Donnerstag, 21. Mai 2015



Angelika Gutsche
19.05.2015 |

Waffen für Dschihadisten

Libyen. Diese Vorfälle lassen aufhorchen: Zwei Schiffe werden auf dem Weg nach Libyen gestoppt.

Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Angelika Gutsche
 
Zwei Vorfälle, die sich dieser Tage nahe der libyschen Küste beziehungsweise südlich der griechischen Insel Kreta abgespielt haben, werfen ein Schlaglicht auf die Rolle der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate im libyschen Bürgerkrieg und lassen nur die eine Schlussfolgerung zu: Beide Staaten unterstützen massiv die dschihadistischen Gruppen und den IS in Libyen.
Was war geschehen? Wie tagesschau.de berichtete, wurde am 10. Mai 2015 ein türkisches Frachtschiff von der libyschen Luftwaffe angegriffen. Dabei kam der dritte Offizier des Frachters ums Leben, mehrere Besatzungsmitglieder wurden verletzt. Die Türkei verurteilte die Attacke und behauptete, das Schiff hätte sich in internationalen Gewässern befunden und den Hafen von Tobruk angesteuert. Die Ladung habe aus Ziegelsteinen bestanden.
Dieser Darstellung widerspricht die libysche Regierung auf das Schärfste. Der türkische Frachter habe sich bereits in libyschen Hoheitsgewässern aufgehalten und zwar mit Ziel auf Derna, der IS-Hochburg in Libyen, über die eine Blockade verhängt ist. Satellitenbilder würden dies eindeutig belegen. Der Generalkommandant der libyschen Streitkräfte veröffentlichte den detaillierten Zeitablauf der Geschehnisse. Demnach entdeckten libysche Behörden am 10. Mai gegen 14 Uhr ein Schiff ohne jegliche Beflaggung, das sich nur noch zehn Kilometer von der Hafenstadt Derna entfernt befand. Daraufhin nahm die libysche Küstenwache Kontakt mit dem Frachter auf und fragte nach seiner Identität, seiner Ladung und seiner Genehmigung für den Aufenthalt in libyschen Hoheitsgewässern. Der Frachter gab zur Antwort, er hätte zivile Waren geladen und befinde sich auf dem Weg in den Hafen von Derna. Die libysche Küstenwache befahl dem Schiff zu stoppen, damit die Papiere und die Ladung kontrolliert werden könnten. Falls diesem Befehl nicht nachgekommen werde, müsse das Schiff umgehend die libyschen Hoheitsgewässer verlassen. Nachdem der Frachter viermal die Aufforderung zum Halt ignorierte (um 14.18 Uhr / 14.20 / 14.24 / 14.30) und mit unverringerter Geschwindigkeit weiter Kurs auf den Hafen von Derna nahm, war die libysche Luftwaffe gezwungen, den Frachter mit Gewalt zu stoppen, da Waffenlieferungen für die IS-Milizen in Derna zu befürchtet waren.
Laut informierten Kreisen sollen sich auf dem Schiff in der Tat Söldner befunden haben sowie gepanzerte Fahrzeuge und ähnliches.
Die Rolle der Türkei als Unterstützer der Dschihadisten in Nordafrika ist nicht neu. Bekannt sind seit langem Lieferungen von Waffen, Geld und islamistischen Kämpfern nach Libyen, unter anderem über den Flughafen von Misrata.  Eine ebenso unrühmliche Rolle spielt der türkische Regierungschef Erdogan in Syrien, wo er die türkische Grenze in beide Richtungen für die IS offen hält, damit verletzte Dschihad-Kämpfer zur Behandlung in die Türkei gebracht werden und in die andere Richtung Waffen und Kämpfer nach Syrien nicht nur einsickern, sondern einströmen können. Wie Peter Scholl-Latour in seinem letzten Buch „Der Fluch der bösen Tat“ beschreibt: „Der wirkliche Durchbruch gelang der Rebellion [in Syrien gegen Assad] entlang der tausend Kilometer langen Grenze zur Türkei, die von der Regierung Erdogan in ihrer ganzen Länge geöffnet und unter Missachtung der elementarsten internationalen Vereinbarungen als Durchgangsstation benutzt wurde für das aus Saudi-Arabien und Katar gelieferte Waffenarsenal. Über die Türkei, über die Provinz Hatay zumal, sickerten massive Kohorten von Dschihadisten aus der ganzen islamischen Umma in Nordsyrien ein…“
Gut zu diesem Vorfall passen Berichte, in denen die Türkei als der Bazar für Scharfschützengewehre angeprangert wird. In den USA hergestellte Scharfschützengewehre und optische Spezialgläser, deren Verbreitung strikten Restriktionen unterliegen, tauchen auf dem türkischen Schwarzmarkt auf. Sie gelangen per diplomatischem Gepäck und über andere dunkle Kanäle von den USA in die Türkei und werden dort von Dschihadisten-Einkäufern geordert. Besonders begehrt ist die leichte AR 10, die .308 und/oder 7.62x51 mm Version des alten M16- oder M4-Karabiners, die noch auf 800 m eine große Treffsicherheit aufweist und deren Bedienung kinderleicht ist. So ist es möglich, auf den Schlachtfeldern in Syrien und Libyen billige Amateur-Scharfschützen einzusetzen.
Die Waffenproduktion ist limitiert. Die Präzisionsgewehre werden in kleinen Werkstätten hergestellt, die zum Teil zu Firmen wie Armalite, DPMS, Matrix Aerospace, Aero Precision und Palmetto gehören. Kein Wunder, dass unter diesen Umständen die libyschen Behörden nervös werden, wenn sich ein türkisches Schiff dem Hafen von Derna nähert.
Die Rolle Erdogans in den nordarabischen Ländern ist seit Beginn des sogenannten „arabischen Frühlings“ umstritten. Erdogan unterstützte von Anfang an massiv diese Aufstände und belieferte Dschihadisten mit allem Benötigten. Sieht er die Rolle der Türkei in einer Neuauflage des Osmanischen Reiches, das als Weltreich fast 400 Jahre lang auch Nordafrika kontrollierte? Die Türkei als Großmacht, die ihre Vormachtstellung im gesamten nordarabischen Raum behauptet und Erdogan in der Rolle eines modernen Sultans? Die Türkei als islamischer Staat, ein Vorbild für den ganzen arabischen Raum? 400 Jahre osmanische Herrschaft in diesen Ländern, die sich zwischenzeitlich zu modernen Staaten entwickelten, dürften sowohl von Syrien als auch von Libyen als genug betrachtet werden. Geschichte wiederholt sich nicht, oder doch?
Bereits wenige Tage später, am 15. Mai ließ eine andere Nachricht aufhorchen. An diesem Tag beschlagnahmte die griechische Küstenwache die Fracht eines Schiffes, das vor der Südküste Kretas entdeckt worden war. Spezialkräfte der griechischen Marine stürmten in Zusammenarbeit mit den Hafenbehörden das Boot, um die Frachtpapiere der an Bord befindlichen Waren einer Prüfung zu unterziehen. Es stellte sich heraus, dass das Schiff von den Vereinigten Arabischen Emiraten kam. Bestimmungsort: Libyen. Folgende Fracht wurde vorgefunden:
18 MRAP-Fahrzeuge vom Typ Typhoon, fünf gepanzerte Toyota Land Cruiser, zwei gepanzerte BMW, acht kleinere SUV-Fahrzeuge, alles Spezialanfertigungen für die US-Armee. Daneben soll sich eine kleinere Menge leichter Waffen gefunden haben.
Da weder Frachtpapiere noch ein Endverbraucherzertifikat vorlagen, war die Fracht automatisch illegal und wurde beschlagnahmt.
Ein besonders herber Verlust dürften die gepanzerten Typhoon-Fahrzeuge für die Dschihadisten sein, da diese minensicher sind und bis zu zehn Soldaten in voller Ausrüstung transportieren können.
Alle politisch Verantwortlichen seien in diesem Zusammenhang noch einmal eindrücklich darauf hingewiesen: Es gibt eine Regierung in Libyen, die demokratisch gewählt und international anerkannt ist. Diese Regierung unter Ministerpräsident Al-Thenni ist der alleinige und ausschließliche legitime Ansprechpartner für alle Belange, die Libyen und seine auswärtige Politik betreffen. Ein „Rumpf-GNC“ in Tripolis, den es laut vorläufiger Verfassung überhaupt nicht mehr gibt und der sich mit Gewalt eine Pseudo-Macht verschaffte, darf in der internationalen Politik keine Rolle spielen. Der Waffenboykott gegen die legale Regierung sollte schnellstmöglich aufgehoben werden, damit die libysche Armee das Chaos in ihrem Land beendet kann. Nur so, nämlich in Zusammenarbeit mit der legalen libyschen Regierung, können auch die gigantischen Flüchtlingsströme gestoppt werden, die gerade über Südeuropa hereinbrechen.

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