Sklavenmärkte in Libyen – was wirklich dahintersteckt
Sklavenmärkte,
fake news und der Wunsch des
französischen Präsidenten, militärisch in Libyen einzugreifen – Zustimmung
Libyens zu den Vorschlägen Europas auf dem AU-EU-Gipfel in Abidjan
Der französische Präsident Macron sagte es in einem
Interview mit Franc 24 ganz deutlich: „Wir schlagen vor, polizeiliche und
militärische Maßnahmen zu ergreifen. Wir führen keinen Krieg, aber dieses Land
befindet sich in einem politischen Übergang.“[1]
Macron erklärte, entsprechende Maßnahmen mit Angela Merkel und dem
italienischen Premierminister Paolo Gentiloni diskutiert zu haben. Und auf dem
Gipfeltreffen zwischen EU und AU am 29. und 30. November in Abidjan kündigte er
an: „Wir brauchen ganz dringend eine entschlossene Notfalloperation. Wir müssen
alle Menschen evakuieren, die in ihre Heimat zurückkehren wollen und können.“[2]
Die Operation in Libyen soll schon in den nächsten Tagen beginnen. In die
‚Rettungsaktion‘ der Migranten würden Geheimdienste und Polizeibehörden eingebunden.
Geheimdienste waren wohl schon vorher eingebunden, nämlich
beim Produzieren eines CNN-Berichts über sogenannte Sklavenmärkte in Libyen.
Und wie brave Hündchen schnappten weltweit Medien jeder politischen Couleur die
Vorwürfe auf. Die medialen Wellen schlugen hoch: In Libyen werden Sklaven
auf öffentlichen Märkten versteigert! Mochte da auch der Botschafter des Niger in Libyen diese Berichte für komplett
gefälscht halten und in einer Stellungnahme bestreiten, dass Bürger des Nigers
in Libyen als Sklaven gehalten werden[3]
und mochte der Außenminister von Sambia sagen, ihm sei nicht bekannt, dass
Sambier auf angeblichen Sklavenmärkten verkauft würden und mochte auch der
ghanaische Außenminister dementieren, dass man Ghanaer als Sklaven handelt.
Es half alles nichts, die Medien überschlugen sich in der Anprangerung der
skandalösen Zustände in Libyen. So als hätte man zum ersten Mal von den
schlimmen Zuständen gehört, die seit der Ermordung Gaddafis in Libyen
herrschen, allerdings nicht nur in den Gefangenenlagern für schwarze Migranten,
sondern in abgeschwächter Form auch fast für die gesamte libysche Bevölkerung.
Es war gutes Timing, den CNN-Bericht wenige Tage vor einer
Grundsatzrede Macrons in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, und vor
Beginn des EU-AU-Gipels in Abidjan zu lancieren. Die dumm-dreiste
Meinungsmanipulation schien schon wieder zu funktionieren: Um Menschen zu
schützen, muss der Westen in Libyen militärisch intervenieren. Diesmal sind es
allerdings nicht wie 2011 die Libyer, die man vor Gaddafi schützen muss,
sondern diesmal sind es Schwarzafrikaner, die man vor Libyern schützen muss.
Viele libysche Medien widersprachen und beriefen sich in diesem Fall auf Trump,
der twitterte: CNN produziert fake news![4]
Keine Frage, die Zustände in den libyschen Gefangenenlagern
sind skandalös. Doch warum wurde gerade hier und jetzt dieses Thema auf diese
Weise weltweit gepusht? Und warum wird in keinem der aufgeregten Presseberichte
erklärt, warum Libyen ein failed state mit
einer desaströsen Sicherheitslage ist? Nirgendwo wird die Rolle der Nato 2011
bei der wissentlichen Zerstörung sämtlicher libyscher Staatsstrukturen erwähnt.
Ben Norton schreibt: „Teil des Problems ist der fehlende Wille der
internationalen Organisationen darzulegen, welche Verantwortung die mächtigen
westlichen Regierungen tragen.“[5]
Es seien politische Regierungsentscheidungen gewesen, die beschlossen, „die
stabile Regierung in Libyen zu stürzen, die ölreiche nordafrikanische Nation zu
einen failed state zu machen, regiert
von konkurrierenden Warlords und Milizen, von denen einige in das Sklaven- und
Schmuggelgeschäft verwickelt sind und daraus Profit schlagen.“ Doch nicht nur
die internationalen Organisationen, auch die Medien breiteten seit 2011 den
Mantel des Schweigens über die katastrophalen Zustände, die die Nato in Libyen
herbeibombte.
Vor einer Woche kam es im Europäischen Parlament beinahe
zu einem Eklat, als zur Vorbereitung des EU-AU-Gipfels der malische
Außenminister geladen war und in einer Rede „den Nato-Krieg gegen Libyen als
Ursache des aktuellen Chaos‘ in Libyen scharf kritisierte.“[6]
Das wollte man nun gerade nicht hören.
Um die Sklaven in Libyen zu befreien, beantragte Macron eine
Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats und drohte mit Sanktionen. Wen
bitte will er denn sanktionieren? Das am Boden liegende Libyen, das in Wahrheit
keine legitime Regierung hat, sondern nur eine sogenannte ‚Einheitsregierung‘,
die vom Westen eingesetzt wurde und ihr Verbündeter ist? Oder wollte er die
Menschenschmuggler sanktionieren? Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, es
hieße nämlich, radikal-islamistischen Milizen kein Geld, keine Waffen, keine
Ausbildung und auch keine geheimdienstliche Unterstützung mehr zur Verfügung zu
stellen. Nur, um die Hilfen für fragwürdige Milizen zu stoppen, dazu braucht es
keinen UN-Sicherheitsrat. Wahrscheinlicher ist, dass Macron der Öffentlichkeit
für sein angedrohtes militärisches Vorgehen in Libyen eine nicht vorhandene
Legalität vorgaukeln wollte.
In Libyen selbst wurden die Stimmen immer lauter, die
behaupteten, der CNN-Bericht werde von europäischen Ländern dazu benutzt, von
libyschen Behörden Zusagen zu erpressen. Ziel wäre es, libysche Politiker dazu
zu bringen, bestimmte Wünsche der Europäer zu erfüllen. Der libysche
UN-Botschafter erklärte, sein Land sei Opfer einer großangelegten Kampagne
irreführender Medien, die es diffamierten und als rassistisches Land
porträtierten.[7]
Und so wirkte der Vertreter Libyens auf dem EU-AU-Gipfel schon fast
verzweifelt, als er sagte, es gebe keine Beweise für Sklavenhandel in Libyen.
Salah Ali Abourgigha erklärte, Sklavenhandel werde schon aus religiösen Gründen
in der libyschen Gesellschaft nicht akzeptiert. Aus anderen libyschen Quellen
verlautete, Teile des auf CNN gezeigten Fotomaterials seien alt und stamme aus
vergangenen Jahren.
Nichtsdestotrotz erhält Macron für seinen Plan, unter dem
Deckmäntelchen humanitärer Hilfe die Intervention ausländischer Truppen
voranzutreiben, viel Unterstützung aus Europa. So sagte der französische
UN-Botschafter Francois Delattre zu den Berichten über libysche Sklavenmärkte:
„Das darf nicht ungestraft bleiben.“ Und: „Wir müssen weiter, viel weiter gehen
im Sinne von Nein zu einer unhaltbaren Situation.“[8] Und
der stellvertretende britische Abgeordnete Jonathan Allen meinte, dass nur
durch nachhaltige und vereinte Aktionen der Sklavenhandel und die Ausbeutung
von Migranten ausgerottet werden könnten. Schützenhilfe kam auch von dem
italienischen Vertreter Sebastiano Cardi. Seine Aussage, wenn die Probleme
Menschenhandel und illegale Einwanderung gelöst seien, würde dies die
Stabilität stärken und eine politische Lösung in Libyen herbeiführen, kann man
getrost ins Land der Phantasie verbannen. Interessant ist, wie sich die alte
Bomben-Koalition wieder für eine neue Invasion zusammenrottet.
Es handelt sich dabei wohl um
Wahlvorbereitungen der besonderen Art. Der Westen will boots on the ground, um im Falle eines Falles unverzüglich
eingreifen zu können. Falls – wie vom UN-Sondergesandten Salamé angekündigt –
Anfang nächsten Jahres in Libyen Wahlen stattfinden, zu denen auch Saif
al-Islam Gaddafi mit besten Chancen antreten würde, müsste der Westen – sollte
nicht die ganze NATO-Aktion des Jahres 2011 umsonst
gewesen sein – Libyen militärisch fest im Griff haben, um Saif al-Islam, der
auch die meisten Stammesmilizen und das Militär hinter sich hätte,
handlungsunfähig zu machen. Saif al-Islam geht gerade erfolgreich gegen
Anschuldigungen, die in der Vergangenheit gegen ihn erhoben wurden, juristisch
vor. Er will unbescholten sein politisches Comeback starten.
Es geht um viel in Libyen. Nicht nur um das Land selbst,
sondern auch darum, inwieweit es dem Westen gelingt, ganz Afrika zu
beherrschen. Die libyschen Ressourcen an Erdöl und Wasser oder die Gold- und
Uranminen im südlichen Fessan sind nur ein Teil des afrikanischen Reichtums.
Und so hat Libyen auch hohen strategischen Wert. Über Libyen können die reichen
Bodenschätze des afrikanischen Kontinents aus dem Niger, aus Mauretanien und
aus dem goldreichen Mali an die Küste des Mittelmeers zur Verschiffung nach
Europa gebracht werden. So wie einst die Karawanen Gold, Elfenbein und Sklaven
transportierten. Zur Absicherung der kostbaren Fracht braucht es Militär. Das
wussten schon die alten Römer, deren südlicher Limes mit seinen Militäranlagen
am nördlichen Rand der Sahara verlief. Und so steckt heute Europa viel Geld in
die afrikanischen Grenzsicherungen, die gleichzeitig Migranten abhalten sollen.
Allerdings scheint Macron schon wieder etwas zurückgerudert
zu sein. Frankreich wolle nun nur noch mit technischer und
nachrichtendienstlicher Hilfe der AU und Libyen zur Seite stehen. Doch ist
bekannt, dass französische Soldaten im Osten Libyens General Heftar beim Kampf
gegen Dschihadisten unterstützen und etwa 3.000 Franzosen in der Sahelzone im
Einsatz sind.
Sicher ist, dass das Schicksal von Schwarzafrikanern den
Politikern der westlichen Länder herzlich egal ist. Sonst hätten sie schon im
Jahr 2011 genügend Gelegenheit gehabt, gegen Misshandlungen und Morden an
Schwarzen vorzugehen. So empört sich Gerald A. Perreira über die von den
westlichen Medien vergossenen Krokodilstränen wegen angeblicher Sklavenmärkte
in Libyen. Er nimmt Bezug auf einen Artikel, den er im Dezember 2011 geschrieben hatte und in dem es heißt: „Eine schwarze
Haut zu haben und als Afrikaner zu gelten, ist in Libyen zum Verbrechen
geworden. Die ethnische Säuberung geht unvermindert weiter. Jeden Tag werden
Schwarze aus Libyen und anderen Teilen Afrikas gejagt. Tausende wurden brutal
gefoltert und hingerichtet. Vergewaltigung von schwarzen Frauen ist eine
bevorzugte Waffe der NATO-Islamisten. Viele der gefundenen weiblichen Körper
zeigen Anzeichen von Vergewaltigung, Schlägen und Folter.“ Und: „Diese Rebellen
nennen schwarze Libyer abd, das heißt
Sklave. Sie treiben sie zusammen, nur weil sie schwarz sind.“[9] Nur
erfolgte 2011 wegen dieser Verbrechen kein westlicher Medienaufschrei, denn
diese Verbrechen wurden von den Verbündeten des Westens begangen. „Diese
Verbrechen gegen schwarze Afrikaner und Gaddafi-Getreue, egal welcher
Hautfarbe, begannen in Libyen im Jahr 2011 und halten bis heute unvermindert
an.“
Auch ein Artikel des Guardian
im Oktober 2011 befasste sich mit
Lynchaktionen gegen Schwarze, zu denen es nach der Übernahme von Bengasi durch
die ‚Rebellen‘ kam. Unzählige schwarzhäutige Libyer und subsaharische
afrikanische Arbeiter wurden in den Straßen der Stadt gelyncht.[10]
Doch zurück in die Gegenwart. 2017 könnte man auch in Europa
die Menschenrechte von Afrikanern schützen, indem man gegen Zwangsprostitution
von schwarzen Frauen in Italien vorgeht oder gegen die unhaltbaren Zustände in
griechischen Flüchtlingslagern. Bis jetzt ist nicht bekannt, dass Frankreich
deshalb Italien oder Griechenland mit einer Intervention gedroht hat.
Griechenland würde wohl auch kaum einem solchen Plan
zustimmen, so wie es am 30. November Libyen auf dem AU-EU-Gipfel in Abidjan
tat. Libyen erklärte sich einverstanden, dass tausende Migranten ‚evakuiert‘
und in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Laut Sarradsch sollen sich etwa
500.000 Migranten in Libyen aufhalten, von denen allerdings nur etwa 22.000 in
Flüchtlingslagern untergebracht sind. In Tripolis sollen Transit- und
Ausreiseeinrichtungen geschaffen werden, die unter ‚internationalem Schutz‘
stehen. Internationaler Schutz, das heißt wohl ausländisches Militär. Die
Vereinten Nationen begrüßten den Plan.
Sarradsch war am 1. Dezember zu Gast bei Donald Trump im
Weißen Haus. Der wird ihm schon erklärt haben, wie die Sache in Libyen künftig
zu laufen hat. Es steht zu befürchten, dass sich die desaströse Libyenpolitik
Europas, diesmal unter Federführung von Emmanuel Macron, im Schulterschluss mit
den USA fortsetzen wird.
Angelika Gutsche, 2.12.2012
[1]
https://sputniknews.com/middleeast/201711301059556424-macron-proposing-libya-military-action/
[2]
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-352069.html
[3]
www.libyaobserver.ly/news/niger-embassy-denies-slave-markets-nigeriens-libya
[4]
https://www.theguardian.com/world/2017/nov/28/libya-slave-trade-cnn-report-trump-fake-news
[5]
www.informationclearinghouse.info/48307.htm
[6]
www.imi-online.de/2017/11/30/eu-afrika-gipfel/
[7]
http://www.libyanexpress.com/un-security-council-libya-must-close-all-migrants-detention-centers/
[8]
https://www.libyaherald.com/2017/11/28/un-security-council-condemn-reported-slave-trading-in-libya-as-icc-says-it-may-investigate-allegations/
[9]
https://libyadiary.wordpress.com/2011/12/08/demons-unleashed-in-libya-natos-islamists-continue-program-of-ethnic-and-ideological-cleansing/
[10]
https://www.theguardian.com/commentisfree/2011/oct/26/libya-war-saving-lives-catastrophic-failure
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