Das militärische Engagement der USA und der EU im Niger
Im Niger hatte auch
Libyen bis zum Sturz Gaddafis 2011 einen gewissen Einfluss. Heute haben dort
nur noch die USA, Frankreich und andere europäische Staaten das Sagen.
1960 wurde Niger von seiner Kolonialmacht Frankreich in die
Unabhängigkeit entlassen. Es folgten mehrere Staatsstreiche und
Tuareg-Aufstände, bei denen Frankreich, deren Uran-Firma Areva die großen
Uran-Vorkommen im Tuareg-Gebiet in der Gegend um Agadez ausbeutet, jeweils eine
unschöne Rolle spielte.
Im Norden des Niger befindet sich auch das Sahara-Gebiet der
Ténéré, mit den Oasen Séguédine, Anney, Dirkou und Bilma, Umschlagplätze für
Handels- und Schmuggelwaren aller Art durch das Sandmeer der Sahara in Richtung
Nordafrika. Tuareg transportieren heute noch Salz mittels Kamelkarawanen durch
die Ténéré. Hier haben seit Jahren Chinesen Erdölclaims abgesteckt: Reiche
Vorkommen an Bodenschätzen werden unter der endlosen Sandwüste vermutet. Mit
ihren Militärstützpunkten riegeln die USA und Europa nun die Sahara als
Durchgangsweg zwischen Schwarzafrika und nordafrikanischen Mittelmeerhäfen
erfolgreich gegen missliebige Gegenspieler und Konkurrenten auf dem Weltmarkt
ab.
Im Oktober 2009 kam es nach einer Verfassungsänderung, die
nur zwei Amtszeiten vorgesehen hatte, zur dritten Wiederwahl von Mamadou Tandja
zum Präsidenten. Daraufhin putschte im Februar 2010 das Militär. Mamadou wurde
verhaftet, die Verfassung außer Kraft gesetzt und ein Militär als neuer
Machthaber eingesetzt. Aufgrund des Putsches setzte die Afrikanische Union die
Mitgliedschaft Nigers aus.
Im März 2011, als der Krieg gegen Libyen bereits im vollen
Gange war, wurden Wahlen durchgeführt, die Mahamadou Issoufou gewann. 2016
boykottierte die Opposition, deren Kandidat kurz vorher verhaftet worden war,
die Wahl wegen Manipulation, so dass Issoufou mit 92 Prozent der Stimmen
wiedergewählt wurde. Um die Schande dieser Wahlen nicht dokumentieren zu
müssen, entsandte die EU lieber keine Wahlbeobachter in den Niger. Issoufou
betreibt seitdem offen eine Politik der engen Abstimmung mit seinen
militärstrategischen Partnern in den USA und Europa und lässt sich gut dafür
bezahlen. 2014 lieferte er Saadi al-Gaddafi, drittältester Sohn von Muammar
al-Gaddafi, der 2011 in den Niger geflohen war und dort um politisches Asyl
gebeten hatte, gegen Bezahlung an die islamistischen Machthaber im Westen
Libyens aus. Saadi sitzt seitdem dort im Gefängnis, sein Prozess wurde auf
unbestimmte Zeit verschoben.
Starke Kritik musste Issoufou einstecken, als er im Januar
2015 in Paris am Marsch „Je suis Charlie“ teilnahm und sich wieder einmal mehr
als Lakai des Westens outete. Da half auch nicht, dass eine französische Firma
mit engen Verbindungen zur französischen Polit-Elite schwer am Image des
nigrischen Politikers arbeitete.
Wie groß inzwischen
die Militärpräsenz der USA und Europas im Niger ist beschreibt Joe Penney in TheIntercept[1].
Im Oktober 2017 sei ein Konvoy mit nigrischen und amerikanischen
Spezialeinsatzkräften, die aus dem Dorf Tongo Tongo kamen, von Militanten
überfallen worden. Fünf Nigrer und vier Amerikaner wurden getötet und ihre
nackten Leichen im Busch gefunden. Dieser Vorfall war in Niger vor allem so
unerhört, weil die Nigrer dadurch zum ersten Mal erfuhren, dass amerikanische
Soldaten in ihrem Land kämpften. Soumana Sanda, Führer einer
Oppositionspartei im nigrischen Parlament erklärte: „Erst da erfuhr ich,
Nigrer, Parlamentarier und somit Volksvertreter, dass es hier tatsächlich einen
(US-amerikanischen) Stützpunkt gibt, der Bodenoperationen durchführt.“ Und ein
anderer Nigrer meinte: „Für uns ist das eine neue Form der Kolonisation“.
Tatsächlich befänden
sich mindestens seit 2013 US-Spezialeinsatzkräfte im Niger, die in
Militärstützpunkten mit nigrischen Elitesoldaten zusammenarbeiten.
In Agadez, einer
Drehscheibe des Handels und Schmuggels nahe den Grenzen zu Libyen, Algerien,
Mali und dem Tschad, mitten im Tuareg- und Uranabaugebiet, errichten die USA
laut Penney einen 110 Mio. US-$ teuren Drohnenstützpunkt, der 2018
fertiggestellt werden soll. Offiziell gehört die Basis dem nigrischen Militär,
auch wenn sie von den USA bezahlt, gebaut und betrieben wird und ihre Soldaten
in der Gegend patrouillieren. Der Stützpunkt soll der Bekämpfung von
dschihadistischen Kämpfern wie al-Kaida im islamischen Maghreb oder Boko Haram
dienen.
Penney berichtet von
seinen Gesprächen mit Menschen aus der Agadez-Region und dass hier niemand
glaube, die US-Amerikaner seien dort, um für Sicherheit in der Region zu
sorgen. Vielmehr werde vermutet, es gehe um Bodenschätze wie Erdöl, Gold und
Uran oder auch die riesigen Süßwasservorkommen unter dem Sahara-Sand.
Es sei nicht
einmal klar, ob diese US-amerikanische Drohnenbasis legal ist. Denn laut der
nigrischen Verfassung bedürfen Verteidigungsverträge der Zustimmung des
Parlaments, die niemals eingeholt wurde, und der Niger dürfe auch nur von
nigrischen Streitkräften verteidigt werden. Dieser Sicht widerspricht der nigrische Verteidigungsminister: Die mit
den USA und Frankreich geschlossenen Verträge seien keine Verteidigungsabsprachen.
Für Penney besteht die Ironie gerade darin, dass angeblich die US-amerikanische
Militärpräsenz im Land helfen soll, den Niger zu stabilisieren, während die
Absprachen mit der dortigen Regierung, die die Verfassung umgehen, gerade dabei
hilft, den sowieso schon instabilen demokratischen Prozess zu unterminieren.
Es besteht die große
Gefahr, dass bewaffnete US-amerikanische Drohnen nicht nur Dschihadisten jagen,
sondern auch normale Fahrzeuge angreifen. Immerhin ist die Sahara der Lebensraum
der Tuareg-Beduinen, die sich zwischen allen Staatsgrenzen frei bewegen. Die
bisher verdeckte Feindseligkeit durch die Bewohner von Agadez und der
umliegenden Gebiete dürfte bei dem kleinsten Vorfall in offene Feindschaft
umschlagen.
Auch außerhalb des Drohnenstützpunkts
in Agadez trainieren Green Berets nigrische Spezialeinsatzkräfte: in Ouallam
nahe der Grenze zu Mali, Aguelal westlich von Arlit (Uranabbau) nahe der
algerischen Grenze (deren Geheimhaltung erst diesen Februar durch Auswertung
der Fitness-App US-amerikanischer Soldaten aufflog), der Ténéré-Oase Dirkou
(hier verläuft die Sahara-Piste zwischen Niger und Libyen) und Diffa an der
Grenze zu Nigeria und dem Tschad. Die Sprecherin des US-Afrika-Command,
Samantha Reho: „Ich kann bestätigen, dass etwa 800 Personen des
Verteidigungspersonals (Militär, Zivilpersonen und Vertragspartner)
augenblicklich im Niger arbeiten.“ Dies sei nach Dschibuti am Horn von Afrika
der zweithöchste Personenstand.
Wie nicht nur das Beispiel Tongo Tongo zeige, scheinen die
US-Spezialeinheiten an Operationen wie gemeinsame Militärpatrouillen beteiligt
zu sein, die weit über das Mandat nigrische Soldaten auszubilden, hinausgehen.
Laut Penney haben
seit 2013 auch die Franzosen Soldaten im Niger stationiert und richteten sich 2015
wieder in der Kolonialfestung Madama nahe der libyschen Grenze ein. Deutschland
hat im Rahmen einer Friedensmission an der Grenze zu Mali Soldaten in den Niger
entsandt und auch Italien kündigte an, es werde 470 Soldaten an einen
französischen Stützpunkt im Niger entsenden. Europa will den USA nicht allein
das Feld überlassen, dafür ist Frankreich zu sehr vom Uran abhängig und Italien
muss den Strom der Migranten stoppen.
Die Vorarbeiten für
diese Militarisierung des gesamten Sahel- und Saharazone leistete laut Jeremy
Keenan[2],
Anthropologe und hervorragender Kenner dieser saharischen Gebiete, die
Bush-Administration und die algerische Regierung, indem sie 2003 die Entführung
von 32 europäischen Touristen, in der Mehrzahl Deutsche, inszenierten und diese
anschließend islamistischen Terroristen in die Schuhe schoben. Damit wurde in
der Weltöffentlichkeit ein Klima erzeugt, dass es ermöglichte, aus angeblichen
Sicherheitsgründen Militärbasen in der gesamten Sahel- und Saharazone zu
errichten und Touristen von dieser nun durch und durch militarisierten Gegend
fernzuhalten.
Doch der Niger
stellt sich nicht nur mit fragwürdigen Verträgen gegen seine Verfassung, auch
das eigene Gesetz wurde gebrochen, als der Niger begann, die Fahrer von
Migrantenfahrzeugen zu verhaften und ihre Fahrzeuge zu beschlagnahmen. Laut dem
nigrischen Gesetz haben alle Bürger westafrikanischer Staaten das Recht, sich
frei innerhalb des Niger zu bewegen. Erst der illegale Grenzübergang nach
Libyen ist strafbar. Die Italiener scherten sich darum nur wenig und
verkündeten gleich nach der Eröffnung ihrer Botschaft im Niger im Januar 2018,
sie würden nun Soldaten in den Norden des Landes schicken, um die Migration zu
bekämpfen.
AFRICOM:
„US-Streitkräfte befinden sich im Niger, um mit und durch nigrische Partner zu
arbeiten, Stabilität und Sicherheit zu fördern und Niger zu ermöglichen, etwas
gegen seine Sicherheitsbedrohungen zu unternehmen“.
Niger, ein Staat
reich an Bodenschätzen, der bei den ärmsten Ländern der Welt Rang 1[3]
einnimmt[4], hat
aufgehört, als souveräner Staat zu existieren.
A. Gutsche
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