burkina Faso: „In
Burkina Faso hat es nur acht Monate nach dem letzten Staatsstreich erneut einen
Militärputsch gegeben. Präsident Damiba wurde abgesetzt. Zuletzt hatte die
schlechte Sicherheitslage den Druck auf die Übergangsregierung erhöht. […] An der Spitze Burkina Fasos stehe nun Hauptmann
Ibrahima Traoré von den burkinischen Streitkräften, hieß es weiter. Das
Übergangsparlament ist den Angaben zufolge aufgelöst und die Verfassung
ausgesetzt worden. Die Grenzen Burkinas wurden demnach vorerst geschlossen. […]
Auch lang anhaltende Dürren und Hungerkrisen machen dem trotz reicher
Goldvorkommen verarmten Land zu schaffen.“
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/putsch-burkina-faso-101.html
+ Burkina Faso. „Burkina
Faso: Angriff auf französische Botschaft. In Burkina Faso haben
Demonstranten die französische Botschaft angegriffen. Zuvor hatte der neue
Machthaber Frankreich beschuldigt, dem gestürzten Präsidenten Unterschlupf zu
gewähren. Frankreich stritt das ab. […] Videoaufnahmen in den sozialen Medien zeigten Einwohner mit Fackeln vor
dem Gebäude. Andere Bilder zeigten, dass Teile der Residenz in Flammen
standen.“
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/putsch-burkina-faso-103.html
+ Jemen. „Lässt der Westen Jemen fallen, um Wirtschaftskrieg gegen
Russland zu führen? Im angespannten Klima durch die Folgen des anhaltenden
Konflikts zwischen der NATO und Russland um die Ukraine könnte Frankreich alle
Aussichten auf Frieden im Jemen zunichtemachen, um sich Energieressourcen aus
den Vereinigten Arabischen Emiraten zu sichern. Der Jemen gilt nach
Einschätzung der Vereinten Nationen als der Ort der schlimmsten humanitären
Krise in der modernen Geschichte. […] Nach Schätzungen der UN belief sich die
Gesamtzahl der im Krieg im Jemen getöteten Menschen Anfang 2022 bereits auf
377.000. Die Zahl der getöteten Zivilisten soll sich nach Angaben des
Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) seit dem umstrittenen Abzug von
UN-Menschenrechtsbeobachtern verdoppelt haben. […] Obwohl die Rolle Frankreichs
in der westlichen Öffentlichkeit kaum bekannt ist, ist Paris der drittgrößte
Waffenlieferant für die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, die
diese Waffen für ihre Kriegsanstrengungen im Jemen benötigen, und folgt direkt
hinter den USA und Großbritannien. Tatsächlich haben auch Deutschland, Spanien
und Italien Waffen an den Golf verkauft, die in diesem verheerenden Krieg auch
eingesetzt wurden. […] Das vielleicht größte Problem ist jedoch nicht nur, dass
der Jemen ein rohstoffreiches Land mit einer hungernden Bevölkerung ist, das von
fremden Mächten auseinandergerissen wird, sondern auch, dass niemand im Westen
weiß, woran ihre jeweiligen Regierungen beteiligt sind.“
https://pressefreiheit.rtde.tech/international/149514-westen-ist-bereit-jemen-fallen-zu-lassen/
+ Saudi-Arabien/Deutschland.
„Nach Scholz-Besuch in Saudi-Arabien: Waffen für den Kronprinzen. [… ] Die
„wertebasierte Außenpolitik“ ist flexibel: Während in Deutschland eine
hochemotionale Debatte um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine tobt, in
der die Skeptiker gerne als herzlos und amoralisch dargestellt werden, hat die
Ampel-Regierung ganz nebenbei trotz eines weitgehenden Exportstopps grünes
Licht für die Lieferung von Ausrüstung und Munition für Kampfflugzeuge an
Saudi-Arabien gegeben. “
https://www.heise.de/tp/features/Nach-Scholz-Besuch-in-Saudi-Arabien-Waffen-fuer-den-Kronprinzen-7280806.html?wt_mc=nl.red.telepolis.telepolis-nl.2022-09-30.link.link
+ Syrien. „Tatsächlich
braucht der Libanon keine Hilfe und auch keine Kredite, das Land braucht eine
souveräne wirtschaftliche Perspektive ohne Einmischung, bei der es sich seine
Partner für die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik selber wählt. In den
letzten Jahren hatte der Libanon Angebote aus China, Russland und Iran, die von
den jeweiligen libanesischen Regierungen aus Angst vor angedrohten
US-Sanktionen abgelehnt wurden. Der Verfall der libanesischen Lira ist Ergebnis
einer falschen und korrupten Finanzpolitik der libanesischen Zentralbank, die
Jahrzehnte von der Weltbank, der EU und den USA unterstützt worden war. Die
libanesische Finanzkrise seit Herbst 2019 ist aber auch Folge des
US-amerikanischen >Caesar Gesetzes zum Schutz der syrischen Bevölkerung<,
das erst die syrische Lira, dann das libanesische Pfund abstürzen ließ. Das
Gesetz sieht vor, dass Syrien und jeder, der mit Syrien Handel treibt mit
US-Sanktionen bestraft werden kann. Syrien ist der wichtigste Handelspartner
des Libanon.“
https://globalbridge.ch/und-wer-kuemmert-sich-um-die-katastrophe-im-libanon/
+ Palästina. „Im
Westjordanland hat es erneut eine Razzia der israelischen Armee gegeben – Ziel
war das Haus eines mutmaßlichen Attentäters. Dabei kam es zu Schusswechseln,
bei denen mehrere Palästinenser getötet und zahlreiche verletzt wurden. […] Das
palästinensische Gesundheitsministerium sprach von vier getöteten
Palästinensern und mehr als 40 Verletzten.“
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-jenin-razzia-101.html
+ Afghanistan.
„Medien-Blackout: Wie die USA eine humanitäre Katastrophe in Afghanistan
herstellen. […] Kein Grund zur Empörung: Die US-Regierung klaut den hungernden
Afghan:innen Milliarden. US-Regierung hat sieben Milliarden Dollar der
afghanischen Zentralbank eingefroren, während Afghan:innen verhungern. Die
Medien reagieren mit Wegschauen und gezielten Halbwahrheiten.“
https://www.heise.de/tp/features/Medien-Blackout-Wie-die-USA-eine-humanitaere-Katastrophe-in-Afghanistan-herstellen-7275767.html?wt_mc=nl.red.telepolis.telepolis-nl.2022-09-30.link.link
+ Afrika. „Afrika
verurteilt Einmischung von Blinken und Biden“
Video: https://www.youtube.com/watch?v=mzQvxzMdm1Y
+ wöchentlicher
Nachrichtenüberblick von VoltaireNet:
https://www.voltairenet.org/IMG/pdf/20220930_voltaire_8_de_.pdf
A. Gutsche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen